13.08.2017 - 9. Sonntag nach Trinitatis
25.06.2017 - 2. Sonntag nach Trinitatis
Hier werdet ihr Gott nicht finden!- Predigt zu Matthäus 21,14-17 von Julia Neuschwander
Eine riesige italienische Barockkirche in Rom. Santa Maria Maggiore. Riesige Marmorfluchten, Weiß, Rosa, Grau, Gold, alles prächtig, riesig, hallig, groß! So erinnere ich es. Als Schülerin hatte ich mit meinen Großeltern und meiner zwanzigjährigen Tante eine Ferienfahrt nach Rom gemacht. Meine Oma in voller Bewegung mit eiligen Schrittchen auf dem glatten Boden, quer durch den Mittelgang, ihre Arme schwenkend. Klein, mollig, mit Rock und dunkelblauer Strickjacke, mit umgehängter wippender Handtasche, grauen Haaren und Gesundheitsschuhen. Sie wirft ihre Arme nach oben: „Hier werdet ihr Gott nicht finden!“ tönt sie laut mit klarer, durchdringender, geschulter Stimme. Und immer wieder sagt sie es, immer lauter mit wohl dosierten, wirkungsvollen Pausen. Am Schluss ruft sie es, laut und deutlich, so dass die Leute stehen bleiben und ihr hinterherschauen. Mein Opa schaut neutral, meine junge Tante macht ein „Ich-bin-gar-nicht-da“-Gesicht und scheint ein Grinsen zu unterdrücken. Ich schaue es mir in Ruhe an und finde es dann richtig gut, wie meine Oma klein, aber umso energiegeladener ob der barocken Schönheit um sie herum voll Empörung den Gang entlangläuft. Ihre Augen blitzen. Sie ruft es jetzt richtig, richtig laut: „Hier werdet ihr Gott nicht finden.“
Meine Oma befindet sich mit ihrer Performance in bester Prophetentradition: Auch Jeremia, Jesaja, Hosea und Joel empörten sich und demonstrierten in Zeichenhandlungen ihren Unmut über einen aufwändigen und ihrer Meinung nach gottlosen Kult. Worum geht es denn eigentlich? Da geht es nicht mehr um Gott, fanden sie. Da geht es nicht mehr um das, was Gott von uns will, fanden sie. Ja, scheinheilig fanden sie das, wenn es den Armen im Lande schlecht geht und gleichzeitig Stiere zum Opfer verbrannt wurden, um Gott gnädig zu stimmen. „Zerreißt Eure Herzen und nicht Eure Kleider“, hielten sie dagegen. „Ich bin Euren Feiertagen gram“, überbrachten sie von Gott. „Es fließe aber das Recht wie Wasser“, wünschten sie sich für die Zukunft.
Wenn ich mir heute nochmal den Auftritt meiner Oma vorstelle, habe ich gemischte Gefühle. Starke Emotionen, starke Auftritte sind mir heute ein bisschen peinlich. Das mag daran liegen, dass ich als Christin auch Kind meiner Zeit und meiner Kultur bin. Gefühlsbeherrscht zu sein galt nicht nur unter den Stoikern im alten Rom als Tugend, sondern sicherlich auch noch unter uns Christinnen und Christen. Wir unterscheiden da gerne in gute und schlechte Gefühle, mögen Freude und Traurigkeit schon lieber zulassen als Angst oder gar Ärger und Wut.
Macht das denn Sinn? Ist das denn richtig? Sicherlich irgendwo schon. Wer als Kind unter den unberechenbaren starken Wutanfällen seiner Eltern leiden musste, braucht lange, um sich davon zu erholen. Die Nachkriegsgeneration aus Kindern und Enkeln ist vielleicht deshalb vorsichtig bei starker Panik oder starker Beunruhigung, weil das Wissen immer noch in uns ist, dass in einem Luftschutzkeller eine Massenpanik auch einen Massentod auslösen kann. Gemäßigte, mäßigende Eltern sind daher sicher ein hohes Gut. Gleichzeitig müssen sie auch Grenzen ziehen können, Werte verteidigen - vielleicht lautstark, aber gewaltlos.
Kein Wunder, wenn sich auch das Christentum in den mäßigenden Strom der Kultur gut einfindet. Bibelverse empfehlen, die Sonne über dem eigenen Zorn nicht untergehen zu lassen und das mäßigende christliche Lied- und Textgut preist die Tugend des Aushaltens: „Man halte nur ein wenig stille“, „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, halte ihm die linke hin.“. Vaterfiguren, die noch gewaltsam züchtigen, wie im Hebräerbrief beschrieben wird, sind dagegen heute mit Recht und zum Glück allgemein anerkannt absolut untragbar und wir nennen ihr Verhalten mit Recht und mit voller Überzeugung „Sünde“.
Was wir dabei aber vielleicht ein wenig vergessen, ist, dass das Stille halten und Sich-Nicht-Empören ebenfalls „Sünde“ sein kann, ebenfalls ein immer mehr „Sich-Entfernen-von-Gott“.
Wenn ich zu sehr stille halte, wenn ich nicht meine Grenze ziehe, weder für mich selbst noch für andere, wenn ich bewusst die Augen schließe vor offensichtlichem Unrecht, weil ich mich lieber nicht einmischen will in Familien, Beziehungen, Ehen, Arbeitshierarchien, dann ist das genauso „Sünde“. Wir sollten das nicht vergessen. Wenn ich stille halte, wenn ich meine Werte nicht schütze, sündige ich. „Man halte nur ein wenig stille“ ist Sünde, ein Verhalten, das mich immer weiter entfernt von mir selbst und Gott. Genauso wie eigenhändig Gewalt auszuüben und so andere zu schädigen. Ein klares, mutiges Wort zur richtigen Zeit dagegen kann viel bewirken – und wenn es vorläufig nur die Kultur verändert, in der wir leben.
Warum halten wir denn dann lieber alle ein bisschen stille, statt an der richtigen Stelle im gerechten Zorn den Mund aufzumachen? Wir sind nicht so erzogen, wir trauen uns nicht, wir befürchten Konsequenzen, Ablehnung, Mobbing, Trennung, Entlassung. Wir befürchten, nicht mehr gemocht zu werden. Als Erwachsene sind wir daher vielleicht lieber ein Leben lang lieb statt stressig, unbequem, nervig und anstrengend.
Wo wir Erwachsene uns schwer tun, sind Kinder Naturtalente. Wir Erwachsene müssen das angstfrei üben und brauchen gute Vorbilder. „Das ist unfair!“ sagt ein kleines Mädchen im Kindergarten sofort und im vollen Impetus, wenn sich jemand vordrängelt oder Dinge nicht gerecht verteilt werden.
Von der Wucht von Gottes gerechtem Zorn erzählen ganze Bücher der Bibel, auch das Jona-Buch, in dem Gott in gerechtem Zorn der Stadt Ninive den Untergang ausrichten lässt, dann aber die Stadt Ninive in gerechter Barmherzigkeit am Schluss verschont, weil die Menschen sich besinnen, ihre Untaten von Herzen zu bereuen und neu anzufangen.
Jeremia, Jesaja, Hosea, Joel– und Jesus. Ich stelle ihn mir vor, wie Jesus waffenlos, gewaltlos, aber umso effizienter in den Tempel rauscht. „Ihr habt aus meines Vaters Haus, eine Räuberhöhle gemacht!“ Am Vortag noch hatte er sich den Ort in Ruhe angeschaut: Da, wo römische Münzen mit dem Antlitz des Gottkaisers in gottesfürchtige Schekel umgetauscht werden, wo Tauben in Käfigen als Opfergaben verkauft werden, wo ein Gemache und Gewühle ist wie auf einem antiken Marktplatz, im Vorhof des Tempels nahe dem Allerheiligsten. Und dann ist er da, allein. Allein die Wucht seiner Entschlossenheit lässt die Leute aufschrecken. In gerechtem Zorn fegt er, ein einzelner Mann, durch die Halle und scheucht alle auf. Ruft Bibelzitate, wirft Verkaufstische um, agiert so lange, bis die ersten erschrocken zusammen packen und gehen. Andere suchen am Boden ihre Münzen zusammen, wieder andere bleiben wie gelähmt stehen und schauen zu. Vereinzelte haben einfach nur Angst. Die Hohepriester – und an sie ist das Ganze ja auch adressiert – schauen vom Rande ungläubig, fassungslos und wiederum zunehmend wütend zu. Wer gar nicht weint, wer gar keine Angst dabei hat, das sind die Kinder. Sie freuen sich an dem reinigenden Gewitter und beginnen in das Durcheinander laut zu schreien: „Hosianna!“ schreien sie, „Hosianna dem Sohn Davids!“
Jeremia, Jesaja, Hosea, Joel, Jesus - und in deren Tradition auch meine Oma. Worum geht es eigentlich? „Hier werdet ihr Gott nicht finden!“ mahnt meine Oma in gut reformatorischer Erfurter Tradition mitten im Prunk des römischen Barock. Eure Gottesdienste sind hohl, wenn die Menschen nicht mehr aus Nächstenliebe an ihrem Nächsten handeln, mahnen die Propheten. Eure alten Opfer haben ausgedient, sie helfen nicht mehr, der alte Opferkult ist am Ende, ihr müht Euch umsonst mit Münzen und Tauben und Opferkäufen, mahnt Jesus – auch im übertragenen Sinne. Jesus macht Schluss mit diesem Opferkult. Die alte Opferpraxis zieht nicht mehr. Was helfen Opfer, wenn das Grundsätzliche nicht stimmt. Was helfen uns Beichtgebete, Schuldbekenntnis, offene Schuld, Selbstbezichtigungen im Gottesdienst, wenn unser Handeln im Alltag dasselbe bleibt? Jesus heilt stattdessen sofort die Blinden und die Tauben, die im Raum sind, und lässt sie sehen und hören.
Wenn Menschen sich für andere aufopfern, für die Arbeit, die Familie, für den Partner, die Partnerin, dann ist das zu viel, dann geht das auf Kosten der eigenen Gesundheit, auf Kosten des eigenen Heil-Seins. Dann ist das nicht das Eigentliche mehr, um das es gehen muss. Dann ist das nicht mehr guter, heilsamer Dienst an der Gemeinschaft, dann ist das einfach nur unheilvoll. Der Messias, der Heilsbringer, der Friedenfürst rückt diese Verhältnisse zurecht. Er zieht dazu auf einem Esel ein statt auf einem Kampfross. Er wendet keine Gewalt an, aber umso mehr Entschlossenheit und Stärke. Er ist ein solcher Retter und agiert – in guter Gottessohntradition – in echtem gerechtem Zorn, wenn er in den Tempel einzieht und sich über das, was er dort findet, mutig und ungebremst empört. Er errichtet sein Reich, indem er den Hohepriestern erst einmal eine ungeheuerliche Provokation bietet. Das ist dann im wahrsten Sinne reinigend. Und darin Vorbild für beherzte, mutige, entschlossene Christinnen und Christen, die nicht stille halten, sondern klug und dosiert klare Kante zeigen, so unabweisbar wie gewaltlos.
Die Geschichte von Jesu Auftritt im Tempel wurde nach seinem Tod erzählt. Sie erzählt bereits in ihren Details von Tod und Auferstehung. Jesus selbst kündigte es seinen Jüngern und Jüngerinnen an, dass er den Tempel abreißen und ihn in drei Tagen wieder aufbauen wird. Dabei dachte er an seinen eigenen Körper. Jesus will den Tempel abreißen und ihn in drei Tagen wieder aufbauen, so deuteten die Menschen es nach seinem Tod: Damit sei Jesu Körper gemeint. Ein Körper, der tödlich verletzt, tödlich zerstört und in drei Tagen wieder aufgebaut ist als Lichtleib mit Regenbogenaura, wie es wunderbar anzusehen ist beim Isenheimer Altar. Ja, was ist denn das? Das ist unser großer unbeirrbarer Glaube. Das ist unsere alles durchdringende Hoffnung. Wenn ein Körper tödlich verletzt wurde, kann er geheilt werden. Wenn ein afrikanisches Mädchen oder eine jesidische junge Frau jahrelang verschleppt, vergewaltigt und gedemütigt wurde, dann kann ihre Seele wieder aufgebaut werden, errichtet aus der Resilienz eigener und fremder Bausteine. Mit unserer Hilfe und mit Gottes Hilfe. Das ist unser Glaube, das ist unsere Hoffnung. Auf Trauer folgt Freude, auf Unrecht Gerechtigkeit und auf Gewalt Sicherheit, Schutz und Frieden.
Amen.
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Die Zugabe Gottes – Predigt zu Matthäus 21,14-17 (und Kolosser 3,12-17) von Thomas Thieme
Er hatte von jedem seiner Auftritte eine Aufnahme, ein Video: vom ersten Auftritt unter großem Jubel bis zum Abgang, wenn die Masse rief: „Zugabe!“, „Zugabe!“ Er ließ sich dann gern etwas bitten, ließ die Menge gern etwas leiden an ihrer Erwartung, der Erwartung, dass dieser Moment voll Feuer und Begeisterung nicht endet. Nur noch ein Lied, nur eines noch, bevor die wogende und wellende Masse sich wieder beruhigte und wie eine Ebbe den Saal räumt.
Natürlich hat er immer eine Zugabe gegeben, meistens sogar zwei oder drei. Er wollte ja selber nicht, dass der Moment aufhört, die Musik verklingt und die Menge sich verflüchtigt. Er wollte die Stille hinauszögern – so lange es eben ging. Die Stille, wenn es zu Ende ist.
Doch das Ende kam, es kam immer und nach ihm kam die müde Stille. Vom Rausch zuvor blieb nur ein fernes Rauschen, als wenn im Radio der Empfang schlechter wird. Das alles wusste er noch ganz genau, konnte es noch fühlen in seinen lahmen Gliedern. Er sah es noch vor seinem inneren Auge, sein äußeres sah nicht mehr viel – er war fast blind. Einsam ist er geworden – dem verblassten Star jubelt niemand mehr zu. Früher strahlte er am Himmel und andere sonnten sich in seinem Glanz. Heute lebt er im Schatten seiner eigenen Vergangenheit.
Ob er frustriert ist? Natürlich ist er das. Er ist wütend auf die launische Liebe der Fans, er beklagt die falschen Freunde im Show-buiseness, aber – dem Himmel sei’s gebeichtet – er würde sofort wieder auf die Bühne gehen, sich tragen lassen, für einen letzten Auftritt, ein letztes großes Konzert, noch ein Lied. Kein altes – nein, ein ganz neues Lied müsste es sein, eines, das die Kinder noch in hundert Jahren laut singen. Aber ach, mein Gott, dafür braucht es mehr, viel mehr, dafür braucht es schon ein Wunder.
-> eine kurze Zwischenmusik wäre hier gut, evtl. das Vorspiel zu „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“
Wenn ein neuer Stern erstrahlt, ein neuer Star die Bühne betritt, egal welche, - ob Pop oder Politik, ob Musik oder Mode, ob Kirche oder Kino - , wenn ein neuer Stern erstrahlt, schaut die Masse wie gebannt und ist entzückt. Ihr Jubelruf trägt ihn hoch in die Wolken, den Stern. Und er, der Stern, zieht mit sich einen Schweif. Wir schweifen. Als Sternenstaub zieht er uns mit nach oben, so dass auch wir für den Moment den Boden nicht mehr spüren. Mir selbst traue ich die Kraft nicht zu. Mein Stern macht das, wovon ich träume. Der Angehimmelte, er macht es für mich, er macht es mit mir. Und plötzlich und für einen Augenblick scheint alles möglich: Lahme sehen, Blinde gehen – und plötzlich ist alles leicht, ohne Mühe, ohne Last. Und plötzlich bin ich frei. Und wenn der Augenblick vorbei ist, dann stellt sich Wehmut ein und ich erkenne, mal schmerzhaft und mal scherzhaft: Auch dieser Stern vollbrachte nicht das Wunder, dass ich mir selbst nicht zutraue.
Und hinterm Vorhang der Geschichte lacht Gott. Gott lacht. Doch nicht, wie Spötter meinen. Er lacht nicht über unsere kleinen Träume vom Fliegen. Er lacht nicht über unsere Sehnsucht, dem Himmel nah zu sein. Gott lacht, weil er sich selbst als Star versuchte – damals im Tempel. Als „Jesus Christ Superstar“, als Mensch, von dem wir glauben, dass er Gott war und ist. Dieser Jesus, also Gott selbst, ging damals in den Tempel. Gott geht ins Gotteshaus, so, als müsste er sich selbst finden – schon das zeigt seinen Humor. Im Tempel dann heilt er Blinde und Lahme. Und Jubel brandet auf. Hosianna rufen wir. Die Teenager im Tempel kreischen vor Begeisterung. Die Hohepriester – also die Wächter über die guten Sitten und das Benehmen im Tempel –, die Hohepriester sind nicht amüsiert, dass hier so laut krakeelt wird. Als sie sich beim Verursacher beschweren, fragt der verwundert: „Ist es nicht genau das, was ihr hier täglich lest? Dass die Kinder Gott zu loben wissen? Sind das nicht eure Lieder und Gebete?“
„Ja, ja, mein Jesus“, will ich ihm darauf antworten. „Du hast leicht reden. Du kamst vom Himmel her und in dir klingt, was wundervoll uns diesen Himmel bringt. Doch wir, wir sind doch Kinder dieser Erde. Aus ihr sind wir geformt und tragen schwer daran. Und deshalb klingt auch der Gesang, das Lied, das wir vom Himmel singen, es klingt so erdenschwer.“ Und Jesus – mein „Jesus Christ Superstar“, er lässt mich stehen in diesem wundervollen Gotteshaus. Er geht hinaus, nicht bloß aus seinem Haus, er geht gleich raus aus der ganzen Stadt.
Das ist Gottes doppelte Ekstase: Erst geht er aus sich heraus und wird ein Mensch. Er betritt die Bühne, die wie für ihn gemacht ist, die wir für ihn erbaut haben. Dort tritt er auf und ist der Star. Er reißt uns mit und wir jubeln ihn hoch. Dann zieht uns unsere Erdenschwere wieder nieder und wir ziehen unseren Jesus mit.
Und so geht er wieder aus sich heraus und zwar hinaus auf jene Bühne, die er sich selbst bereitet hat. Hier findet er den bestirnten Himmel über sich und in sich drin findet er ein neues Lied.
-> noch einmal eine Zwischenmusik oder die erste Strophe von „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“
Von vielen Auftritten Jesu haben wir Aufzeichnungen. Wir haben heute gehört von seinem Auftritt im Tempel und wie die Kinder gesungen haben. Und genau wie sie singen auch wir mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern Gott dankbar in unseren Herzen. Wir haben auch allen Grund dazu, dankbar zu sein. Wir können zum Beispiel dankbar sein dafür, dass wir einander ertragen mit Freundlichkeit und Geduld.
Oder tun wir das etwa nicht? Das sollte aber jeder unbedingt tun: den anderen ertragen mit Freundlichkeit und Geduld. Das heilt nämlich von einer Blindheit. Ich bin immer so blind, dass ich mich beim anderen zuallererst über die Fehler ärgere, die ich selber habe.
Ich könnte auch dankbar dafür sein, dass wir uns selbst vergeben mit Demut und Sanftmut.
Oder tun wir das etwa nicht? Das sollte aber jeder unbedingt tun: sich selbst vergeben mit Demut und Sanftmut. Das heilt nämlich von einer Lähmung. Ich bin viel zu lahm, um vor dem davon zu laufen, was ich in diesem Leben nicht geschafft habe. Freundlichkeit und Geduld mit anderen, Demut und Sanftmut mit sich selbst – puh, ob wir dafür genug Liebe aufbringen können, Nächstenliebe und Liebe zu uns selbst?
Oder braucht es dafür mehr, viel mehr? Braucht es dafür, dass Du, Gott, noch einmal hinter dem Vorhang hervortrittst? Und uns noch einmal mit emporziehst am Band der Vollkommenheit? Hoch hinauf in den Himmel voller Sterne, weil Liebe uns beflügelt? Du hast es ja schon einmal getan – Ostern bist du aus dem Grab auf die Bühne dieser Welt zurück gekommen. Und wer es glaubt, dessen ganzes Leben wird ein Ruf sein nach einer Zugabe von Dir, Gott.
Wer es glaubt, der hat immer eine Möglichkeit, das Mühselige und Erdenschwere los zu lassen, der hat immer eine Möglichkeit, dem Himmel nahe zu sein. So sind wir: Gotteskinder. Gemacht aus Erde, mühselig und beladen, aber beseelt von Göttlichem, himmlisch und leicht. Es ist nicht bloß der Staub der Sterne, heute strahlend, morgen verglüht – es ist mehr, viel mehr. Es ist ein Wunder, so unfassbar wie die Zahl der Sterne, die ja doch keiner zählen kann. Nur einer kennt wunderbar sie alle – und dieser eine kennt wunderwahr auch Dich. Ich glaube voll Wunder an den Gott, der mich kennt und der mich liebt. Ich glaube wundervoll, Gott kennt auch dich und hat dich lieb.
Und der Friede Gottes, der uns höher hebt als all unsere Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, dem Liebeslied Gottes für uns.
Amen.
Im Anschluss wäre „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ gut, zu singen (bzw. die restlichen Strophen).
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Ob etwas bleibt? – Predigt zu Matthäus 28,1-10 von Peter Michael Schmudde
Auf dem Tisch brennt eine Kerze. Die großen, wasserhellen Kinderaugen schauen in das Licht. Es ist wie Zauberei, dieses flackernde Etwas.
Und dann pustet einer. Und alles ist vorbei. Die blauen Augen wandern flink durch den Raum: Irgendwo muss die Flamme doch geblieben sein. Ist sie weg jetzt? Wohin denn nur?
Sie schaut mich an, schaut durch den Raum. Und ein bisschen muss sie weinen. Es war doch so schön – jetzt ist es weg.
In ihren Tränen spiegelt sich mein eigenes Fragen. Schon als das seltsame Kind, das ich war, habe ich mir seltsame Fragen gestellt. Und solche Fragen sind immer noch da.
Ob etwas bleibt? Wohin geht die Flamme einer Kerze, wenn ich sie auspuste? Was bleibt von den Büchern, die ich gelesen habe? Geht es einfach weg, was ich erlebt habe? Bin ich immer derselbe? Wird’s je wieder so schön? Werde ich mein Paradies noch einmal finden, wenn ich an den Ort gehe, an dem es begraben liegt? Ist alles noch wahr, was ich jetzt mache, wenn ich alt geworden sein werde? Was wird aus dem Augenblick mit meinem Opa? Wo ist das, was zwischen uns war, jetzt, wo er tot ist? Bleibt etwas von der Liebe, die ich mal für jemanden hatte und die irgendwann ging? Und wohin ist sie gegangen? Ob etwas bleibt?
Sie gehen durch den frühen Morgen. Dorthin, wo er liegt in dieser Höhle. Immer noch ist es nicht richtig wahr. Zittrig wie ein Vogel im Käfig flattern ihre Seelen. Irrsinnig quält sie jetzt wie in den beiden durchwachten Nächten der Wunsch, dass es doch nicht wahr sein möge: Wie sie seinen blutigen Körper vom Kreuz genommen haben, wie sie ihn in Tücher gewickelt und mit Kräutern bedeckt haben, wie die Männer den großen Stein vor die Öffnung gerollt haben… Die Bilder brennen in der Seele und in den tränenleeren Augen. Was suchen sie eigentlich hier? Was wollen sie finden? Erinnerungen? Erinnerungen finden, ja, vielleicht. Aber geht das? Sich erinnern, wenn alles noch so lebendig ist? Und doch: Vorbei, vorbei…?
Ihre heimatlos gewordene Liebe irrt ziellos herum. Und sie braucht ein Asyl. Ja, erinnern wäre gut. Vielleicht kann sie sich da einnisten, ein wenig bleiben: In der Erinnerung. Wie er war, wie er ausgesehen hat, gesprochen, gelacht, geliebt und getanzt hat. Sich der Worte erinnern. Und immer wieder an sein Gesicht. Vielleicht findet die heimatlose Liebe dort mit der Trauer einen kühlen Platz. Vielleicht ist es gut, sich den schweren Stein noch einmal anzusehen. Vielleicht kommen auch die Tränen wieder über das, was sie einst hatten: Eine Liebe, die so stark war, dass sie Ewigkeit versprechen konnte. Einen Menschen zu lieben, heißt sagen, du wirst nicht sterben. Das geht nie vorbei. Aber: Wo ist es hin?
Fragen. Danach, ob wahr bleibt, was gewesen ist. Oder ob Ende wirklich Ende heißt. Der kühle Morgenwind des ersten Wochentages lässt sie frösteln, lässt sie spüren, wie leer, kalt und tot ihre Seelen sind, für jeden Wind ein leichtes Spiel.
Wohin ist das alles, was einmal Kraft, Energie, Licht, Luft, Segen und Leben war? Ist es denn wirklich möglich, dass es einfach verschwindet, weg, als sei es nie da gewesen? Ist das Leben wirklich so, dass wir alle fortgesetzt und immerzu etwas zu Grabe tragen?
Manchmal gehe ich zu den Gräbern, in denen schon so viel von meinem bisherigen Leben liegt. Ich möchte es wiederfinden: Das was da war. Ich möchte sehen, ob da noch etwas ist. Wenigstens möchte ich es betrauern dürfen. Will ich das?
Und ich finde etwas. Es lebt wieder. Aber es ist nicht dasselbe, was es war. Es ist Erinnerung, aber auf einmal ist es wieder da. Es riecht und schmeckt und sieht aus wie früher. Aber ich bin nicht mehr derselbe. Ich bin anders. Und was ich treffe vom Vergangenen, hat sich nicht nur selbst verändert, sondern es hat sich auch verändert, dadurch, dass ich mich verändert habe. Nach manchen Träumen erwache ich und bin todtraurig, dass ich jetzt hier und jetzt bin und nicht da, wo ich mal war.
Manche Sachen werden nicht mehr gut. Ich hätte sie so gern wieder gut. Aber ein unsichtbarer Graben liegt dazwischen. Und auch das, was wieder gut wird, trägt doch die Spuren der Zeit auf sich, in denen es nicht gut war. Manchmal finde ich etwas, was mich überrascht.
Der kühle Morgenwind scheint plötzlich stillzustehen. Vor dem Stein liegen die Wächter wie tot. So, als sei die eben noch so schauerlich bewachte schreckliche Wirklichkeit nicht mehr wahr. Sie sehen etwas, wie einen Blitz. Und eine Stimme beantwortet ihnen die Frage, von der sie selbst gar nicht gewusst haben, wie sie wirklich heißt: „Ich weiß, dass Ihr Jesus, den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier.“
Euer Leben liegt nicht in den Gräbern, die Ihr Euern Vergangenheiten gemacht habt. Es ist Leben. Es lebt. Aber nicht dort, wo Ihr es hinlegen wolltet. Geht mit denen, die dazu gehören. Dorthin, wo es angefangen hat. Dort werdet Ihr es sehen.
Als sie die Füße umfangen und er ihnen sagt: Friede sei mit Euch!, da fühlt es sich vertraut an, aber es fühlt sich ganz anders an. Da sind die Wunden an seinem Körper und die Wunden auf ihrer Seele. Sie fühlen sie an ihm und an sich. Und doch: Es ist etwas da – hell und wie ein Blitz. Und was eben noch stimmte, stimmt nicht mehr. Und die Unabänderlichkeiten liegen am Boden, als seien sie tot.
Jetzt sollen sie nach Hause gehen. Dorthin, wo alles anfing. Sie sollen nicht in dem Garten der Toten bleiben, sie sollen los – neu, mit der Liebe im Herzen, die ihm versprochen hat, dass er nicht stirbt. Nicht geht. Nicht verlischt. Nichts ist aus. Aber nichts ist, wie es war. Und was kommt, wird etwas vertrautes Neues sein.
Mein Leben liegt nicht in Gräbern. Und das Erinnern ist wirklich nur ein Asyl, ein Zelt für meine schon so oft heimatlos gewordene Liebe und für die Trauer um das, was gewesen ist. Das Leben lebt. Mit allem, was war in dem, was kommen wird. Es geht nichts verloren. Aber es wird anders sein.
Ich zünde die Kerze wieder an. Plötzlich ist sie wieder da, die Flamme. Sie sieht genauso aus wie vorher. Und doch ist sie eine andere. Die glücklichen Augen des kleinen Mädchens bestaunen das Auferstehungswunder.
Und ich möchte an Ostern glauben. An das Leben. An das, was kommt. Mit allen Narben dessen, was war. Denn das Leben ist auferstanden und hat den Tod besiegt. Amen.
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Ob etwas bleibt? - Predigt zu Matthäus 28,1-10 von Peter Michael Schmudde
Auf dem Tisch brennt eine Kerze. Die großen, wasserhellen Kinderaugen schauen in das Licht. Es ist wie Zauberei, dieses flackernde Etwas.
Und dann pustet einer. Und alles ist vorbei. Die blauen Augen wandern flink durch den Raum: Irgendwo muss die Flamme doch geblieben sein. Ist sie weg jetzt? Wohin denn nur?
Sie schaut mich an, schaut durch den Raum. Und ein bisschen muss sie weinen. Es war doch so schön – jetzt ist es weg.
In ihren Tränen spiegelt sich mein eigenes Fragen. Schon als das seltsame Kind, das ich war, habe ich mir seltsame Fragen gestellt. Und solche Fragen sind immer noch da.
Ob etwas bleibt?
Wohin geht die Flamme einer Kerze, wenn ich sie auspuste?
Was bleibt von den Büchern, die ich gelesen habe?
Geht es einfach weg, was ich erlebt habe?
Bin ich immer derselbe? Wird’s je wieder so schön?
Werde ich mein Paradies noch einmal finden, wenn ich an den Ort gehe, an dem es begraben liegt?
Ist alles noch wahr, was ich jetzt mache, wenn ich alt geworden sein werde?
Was wird aus dem Augenblick mit meinem Opa? Wo ist das, was zwischen uns war, jetzt, wo er tot ist? Bleibt etwas von der Liebe, die ich mal für jemanden hatte und die irgendwann ging? Und wohin ist sie gegangen?
Ob etwas bleibt?
Sie gehen durch den frühen Morgen. Dorthin, wo er liegt in dieser Höhle. Immer noch ist es nicht richtig wahr. Zittrig wie ein Vogel im Käfig flattern ihre Seelen. Irrsinnig quält sie jetzt wie in den beiden durchwachten Nächten der Wunsch, dass es doch nicht wahr sein möge: Wie sie seinen blutigen Körper vom Kreuz genommen haben, wie sie ihn in Tücher gewickelt und mit Kräutern bedeckt haben, wie die Männer den großen Stein vor die Öffnung gerollt haben… Die Bilder brennen in der Seele und in den tränenleeren Augen. Was suchen sie eigentlich hier? Was wollen sie finden? Erinnerungen?
Erinnerungen finden, ja, vielleicht. Aber geht das? Sich erinnern, wenn alles noch so lebendig ist? Und doch: Vorbei, vorbei…?
Ihre heimatlos gewordene Liebe irrt ziellos herum. Und sie braucht ein Asyl. Ja, erinnern wäre gut. Vielleicht kann sie sich da einnisten, ein wenig bleiben: In der Erinnerung. Wie er war, wie er ausgesehen hat, gesprochen, gelacht, geliebt und getanzt hat. Sich der Worte erinnern. Und immer wieder an sein Gesicht. Vielleicht findet die heimatlose Liebe dort mit der Trauer einen kühlen Platz. Vielleicht ist es gut, sich den schweren Stein noch einmal anzusehen. Vielleicht kommen auch die Tränen wieder über das, was sie einst hatten: Eine Liebe, die so stark war, dass sie Ewigkeit versprechen konnte. Einen Menschen zu lieben, heißt sagen, du wirst nicht sterben. Das geht nie vorbei. Aber: Wo ist es hin?
Fragen. Danach, ob wahr bleibt, was gewesen ist. Oder ob Ende wirklich Ende heißt. Der kühle Morgenwind des ersten Wochentages lässt sie frösteln, lässt sie spüren, wie leer, kalt und tot ihre Seelen sind, für jeden Wind ein leichtes Spiel.
Wohin ist das alles, was einmal Kraft, Energie, Licht, Luft, Segen und Leben war?
Ist es denn wirklich möglich, dass es einfach verschwindet, weg, als sei es nie da gewesen? Ist das Leben wirklich so, dass wir alle fortgesetzt und immerzu etwas zu Grabe tragen?
Manchmal gehe ich zu den Gräbern, in denen schon so viel von meinem bisherigen Leben liegt. Ich möchte es wiederfinden: Das was da war. Ich möchte sehen, ob da noch etwas ist. Wenigstens möchte ich es betrauern dürfen. Will ich das?
Und ich finde etwas. Es lebt wieder. Aber es ist nicht dasselbe, was es war. Es ist Erinnerung, aber auf einmal ist es wieder da. Es riecht und schmeckt und sieht aus wie früher. Aber ich bin nicht mehr derselbe. Ich bin anders. Und was ich treffe vom Vergangenen, hat sich nicht nur selbst verändert, sondern es hat sich auch verändert, dadurch, dass ich mich verändert habe. Nach manchen Träumen erwache ich und bin todtraurig, dass ich jetzt hier und jetzt bin und nicht da, wo ich mal war.
Manche Sachen werden nicht mehr gut. Ich hätte sie so gern wieder gut. Aber ein unsichtbarer Graben liegt dazwischen. Und auch das, was wieder gut wird, trägt doch die Spuren der Zeit auf sich, in denen es nicht gut war. Manchmal finde ich etwas, was mich überrascht.
Der kühle Morgenwind scheint plötzlich stillzustehen. Vor dem Stein liegen die Wächter wie tot. So, als sei die eben noch so schauerlich bewachte schreckliche Wirklichkeit nicht mehr wahr. Sie sehen etwas, wie einen Blitz. Und eine Stimme beantwortet ihnen die Frage, von der sie selbst gar nicht gewusst haben, wie sie wirklich heißt: „Ich weiß, dass Ihr Jesus, den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier.“
Euer Leben liegt nicht in den Gräbern, die Ihr Euern Vergangenheiten gemacht habt. Es ist Leben. Es lebt.
Aber nicht dort, wo Ihr es hinlegen wolltet. Geht mit denen, die dazu gehören. Dorthin, wo es angefangen hat. Dort werdet Ihr es sehen.
Als sie die Füße umfangen und er ihnen sagt: Friede sei mit Euch!, da fühlt es sich vertraut an, aber es fühlt sich ganz anders an. Da sind die Wunden an seinem Körper und die Wunden auf ihrer Seele. Sie fühlen sie an ihm und an sich. Und doch: Es ist etwas da – hell und wie ein Blitz. Und was eben noch stimmte, stimmt nicht mehr. Und die Unabänderlichkeiten liegen am Boden, als seien sie tot.
Jetzt sollen sie nach Hause gehen. Dorthin, wo alles anfing. Sie sollen nicht in dem Garten der Toten bleiben, sie sollen los – neu, mit der Liebe im Herzen, die ihm versprochen hat, dass er nicht stirbt. Nicht geht. Nicht verlischt. Nichts ist aus. Aber nichts ist, wie es war. Und was kommt, wird etwas vertrautes Neues sein.
Mein Leben liegt nicht in Gräbern. Und das Erinnern ist wirklich nur ein Asyl, ein Zelt für meine schon so oft heimatlos gewordene Liebe und für die Trauer um das, was gewesen ist.
Das Leben lebt. Mit allem, was war in dem, was kommen wird. Es geht nichts verloren. Aber es wird anders sein.
Ich zünde die Kerze wieder an. Plötzlich ist sie wieder da, die Flamme. Sie sieht genauso aus wie vorher. Und doch ist sie eine andere. Die glücklichen Augen des kleinen Mädchens bestaunen das Auferstehungswunder.
Und ich möchte an Ostern glauben. An das Leben. An das, was kommt. Mit allen Narben dessen, was war. Denn das Leben ist auferstanden und hat den Tod besiegt. Amen.
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Der Friedhof der Lebenden – Predigt zu Matthäus 28,1-10 von Barbara Eberhardt
Die Frauen kommen, um nach dem Grab zu sehen.
Im Winter einmal in der Woche. Und im Sommer manchmal jeden Tag.
Füllen die großen grünen Gießkannen mit Wasser und schleppen sie an den anderen Gräbern vorbei. Gießen Tagetes, Begonien und Phlox. Und auch die kleinen Buchsbäume brauchen ordentlich Wasser.
Sie zupfen das Unkraut weg und im Herbst die Blätter, die der Wind her weht.
Ich habe einmal eine von ihnen gefragt, warum sie das macht.
Irgendjemand muss es doch machen, war die Antwort.
Aber Sie könnten doch eine Gärtnerei beauftragen, habe ich gesagt.
Ach, dass schaffe ich schon noch, hieß es da. Fränkischer Pragmatismus.
Aber vielleicht steckt auch das dahinter: Wenn der geliebte Mensch gestorben ist, tut sich ein riesiges Loch auf.
Leer sind Bett, Küchenstuhl und Fernsehsessel, leer sind die Stunden und Tage. Die Trauer ist schwer wie ein Stein und niemand rollt ihn weg. Aber da draußen ist das Grab, es ist Gedenkort und Ziel, eine Aufgabe in sinnlos gewordener Zeit.
Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. (Mt 23,1f)
Damit beginnt die Ostergeschichte.
Der Engel wälzt den Stein weg. Den Stein der Trauer. Den Trennstein zwischen Grab und Außenwelt, zwischen Tod und Leben.
Es ist ein schwerer Stein. Der Engel braucht viel Kraft, um ihn zu bewegen. Er muss mehrfach ansetzen. Pause machen. Durchschnaufen. Nochmal ran. Und dann gibt der Stein nach.
Frühlingsluft strömt in das Grab. Eine neugierige Hummel fliegt hinein. Stück für Stück bewegt sich der Stein. Und dann fällt er um.
Der Engel ist schweißgebadet. Er muss sich einen Moment ausruhen. Setzt sich auf den Stein. Setzt sich auf Trauer und Schwere und Grabeskühle. Und der Stein verwandelt sich, wird Sitzbank, Ruheplatz, Treffpunkt.
Der Friedhof der Toten wird zum Park der Lebenden.
Die Frauen kommen vorbei mit ihren grünen Gießkannen und man kommt ins Gespräch über den Verstorbenen. Die Leiden in den letzten Tagen. Sein Tod. Sein Leben. Seine Liebe und sein Humor. Dass es schwer ist ohne ihn.
Und die unausgesprochene Frage: Wo ist er jetzt?
Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern: Er ist auferstanden von den Toten. Und siehe, er geht vor euch hin nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. (Mt 23,5-7)
Jesus ist auferstanden. Er ist bei den Lebenden.
Und das ganze Steinwegwälzen hat der Engel nur zum Zeichen gemacht, extra für die Frauen, damit sie die Stätte sehen können, wo er gelegen hat.
Das Grab ist leer. Die Todesluft – sie ist nur kalter Hauch in der Felsenhöhle.
Der Lebende ist nicht bei den Toten.
Und sein Leben ist gewaltig. Es treibt ihn mit Macht aus dem Grab, wie die Blätter aus den Bäumen schießen in diesen Tagen.
Nichts kann ihn aufhalten. Kein Stein, keine Wachen. Pures Leben ist in ihm.
Er sieht die Hummel, die am Buchsbäumchen saugt und die Wolke, die wie eine Möwe aussieht.
Er hört die Amsel singen und wie der Mann im Nachbarhaus beim Rasieren vor sich hinsummt.
Er riecht die Narzissen und das Putensteak auf dem Grill nebenan.
Er spürt seine Schritte auf dem morgenkühlen Pflasterweg und die sonnenwarme Luft.
Es ist Leben in Fülle, Leben im Augenblick, Leben in Ewigkeit.
Und er geht voraus durch die Vororte, über Felder und durch Wälder, durch Städte, Dörfer und Marktflecken. Jerusalem, Emmaus und Frauenaurach.
Er geht dorthin, wo er zuhause ist, wo man ihn kennt und wiedererkennt, zu den Fischern am See Genezareth, zu den Landwirten in Hüttendorf, geht in jedes Haus, das ihn aufnimmt, teilt Brot und Wein und Freud und Leid.
Auch Maria Magdalena und der anderen Maria begegnet Jesus. Denn sie waren ja eilends weggegangen vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen. (Mt 28,8-10)
Sie kommen immer noch auf den Friedhof.
Im Winter einmal in der Woche. Und im Sommer manchmal jeden Tag.
Füllen die großen grünen Gießkannen mit Wasser und schleppen sie an den Gräbern vorbei.
Sie suchen nicht den Toten. Sie suchen die Lebenden.
Haben Bekanntschaften geschlossen zwischen Buchsbäumchen und fleißigen Lieschen.
Leihen sich gegenseitig Rechen und Heckenscheren aus.
Reden über das Wetter und über die Gesundheit, sorgen sich, wenn eine ein paar Tage nicht kommt.
Und der Verstorbene lebt in ihren Herzen. In Bildern und Erinnerungen. Er ist ihnen vorausgegangen. Nach Hause. Zu Gott.
Und der Engel sitzt auf dem Grabstein und sagt: Ihr werdet ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.
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Konfi-Impuls "Auferstanden" zu Matthäus 28,1-10
„Auferstanden“ - Konfi-Impuls zu Matthäus 28,1-10(15), Ostern 2017
Film:
Vor ungefähr einem Jahr ist der Film „Auferstanden“ in die Kinos gekommen. Er erzählt die Ostergeschichte aus der Perspektive des römischen Soldaten Clavius. Er soll den Leichnam des gekreuzigten Aufständischen Jeschua finden. Ein Wettlauf mit der Zeit und die Suche nach der Wahrheit beginnen.
Wer den Film mag (FSK 12 Jahre – manche Szenen sind ziemlich gewalttätig), kann ihn vor den Osterferien im Konfirmandenunterricht zeigen. Eventuell kann auch ein kurzer Ausschnitt im Ostergottesdienst vorkommen.
Evangelium:
Man kann im Unterricht aus dem Bibeltext Matthäus 28,1-15 eine Art Zeugenbefragung ableiten. Dazu beschäftigen sich die Konfirmanden in Kleingruppen mit einzelnen Personen aus der Geschichte: Ein Wachmann, Maria Magdalena, ein Hohepriester, ein Jünger.
Was haben sie gesehen und gehört?
Wie deuten sie das Erlebte?
Welche Fragen könnte ein römischer Sonderermittler ihnen stellen, der die Wahrheit über den Verbleib des Leichnams herausfinden möchte?
Welche Zweifel schwingen mit?
Welche Konsequenzen hat die jeweilige Deutung des Geschehens – für den Zeugen, für andere?
Vielleicht lässt sich daraus ein kurzes Anspiel für den Gottesdienst vorbereiten.
In der Predigt können die Zweifel und das „Wunderbare“ an der Geschichte aufgegriffen werden. Die Ostergeschichte war schon immer eine Zumutung. Erdbeben, Blitz-Helligkeit und Engel weisen darauf hin, dass hier Umwälzendes berichtet wird. Ostern führt an die Grenze und über die Grenze dessen, was mit historischen Fakten bewiesen werden könnte. Das Bekenntnis der Urgemeinde, später der gesamten Christenheit knüpft aber an das an, was diese Zeugen damals gesehen, gehört und erfahren haben.
Lied:
Christina Stürmer fragt in ihrem Lied „Weißt du wohin?“, ob nach dem Tod noch etwas kommt. Lied und Text können zur Einstimmung für Ostern verwendet werden, zumal die Sängerin in der letzten Strophe sehr hoffnungsvoll klingt. Das Lied ist leicht auf youtube zu finden.
Pfarrerin Christina Hirt, Mitglied im Beirat Konfirmandenarbeit, Aichtal-Grötzingen
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Der Weg des Glaubens - Predigt zu Matthäus 12,38-42 von Matthias Wolfes
Da antworteten etliche unter den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen; und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona. Die Königin von Mittag wird auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomons Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomo. (Mt 12,38-42, Lutherbibel 1912)
Liebe Gemeinde,
Verfolgung und Unterdrückung sind Grundmotive der Geschichte des christlichen Glaubens. Von Beginn an bis heute werden Christen verfolgt, unterdrückt und ihrer Freiheit beraubt. Ihrer Freiheit werden sie vor allem darin beraubt, daß ihnen untersagt wird, als Christen zu leben. Bringen sie den Mut auf, es trotzdem zu tun, mußten und müssen sie mit den härtesten Konsequenzen rechnen.
Dieses Thema gehört zur Geschichte des Christentums und wir sollen uns dessen bewusst sein, auch wenn unsere eigene hiesige Realität weit davon entfernt ist. Der heutige Sonntag ist der Gedenk- und Gebetstag zu diesem Zweck. Es soll uns bewusst sein, dass diejenigen, die um ihres christlichen Glaubens willen Verfolgung und Unterdrückung erleiden, unsere Glaubensbrüder und Glaubensschwestern sind. Sie gehören zu uns und wir zu ihnen.
Die Liste von Ländern, in denen Christen unterdrückt werden, ist lang und sie wird leider immer länger. Viele Nachrichten erreichen uns aus dem Irak – ein Land, das soeben noch als „wichtiger Verbündeter“ im Kampf gegen des islamistischen Terror bezeichnet worden ist – , aus Syrien, Nordkorea und Nigeria. Dazu kommen zahlreiche weitere Staaten und Regionen und überall ist Zerstörung, Elend und Flucht die Folge. Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung sind gängige Praxis. Die Formen der Unterdrückung reichen von grausamen Gewalttaten, Hinrichtungen und Folter, über Inhaftierungen bis zu Benachteiligungen im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt. Was das für uns bedeutet, ist klar: Wir sind zur Solidarität mit diesen Verfolgten verpflichtet. Wir müssen aber auch das Unsere dazu tun, dass das Handeln terroristischer Regime und die Wirkungen toleranzunfähiger Weltanschauungen angeprangert werden, die die Ursache für das massenhafte Elend sind.
Nun ist eine solche Mahnung zur Solidarität und zum Gebet leicht gesprochen. Sie kann auch immer nur das Eine sein. Das Andere ist, was wir in unserem eigenen Leben daraus und damit tun. Jeder muss hier seinen eigenen Weg gehen und es ist schon sehr viel, wenn man weiß, welches dieser Weg ist. Es ist sehr viel, wenn überhaupt etwas geschieht. Was das ist, wie wir uns im Einzelnen verhalten, kann nur jeder für sich entscheiden.
Und da scheint mir die Geschichte vom Propheten Jona eine Hilfe sein zu können. Unser Predigttext bezieht sich auf diesen Mann, der in die Irre gegangen, dann aber doch auf die rechte Bahn gekommen ist. Lassen Sie mich kurz zusammenfassen, worum es geht.
Das alttestamentliche Buch Jona, eine Schrift aus den sogenannten „Zwölf kleinen Propheten“, schildert die Reaktion des Jona auf Gottes Auftrag, die Stadt Ninive vor ihrer Zerstörung zu warnen.
Jona erhält den Auftrag, nach Ninive im heutigen Irak zu reisen und die Einwohner dort vor dem Untergang zu warnen, der ihnen wegen ihrer zahlreichen Verfehlungen droht. Doch Jona sieht sich außerstande, das zu tun. Er widersetzt sich, flüchtet vor Gott und besteigt ein Schiff, das ihn in die genau entgegengesetzte Richtung bringt.
Die Reise aber wird durch einen schweren Sturm unterbrochen. In ihrer Not werfen die Matrosen die ganze Ladung über Bord und beten zu ihren Göttern. Weil das aber nichts hilft, entschließen sie sich zu einer sonderbaren Opferhandlung. Es soll das Los bestimmen, wer an dem Unglück Schuld sei. Nachdem das Los auf Jona gefallen ist, schildert dieser ihnen sein Vergehen gegen Gott. Er wird tatsächlich über Bord geworfen und im selben Augenblick hört der Sturm auf.
Hierauf folgt die bekannteste Passage: Der HERR verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. (Jona 2, 1). Nun betet der Prophet zu Gott und verspricht, nach Ninive zu gehen und den Auftrag auszuführen, wenn Gott ihn errettet. Daraufhin befiehlt Gott dem Fisch, Jona auf das Land zu spucken. Nachdem der Auftrag ein zweites Mal ergangen ist, richtet Jona den Einwohnern der Stadt aus, dass Gott ihnen noch eine vierzigtägige Frist zur Umkehr einräumt, dann aber der Untergang unausweichlich erfolgen werde. Tatsächlich „bekehren“ sich sämtliche Menschen einschließlich des Königs und die Stadt wird verschont.
In der Auslegung dieser Geschichte durch den Evangelisten Matthäus lautet der entscheidende Satz: Die Leute von Ninive werden auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona. (Mt 12,41) So spricht Jesus bei Matthäus in der Reaktion auf die vorangegangene Zeichenforderung der Pharisäer.
Ebenso werde die Königin von Mittag am Jüngsten Gericht auftreten. Sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit des Salomo zu hören und fand den rechten Weg, so wie es die Bewohner der Stadt Ninive getan haben. Hier aber heißt es, ist mehr denn Salomo. Hier, im Angesicht Jesu ist mehr als in allen früheren Bekehrungs- und Umkehrungssituationen. Wenn schon der Prophet Jona, die Einwohner von Ninive und die Königin von Mittag imstande gewesen sind, den rechten Weg zu finden, um so viel mehr muss es dann jetzt, im Angesicht Jesu, möglich sein. Wer sich aber hiergegen versperrt, dem ist nicht zu helfen, denn ein klareres Zeichen kann nicht gegeben werden.
Das ist der Sinn der Jona-Geschichte im Kontext des Matthäusevangeliums. Das Zeichen ist gegeben. Nun geht es um die Reaktion und die liegt in unserer Hand.
Es ist an uns, die rechten Konsequenzen zu ziehen. Das ist die Grundforderung des Evangeliums. Niemand kann vorschreiben, was der andere zu tun hat, wenn er den Weg des Glaubens geht. Man kann immer nur sagen und zeigen, wie der eigene Weg beschaffen ist. Das gilt in jeder Hinsicht und es gilt auch angesichts der Situation, die sich uns im Wissen um die Verfolgung und Unterdrückung von Christen und Christinnen in der Welt stellt. Der Handlungsspielraum der Einzelnen ist verschieden groß. Aber jeder kann doch wenigstens deutlich aussprechen, daß es unsere Glaubensgeschwister sind, denen hier schweres Unrecht angetan wird, die Verbrechen erleiden und deren Leben in unermesslichem Maße ein Leben unter dem Kreuz ist.
Amen.