Mein Freund hat einen Weinberg – Predigt zu Jesaja 5,1-7 von Rainer Claus
Eine kleine Umzugskiste muss er noch auspacken. Und das ist die Schwerste. Nicht vom Gewicht her, sie ist mit Bilder und Kleinigkeiten gefüllt. Schwer wird ihm das Herz, wenn er die Bilder sieht und die Vergangenheit noch einmal in die Hand nimmt. Eigentlich könnte er die ganze Kiste wegwerfen. Fünf Jahre seines Lebens, Erinnerungen an eine große Liebe. Aber das schmeißt Du nicht einfach so weg. Er greift in die Kiste und zieht wahllos etwas heraus. Ein Eintrittsticket. Depeche Mode in Hamburg. Dort hatten Sie sich kennengelernt, anschließend geschrieben. Tom hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick. Als sie nach einem Jahr einen Job in Süddeutschland angeboten bekam, da zog er kurzer Hand mit. Er unterstützte sie beim Neuanfang in der Firma, obwohl er selbst einen neuen Job hatte. ER war der Kümmerer. Er war der, der die Steine aus dem Weg räumte und hielt ihr den Rücken frei. Sein Freund Mattis fragte ihn einmal, warum er soviel Herzblut in diese Beziehung investierte, mehr als für ihn gut war. „Ach du mit deinem BWL Studium. Meinst du Liebe muss sich immer auszahlen“, hatte er geantwortet. „Ich liebe diese Frau eben. Dann kann man nix machen.“
(Lektorin liest jeweils den Bibeltext)
Aus dem Buch des Propheten Jesaja: Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte.
Das Ticket vom ersten Konzert landet im Altpapier. Genauso wie die Einladungskarte zu ihrer Hochzeit und die Fotos aus dem Toskana Urlaub. Weg damit. Es war vorbei. Irgendwann hatte er gemerkt: wenn du immer nur gibst und nichts zurückbekommst, breitet sich Leere in Dir aus. Anfangs hatte er gehofft, die Liebe wird schon noch wachsen. Sie braucht einfach Zeit. Aber in ihrem kargen Alltag fühle er sich bald alleine und die Verletzungen nahmen zu. Worte waren wie Messer.
Lektor:
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte aber er brachte schlechte.
Der Termin beim Anwalt war bitter. Er war wütend und hatte ihr alle Schlechtigkeit an den Kopf geworfen. Alles, was sich angestaut hatte. Die Geschichte einer Enttäuschung. Dabei hatte alles so gut angefangen.
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Der Prophet Jesaja singt ein Lied und erzählt eine Liebesgeschichte. Mein Freund hatte einen Weinberg. Poetische Worte. Wie technisch klingt dagegen unser heutiges Wort „Beziehung“ Zur Zeit Jesajas hatte jeder sofort bei dem Stichwort „Weinberg“ eine Liebesgeschichte vor Augen. Liebe ist wie ein Weinberg, also wie ein Garten, der angelegt wird. Du kannst seine Schönheit und Fülle genießen, die saftigen Trauben. Du musst aber auch Steine wegräumen, Wege anlegen, etwas aufzubauen. Ein schönes Bild für die Liebe.
Diese Geschichte geht nicht gut aus. Es gibt keine guten Trauben, der Weinberg bringt keine Frucht, obwohl der Winzer alles getan hat. Am Ende müssen oft Anwälte und Gerichte entscheiden über das Ende von Beziehungen. So auch im Weinberglied.
Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
Enttäuschte Liebe tut weh. Der Schmerz entlädt sich oft in Wut und Zorn. Was mir eben noch am Liebsten war, möchte ich kurz und klein schlagen. Der enttäuschte Liebhaber im Weinberg-Lied sagt:
Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahlgefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.
Eine enttäuschte Liebe. Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Eine Geschichte, in der Menschen sich wiederfinden können mit ihren Verletzungen und Verwüstungen. Das passt zur beginnenden Passionszeit. Wir legen in dieser Zeit alles in Gottes Hand, was im Leben nicht wachsen konnte, was verkümmert ist, wo wir andere enttäuscht haben oder Enttäuschung mit uns tragen.
Doch das Lied geht weiter. Nimmt eine Wendung und weitet den Horizont. Hört es selbst:
Des HERRN Zebaoth Weinberg ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.
Es geht um die Liebe Gottes zu seinem Volk. Gott ist enttäuscht, verletzt und wird zornig. Das Gottesvolk, sein Weinberg bringt keine gute Frucht, obwohl er sich unermüdlich einsetzt. Jesaja, der Prophet hat es vor Augen: Die Eliten sind korrupt und bereichern sich auf Kosten der Armen. Statt Gut-Tat, gibt es Blut-Tat. Das Volk Israel als Weinberg Gottes hat versagt. Die Menschen sind böse, gewalttätig. Statt gute Früchte zu bringen, gibt es nur bittere Trauben. Eine Gesellschaft versinkt im Unrecht. Für Jesaja gibt es keine Liebe zu Gott ohne die Liebe zum Nächsten. Was auf dem Marktplatz passiert, hängt zusammen mit dem, was im Tempel gesagt wird. Bei ihm wird die Liebe groß gedacht, wird politisch und geht über das, was zwischen zwei Menschen passiert weit hinaus. Gott will Recht und Gerechtigkeit. Das ist die Ansage des Propheten Jesaja. Wo eine Gesellschaft nicht darauf achtet, dass es allen gut geht, verkümmert das Leben. Klare Ansagen im Weinberg Gottes im achten Jahrhundert vor Christus.
Gott hat einen Weinberg, immer noch. Obwohl er ihn doch enttäuscht aufgeben wollte. Erst neulich wurde dieser Weinberg neu vermessen, kartographiert und fotografiert Ich habe die Bilder im Internet gesehen. Die Raumsonde EOS hat den Weingarten Gottes umrundet, der Planet, den wir Erde nennen. Das sind Bilder von atemberaubendere Schönheit. Vollkommenes Blau der Meere, die Wälder im satten Grün und majestätisch grau die Rücken der Berge.
Nachts leuchten die Städte dieser Welt wie funkelnde Sterne. Gott hat sich wirklich Mühe gegeben mit diesem Weinberg. Es ist genug für alle da. Der Boden ist fruchtbar und das Wasser so klar. Hier könnten sie wachsen die Trauben der Gerechtigkeit. Saftig und prall. Hier könnten sie wachsen die Trauben des Friedens. Sonnengetränkt.
Aber wer genau hinsieht, von oben, aufs Ganze gesehen, erkennt die Spuren der Verwüstung. Die Antarktis ist auf dem Rückzug. Das schimmernde Weiß verschwindet mehr und mehr. Aus dem satten Grün der Wälder werden immer mehr aschegraue Felder. Rauchschwaden so groß, dass sie selbst aus dem All zu sehen sind. Im klaren Blau der Meere treiben ganze Kontinente aus Plastik.
Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.
Manchmal fürchte ich mich und denke dass es zu spät ist für unseren Weinberg und dass Gott, der gute Weinbergbesitzer sich aus dem Staub gemacht hat. Vielleicht konnte er es nicht mehr mitansehen, all dieses Blut, das zum Himmel schreit, all diese Zerstörung von Leben. Vielleicht hat er enttäuscht einen neuen Garten angelegt, eine neue Liebe gefunden, irgendwo in einer fernen Galaxy, was weiß ich denn schon von seiner Unendlichkeit.
Aber dann sehe ich seinen Gärtner kommen, fröhlich pfeifend, die Gießkanne in der Hand. Behutsam richtet er die geknickten Reben auf, schlägt Pflöcke ein, die die Pflanzen halten. Prüfend pflückt er eine Traube, steckt sie sich in den Mund und muss lächeln. Kommt her zu mir, sagt er, ich bin der Weinstock und ihr die Reben. Solange ihr mit mir verbunden seid, bekommt ihr neue Kraft. Er nimmt seine Gießkanne und es strömen Recht und Gerechtigkeit wie Wasser.
Mein Freund hat einen Weinberg, ich will das die Geschichte diesmal gut ausgeht und hole schon mal die Harke aus dem Schuppen. Nimmst du die Gießkanne. Dann sind wir schon zwei. Und wo zwei oder drei – na, ihr wisst schon… Der Umzugskarton ist leer. Vor ihm liegen zwei Stapel. Ein Haufen mit Erinnerungsstücken, von denen er sich trennen will. Die Wut ist vergangen.
Was war, soll ihn nicht mehr gefangen nehmen. Den zweiten Stapel mit Erinnerungen will er bewahren. Es gab auch gute Zeiten. Vielleicht ist das der Humus, auf dem etwas Neues wächst. Irgendwann will er wieder lieben. Mein Freund wird einen Weinberg haben. Er wird ihn umgraben und edle Reben pflanzen. Er wird einen Turm bauen und warten. Und er wird gute Trauben bringen.
Amen
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Freunde des Weinbergs und die Liebe des Fischers – Predigt zu Jesaja 5,1-7 von Lars Hillebold
Eine Predigt-Cuvee
mit Jesaja 5,1-7 und Gerhard Schöne, Die Liebe des Fischers (aus: Die sieben Gaben 1992)
Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.
(Luther 2017)
[Der Liedermacher]
Im lärmenden Gedränge der Gassen Jerusalems ist er einer von vielen. Doch hörbar ist er zwischen den Mauern. Seine Stimme füllt die Gasse. Sein Klang erreicht die Masse. Die Menschen strömen zu ihm und seine Töne in ihren Ohren. Jerusalem ist seine Stadt. Hauptstadt - darüber würde es noch lange Misstöne geben. Aber so ist das: Wenn einer seine Stimme erhebt, werden auch andere lauter. Heute war die Zeit gekommen, den Tönen Taten folgen zu lassen. Es war, als würde er mit der Melodie eine Amphore Wein öffnen. Der Duft der Trauben zieht in die Gassen. Seine Stimme fließt. Es hallt von den Stadtmauern wider. Die Menschen nehmen den Klang auf, wie trockene Erde Wasser schluckt.
Genau. Der harte Boden dieser Stadt bräuchte so viel Pflege. Manchmal ist ihm zum Weinen zu Mute, wieviel Kraft und Liebe in einen Weinberg eingebracht werden muss. All die Mühe bis ein Ertrag sichtbar wird. Vor allem bis er schmackhaft wird. Doch was bleibt einem Winzer schon übrig. Den unfruchtbaren Boden harkt er beständig mit seiner Fürsorge um. In den Berg hat er eine feste Bleibe hineingebaut. Dort lässt er sich nieder mit Geduld; und nimmt Aussicht vom Turm über seinen ganzen Berg.
Da hebt die Melodie wieder an. Nun warten die Menschen auf seine Worte. Sein Lied summen sie schon mit. Sie stoßen fast an. Gleich werden sie noch schunkeln. Es klingt schon kitschig: In den Noten hängt die Liebe. Da weicht der Kitsch: enttäuschte Liebe. Auf den ersten Blick Trauben im vollen Saft. Doch nun kommt die Botschaft: Die Trauben schmecken nicht. Sein Urteil ist vernichtend.
[Die erste Strophe von der Liebe des Fischers]
Fische huschten unter Steine, Wolken zogen bang,
als der junge Fischer Erik heimkam mit Gesang.
Vor dem Tor im schwarzen Mantel wartete ein Mann.
`s war der Richter von dem Festland, der sprach Erik an:
`Deine Frau Luise brachte man mir in der Früh.
Sie brach die Ehe mit `nem Fremden. Schande über sie!
Nach dem Brauch der Insel wird beim ersten Sonnenschein
deine Frau vom Fels gestoßen in den Tod hinein.
[Ein Rechtspruch]
Das Urteil ist gefallen. Bitter. Es waren schlechte Trauben. Was für eine Enttäuschung nach all den Jahren der Pflege und des Wartens. Dann probieren. Ein erster Schluck: überrascht, unerwartet, enttäuscht. Bitter: Der Wein korkt. Sie hätten doch fast geschunkelt, als sie das Lied hörten und den Wein rochen. Doch beim ersten Tropfen im Mund und bei den ersten Worten im Ohr, hörten sie den Kehrvers: Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
Das Urteil über den Wein und seinen Berg ist gefallen. Da hing sein Herz dran, so wie volle Trauben am Weinstock hängen. Der Weinberg und die Lesenden sind eins. Ernten, was man sät. Da erklingt es wieder: Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Inzwischen steht es in allen Parzellen und Zeilen in rot und weiß. Es steht allen vor Augen, warum unsere Welt ausblutet. Und es weiß ein jeder, dass wir aus den fetten Höhen fallen werden. Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht? Warum hat er denn? Warum hat er? Warum? ... Der Kehrvers blendet sich aus. Nicht mehr warum, sondern wie tief werden wir fallen, mag die Frage sein.
Das Urteil ist gefallen.
Bergende Mauern sind eingerissen.
Felder liegen brach. Disteln und Dornen wachsen darauf.
Nicht einmal mehr Regen fällt aus den Höhen runter.
Vom Fels gestoßen in den Tod hinein,
will ich alles wüst liegen lassen.
Ist das das Ende vom Lied?
[Die zweite Strophe von der Liebe des Fischers]
Erik sah dem Unglücksboten nach im Dämmerlicht.
Gott im Himmel, sei uns gnädig, Herz, zerspring mir nicht!
Als die Dörfler schliefen, stieg er in die Felsenwand
und hat mutig übern Abgrund Seil um Seil gespannt.
Hat mit Reisig, Stroh und Farnen alles dicht gemacht.
Hat am Ende noch als Polster Heu hinaufgebracht.
[Eine Winzerin]
In vino veritas - da war doch was. Es gibt gute und schwere Tropfen und Wahrheiten. Sie drängen danach, weitererzählt zu werden. Sonst werden Texte und Menschen sich selbst überlassen. Es ist ein Lied. Schon deshalb ist es auf Wiederholung angelegt. Wie ein guter Wein einen langen Abgang hat, so wirken auch Weinbergergüsse nachhaltig. Sie wollen gesungen werden, um zu wirken. Darum ein Liedermacher. Darum ein Rechtsspruch. Denn Urteile verändern. Daran hängt Gottes Herz: am Lied und am Recht und am Weinberg. Gedenke daran - im Februar. Denn in diesem Monat erwacht jeder Weinberg zu neuem Leben. In dieser Zeit wartet auf die Winzerin eine schwere Aufgabe. Die Reben werden geschnitten. Altes Holz aus den Rebstöcken entfernt. Neue Fruchtruten entstehen. Aus diesen werden im Laufe des Jahres neue Triebe.
Die einen verweilen beim Klagelied.
Die Winzerin singt fröhlich weiter.
Altes Holz wird entfernt.
Neues treibt aus.
Eingezäuntes geht verloren.
Wir werden schutzloser und gerade darin glaubhaft Kirche sein.
Sichere Mauern werden uns genommen;
damit wir reformatorisch bleiben.
Auf ertragreichen Feldern wachsen jetzt nur noch Disteln und Dornen.
Doch auch Esel werden von Disteln satt. Und Dornen stehen Rosen gut.
Ja, aber nicht einmal mehr Regen fällt;
heißt trockenen Boden unter den Füßen haben.
[Die dritte Strophe von der Liebe des Fischers]
Als die ersten Hähne schrien, stießen sie sogleich
seine Frau vom Fels hinunter. Himmel, fiel sie weich!
In das Netz der Liebe fiel sie, die nicht Strafe will.
Fische spielten unter Steinen. Wolken zogen still.
[Barrique]
Die Winzerin zog den Korken aus einer Flasche ihres Weinbergs und roch daran. Erinnerung durchströmte sie. Es war noch vor der Geburt. Da war noch keine Traube am Holz zu sehen. Schon da hatte sie es erahnt und sich gesorgt. Sie hat manches wachsen lassen, auch wilde Triebe. Jahre später war die Stunde gekommen. An dem einen Tag, als die Hähne schrieen, wusste sie, es war soweit. Und als sie das Holz anfasste, auch schmeckte, da wusste sie warum, es so gekommen war.
Darum goss sie den Wein ins Glas. Er breitete sich aus. Licht spiegelte sich. Sie nahm einen ersten Schluck; behutsam. Wie viel Mühe lag darin. Unsicherheit, Schmerz, Vertrauen. Was hatte sie alles umgegraben: Steine des Anstoßes. Kaum zu glauben, doch diese edle Rebe entstand. Sie nahm einen kräftigen Schluck. Er war trocken. Sie erinnerte sich: Es hatte nicht viel Regen gegeben. Der Wein schmeckte nach so vielem. Aber an einem blieb sie hängen. Er schmeckte nach Dornen. Das war kein Wein für nebenbei. Sie nahm einen zweiten Schluck. Was für ein Abgang. Dann nahm sie die Flasche und ging. Dieser Wein musste unter die Menschen. Wie ein Lied. Für uns geschrieben. Von uns gelesen. Mit euch gesungen.
Amen.
Liedvorschläge
Manches Holz
http://www.gottesdienststiftung.de/download/2010_sonderpreis_3_1_Manche…
Manches Holz
http://www.gottesdienststiftung.de/download/2010_sonderpreis_1_2_Manche…
Schenke mir, Gott, ein hörendes Herz freiTöne 180
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23.09.2018 - 17. So. nach Trinitatis
05.08.2018 - 10. So. nach Trinitatis
25.03.2018 - Palmsonntag / Palmarum
Vertrauen und Angst - Predigt zu Jesaja 7,10-14 von Christoph Dinkel
Und der HERR redete abermals zu Ahas und sprach: Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe! Aber Ahas sprach: Ich will's nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel – Gott ist mit uns.
Liebe Gemeinde!
1. Angst und Vertrauen
Der König Ahas hat Angst. Die Zukunft wirkt bedrohlich. Überall wittert er Feinde und seine Berater bieten auch keinen Trost. Sie haben ebenfalls Angst. Sie verbreiten apokalyptische Szenarien und glauben selbst daran. Nur einer hat keine Angst: der Prophet Jesaja. Im Unterschied zum König und seinen Beratern ist der Prophet ein Mann des Glaubens. Dem verängstigten König verkündet er: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“. Nur wer glaubt, steht so fest, dass ihn die Ängste und Bedrohungen der Gegenwart nicht umhauen können. Gegen die Angst empfiehlt der Prophet dem König Gottvertrauen. Vertrauen ist die bessere Strategie, sie hat die größere Reichweite und den längeren Atem. Doch der König bleibt lieber bei seiner Angst. Er will in den Krieg ziehen gegen Feinde, die der Prophet für längst geschlagen hält. Die Angst und das Sicherheitsdenken verleiten den König zu militärischen Aktionen, die ganz und gar unnötig sind. Die Aktionen helfen nicht, noch nicht einmal seine Ängste wird der König damit los. Ach, der König ist noch jung. Wie soll er es auch besser wissen, denkt der Prophet. Ich will ihm helfen. Gott wird ihm ein Zeichen geben, damit er lernt zu vertrauen.
Das ist die Situation unseres Predigttextes, der am Ende des 8. Jahrhunderts in Jerusalem spielt. Doch die Szenen sind austauschbar. Wie viele Ängste bewegen uns in diesen Tagen? Und welche apokalyptischen Szenarien entwerfen wir und glauben dann fest daran? Und was unternehmen wir modernen Menschen nicht alles, um unsere Ängste in den Griff zu bekommen? Das fängt mit den Alarmanlagen in den Häusern an, das geht weiter mit dem Pfefferspray in der Tasche und endet bei uns damit, dass mancher bei Dunkelheit gar nicht mehr aus dem Haus geht. In den USA treiben sie es noch weiter. Aus lauter Angst vor Attentätern bewaffnen sich die Menschen massenhaft. Und weil so viele Waffen im Umlauf sind, steigt die Wahrscheinlichkeit durch Waffen umzukommen um ein Vielfaches. In den USA ist die Wahrscheinlichkeit durch Schusswaffen umzukommen fast 15 Mal höher als in Deutschland. Die Waffen schaffen nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Wer ständig misstraut, lebt am Ende gefährlicher. Es ist merkwürdig, dass ein vordergründig so frommes Land wie die USA so großes Misstrauen hegt. Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht, sagt der Prophet. Gottvertrauen statt Waffenkauf wäre wohl auch in diesen Fall die Strategie mit der größeren Überlebensquote.
(vgl. zu den Angaben: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/las-vegas-waffen-kultur-in-den-usa-in-grafiken-a-1171186.html)
2. Virtuelle und wirkliche Wirklichkeit
Jesaja ist ein Mann des Glaubens, aber was für einer. Glaubende gelten bei uns heute gerne als Menschen, die es mit der Wirklichkeit nicht ganz so genau nehmen. Glaubende gelten als leichtgläubig und die Leichtgläubigen werden gut bedient in unserem Land. Jeden Tag bietet die Bild-Zeitung in der Rubrik „Mystery“ Informationen zu Ufo –Landungen und anderen Phantastereien. Man vertraut auf Globuli und die Heilkraft von Steinen, auf Horoskope und asiatische Therapien. Der Prophet Jesaja ist ein Mann des Glaubens, aber gerade deshalb setzt er auf Fakten. Als Prophet hält er gar nichts von Spekulationen über die Zukunft, nichts von apokalyptischen Phantasien, sein Metier ist die politische Analyse. Er wertet Informationen über die geopolitische Lage aus und erkennt zutreffend, dass die Macht der Reiche, von denen sich der König Ahas bedroht sieht, ihren Zenit längst überschritten hat. Der Prophet sieht mehr als der König und seine Berater in ihrer Angst zu sehen vermögen. Aus der Perspektive des Propheten leben der König und seine Berater in virtuellen Angstwelten und der Prophet gibt sich alle Mühe sie wieder mit der realen Welt und den echten politischen Verhältnissen in Kontakt zu bringen. Gerade als Glaubender hält der Prophet nichts von alternativen Fakten. Er setzt auf die Macht der Wirklichkeit, auf Tatsachen, auf die bestmögliche Erkenntnis.
3. Der Immanuel Jesajas
Vom Faktischen, von der realen Wirklichkeit würde der Prophet den König gerne überzeugen. Aber das ist gar nicht so leicht. Dem König wird von Gott ein Zeichen angeboten, damit er zu vertrauen lernt und von seinen militärischen Fehlplanungen ablässt. Aber der König will kein Zeichen, er will nicht irritiert werden in seinem Aberglauben. Er hat es sich so schön in seiner apokalyptischen Wirklichkeit eingerichtet. Warum soll er sich da stören lassen? Der Prophet nervt, denkt der König. Doch der Prophet lässt nicht ab zu nerven. Er ist im Auftrag des Herrn unterwegs. Er will den König zwingen, der Wirklichkeit mehr zu vertrauen als seiner Angst. Und deshalb schickt Gott dem König ein Zeichen, das Zeichen des Immanuel.
Und jetzt müssen wir ganz tapfer sein und alles wegschieben, was die religiöse Tradition uns vielleicht einflüstert. Der Immanuel Jesajas ist ein normales Kind. Seine Mutter ist eine ganz normale Frau, entweder die Frau des Propheten oder die Frau des Königs oder noch eine andere Frau. Sie ist keine Jungfrau, wie das Wort „junge Frau“ ungenau ins Griechische übersetzt wurde und wie es in der Folge dieser Ungenauigkeit im Glaubensbekenntnis heißt. Der Immanuel Jesajas ist normal gezeugt und normal geboren und doch ist er ein Zeichen Gottes. „Gott ist mit uns“, heißt der Name „Immanuel“ übersetzt. Der Name des Kindes wird zur Botschaft an den König. Diese Art der Zeichennamen ist für den Propheten Jesaja ein bewährtes Mittel. Auch zwei seiner Kinder haben Zeichennamen: „Ein-Rest-kehrt-um“, heißt der eine, „Raubebald-Eilebeute“ der andere. Die Jungs werden sich bedankt haben für diese Namen. Pech, wenn man einen Propheten als Vater hat! Immanuel jedoch ist besser dran. Dessen Name wurde von der Mutter ausgewählt, ein Namensvorschlag der noch heute durchgeht.
Das Kind Immanuel wird zum Zeichen an den König. In seiner puren Faktizität, in seiner natürlichen Lebendigkeit soll das Kind den König daran erinnern, dass Gottes Wirklichkeit stärker und konkreter ist als die Angst des Königs und seiner Berater. Das ist die Idee des Propheten. Und die Idee war so zündend, dass das Matthäusevangelium bei der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel wieder den Namen „Immanuel“ nutzt: Marias Kind wird der Immanuel sein.
4. Der Immanuel Gottes
Warum ein Kind? Warum soll gerade ein neugeborenes Kind das Zeichen der Nähe Gottes sein? – Weil nichts so eine natürlich-bezwingende Kraft hat wie ein neugeborenes Kind. Ein Neugeborenes ist ein Wunder vor den Augen der staunenden Eltern. Ein Neugeborenes setzt einen totalen Anfang, ein neues Universum. Nie zuvor hat ein Lebewesen die Welt mit den Augen betrachtet, mit denen das Neugeborene sieht. Ein ganzer Kosmos entsteht. Für alle auch nur rudimentär religiös Musikalischen wird im Neugeborenen die Schöpfermacht Gottes erlebbar. Etwas noch nie Gedachtes tritt in die Wirklichkeit ein.
Die Kraft, die ein Neugeborenes ausstrahlt, spürt in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus auch der böse König Herodes. Vorsorglich lässt er der Erzählung nach gleich alle kleinen Jungen in Bethlehem ermorden. Das ist sein Kampf gegen die Wirklichkeit Gottes. Das ist sein Kampf gegen seine apokalyptischen Ängste und das große Zeichen seines Unglaubens. All die großen Mörder der Geschichte, alle Menschenschinder sind aus der Perspektive des Evangeliums Ungläubige. Sie sind der Vernichtung überlassen. Denn wer nicht glaubt, der bleibt nicht.
Jenen jedoch, die in Angst leben, jenen, die verzagt sind, sendet Gott als Signal der Nähe seinen Immanuel: Das Kind in der Krippe, den Heiland der Welt. Allen apokalyptischen Phantasien zum Trotz ist dieser Immanuel ein ganz reales Kind, konkret, fassbar, lebendig und leibhaftig. Gegen die Ängste der Menschen schickt Gott ein Neugeborenes, weil das Neugeborene wie nichts sonst die Lebenskraft des Schöpfers spürbar macht.
5. Zeichen für Gottes Kraft
So viele leben heute in apokalyptischen Ängsten: Sie fürchten sich vor islamistischem Terror, der globalen Erwärmung oder den nordkoreanischen Atomwaffen. Sie fürchten sich vor Donald Trump und seiner Unberechenbarkeit. Manche fürchten sich vor einer Flüchtlingsflut, manche die Überfremdung durch Muslime, noch andere vor Impfschäden oder Glyphosat, vor Insektensterben, Feinstaub, Stickoxid und der Digitalisierung. Zu den Apokalypsen unserer Tage zählt die Angst, der Gesellschaft gehe die Arbeit aus, oder die Furcht vor der Globalisierung. Manche haben auch Angst der VfB könnte erneut absteigen. Wir sind umgeben von Schreckensszenarien, die Gesellschaft fühlt sich im Dauerstress, sie ist permanent unter Strom und zur Aktivität bereit. Dass die Regierungsbildung in Berlin länger dauert, wird da schon zum Problem. Dabei dreht sich die Welt auch unter einer geschäftsführenden Regierung in aller Ruhe weiter.
Mit seinem Immanuel setzt Gott ein Zeichen des Realismus und der Ruhe inmitten unserer selbstgemachten apokalyptischen Ängste. Ein wirkliches Kind, das schreit und in die Windeln macht und gestillt werden muss, etwas ganz Reales und Natürliches wird zum Zeichen für die Nähe Gottes. Auf Gottes Schöpferkraft ist Verlass. Den menschlichen Untergangsängsten setzt Gott einen Anfang, etwas absolut Neues entgegen. Gott ist mit uns – jedes neue Menschenkind kann uns das klarmachen. Gott ist mit uns – das gilt besonders für das Kind im Stall von Bethlehem. Mit seiner Geburt fängt Gottes neue Welt an. Ihr sollten wir mehr vertrauen als unseren Ängsten. Denn nur mit Gottvertrauen können wir in all den apokalyptischen Szenarien um uns prüfen, was wirklich gefährlich und was eigentlich harmlos ist. Nur mit der Ruhe des Gottvertrauens können wir blinden Aktionismus vermeiden und erkennen, was wirklich zu tun ist.
Die Christenheit erkennt im Kind von Bethlehem den von Jesaja angekündigten Immanuel wieder. Er wird für uns zum Zeichen der Nähe Gottes, zur Verheißung des göttlichen Friedens auf Erden, zum Heiland der Welt. Der Immanuel Gottes ist ein Zeichen gegen unsere Furcht, ein Signal gegen die apokalyptischen Ängste, in die sich so viele verirren. Der Immanuel Gottes ist ein neugeborenes Kind in all seiner Verletzlichkeit und Kraft. An ihm erkennen wir die Macht des Schöpfergottes. Er ist für uns da. Immanuel – Gott ist mit uns. – Amen.
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Spurensuche nach dem Kind - Predigtslam zu Jesaja 7,14 und 9,1-6 von Stephanie Höhner
Das Volk, das im Finstern wandelt, braucht ein Zeichen.
Zeichen und Wunder geschehen,
mitten in der dunklen Nacht.
Ungefragt kommt ein Kind zur Welt,
mit Namen Immanuel.
Gott mit uns.
Gott mit dir, mit mir, mit uns.
Gott mit dir, auf dem Mittelmeer,
im dunklen Kerker,
im Krankenzimmer,
am Tisch, an dem sie alleine sitzt,
seit der Vater gegangen ist für immer.
In den Tränen über den Schmerz,
dass sie nicht mehr sein Herz berührt, sondern stecken bleibt
im Alltagstrott zwischen Kindern und Betriebsamkeit.
Immanuel
Gott mit mir, wenn ich zweifele und rufe,
wenn ich den Halt verliere und suche
nach Antworten, einem Zeichen, einer Spur,
Gott, zu dir.
Gott mit dir, auf dem Feld,
dem armen Hirten wird das Kind zum Held.
Macht es hell in seiner Welt für einen Augenblick,
dann sind die Engel fort.
Es verhallt das Wort: Fürchtet euch nicht.
Denn dann kommt sie wieder, die Angst in der Nacht,
der Schmerz um den Vater,
die Dunkelheit im Kerker,
das auf und ab auf dem Mittelmeer,
Wellen schlagen in das Boot, da nicht viel mehr
ist als eine Nussschale.
Dann kommt es wieder, das Schweigen zwischen ihr und ihm.
Dann sitzen sie nicht mehr am Krankenbett,
sie stehen am Grab und weinen sehr.
Dann ist es verloren, dann sind sie verloren zwischen Trauer und Wut.
Wo ist er da, Immanuel – Gott mit dir?
Ich sehe durch Tränen in die Welt,
strecke meine Hand aus, damit sie jemand hält
oder jemand nimmt, der es mehr braucht als ich.
Immanuel – Gott mit uns, mit dir, mit mir.
Als Kind kommt er zur Welt,
wird zum Wunder-Rat und Gott-Held.
Ist Ewig-Vater und Friede-Fürst.
Ich gehe auf Spurensuche nach dir, Immanuel,
als Wunder-Rat und Gott-Held.
Ich suche dich, Gott mit mir, mit dir, mit uns.
Wo bist du in dieser Welt?
Klein und hilflos, groß und mächtig?
Ich suche dich, nach einem Zeichen,
das Kind ist nur ein Kind und doch viel mehr,
wenn ich es richtig betrachte.
Ein Kind, ein Wunder – das ist es allemal,
ob „vom Himmel hoch“ oder in dunkler Nacht.
Ein Kind kommt und die Welt steht Kopf,
zwischen Windeln und Fläschchen,
zwischen Heu und Stroh.
Ein Kind kommt zur Welt und es sieht dich:
Auf dem Mittelmeer, im Wellen-auf-und-ab.
Im Kerker, in tiefschwarzer Nacht.
Am Grab und auf dem leeren Krankenbett.
Ich gehe auf Spurensuch nach dir, Immanuel, heute Nacht.
Immanuel – Wunder-Rat
Land-Rat, Stadt-Rat
Guter Rat ist teuer.
Wunder können sie sowieso nicht tun. Und glauben tut es auch keiner.
Rat ist immer gut, wenn er mir denn passt.
Ein Stadtrat ist auch kein Zauberer.
Er kann keine Berge versetzen, keine Anträge beschleunigen, keine Gesetze ändern.
Wunder gibt es immer wieder, aber die Zeit heilt alle Wunder, wenn du sie gut verschnürst, damit du gar nichts mehr spürst.
Denn Wunder passen nicht zum Verstand, kosten ihn höchstens.
Aber manchmal kommt es und anders als du denkst.
Dann bricht er das Schweigen und nimmt deine Hand und sagt: Lass es uns noch einmal versuchen.
Da hört sie die alte, vertraute Melodie und fühlt ein bisschen Wärme in sich ausbreiten.
Da wird stattgegeben dem Asylantrag
und der Stadtrat
kann etwas für ihn tun, eine Wohnung, einen Pass.
Dann bringen fremde Menschen Decken in den Bahnhof,
verteilen Tee und warme Blicke, halten die Hände hin und die Ohren offen.
Und die Gestrandeten können hoffen auf ein Stück Geborgenheit.
Dann wird es hell auf dem Feld in dunkler Nacht,
dann wird zerbrochen die kriegslustige Macht
und die Stimme bricht sich Bahn:
Unser Kind, Wunder-Rat.
Immanuel – Gott-Held
Super-Held
Magische Kräfte, die Flügel verleihen.
Die Landung auf dem Boden der Tatsachen ist umso härter.
Nicht jeder kann bleiben. Nicht jeder kann überhaupt gehen.
Flügel haben sie dabei selten, oft nur ein Gummiboot, mit Glück eine Schwimmweste.
Dann landen sie am Strand, wo andere Urlaub machen.
Es sind alles Helden, weil sie diese Überfahrt überlebt haben.
Für ihre Familien sind sie Helden, weil sie mutig den Weg nach Europa gehen.
Ein Weg gepflastert mit Todesangst und Lebensgefahr, mit Raub und Ausbeutung, mit kalten Nächten und dunklen Prognosen.
Super-Held-Kräfte wären hilfreich. Doch die gibt es nur auf der Leinwand.
Helden stoßen im Leben schnell an ihre Grenzen.
Gott-Held kommt an die Grenzen, an die Zäune, in die kalten und dunklen Nächte.
Gott-Held kommt als Stimme des Propheten in eine finstere Welt,
er kommt als Kind in der Krippe zu den Hirten auf das Feld.
Als heller Schein dort,
an den Ort, wo kein Licht einfällt.
Da fahren Boote über das Meer, retten die, die in Seenot sind.
Da opfern Menschen ihren Urlaub, um Wasser und Fladenbrot zu verteilen.
Da öffnen Familien ihre Häuser und geben einem jungen Mann ein neues Zuhause.
Gott-Held. Als kleiner Mensch, als großes Wort.
Als helfende Hand zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Immanuel – Ewig-Vater
Ewig-Vater, Ewig-Mutter
Erden-Vater, Erden-Mutter, immer bereit, immer da.
Irgendwann wird es mal
zu viel und sie verlieren einander im Einerlei.
Wo ist die Liebe zwischen all dem Lametta, der Gans, der Feier
- wann wird es einmal besser?
Wann ist wieder Zeit für den zärtlichen Blick, das einander Zuhören und sich aufeinander freuen?
Ewig bleibt die Liebe nicht von allein,
ewig aber dreht sich das Leben und mein eigenes bleibt auf der Strecke
zwischen Arbeitstag und Reihenhaushecke.
Ewig-Vater, immer da.
Als kleines Kind ist er mir nah an dunklen Tagen auf dem Feld,
im finstern Tal als starker Held.
Der Vater, der fehlt. Der gehen musste und sie hier alleine lässt.
Der eine Lücke reißt und das Weihnachtsfest
leer erscheint.
Ewig-Vater, immer da,
zwischen Lametta und Gans ist er mir nah,
am Grab und in der Erinnerung hält er meine Hand.
Als heller Schein fand er den Weg in die dunkle Ecke
und macht sie hell für einen Moment.
Ein Gefühl macht sich breit wie es früher mal war,
selbst noch Kind,
bei „Stille Nacht“ und „Fröhliche Weihnacht überall“.
Immanuel – Friede-Fürst
Sehnlich erwartet, erhofft, erfleht.
Er scheint besonders weit weg.
Fürsten mit Macht und Geld geben die Regeln vor in dieser Welt.
Wir singen von fröhlicher Weihnacht, Kind mit lockigem Haar,
Wir singen, er kommt, er ist ganz nah.
Und auch heute, an Heilig Abend kommen Kriegsstiefel mit Gedröhn daher,
werden Mäntel und Kleider in Blut getränkt,
hocken Menschen in dunklen Kerkern,
gefangen, gefoltert, erhängt.
Wann wird es sein, dass sich Fäuste öffnen und sich die Hände reichen,
dass Grenzen fallen und Panzer weichen,
dass Friede kommt und bleibt?
Klein kommt er, der Friede-Fürst,
als Kind, Immanuel, Gott mit uns,
hilflos und verletzlich,
arm und gebrechlich,
einsam und verzweifelt,
tränenvoll und gezeichnet von Leid und Schmerz.
Leise als liebes Wort, als kleine Geste und tiefen Blick.
Als fahler Strahl im dunklem Winkel,
als zartes „ich bin da“ und „bleib bei mir“,
als warme Decke unter der Brücke,
als rettendes Ufer nach langer Strecke
auf dem Meer.
Als zarter Klang „Vom Himmel hoch, da komm´ ich her.“
Wunder-Rat und Gott-Held, Ewig-Vater und Friede-Fürst,
Kind in Windeln und klare Worte,
kleines Licht und heller Schein – so wird er sein,
Immanuel – Gott mit uns, der da kommt. Zu dir, zu mir.
Und das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht,
und über denen, die da wohnen im finstern Lande scheint es hell.
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Habt Vertrauen- Predigt zu Jesaja 7,10-14 von Tanja Schmidt
Liebe Gemeinde, der Text, über den ich in dieser heiligen Nacht predigen darf, steht im Buch des Propheten Jesaja. Die dort geschilderte Szene spielt im Jahr 733 vor Christus. Wir werden mit hinein genommen in einen Dialog zwischen, Ahas, dem König von Israel, und dem Propheten Jesaja. Der König befindet sich in einer militärischen Bedrohungslage. Jerusalem wird von feindlichen Truppen der Großmacht Assur belagert. Den König befällt daraufhin große Furcht, ihm zittert das Herz vor Angst im Leib. Er überlegt, ob er gegen die feindliche Großmacht ein Bündnis mit den Königen der Nachbarstaaten eingehen soll. Der Prophet Jesaja warnt Ahas vor diesem Bündnis und mahnt ihn zur Ruhe. „Hab Vertrauen!“ sagt er. „Zähle nicht auf die fremden Mächte, sondern allein auf Gott! Die Lage ist gar nicht so aussichtslos und er wird dir helfen.“ Aber Jesajas Worte erreichen das Herz des Königs nicht. Weiter heißt es: (Jesaja 7, 10-14)
Und der HERR redete abermals zu Ahas und sprach:
Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe!
Aber Ahas sprach: Ich will's nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben:
Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Was für ein erstaunlicher Dialog. Hier wirbt Gott, der Ewige und Allmächtige, um das Vertrauen eines Königs. Er will ihm sogar beweisen, dass er an seiner Seite ist und bietet ihm dafür ein Zeichen seiner Gegenwart an. Es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe!
Aber Ahas schlägt diese Zeichen aus. Nicht aus Souveränität. Nein, aus Angst und Müdigkeit. Er ist nicht in der Lage, die Bedrohung durch die die Soldaten Assurs länger auszuhalten. Lieber vertraut er auf die Hilfe der Nachbarmächte, als auf Gottes Macht. Sein Herz ist verschlossen gegenüber Gottes freundlichem Angebot. Er ist gefangen in seiner Angst. Dieses mangelnde Gottvertrauen ist etwas, was vermutlich auch viele von uns kennen. Vieles im Leben trübt auch unser Vertrauen in Gott und hält unser Herz gefangen. Ich denke da zum Beispiel an uns Erwachsene in der Mitte des Lebens. Wir hetzen durch den Tag, versuchen den Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen. Gerade an Weihnachten sind viele von uns abgekämpft, weil sich im Beruf kurz vor Weihnachten alles ballt und wir das Fest doch gleichzeitig für unsere Lieben schön machen wollen. Müde sitzen wir dann unter dem Weihnachtbaum. Es fällt uns schwer, uns dort für Gottes Freundlichkeit zu öffnen. Bei anderen von uns ist der Schmerz am Leben einfach zu groß. Ihr Herz hat sich gegenüber Gott verschlossen. Eine schwere Krankheit oder ein großer Verlust hat sie in eine schwere Glaubenskrise gestürzt. Manchmal höre ich solche Sätze bei meinen Besuchen: „Ich kann überhaupt nicht mehr glauben, dass es Gott gibt. Dass er es gut mit mir meint und an meiner Seite ist.“
Und nicht zuletzt sind die Zeichen der Zeit, in der wir leben, so bedrohlich und gewalttätig. Wie da auf Gott vertrauen? Spricht nicht alles dafür, dass Gott in dieser Welt machtlos ist? Uns fehlt oft das Vertrauen in Gott. So wie dem König Ahas aus unserer Geschichte. Aber Gott bleibt hartnäckig. Auch wenn das mangelnde Vertrauen des Königs ihn müde macht. Er wirbt weiter um Ahas und er wirbt auch um uns. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Ein Zeichen! – Gott will ein Zeichen setzen – gegen allen unseren Widerstand und Zweifel. Ein Zeichen, dass unser Herz anrühren und in uns Vertrauen wecken soll. Ein Kind soll es sein – und es soll den Namen Immanuel bekommen. Das heißt: Gott mit uns. Für uns Christen ist Jesus Christus dieser Immanuel. In Jesus Christus ist Gott selbst auf die Welt gekommen, um uns zu zeigen, dass er bei uns ist. Warum aber wählt Gott ein Kind als Zeichen seiner Gegenwart? Warum wirbt er in Gestalt eines Kindes um unser Vertrauen? Könnte es nicht ein machtvolleres Zeichen sein? Wieso kommt Gott ausgerechnet in einem kleinen, verletzlichen Kind zur Welt? Eine Antwort darauf finden wir auf dem Bild, das Sie vorne auf Ihrem Liedblatt finden. Die Künstlerin Dietlinde Assmus1 hat es gemalt. Es heißt schlicht: Weihnachten 2011. Vorne in der Mitte zieht das kleine Kind in der Krippe unsere Blicke auf sich. Mit weit offenen Armen und einem lieben, offenem Gesicht liegt es vor uns. Es hat keine Angst vor den Menschen, ganz offen und vertrauensvoll wirkt es. Wie viele kleine Kinder weckt es in uns die zärtlichsten Gefühle. Möchte man es nicht hochnehmen und an sich drücken? Dieses Kind hat keine Angst – es ist voller Vertrauen. Freundlich schaut es in die Welt. Und wir können gar nicht anders als uns ihm zu öffnen. Wir möchten uns zu ihm herabbeugen, es herzen. Seine zarten Hände bewundern, sein Gesichtchen streicheln. Wir möchten vor ihm auf die Knie gehen, wie die Menschen im Hintergrund des Bildes. Sie sind aus dem Dunkel ihrer Angst und Traurigkeit ans Licht dieser Krippe gekommen. Sie knien vor der Krippe. Sie müssen das nicht tun. Sie tun es freiwillig. Weil die Zartheit und Freundlichkeit dieses Kindes sie überwältigt. Dieses Kind strahlt absolute Offenheit und Vertrauen aus. Und wir können gar nicht anders, als mit Offenheit und Vertrauen zu antworten. Die dunkle Angst, die das Herz umklammert hielt, sie schwindet und macht Platz für Vertrauen. Für Gottvertrauen.
Hier, in diesem zarten Kind offenbart uns Gott sein Wohlwollen, seine Sehnsucht nach den Menschen. Er kann nicht ohne uns sein. Er streckt nach uns die Arme aus und will von uns mit Zärtlichkeit und Offenheit empfangen werden. Und er verzaubert uns so, dass wir in die Knie gehen und ihm Vertrauen schenken. Gottvertrauen, Ungetrübt. Deswegen bricht auf dem Bild unserer Künstlerin in die dunkle Nacht hinein der Himmel auf. Ein Stern geht auf, umkleidet von Rot – der Farbe der Liebe. Aus Liebe zu uns wird Gott ein Mensch. Gott will uns nahe sein, hautnah. An Weihnachten kommt Gott zu uns und bittet uns: Öffne dich für mich! Vertraue mir. Ich bin mit dir!
Davon erzählt die heilige Nacht. Erst bittet Gott Maria, dann Josef, dann die Hirten, Schließlich zeigt er sich den drei Weisen. „Vertraut mir. Lasst dieses Vertrauen durch nichts trüb werden. Es wird euer Schade nicht sein.“
Ja, vieles kann dann doch unser Vertrauen trüben, das stimmt. Nicht alles ist in unserem Leben so, wie wir es uns vorstellen oder wünschen. Längst nicht alles. Das tut weh. Der Schmerz gehört zum Leben dazu. Aber genau deswegen wird Gott ein Mensch. Um uns zu zeigen, dass er unser Leben, unsere Freuden und auch unsere Schmerzen teilt. Das Kind in der Krippe wird bald ein Mann sein. Und dann am Leben leiden. Wie wir. Er leidet unsere Schmerzen, er stirbt unseren Tod. Das ist das Geheimnis von Weihnachten: Gott liebt dich und kann ohne dich nicht sein. Kann dich nicht allein dieser Welt überlassen und schon gar nicht dem Tod. Dafür steht das Kreuz auf unserem Bild. Es ist durchdrungen von der österlichen Klarheit, die am Ende des irdischen Lebens stehen wird, wenn das Kind durch das Kreuz hindurch ganz und gar und bis zum letzten Atemzug sein Menschsein gelebt hat. Das leuchtende Kreuz auf unserem Bild zeigt: die Liebe Gottes macht nicht Halt vor der Dunkelheit der Welt. Sie will in die Dunkelheit eindringen und sie verwandeln.
Ich komme zu dir, sagt Gott an Weihnachten. Und Karfreitag geht dieser Satz weiter: Und ich bleibe bei dir! Und findet Ostern er sein vorläufiges Ende: Und du bleibst bei mir!
Lassen wir uns heute Nacht einladen von den offenen Armen des göttlichen Kindes. Es wecke in uns die Kräfte, ihm zu vertrauen – in allen Tagen und Nächten unseres Lebens. Amen
1 I Die Predigt wurde angeregt durch das Bild „Weihnachten 2011“ von Dietlinde Assmus und die begleitende Bildbetrachtung von Monika Dittmann. Veröffentlicht bei den Farbmänteln für Pfarr- und Gemeindebriefe Weihnachten 2017, Verlag Bergmoser und Höller