Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Elke Markmann

Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Elke Markmann
52,7-10

Liebe Gemeinde,

stellen Sie sich bitte vor, Sie lebten in einer Stadt, einem Land, die nicht Ihre Heimat sind. Sie, wir alle wurden aus unserer Heimat vertrieben. Weit weg von unserem Zuhause müssen wir leben. Wir leben schon einige Jahre in der Fremde. Unsere Kinder sind hier geboren und aufgewachsen. Manche können sich nicht erinnern an das Land, das unsere Heimat war – an das Land, nach dem wir uns immer wieder sehnen – an das Land, in das wir zurück kehren wollen.

So geht es vielen Menschen auf der Welt. Menschen aus Syrien, aus Afghanistan, aus dem Iran, aus Mali – die Reihe lässt sich unangenehm lang fortsetzen. Menschen verlassen ihre Heimat. Das tun die meisten nicht freiwillig, sondern weil die Lebensumstände sie dazu zwingen, weil sie verfolgt oder vertrieben werden.

So geht es den Menschen auch nicht nur heute. Vor 75 Jahren z.B. sind Menschen aus Deutschland geflohen – weg von Verfolgung und Hass. Vor 40 Jahren flohen Deutsche aus der DDR – weg von Unterdrückung und Misstrauen.

Schon immer flohen Menschen, verließen ihre Heimat, um irgendwo anders eine neue Zukunft aufzubauen.

Ihnen allen ist und war gemeinsam, dass sie von ihrer Heimat träumten. Viele sehnten sich danach, dass es in ihrer Heimat wieder so sein würde, dass sie zurück kehren können.

In einer solchen Situation haben Menschen auch schon vor mehr als 2500 Jahren  in Babylon gelebt. Es waren Israeliten. Sie waren aus ihrer Heimat vertrieben worden, verschleppt ins ferne Babylon. Ihre Heimat, der Staat Israel wurde mitsamt seiner Hauptstadt zerstört. Der Tempel wurde nieder gerissen. Es schien kein Zurück mehr zu geben. Schon 40 Jahre lebten sie in einer Gesellschaft, in der sie immer Fremde blieben. Sie durften ihre Religion  nicht offen und frei leben. Sie durften nur träumen von einer Zukunft in Jerusalem mit dem wieder aufgebauten Tempel. Ihnen blieb nichts als der Traum. Diese Träume bewahrten sie sich.

Doch die Zeiten änderten sich. Der neue Herrscher ließ die Israeliten freier leben. Für manche kam die Hoffnung zurück, dass sie doch in ihr Land zurück kehren können.

In dieser Zeit hinein, aus dieser Hoffnung heraus spricht der heutige Predigttext. Er steht beim Propheten Jesaja im 52. Kapitel:

7Wie schön sind auf den Bergen die Füße derjenigen, die Freude verkünden, die Frieden ansagen, Gutes verkünden, Rettung ansagen, die zu Zion sprechen: »Deine Gottheit regiert!« 8Horch! Deine Wachposten erheben die Stimme, jubeln gemeinsam! Ja, Auge in Auge sehen sie, wie Gott zurückkehrt zu Zion. 9Brecht in Jubel aus, alle gemeinsam, ihr Trümmerreste Jerusalems, denn getröstet hat Gott das Gottesvolk, hat Jerusalem befreit. 10Entblößt hat Gott den heiligen Arm vor den Augen aller fremden Völker: Es sehen alle Enden der Erde das Heil unserer Gottheit.

(Jes 52, 7-10 Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache)

Als ich versuchte, mir die Situation der Menschen damals vorzustellen, erinnerte ich mich an die Bilder, die in der vergangenen Woche im Fernsehen, im Internet und in den Zeitungen  zu sehen waren. Nach dem Tod von Nelson Mandela konnten wir noch einmal sehen, wie der Weg aus der Apartheid, aus Rassentrennung und Rassenhass heraus war. Es gab viele Dokumentationen, Berichte und Erzählungen darüber, wie die Menschen Südafrikas sich nach Frieden sehnten. Auch dort wurden Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, mussten umsiedeln in sogenannte Homelands, zusammen gepfercht, auseinander gerissen.

Während der Apartheid gab es sicherlich viele Menschen, die sich nach ihrer Heimat sehnten, nach einem friedlichen Leben ohne Verfolgung und Unterdrückung.

Und dann gibt es Menschen, die zu Friedensboten werden. Nelson Mandela war so ein Mann. Er hatte sich im Gefängnis geändert. Vom Anführer der radikalen und bewaffneten Teile des ANC, des African National Congress, hatte er den Weg zum Frieden gewählt. Oft habe ich es gehört: Wenn er damals, als er aus dem Gefängnis kam, Hass und Gewalt gepredigt hätte – das Land wäre explodiert. Aber er predigte nicht Hass und Gewalt, sondern Frieden und Versöhnung.

7Wie schön sind auf den Bergen die Füße derjenigen, die Freude verkünden, die Frieden ansagen, Gutes verkünden, Rettung ansagen, die zu Zion sprechen: »Deine Gottheit regiert!« 8Horch! Deine Wachposten erheben die Stimme, jubeln gemeinsam! Ja, Auge in Auge sehen sie, wie Gott zurückkehrt zu Zion. 9Brecht in Jubel aus, alle gemeinsam, ihr Trümmerreste Jerusalems, denn getröstet hat Gott das Gottesvolk, hat Jerusalem befreit. 10Entblößt hat Gott den heiligen Arm vor den Augen aller fremden Völker: Es sehen alle Enden der Erde das Heil unserer Gottheit.

Vor über 2500 Jahren in Babylon gab es keinen Nelson Mandela. Aber es gab die Hoffnung, wieder in die alte Heimat zurück kehren zu können. Wer davon redete und Träume und Sehnsucht lebendig machte, wurde zu einem Freude- und Friedensboten. Wer dies ankündigte, nahm die Sorgen und Ängste, die Sehnsucht und das Sehnen der Israeliten und Israelitinnen ernst.

Es eröffnete sich eine Perspektive. Noch waren sie nicht wieder in Jerusalem. Noch existierten die Trümmerreste Jerusalems. Die Stadt war noch nicht wieder aufgebaut, lag in Trümmern und war weit entfernt. Aber es gab eine neue Hoffnung. Diese neue Hoffnung gab den Menschen wieder neuen Lebensmut. Die Menschen konnten jubeln und glücklich sein. Sie priesen Gott, der ihnen wieder eine Zukunft schenkte.

Eine neue Perspektive, eine neue Hoffnung. Der Predigttext verknüpft diese neue Perspektive, die Hoffnung auf Zukunft eng mit Gott. Die Gottheit Israels erweist sich als siegreich. Vertreibung und Verschleppung, Unterdrückung und Verfolgung konnten die Menschen nicht von Gott entfernen, konnten Gott nicht vom Volk Israel trennen. Der Bund zwischen beiden blieb bestehen, hielt und erwies sich als dauerhaft stärker. Wenn die Israeliten wieder nach Jerusalem zurück kehren und den Tempel wieder aufbauen, dann erweist sich genau darin die Größe ihres Gottes. Sein Heil wird für alle weithin sichtbar werden.

Hoffnung und Dankbarkeit, Erleichterung und Gottvertrauen sprechen aus den Versen des Predigttextes.

Hoffnung und Dankbarkeit, Erleichterung und Gottvertrauen – diese Zutaten sind es, die den Blick in die Zukunft vergolden und verschönern.

Wir merken es auch als einzelne Menschen: Wenn alles trüb und schlecht ist, wenn es nur schlechte Nachrichten und nichts Gutes zu erwarten gibt – dann bleibt der Blick in die Zukunft trüb.

Aber wenn wir uns auf etwas freuen, wenn wir wissen, dass es etwas Schönes in der Zukunft gibt, dann können wir mit ganz anderem Schwung leben. Dann können wir jubeln und sehen die Zukunft golden.

In der Adventszeit blicken wir jedes Jahr wieder gespannt in die Zukunft. Wir wissen zwar genau, dass es Weihnachten wird. Wir wissen, dass Jesus geboren ist. Wir wissen, was damit neu aufgebrochen ist – und wir wissen auch, welche Hoffnungen immer wieder neu enttäuscht werden. Und doch ist die Adventszeit eine Zeit der freudigen Erwartung. Wir freuen uns auf Weihnachten. Wir freuen uns darauf, dass wir die Ankunft Gottes in der Welt feiern dürfen. Wir freuen uns darauf, dass es noch einmal eine neue Chance des Neuanfangs gibt. Wie weit das für jede und jeden einzelnen von uns zutrifft, ist eine andere Frage. Die Freude und Zukunftshoffnung ist bei vielen Menschen gleich. Die Freude und die Hoffnung, dass etwas Neues aufbrechen kann, dass Zerstörtes wieder aufgebaut werden  kann, dass Getrenntes zusammen geführt wird.

Und so singen wir mit Begeisterung die Lieder, die von Hoffnung singen.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt.
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.

Und immer noch klingt es ähnlich wie die uralte Hoffnung derer, die auf eine Rückkehr aus Babylon hofften:

7Wie schön sind auf den Bergen die Füße derjenigen, die Freude verkünden, die Frieden ansagen, Gutes verkünden, Rettung ansagen, die zu Zion sprechen: »Deine Gottheit regiert!« 8Horch! Deine Wachposten erheben die Stimme, jubeln gemeinsam! Ja, Auge in Auge sehen sie, wie Gott zurückkehrt zu Zion. 9Brecht in Jubel aus, alle gemeinsam, ihr Trümmerreste Jerusalems, denn getröstet hat Gott das Gottesvolk, hat Jerusalem befreit. 10Entblößt hat Gott den heiligen Arm vor den Augen aller fremden Völker: Es sehen alle Enden der Erde das Heil unserer Gottheit.

Amen.

 

Perikope
22.12.2013
52,7-10

Dein Gott regiert - Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Agnes Schmidt-Köber

Dein Gott regiert - Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Agnes Schmidt-Köber
52,7-10

Dein Gott regiert

Jesaja 52

7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!

8 Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt.

9 Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.

10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Liebe Gemeinde!

Hören Sie den Jubel, der aus diesen Zeilen dringt? Teilen Sie die Begeisterung, die den Schreiber dieser Verse antreibt? Nein?

Das gemalte Bild wirkt auf den ersten Blick etwas, naja, aufgedreht: liebliche Füße, die von den Bergen um Jerusalem herunter tänzeln, mit einer frohen Botschaft. Angesichts der Lage vor Ort zu schön, um wahr zu sein. Die Trümmer der Stadt sollen jubeln und jauchzen. Etwas viel verlangt von der Personifizierung der Katastrophe, die die Stadt 50 Jahre zuvor ereilte.

Eine geballte Ladung Stoff zum nachdenken und verarbeiten.

Wir haben es hier mit Worten zu tun, die um das Jahr 540-538 vor Christi Geburt entstanden sein dürften. Ein beachtlicher Teil des jüdischen Volkes lebt seit  40-50 Jahren in Babylonien, im Exil. Sie waren deportiert worden, nachdem Nebukadnezar seinem Vasallen König Jojachin berechtigterweise nicht mehr über den Weg traute und seine Macht demonstrierte, indem er Jerusalem eroberte. Die Deportation der oberen Gesellschaftsschicht war ein taktisch geschickter Schachzug. Zur Abschreckung und um sicher zu gehen, dass in Juda keinerlei  Verschwörungen und Ränkespiele getätigt wurden, ließ Nebukadnezar Jerusalem zerstören, bes. den Tempel.

Für gläubige Juden war dies eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes: der Tempel war das Haus Gottes, seine Zerstörung mußte unweigerlich bedeuten, dass Gott nicht mehr in der Mitte seines Volkes wohnte, dass er sein Volk aufgegeben hatte.

Möglicherweise haben sich sowohl die Deportierten, als auch die in Jerusalem Verbliebenen, mit der Zeit an diese Situation gewöhnt – aber es ist kaum anzunehmen, dass ihnen diese Erfahrung gleichgültig geworden wäre.

In dieser Situation geschieht etwas Großes: das Babylonische Reich wird erobert und geht unter. Die neuen Machthaber sind die Perser, die wollen die Restauration. So wird die Rückwanderung der Deportierten in ihre Heimat ermöglicht. Mehr noch: der Jerusalemer Tempel soll wieder aufgerichtet werden, der neue König Kyrus gibt den Tempelschatz frei, den die Babylonier mitgeführt hatten.

Für jeden gläubigen Juden dürfte diese Wendung der Geschichte Grund zum Jubeln sein: Gott hat sich seinem Volk sichtbar wieder zugewandt. Diese Nachricht musste natürlich auch in Jerusalem verkündet werden.

Und nun setzt unser heutiger Bibelabschnitt ein – diesmal mit den Worten aus der neuesten Bibelübersetzung in sog. „gerechter“ Sprache

7 Wie schön sind auf den Bergen die Füße derjenigen,
die Freude verkünden, die °Frieden ansagen, Gutes verkünden,
Rettung ansagen, die zu Zion sprechen: »Dein Gott regiert!« (Im O-Ton: Deine Gottheit regiert.)

Auf diesem Hintergrund klingen diese Worte schon etwas weniger „aufgedreht“, die Freude ist verständlich: nach Jahrzehnten der Trauer und der Orientierungslosigkeit ein neuer Aufbruch, ein Neustart, ermöglicht durch Gott, von dem sich die Israeliten verlassen gefühlt hatten.

Die lieblich-schönen Füße  stehen für einen Menschen, der eine gute Nachricht überbringt. Der wird allgemein als „schön“ empfunden, auch wenn er nicht gerade den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Die Schönheit kommt von dem her, was seine Nachricht für den Empfänger bedeutet. Und diese Nachricht ist mehr als schön, sie ist wunderbar und unfassbar, Gott ist König, er regiert, er lenkt die Geschichte und Geschicke. Sie erfahren das auf gänsehauterregende Weise: er greift in die Geschichte seines Volkes ein, für alle sichtbar.
8 Horch! Deine Wachposten erheben die Stimme, jubeln gemeinsam!
Ja, Auge in Auge sehen sie, wie Gott °zurückkehrt zu Zion.
9 Brecht in Jubel aus, alle gemeinsam, ihr Trümmerreste Jerusalems,
denn getröstet hat Gott das °Gottesvolk, hat Jerusalem befreit.

Den Jubel stimmen die Wächter an, sie teilen die erfahrene Botschaft und gleichzeitig auch ihre Freude darüber mit und so vervielfältigt sich der Jubel.

Ein schönes Bild malen diese Worte vor unseren Augen: die Menschen, die in den Trümmern Jerusalems leben, drücken ihre Freude aus über die Nachricht, dass ein Neustart möglich wird – ich stelle mir den Jubel ähnlich vor, wie in der Fankurve eines Stadions, nachdem der ausgemachte Verlierer des Spiels doch noch ausgleicht oder gar das Spiel gewinnt.

Die weinende, trauernde Tochter Zion zieht den Schleier vom Gesicht und winkt damit dem Überbringer mit den lieblichen Füßen zu.  Die Trümmer beginnen zu leben.

10 Entblößt hat Gott den heiligen Arm vor den Augen aller °fremden Völker:
Es sehen alle Enden der Erde das °Heil unserer Gottheit.

Das Blatt hat sich gewendet. Nicht nur die Bewohner Jerusalems sondern alle Enden der Erde sollen Gottes Heilshandeln sehen und Anteil daran haben. Nun scheint der Jubel übermütig zu werden: Gott zeigt seine Macht vor den anderen Völkern. Auseinandersetzungen mit Nachbarvölkern hatten eine beachtliche theologische Dimension. Hier geht es aber nicht um Machtdemonstration, sondern Gott lässt auch die anderen Völker Anteil haben. Angesichts der Wendung, die die Geschichte des Gottesvolkes genommen hat, angesichts dessen, dass Gott sich den heidnischen Perserkönig als Werkzeug auserwählt hat, um seinem Volk die Tränen abzuwischen, einleuchtend.

Einzelne Bilder aus diesem Bibelabschnitt sind nach wie vor gültig, auch im Advent 2013.

Nehmen wir den Einstieg: die lieblichen, schönen Füße der Freudenboten der Überbringer einer guten Botschaft, eines schönen Geschenkes wird als schön/angenehm/sympathisch empfunden. Jemand, der Hilfe bringt, kann zum „Engel“ (angelos-Bote) werden. Je beklemmender die Lage, in der man sich befindet, umso schöner derjenige, der daraus heraushilft. Daran hat sich nicht viel geändert. Man gerät in Not, oft ohne selbst etwas dafür zu können, und ist auf Hilfe von außen angewiesen. Wie dankbar und glücklich ist man über abgewendete Not und Schmach, daraus erwächst Jubel – in den Psalmen regelmäßig anzutreffen.

Dann bleibe ich am Bild der Trümmer hängen:

Im Gespräch mit meiner Studienfreundin über diese Verse kam zutage, dass die Trümmer auch als Trümmer noch zu etwas gut sind, dass sie auch in ihrem beklagenswerten Zustand eine Funktion haben. In jedem Menschenleben gibt es ein Trümmerfeld: Träume, Hoffnungen, Lebensentwürfe liegen darauf… Die singenden Trümmer des Bibelwortes zeigen an, dass sie sich mit ihrer scheinbaren Nutzlosigkeit nicht abgefunden haben, dass auch sie sich verändern können… Im Klartext: Mit den Trümmern im eigenen Leben kann man auf verschiede Art und Weise umgehen: man kann darüber gebeugt Gott (an)klagen, man kann sie liegen lassen und so tun, als gäbe es sie nicht und dann immer wieder aufs Neue darüber stolpern und sich dabei verletzen. Oder man räumt sie nach angemessener Trauerzeit weg und baut daraus mit Gottes Hilfe etwas Neues. Er, Gott, kann aus dem kleinsten Trümmerteil etwas Neues schaffen. Er hat die Regie, er hat das Drehbuch. Was vordergründig nach Katastrophe aussieht, ist auf den zweiten Blick Ausgangspunkt/Kehrtwende für etwas Neues.

Ein drittes und letztes Bild: Gott als König

Der Gott Israels ist als König im AT häufig anzutreffen. Er ist ein König, der zuverlässig treu ist, der keine Machtspielchen treibt, bei denen seine Untertanen zu Schaden kommen. In frommem Verständnis eine Veranschaulichung des Gottesattributes „Allmächtig“.

Mächtig in jeder Hinsicht – nach irdischen Vorstellungen waren das lange Zeit die Monarchen. Aus der prophetischen Literatur  der Bibel ist zu vernehmen, dass das Gottesvolk Könige hatte, die dem Volk geschadet haben – das menschliche Königtum wird ab einem gewissen Zeitpunkt überaus kritisch beurteilt.

Der einzig wirklich mächtige König, dessen Regierung seinen „Untertanen“ keine Abgaben für den Lebensunterhalt verlangt, der wahrhaft weise und gerecht ist, der keine Huldigungen für sein angeknackstes Ego braucht, ist Gott.

Gott unterscheidet sich von den gekrönten Häuptern menschlichen Geblüts dadurch, dass er sich „unters Volk“ mischt, ohne seine Würde zu verlieren. Dass er selbst sich seiner Majestät entledigt und Mensch wird.  Er wählt einen anderen Weg. Er muss nicht konfliktträchtige Koalitionen schmieden, er muss keine Kompromisse eingehen, er muss sich nicht dem Druck der Öffentlichkeit beugen, aus Angst abgeschafft zu werden. Er ist und bleibt der Höchste. Auch wenn noch so viel über seine Existenz geschrieben, gestritten und gespottet wird. Er ist völlig frei in seinen Entscheidungen. Daran (ver)zweifeln Menschen zu allen Zeiten.

Jetzt kann ich die Freude der Jerusalemer nachvollziehen und teilen: Gott wird Mensch, das angekündigte Heil ist da.

Georg Friedrich Händel hat sie in seinem grandiosen Oratorium „Der Messias“, im „Halleluja“, auf überschäumende Weise eingefangen. Die Freude über das Königtum Gottes wird fühlbar, stärkt Hoffnung und Zuversicht:  http://www.youtube.com/watch?v=6iCk9fqNNt0

Wie lieblich ist der Boten Schritt, die uns verkünden den Frieden; sie bringen frohe Botschaft vom Heil, das ewig ist.

Ihr Schall gehet aus in jedes Land, und ihr Wort an alle Enden der Welt.

(…)

Halleluja, denn Gott der Herr regieret allmächtig. Das Königreich der Welt ist fortan das Königreich des Herrn und seines Christ, und er regiert auf immer und ewig, Herr der Herrn, der Welten Gott, Halleluja!

Möge diese Freude in Ihren Herzen dauerhaft Einzug halten.

Amen

Perikope
22.12.2013
52,7-10

Religion ist Gedächtnis - Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Christoph Dinkel

Religion ist Gedächtnis - Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Christoph Dinkel
52,7-10

Religion ist Gedächtnis

Der Predigttext für den 4. Advent steht in Jesaja 52,7-10. Es ist ein politischer Text, eingebettet in eine genau fassbare historische Situation. Das Volk Israel befindet sich noch im Exil in Babylon, wohin es nach der katastrophalen Niederlage im Jahr 587 verschleppt worden war. Doch die politischen Umstände haben sich seitdem geändert. Wir befinden uns fast 40 Jahre nach der Katastrophe, etwa im Jahr 540 vor Christus. Statt des babylonischen Königs Nebukadnezars herrscht inzwischen der persische König Kyros. Er verfolgt eine liberale Religionspolitik. Für die im Exil befindlichen Israeliten gibt es eine neue Perspektive: Sie haben Aussicht zurückzukehren in ihre Heimat, nach Israel, nach Jerusalem, auf den Tempelberg, den Zion. Politische und religiöse Träume beginnen in Erfüllung zu gehen und so dichtet der unbekannte Prophet voller Freude und mit viel Anmut:

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Liebe Gemeinde!

(1) Religion ist Gedächtnis. Natürlich ist Religion auch noch anderes. Sie ist Glaube, Hingabe, Wissen, Gefühl und – das Wichtigste – Gottvertrauen. Aber Religion ist eben auch Gedächtnis – und das sehen wir, wenn wir auf die Worte unseres unbekannten Propheten hören, die im Buch Jesaja überliefert sind.

Religion ist Gedächtnis, sie gehört zum sogenannten kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft. In ihrem kulturellen Gedächtnis speichert eine Gesellschaft grundlegende Orientierungen und Werte, kollektive Erfahrungen und Erinnerungen. Rechtstraditionen gehören dazu, Sitten und Gebräuche, aber auch Geschmackseigenheiten einer Kultur wie die Liebe der Deutschen zu Bäumen und Pferden und Blasmusik. Unser kulturelles Gedächtnis prägt unser Zeitempfinden, ganz speziell in der Advents- und Weihnachtszeit: Weihnachtsmärkte prägen die Innenstädte, Weihnachtsbäume schmücken die Wohnzimmer, auch bei manchen muslimischen Mitbürgern. Überall sieht man Engel und Sterne, die wenigstens den Kundigen an den Stern und das Hirtenfeld von Bethlehem erinnern. Die Weihnachtsgeschichte der christlichen Tradition prägt den ganzen Dezember und vergleichbar verhält es sich im Frühjahr mit der Osterzeit. Unsere Kultur ist von christlichen Traditionen imprägniert, sie transportiert das Gedächtnis der großen christlichen Erzähltraditionen seit Jahrhunderten – und keine noch so schwere Armut und keine noch so zerstörerische Diktatur konnte daran etwas ändern. Die christliche Religion ist Teil der Kultur und Teil des Gedächtnisses unserer Gesellschaft.

(2) Religion ist Gedächtnis. Das ist keinesfalls immer angenehm. Denn speziell die christlich-jüdische Tradition bewahrt nicht nur gute Erinnerungen. Im Gegenteil: Unsere Tradition bewahrt ganz gezielt gerade auch die schlimmsten Erinnerungen auf. Im Kern unseres Glaubens steht ein zu Tode Gefolterter, ein Gekreuzigter. Das hat Konsequenzen: Wer sich im Namen des Schmerzensmannes versammelt, der wird sensibel für Schmerzen überhaupt: Gequälte Menschen, gequälte Tiere – sie gehen uns an, wenn wir uns ernsthaft Christen nennen wollen.

Religion ist Gedächtnis und die christliche Religion erinnert sich gerade auch an die Katastrophen und Abgründe der Geschichte. Wir schließen dabei an die Gedächtnistradition des Judentums an. Für das Judentum ist die Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 und das nachfolgende Exil die Urkatastrophe seiner Geschichte. Naheliegend wäre gewesen, die Katastrophe möglichst bald zu vergessen, die Ärmel hochzukrempeln, neu anzufangen und das Alte hinter sich zu lassen. Tausendfach sind besiegte Völker so mit ihren Niederlagen umgegangen. Doch das Judentum im Exil zog andere Konsequenzen. Gezielt wirkte man dem Vergessen entgegen. Man schrieb alles auf, was an Erinnerung da war. Mit ungeheurem Fleiß ging man an die Abfassung der Bücher, die bis heute den Kern des Alten Testaments bilden. Man war bereit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, aus den politischen, den religiösen, den ethischen, den sozialen Fehlern, die man gemacht hatte. Die Zehn Gebote wurden als Maßstab für die Zukunft entwickelt. Aus der Erinnerung an die Katastrophe wurde eine ethische Kraftquelle ohne Beispiel entwickelt. Wer die schlechten Erinnerungen nicht scheut, kann Klarheit und Orientierung für die Zukunft entwickeln.

(3) Religion ist Gedächtnis. Aber sie ist keinesfalls nur Gedächtnis für Katastrophen. Gerade die Worte unseres Propheten belegen das. Mit Anmut und Poesie stiftet der Prophet ein Gedächtnis für einen der besten Momente der Geschichte Israels: Die Ankündigung der Befreiung aus dem Exil. Was für ein Augenblick: Fast vierzig Jahre unfreiwillig in der Fremde – und nun die Aussicht nach Hause zu kommen. Wie sich das anfühlt? Vielleicht so wie es sich am 9. November 1989 angefühlt hat, als in Berlin die Mauer fiel und Hunderttausende sich in die Arme lagen, weil die DDR-Diktatur vorbei war. Vielleicht so wie es sich angefühlt hat, als Nelson Mandela die Nachricht bekam, dass er nach 28 Jahren Gefangenschaft freikommen würde und die Apartheid abgeschafft wird. Die Worte des Propheten hätten Mandelas Worte sein können: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen“.

Religion ist Gedächtnis, gerade auch für die großen Momente des Gelingens, für die Momente des Glücks, der Befreiung, des großen Jubels: „Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.“

(4) Religion ist Gedächtnis. Und was wären wir Menschen ohne das Gedächtnis der Religion! Die Erinnerung an den tiefsten Schmerz und an das höchste Glück hält die Religion für uns lebendig. Wir werden Zeitgenossen der exilierten Israeliten und begreifen uns so selbst neu, indem wir unsere Gegenwart einordnen und vergleichen können. Am Gedächtnis der Religion entwickeln wir unsere eigenen Maßstäbe für Gut und Böse, für Richtig und Falsch. Am Gedächtnis der Religion lernen wir die großen Gefühle mitzufühlen: Trauer und Schmerz, Glück und lauten Jubel. Wir leihen uns die poetischen Worte der Tradition für unsere eigene Seelenlage. Wir schlüpfen hinein in die Bilder und Gleichnisse der großen Sprachkünstler unseres Glaubens und finden bei ihnen Worte, die genauer sind und schöner als die Worte, die uns selbst aktuell zu Gebote steht.

Was wären wir Menschen ohne das Gedächtnis der Religion! Was wäre unser Glaube ohne dieses Gedächtnis! Viel zu sehr lassen wir uns oft von den Krisen der Gegenwart dominieren: von den großen politischen Krisen, aber auch von den kleinen, persönlichen. Sie nehmen uns gefangen, engen uns ein, machen uns klein und schwach. Voller Verzagtheit gehen wir oft durch den Tag, haben Angst vor dem Morgen, Angst vor der Klassenarbeit oder dem nächsten Konflikt. Kleinglauben nennt Jesus solch eine Haltung. Bei seinen Jüngern hat Jesus solchen Kleinglauben diagnostiziert. Auch bei uns würde er dieses Diagnose wohl immer wieder stellen können.

Gegen solchen Kleinglauben hilft das Gedächtnis der Religion. Sie erinnert uns an die großen Taten Gottes, an die Befreiung der Israeliten aus dem Exil, an die großen Worte und Taten Jesu, an die Befreiung von Diktatur, Apartheid und Unfreiheit. Gegen unseren Kleinglauben erinnert uns das Gedächtnis der Religion an die lieblichen Füße der Freudenboten, „die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!“ – Amen.

 

Perikope
22.12.2013
52,7-10

Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Dieter Koch

Predigt zu Jesaja 52,7-10 von Dieter Koch
52,7-10

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!

Liebe Gemeinde, dieses alte und zugleich so anrührende Prophetenwort will uns mitnehmen auf den Weg des Friedens, auf einen Pfad des Aufatmens und der Erleichterung. Liebliche Anmut als Tiefe der Wirklichkeit strahlt aus diesen Worten. Inmitten ihres Strahlens stellt sich jene Verheißung königlichen Lebens ein, die wir mit Gott verbinden, an der er uns Anteil gibt, die ihm, der Quelle alles Guten entspricht. Wir sehen in ein Leben, das aufrecht durch die Tage gehen  kann, ein Leben, das sich getragen weiß vom Einklang der Freude, ein Leben, das sich aufschwingen kann in die Weite des Himmels, um in grenzenloser Offenheit dem Gesang, der von innen kommt, Raum zu geben.

Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen! Ich höre sie, ich spüre sie, ihren fast schwerelosen Gang. Füße, die dahingleiten, angerührt, angefacht vom Jubel des Friedens. Ich spüre sie, ich stelle sie mir vor, die Freudenboten: Welcher Glanz in ihren Gesichtern, welches Strahlen, angerührt, angefacht vom Jubel des Friedens.  Ich sehe sie vor mir, die Boten des Heils: Der Raum wird weit, das Leben leicht. Denn die Freude kommt nah, ist da, bringt sich dar. Leuchten erfüllt die Augen. Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, angerührt, angefacht vom Jubel des Friedens.

Zu viel für diese Welt? Nur ein Traumgespinst? Eine nette Illusion? Wortgeklimper für weihnachtlichen Stimmungszauber? Zu viel angesichts so viel greifbarer Not, angesichts der Schmerzen, der schweren Krankheiten, der leeren Herzen, der Müdigkeit? Zu viel angesichts vermüllter Innenstädte, nächtlicher Saufgelage, Randale an den Ecken? Zu viel angesichts der Kriegsgewalt, der bestürzenden Bilder aus Syrien, der Verwüstungen. Da ist das Elend der Flüchtlinge, härtestem Winter ausgesetzt. Ein Land im Abgrund der Selbstzerstörung. Ich spüre Schmerz und Scham, Hilflosigkeit und Resignation. Da ist kein Jubel des Friedens.

Ich sehe sie vor mir, die Kinder, die statt dem Gesang des Guten nur die Tiraden des Hasses hören, die gelehrt werden, Kampflieder voll der Rache anzustimmen. Ich stelle sie mir vor, die Kinder, die eine solche Fülle von Verachtung spüren, dass sie daran nur ersticken können. Ich kenne aber auch die Kinder, die mitten im äußeren Frieden die Verachtung des Wohlstandes erfahren, die reichen Gabentischen gegenüber stehen, aber keine Liebe spüren, die früh schon auf Leistung getrimmt, sportlich auf Vordermann gebracht werden, die betrogen um Freude manchmal einfach nur Kinder sein wollen, angerührt, angefacht vom Jubel des Staunens.

Ist das Wort, das von Weite erzählt, von Freude und Frieden, wirklich zu viel für diese Welt? Niemals! Denn es gibt sie, die Orte der Erneuerung, die Orte des Jubels, die Erfahrungen, die Herzen weit machen. Es gibt sie, die Menschen, die ihrem Gewissen folgen, ihrer Seele trauen. Es gibt sie die vielen, vielen Taten der Hoffnung und es gibt die Gnade des Gebets, die Stille, die Freude der Ruhe, Einkehr in den tiefen Jubel. Es gibt königliches Leben, Hingabe an das Gute. Es gibt sie, die Hände, die Frieden stiften und die Herzen, die auf Freude gestimmt sind – inmitten der Not, inmitten der Schuld, inmitten der Schmerzen des Lebens, inmitten äußerer und innerer Qual.

Über Nelson Mandela, der vor wenigen Tagen zu Grabe getragen wurde, liegt so ein Glanz. Er lehrte mich, er zeigte mir, ein besserer Mensch zu werden, würdigte ihn Barak Obama. Und die ganze Welt verneigte sich noch einmal vor diesem Menschen, einer Ikone der Versöhnung – ein großes Leben. Da ist dieses Lächeln, die Freude in seinen Augen, Jubel ohne Rache. Aber auch der kleine Marcel Schwegler ist so ein Mensch, ein 12-jähriger Junge, der bei uns vor Ort, in einer ungemein ansteckenden Weise voller Begeisterung für sein Schulprojekt um Spenden bat, das Kinderhospiz Sternentraum in der Region. Da ist Freude, das ist Hingabe, Jubel des Staunens.

Es gibt sie, Menschen des Friedens in Syrien, es gibt sie in Palästina, es gibt sie auf Zion, es gibt sie in Bethlehem. Es gibt sie unter Juden und Arabern. Es gibt sie in unserem Land, in unserer Stadt, mitten unter uns. Es gibt uns. Denn sollten wir uns den adventlichen Weisen anvertrauen, ohne berührt zu sein von der Tiefe der Freude? Sollten wir uns der weihnachtlichen Musik übergeben, ohne dass unser Herz aufglüht im Frieden mit Gott? Sollten wir die letzten Schritte auf Weihnachten zugehen, ohne Erwartung der Freude, ohne den Vorglanz der Liebe, die sich in die Krippe legt? Sollten wir ernsthaft ein Fest feiern, ohne dass Hände sich füreinander öffnen, Frieden reichen?

Es gibt die Lieblichkeit jener Freudenboten, die gerade jetzt bei uns einkehren und uns hinwenden auf das tiefe Glück, dass es Gott gibt, und dass es Gott gerade dort gibt, wo die Neugierde und die Unschuld, die Freundlichkeit und das Erbarmen neu in uns geboren werden, damit wir aufgenommen werden in das Reich des Friedens, das nirgends sonst da ist, und nirgends sonst zu grünen beginnt als in der Tiefe unserer Herzen. Der innere Frieden beginnt, wo immer sich der Einklang der Freude einstellt und ein Leben sich wieder aufzuschwingen beginnt in die Weite des Himmels, um in grenzenloser Offenheit dem Gesang, der von innen kommt, Raum zu geben.

Es gibt nur einen Weg ins Glück, nur einen Weg des Guten, nur einen Weg des Friedens. Es ist der innere Weg im aufmerksamen Hineinhören in die Tiefe der Wahrheit, in die Tiefe des Geistes, in die Tiefe der göttlichen Gnade, die gerade dort beginnt, wo wir dies zulassen: Die Kraft des Friedens, das Antlitz der Liebe, das Gebet der Hoffnung, all dies, darin sich Gotteskindschaft vollzieht und wir in die Gemeinschaft mit dem hineingenommen werden, der König und Kind ist, Freudenbote und Gotteslamm, Jesus! Er ist Gottes Gesalbter, der Menschensohn, das Sinnbild und Urbild reiner Menschlichkeit, ein Leben mit Gott, ein Leben im Frieden.

Er, der da in der Krippe liegt, er, um dessentwillen die Engel das Friedenslied anstimmen, er ist der Mensch, der sein Leben ganz gab in Glaube, in Liebe, in Hoffnung. Er ist der Anfänger und Vollender des Glaubens. Denn was ist dieser Glaube, der mitten in der Innigkeit seiner Geburt aufbricht, anderes als das abgrundtiefe Vertrauen, das es Gott gibt, das unendliche Sich-Fallen-Lassen in die Hände des Ewigen? Was ist Liebe, wenn nicht ein immer neues Sich-frei-geben, ein Sich-Loslassen in die stillen Regungen der Güte und der Anmut? Was ist Hoffnung, wenn nicht die Glaube und Liebe tragende Bewegung unserer Seele, die nach Heimat ruft, nach der letzten Geborgenheit in Gott?

Er, der da in der Krippe liegt, er hat so gelebt und er will, dass auch wir so leben. Er, der da in der Krippe liegt, hat so gelebt, aus der Gewissheit in Gott, im Wissen um den offenen Himmel, aus dem die Taube des Friedens auf ihn herabstieg, die Fülle der göttlichen Liebe. Ein Traum wurde Wirklichkeit. Jener Traum, den Kinder träumen, jener Traum, den jede Mutter versteht, und der gerade nicht bloß ein Traum ist, sondern die Verheißung des Lebens selbst, das Gott uns schenkt. Da ist der Geschmack königlich-kindlichen Lebens, der dann auch seinen Blick auf die Not richten kann, dem Schmerz ins Auge schauen kann.

Dieser Geschmack königlich-kindlichen Lebens erfüllt Gasub Sirchans Strophen: „Ach Mutter, im Traum habe ich einen Engel mit weißen Flügeln gesehen, der Gewehre zerlegt und Kanonen zerschlägt, sie alle in Brand setzt und zu Asche werden lässt. Ach Mutter, im Traum habe ich einen Engel mit weißen Flügeln  gesehen, er nahm die Asche in die Hand, verstreute sie im ganzen Land. Und plötzlich begann die Asche zu leben, als Taube am östlichen Himmel zu schweben. Ach Mutter, im Traum habe ich einen Engel mit weißen Flügeln gesehen, und Moses und Mohammed mussten zum Zeichen des Friedens einander die Hände reichen. ‚Sünder‘, donnert seine Stimme‚ ‚Sünder‘! Eilt euch, eilt euch! Schnell, Sems Kinder – dort kommt er, der Bote des Friedens und singt einen Psalm des Friedens!“

Oder ist dies doch nur ein Traum, ein Kindertraum zu viel für diese Welt? Dann ist alle adventliche Vorfreude nichtig, Weihnachten umsonst, unser Singen nur Flucht vor der Langeweile, Jesus ein umsonst Geborener. Traum nur oder doch der Weg? Der Weg in die Freude, in ein Leben, das in grenzenloser Offenheit dem Gesang, der von innen kommt, Raum gibt. Der Weg zum Frieden, der weit scheint, aber in die Weite führt – miteinander, im Glauben an den Gott, der nicht nur in Syrien und Palästina, nicht nur auf Zion und in Bethlehem, sondern auch hier, hier bei uns, uns, unsere Füße auf den Weg des Friedens stellt, jeden Einzelnen – und wir selber Friedensboten werden wie Jesus.

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!

(Das Gedicht von Gasub Sirchan wird zitiert nach Walter Jens (Hg.), Es begibt sich aber zu der Zeit, Radius-Verlag, Stuttgart 1989, S.396)

Perikope
22.12.2013
52,7-10