Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Jan-Dirk Döhling
- Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens.– so bejubelt der erste Timotheusbrief das Weihnachtswunder. Und das Geheimnis heißt: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, er ist geglaubt in der Welt, aufgenommen in und er ist aufgenommen Herrlichkeit.
Und seit Jahr und Tag können Himmel und Erde es nicht ergründen. Denn ein Rätsel kann man lösen - aber von einem Geheimnis, da muss man erzählen, es herumsprechen, sich drauf einlassen - und dann kann es kann feiern – Gott sei Dank.
1.) Im Himmel – so wird erzählt – da wurde getuschelt, als sich der Plan herumsprach. Und Ratlosigkeit glänzte auf den Gesichtern der Engel und nicht wenige in den Heerscharen tauschten schwere Bedenken – hinter vorgehaltenen Flügeln.
Wie konnte er nur - er der Baumeister des Kosmos, der einst fein säuberlich geschieden hatte zwischen Tag und Nacht zwischen Himmel und Erde. Wie konnte er nur? Und wieso wollte er? Sich so herablassen, sich verlieren ans Dunkel, sich hinabstürzen in die Nacht.
Sie, die unerschöpfliche Quelle, aus der sich der mächtige Strom des Lebens ergoss auf diesen kleinen Planeten, sie die mit ihrer Lebendigkeit Länder und Meere und Pflanzen und Tiere und alle Geschöpfe durchströmte, wie konnte sie nur zu einem einzelnen Tropfen werden wollen - versickern, verdunsten auf dem Acker der Welt.
Er der dreimal heilige, den kein Auge je gesehen und kein Ohr je gehört hatte – wie konnte er nur, – und wieso wollte er - nun ausgerechnet so Gehör finden wollen, sich ausgerechnet so zeigen: Runzelig rot an einer Nabelschnur, trinkend an der Brust einer Frau.
Sie, die Macht, die Sternen und Sonnen ihre Bahn gab, wie konnte sie nur und wieso wollte Sie, so aus der Rolle fallen und so klammheimlich die Seiten wechseln, verstohlen und unauffällig?
War das nicht ein Skandal, war das nicht eine neue Verrücktheit, die ultimative diesmal durch nichts zu steigern. Eine unglaubliche Kinderei wohlwollend betrachtet. Geschmacklos sogar strenggenommen. So redeten sie die Himmlischen als der Plan bekannt wurde, hinter vorgehaltenen Flügeln.
Dann aber, in jener Nacht, als der Schrei der Geburt durch die Finsternis hallte, da wurden sie alle mitgerissen vom Strom der Freude der aus Gott selbst hervorbrach, als sei er endlich nach Hause gekommen. Und die Freude, sie flutete durch jeden Stein, jeden Grashalm und jedes Atom des Universums. Und sie – die Engel, sie wussten nicht wie – auch aus ihnen bracht der Jubel heraus und er erfüllte Himmel und Erde. Und seitdem ist er nie mehr verklungen, nur einmal für drei Tage lang.
– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –
Gepredigt den Heiden
2.) In Rom, der Hauptstadt der Welt, in den Büros der kaiserlichen Zensur- und Sicherheitsbehörden, Abteilung Sekten und Kulte des vorderen Orient, Unterabteilung Judaica schmunzelte man als man die Geschichte las, die bei dieser neuen jüdischen Sekte beschlagnahmt worden waren.
Man war ja allerhand verworrenes Zeug gewöhnt von diesen jüdischen Spinnern. Aber das hier, das war endlich einmal gut ausgedacht. Natürlich es, war eine blanke Unverschämtheit, wenn man es gemäß den Vorschriften betrachtete. Aber eine mit Köpfchen, fast eine Art Kabarett – das natürlich keinesfalls in die falschen Hände geraten durfte. Bei den eingeweihten aber sorgte es für einige Heiterkeit und so reichte man die Storry weiter, heimlich-grinsend von Büro zu Büro.
Es ging, das war ein bekannter jüdischer Spleen, um die Ankunft des Messias, des rettenden Königs. Der sollte dem kleinen Volk mit dem aufgeblasenen Selbstbewusstsein die Freiheit verschaffen, von der es meinte sie stünde ihm zu. So weit so bekannt.
Aber dieser Heilskönig der wurde hier nicht ein weiteres mal herbeigesehnt und heranorakelt, nein, so das Dokument, er sei schon geboren worden. Als Kind einer Jungfrau, so gehörte es sich. Denn von den großen Königen des Zweistromlandes, über Alexander den großen Griechen bis hin zu ihrem Kaiser, dem göttlichen Augustus behaupteten alle Mächtigen, sie seien samt ihre Macht vom Himmel gefallen. Gottmenschen, geboren zu herrschen geboren und zu siegen.
Bloß – und jetzt wurde es originell – dass dieses Gotteskind auf irgendeinem Acker zur Welt gekommen sei, vor den Toren der jüdischen Hauptstadt, in einem Schafstall. Völlig unbemerkt nicht nur von den römischen Truppen, sondern auch von der jüdischen Marionettenregierung. Stattdessen hätten zuerst nur einige hergelaufene Viehhirten von der Geburt des Göttlichen gewusst und dann seien eben die zur Stelle gewesen und hätten das tun dürfen, was sonst eine ganze Welthauptstadt auf den Gassen und einem ganz kleinen erlesenen Kreis bei Hofe vergönnt war: dem Kind huldigen, dem gottgleichen Retter.
Aber es kam noch besser – nicht nur dass für diesen unehelichen jüdischen Schreinergesellen, eine himmlische Zeugung behauptet wurde wie für den gottgleichen Augustus und nicht nur, dass ihm auch frech das politische Programm, die geschichtliche Aufgabe des glorreichen Roms auf den Leib geschrieben wurde: Der Weltfriede und die Herrschaft des Rechts – nur eben ohne Legionen und Galeeren und Schwerter, ohne Besatzung, Verwaltung und Strafen und Steuern.
Das Beste war, dass auch noch der Kaiser selbst Geburtshilfe geleistet hätte für dieses absurde Theater. Der göttliche Kaiser, er setzt Völker in Bewegung durch einen einzigen Befehl, der bis in den hintersten Winkel des Weltreiches befolgt werden muss, wie in Judäa zur Volkszählung - Und doch mit all seiner Macht erfüllt er doch nur den Willen des Israelgottes - völlig ahnungslos ob er will oder nicht. Es war schon klar, dass das irgendwie ernst gemeint war. Aber es war auch so aberwitzig, dass es sich kein griechischer Komödiendichter besser hätten ausdenken können.
„Aufs ganze gesehen unbedenklich“, so lautete die Notiz, mit der man schließlich das jüdische Büchlein zu Akten legte. Denn es war ja völlig undenkbar, dass mit dieser nett ausgedachten Geschichte auch Geschichte gemacht werden könnte. Dass sie bleiben würde, etwas bewegen könnte, dass man ihr Glauben schenken würde, im Volk der Juden und erst recht bei den anderen, den Völkern der Welt
Und doch – noch zweitausend Jahre nachdem die Akten geschlossen – wurden brennen bei den Völkern der Welt die Kerzen der Weihnacht. Und im Namen des Juden Jesus da segnen sich alle Völker. Und in Rom da wird morgen ein christlicher Bischof im Namen des Messias Jesus den Weihnachtssegen sprechen: Für die Stadt und den Erdkreis - in den Sprachen der Welt.
– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –
Und in unseren Weihnachtsstuben – heute und hier, da wird dem demütigen Gott ein herrlicher Empfang bereitet. Und der irdische Gott kommt zur Welt in einer himmlische Kulisse – mit Engeln und Lichtern und Duft und Gefühl.
Da bemühen sich Menschen quer durch das Land, das große Geschenk der Freundlichkeit Gottes umzumünzen in ein paar freundliche Tage und sie strengen sich an, als die Geliebten Gottes, mit ihren kleinen Gaben seine große Gabe weiterzuschenken an ihre Lieben. Und wenn es gelingt, dann ist da wirklich mehr Freude, mehr Güte, mehr Menschlichkeit zwischen uns – wegen dem menschlichem Gott.
Wenn aber nicht – wenn die Gans verbrannt und die Luft dick ist, wenn die Gabe fehlgeht und die Stimmung kühl wird - und sich die ganze himmlische Herrlichkeit in Rauch auflöst?
Nun, vielleicht erinnern wir uns dann, dass Gott einen Stall wählte um zur Welt zu kommen, die unanständigen Verhältnissen einer unehelichen Geburt und die Kälte der Nacht und im Qualm eines Hirtenfeuers. Es wird ja nicht Weihnachten wegen dem Reichtum unserer Feste, es wird Weihnachten für die Armut unserer Seele
– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –
In einem Wohnblock irgendwo in Deutschland da läutet der Pfarrer an der Haustür eines Geburtstagskindes. Nicht eben freundlich öffnet ihm eine Frau mit sehr dicken Beinen, aber dann wird er schließlich doch hereingebeten in eine Wohnung, die mehr erzählt als die Frau selbst. Sonst ist kein Besuch da, auch keine Geschenke oder Glückwunschkarte. Eine Medikamentenbox liegt auf dem Sideboard neben der Wohnzimmertüre. Morgens Mittags Abends - Montags bis Freitags, bunte Kapseln in jedem Fach - Gelenkrheuma sagt sie - und mit dem Herzen. So ist das Herr Pfarrer. An der Wand hängt das Schwarzweißfoto eines jungen Mannes in Wehrmachtsuniform. Nein, sagt sie Familie hätte sie nicht. Bin nach dem Krieg alleine geblieben.
An der Wand gegenüber ein Kruzifix, geschnitzt aus Wurzelholz und darauf zeigt sie, nachdem Sie eine Weile geschwiegen haben.
„Wissen sie Herr Pfarrer – mit Gott kann ich nicht viel anfangen, aber der da, der hatte es auch schwer, der versteht mich“.
Und dem Pfarrer schießt sein Gelerntes in den Kopf und schon will er antworten, dass man das doch so nicht sagen könne. Weil es ja gerade Gott selbst wäre, der da an Weihnachten Mensch würde, weil er nicht ohne den Menschen Gott sein will - und weil er seit Weihnachten auch gar nicht mehr ohne Mensch Gott sein kann. Und eben darum könnte auch kein Mensch mehr ohne Gott sein, weil ja Gott - Mit uns Gott sein wollte.
Aber dann hält er sich zurück: Denn er hat so ein Gefühl als hätte die alte Frau, die mit Gott nichts anfangen kann das Weihnachtsgeheimnis vielleicht viel genauer verstanden als er, oder jedenfalls viel tiefer geglaubt und stärker erlebt.
Denn es gibt ja gar keinen Gott, jedenfalls gibt es seit Weihnachten keinen Gott mehr ohne die dicken Beine einer alten Frau, keinen, der nicht im Krieg seinen Verlobten verloren hätte und keinen Gott, der nicht wüsste wie es sich anfühlt einen achtzigsten Geburtstags allein mit seinen Erinnerungen zu feiern.
Und wenn Christen und Christinnen an einen glauben und also doch mit dem Wort Gott etwas anfangen wissen. Dann deshalb, weil Gott etwas mit ihnen anzufangen wusste. Und dann glauben sie an einen Gott, der sie versteht, mit Seele und Leib, mit Tränen und Schweiß, mit Haut und Haaren und mit Fleisch und Blut. Wie auf Erden so im Himmel!
Groß ist das Geheimnis des Glaubens. Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt
– Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens. Und seit Jahr und Tag werden Himmel und Erde nicht fertig damit. Aber immer neu fangen sie an, es zu buchstabieren, es weiterzuflüstern und es zu feiern. Heute und morgen und jeden Tag…
Gott selbst in einem Kind – machtvoll und zärtlich,
Gott selbst bei uns – kräftig und verletzlich
und wir selbst bei Gott – rätselnd und staunend, betend und froh.
geboren, der Heiland, heute – für Euch.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne, bei unserem Herrn und Heiland Jesus Christus.
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Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Martina Janßen
Lied vor der Predigt: Dies ist die Nacht, da mir erschien… (EG 40, Strophen 1, 3, 5)
I. „Die Bedeutung eines besonderen Moments wird einem oft erst im Nachhinein bewusst. Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie. Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen. Der Zauber einer Zirkusvorstellung kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt. Der traurige Clown, die Spannung, wenn der Jongleur nicht nur die Teller kreisen, sondern auch die Tassen fliegen lässt, der Geruch von Sägespänen und des Parfüms der Mutter, die einen beschützend in den Arm nimmt, wenn die Tiger in die Manege einlaufen, das alles bleibt unvergesslich. Die magische Aura des fabelhaften Zirkus ist das Weihnachtsthema.“ Ich sitze in der S-Bahn und lese in einer Hochglanzzeitung des Hamburger Alsterhauses. „Sternstunden. Weihnachten im Alsterhaus“ – so lautet der Titel des Magazins (http://www.alsterhaus.de/de/home/content/sternstunden-weihnachten-im-alsterhaus/). Ein glamouröses Werbeheft für teure Kleidung, Parfüms und Accessoires – kunstvoll vor einer Zirkuskulisse in Szene gesetzt. Die Sägespäne erinnern an den Stall von Bethlehem; die festliche Kleidung lässt einen an Heiligabend denken. Gekonnt gemacht – denke ich - durchaus mit einem Hauch Magie, aber eigentlich nichts, was meine Aufmerksamkeit länger als für einen kurzen Augenblick binden kann – schon allein, weil die meisten Dinge für mich unerschwinglich sind. Aber an diesem Vorwort bliebe ich hängen. „Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie.“ – Ja, denke ich, das stimmt. Als Kind ist man offen für den Zauber, für die magischen Momente im Leben. „Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen.“ Der Zauber eines Weihnachtsabends kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt. Das zerbrechliche Wachsgesicht des alten Weihnachtsengels, die Spannung, wenn die Glocke zur Bescherung in die gute Stube ruft, der Lamettafaden, der sich wie feingesponnenes Gold um die Tannennadeln wickelt und zum Träumen einlädt, der Duft von Plätzchenteig an den Händen der Mutter, wenn sie einem unterm Weihnachtsbaum die Locken aus dem Gesicht streicht, das alles bleibt unvergesslich. Aus solchen Momenten sind jene Sternstunden gewoben, die mit ihrem ganz eigenen Glanz unser Herz streifen und ein Geheimnis in sich tragen.
Weihnachten hatte für mich als Kind immer etwas von Geheimnis, von Zauber, von Magie: Was verbirgt sich wohl hinter den Türchen im Adventskalender? Wie kann ein „Ros‘ entspringen aus einer Wurzel zart und ein Blümlein bringen mitten im kalten Winter“? Auf welchem Weg schleicht sich das Christkind ins Haus? Auch wenn ich mittlerweile längst das Geheimnis um Christkind und Weihnachtsmann gelüftet habe, bleibt etwas von diesem Zauber, diesem ganz besonderem Glanz, der auf den Weihnachtstagen liegt, so als sei das Staunen aus meiner Kinderzeit nie ganz vergangen.
„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir’s erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht.“( EG 52, Strophe 1)
II. Während ich in der S-Bahn sitze und die mittlerweile in Dunkelheit getauchten Landschaften an mir vorüberrauschen lasse, löse ich meine Augen von den zauberhaften Bildern in dem Hochglanzmagazin und verliere mich in all den Erinnerungen aus meiner Kindheit. Wieder einmal wird mir bewusst: Das Geheimnis von Weihnachten besteht nicht darin, seine Kreditkarte geschickt einzusetzen und kleine teure Päckchen unter dem Weihnachtsbaum zu platzieren. Wenn das alles sein sollte, dann wäre der Weihnachtszauber ein fauler Zauber, ein allzu billiger Taschenspielertrick, der einen schon in dem Moment enttäuscht zurücklässt, in dem das neue Spielzeug seinen ersten Zauber eingebüßt und seinen Reiz verloren hat. Mehr noch: Wenn sich die weihnachtlichen Sternstunden in Kaufkraft umrechnen ließen, dann würde das Kind in der Hütte zum Kitsch in den Palästen werden. Und das darf nicht sein. Denn es gibt zu viele Hütten und zu wenig Paläste auf unserer Welt. Da reicht ein Blick zum Hamburger Alsterhaus. Vor dem glamourösen Kaufpalast betteln Menschen, weil sie in Not sind. Ein solches Bild ist niemals eine Sternstunde der Menschheit.
Nein, die Magie von Weihnachten erschöpft sich nicht in Glanz und Glamour, sie riecht nicht nach einem Parfüm von 200 Euro, sondern nach Plätzchenteig, Kerzenwachs und Tannenduft. Zauber kann man nicht kaufen, Sternstunden kann man nicht inszenieren. Sie kommen blitzartig und unverhofft, bahnen sich ihren Weg in die Hütten und in die Paläste. Sie blenden nicht, sondern öffnen Auge und Herz himmelwärts. Der Zauber von Weihnachten ist so eine Sternstunde. Alle Jahre wieder. Geheimnisvoll und sternenklar zugleich. Was da mit einem passiert, das kann man nicht wirklich kalkulieren, analysieren oder inszenieren, aber das kann man fühlen und sich ahnend dem Geheimnis aussetzen!
„Stille war es um die Herde. Und auf einmal war ein Leuchten und ein Singen ob der Herde, dass das Kind geboren sei, dass das Kind geboren sei.“ (EG 52, Strophe 2)
III. Ich fahre mit der S-Bahn in meinen Zielbahnhof ein und klappe mein Weihnachtsmagazin zu. Viele Einkaufstipps habe ich gelesen und auch die ein oder andere Geschenkidee bekommen, viele Hochglanzfotos habe ich bestaunen können, ein Hauch von Magie hat mich gestreift und zum Träumen eingeladen, aber die Geheimformel für Weihnachten habe ich auf all den wohl arrangierten Seiten nicht gefunden. Dazu braucht es weniger als 90 Hochglanzseiten, dazu braucht es nur ein paar Zeilen- egal ob auf dünnem Papier oder kostbarem Pergament gedruckt.
Lesung 1 Tim 3,16
Ein altes Lied besingt das Geheimnis von Weihnachten. „Geoffenbart im Fleisch“ – eine kleine unscheinbare Zeile für das größte Wunder aller Zeiten! Gott ist da, mitten in unserem Leben, hier bei uns, in unseren Hütten und Herzen. Er bleibt nicht im Himmel, wo er mit erhabener Hand die Sterne lenkt und die Engel jubilieren lässt. Er wird Mensch. Wir kennen das aus der Weihnachtsgeschichte. Das kleine Kind im Stall. So und nicht anders kommt Gott in unsere Welt. Vieles sucht man in der Weihnachtsgeschichte vergebens. Das sind kein Hochglanzpalast, keine 30.000 Euro Babybadewanne, kein Joseph „dressed for success“ und auch Maria duftet nicht „glamourous“ (by Ralph Lauren) oder „magic“ (by Guerlain), sondern so wie eine Mutter eben riecht wenn sie gerade ein Kind geboren hat. Diese - und keine anderen - sind die Rahmenbedingungen für die größte Sternstunde der Menschheit, für das Geheimnis von Weihnachten, den Zauber, der seit dieser Nacht auf unser aller Leben liegt. Jemand hat einmal gesagt: Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine angewiesen sind. Genau in diesem Unscheinbaren und Kleinen leuchtet der Himmel auf. Nicht über den Wolken, nicht durch übermenschliche Höhenflüge, sondern mitten in unserer Welt, in unserem Leben und in unseren Dunkelheiten lässt Gott sich finden, in einem kleinen Kind im Stall, geoffenbart im Fleisch, mitten unter uns. Unsere Welt ist vom Himmel durchdrungen. Und darum kann es sein - für eine Stunde, für eine Sekunde - dass sich unsere Hütten und Herzen verwandeln in „magische Orte des Absoluten und der Transzendenz, wo das Wort ein Gesang, das Gehen ein Tanz ist, den es nicht gibt auf Erden. Aber wir gehen ihm entgegen (M. Houellebecq).“
„Eilte jeder, dass er’s sähe arm in einer Krippe liegen. Und wir fühlten Gottes Nähe. Und wir beteten es an, beteten es an.“ (EG 52, Strophe 3)
IV. Als sich die S-Bahntür öffnet, bläst mir ein scharfer Wind ins Gesicht. Ich bleibe eine Weile auf dem Bahnsteig stehen, warte bis die Menschenmassen vorübergezogen sind und blicke in den Himmel. Sternenklar ist die Nacht und bitterkalt. Plötzlich erinnere ich mich an einen Weihnachtsabend. Ich war ein kleines Kind und es war ein strenger Winter – jener Winter, in dem unsere Heizung über Weihnachten ausgefallen war. In unserer Weihnachtsstube stand ein kleiner Heizlüfter, der aber nicht wirklich gegen die Kälte ankam. Alle hatten ihre festliche Weihnachtsbekleidung gegen warme Pullover eingetauscht. Wir boten eine recht eigenwillige Festtagsgesellschaft: tropfende Nasen, klamme Hände um heiße Kakaobecher geklammert und dicke Pudelmützen über der Festtagsfrisur. Irgendwann machte mein Opa das Licht aus und zauberte ein Kleinfeuerwerk aus der Jackentasche, jene kleinen funkensprühenden stabförmigen Feuerwerkskörper mit dem Draht dran, den man in der Hand halten kann. Nichts Glamouröses! 40 Stück für ca. 2 DM! „Wunderkerzen“, auch „Sternenfeuer“, „Sternenwerfer“ genannt. Ganz einfach und preiswert. Zwei Minuten Brenndauer sind lang genug für ein kleines Wunder: Das Aufflackern von tausend kleinen Sternen, das Knistern der Funken, der Schein des Lichts auf unseren lachenden Gesichtern, der Geruch von Feuerwerk, die Rauchfiguren, die sich verteilen und sich irgendwann im Nichts verlieren, all das bleibt unvergesslich. Ein Hauch von Magie, eine Sternsekunde, und das Wissen um ein Geheimnis tief in uns: Gott ist da - mitten unter uns, bei unseren tropfenden Nasen und klammen Händen, in unserer kalten Hütte und in unseren lachenden Herzen! „Die Bedeutung eines besonderen Moments wird einem oft erst im Nachhinein bewusst. Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie. Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen.“ Der Zauber eines Weihnachtsabends kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt.
„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir’s erzählen: wie das Wunder einst geschehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht.“ (EG 52, Strophe 6)
Amen
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Die Gewissheit, das Schöne zu finden in allem, was lebt - Predigt zu 1.Timotheus 3,16 von Angelika Volkmann
Die Gewissheit, das Schöne zu finden in allem, was lebt
Liebe Gemeinde,
jetzt ist es endlich still geworden. Alle Unruhe der Vorbereitungen ist abgeklungen, und wir haben uns hier versammelt, um Gottesdienst zu feiern. Wir wollen uns öffnen für das Weihnachtsgeschehen. Der Zauber, der nicht nur für die Kinder auf diesem Tag liegt, die besondere Atmosphäre lässt unsere Seelen suchen nach Gott. Vielleicht spüren wir die heilige Gegenwart Gottes an diesem Tag so deutlich wie sonst nie im Jahr. Wo ist Gott? Gibt es ihn für mich? Kann ich ihm begegnen inmitten meiner gegenwärtigen Lebenssituation? Wie schön wäre es, wenn uns an diesem Abend etwas ergreifen könnte, etwas, das uns übersteigt, etwas Liebevolles und Tröstliches, das uns das Gefühl gibt, in dieser Welt nicht verloren zu sein. Das Geheimnis von Weihnachten – wir sehnen uns danach, damit in Berührung zu kommen und haben es nicht in der Hand. Doch wir können uns für das öffnen, was uns in den alten Liedern und Texten begegnet.
Von dem Geheimnis spricht auch der Predigttext für diese Stunde. Es ist ein einziger Vers - 1. Timotheus 3,16:
Groß ist das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt
aufgenommen in die Herrlichkeit.
Groß ist das Geheimnis des Glaubens.
Dieser kurze Hymnus nimmt uns mit hinein in eine große Bewegung aus menschlichem Elend hoch hinauf zu Gottes Geist und sogar bis zu den Engeln, dann wieder hinunter zu den Völkern der Erde und all ihren Nöten und wieder hinauf in den Himmel in die Herrlichkeit Gottes. Mehrmals geht diese Bewegung von unten nach oben und zurück. Himmel und Erde werden in diesem Lied geradezu miteinander verwoben, sie durchdringen sich gegenseitig, sie berühren sich in dieser Nacht.
In einem Stall liegt ein Neugeborenes in einer Krippe. Gleichzeitig singt ein Engelchor über den Feldern von Bethlehem, preist Gott und verkündet Frieden auf Erden. Wer in dieser Nacht nur mit bloßem Auge schaut, wer ganz irdisch ist, sieht vermutlich nur die Menschen mit ihrem Neugeborenen im Stall.
Wenn wirklich Friede ist, müsste dann nicht das Neugeborene wenigstens in einem normalen Haus liegen? Müssten dann nicht alle Elendslager überflüssig sein? Müsste dann nicht jede Grausamkeit aufgehört haben? So denken wir, wenn wir unten sind auf der Erde.
Doch diese Nacht nimmt uns mit hinauf, bis zu den Engeln. Diese Nacht öffnet uns den Blick, zeigt es uns in Bildern: Gott ist in der Welt! Im Alltäglichen, im Unscheinbaren, „im Fleisch“. Und er verändert die Dinge. So wie eine Kerze die Dunkelheit hell macht. Die Worte der Propheten reden davon, die alten Lieder singen davon. Das Volk, das im Finsteren wandert, sieht ein großes Licht. Viele sehen es. Nicht alle. Es ist nicht offensichtlich, dass Gott da ist. Es ist ein Geheimnis. Und die, die es sehen, sind nicht mehr in der Dunkelheit verloren.
Maria, die Mutter des Kindes, freut sich. Sie hat den himmlischen Blick. Sie weiß, dieses Kind wird an der Seite der Armen und Schwachen stehen. Wird heilen, trösten, lieben. Ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Dieses Kind wird Mächtige vom Thron stürzen.
Das ist ja auch immer wieder geschehen im Lauf der Geschichte. Aber warum müssen wir darauf oft so lange warten? Flüchtlingslager und Gewalttaten hat es immer gegeben.
Liebe Gemeinde: Gott verhindert das Leid nicht. Das gehört auch zum Geheimnis dieser Nacht. Gott leidet selber. Er ist denen, die leiden, nahe. Er zeigt uns in schweren Zeiten, wo wir Trost finden können. Er zeigt uns, wie wir Hass in Liebe verwandeln können. Er zeigt uns wie wir standhalten können, weil wir eine Hoffnung haben. Er zeigt uns mitten im Irdischen das Himmlische. Er ist da. Und dadurch ist alles in ein anderes Licht getaucht.
Wenn wir einen Gott haben wollen, der gleich alles in Ordnung bringt, werden wir in dieser Nacht enttäuscht. Gott ist anders. Gott ist Liebe. Er tritt zu uns in Beziehung und geht mit uns. Das ist unglaublich. Gottes Geist öffnet uns dafür Herz und Augen.
die gewissheit, das schöne zu finden in allem, was lebt,
nennen wir seit alters her gott*
schreibt Dorothee Sölle in einem Gedicht über die Allgegenwart Gottes.
Das Schöne finden in allem? Können wir das wirklich?
Wie ist das, wenn mich jemand verletzt?
Wie ist das, wenn ich selber Fehler gemacht habe?
Wie ist das bei den elenden Missverständnissen?
Bei all meinen Sorgen?
Wie ist das, wenn jemand stirbt, der für mich sehr wichtig war?
Wie ist das bei Krieg, Hunger, Gewalt?
Ist in alledem Gott?
Ja. In alledem ist Gott. In alledem gibt es Kostbares für uns zu entdecken. Groß ist das Geheimnis des Glaubens. Viele haben schon vor uns aus diesem Glauben gelebt. Ihre Geschichten sind ein Vermächtnis. Schön wäre es, könnten wir uns gegenseitig erzählen von Momenten, in denen Himmel und Erde sich berührt haben. Wo wir beschenkt wurden von der Berührung eines Kindes, von Bewahrung in Gefahr, von beglückenden Momenten mitten in schwerer Zeit.
Bei allem, was mir widerfährt, ist Christus neben mir. Was schlimm ist, hält er mit mir aus. Wenn ich missverstanden werde, versteht er mich. Wenn ich etwas versäumt habe, verzeiht er. Dann ist es schon leichter, mit den Mitmenschen zu sprechen. Wenn ich traurig bin, kann ich mich bei ihm ausweinen. Er schenkt mir einen anderen Blick auf schwierige Mitmenschen. Er fordert mich heraus mit der Frage, was ich von ihnen lernen kann. Er lehrt mich, mit den Augen der Liebe zu schauen und mit Liebe im Herzen zu reden. Er zeigt mir, dass es erfüllend sein kann, lange auf etwas zu warten. Er erweitert meine Grenzen. Bringt mir Humor bei und mit mir selber barmherzig zu sein. Lenkt meinen Blick auf das Viele, womit ich beschenkt bin. Lehrt mich, dass es in meinem Leben Dinge geben darf, die sich nicht erfüllen. Er fordert mich auf, nicht nur für mich zu leben. Mich einzusetzen für die, die Hilfe brauchen. Die Toten, um die ich trauere, weiß ich bei ihm gut aufgehoben. Er schenkt mir unvergängliche Freude. In allem ist der Himmel. Ganz besonders in Momenten innigen Verstehens mit anderen Menschen. Vielleicht sind sie selten. Vielleicht musste ich lange darauf warten. Doch wenn sich dieses Wunder ereignet, dann singe ich mit Freudentränen in den Augen: Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradies. Ja, Himmel und Erde können sich berühren mitten in der Nacht.
Sehen wir, wie die dunkle Nacht von himmlischer Klarheit durchleuchtet wird? Hören wir die Engelchöre? Lassen wir uns mit hinauf nehmen bis in Gottes Herrlichkeit? Vielleicht bekommen wir in dieser Nacht wieder eine Ahnung von alledem. Wir feiern diese Nacht gemeinsam. Auch davon geht Kraft aus.
Groß ist das Geheimnis des Glaubens.
Amen.
*Dorothee Sölle, verrückt nach licht. Gedichte, Berlin 1984, S. 168
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Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Gabriele Arnold
Liebe Gemeinde
Eben haben wir sie wieder gehört die alte wunderbare Geschichte. In der Schriftlesung hat sie jedermann und jede frau gehört, nicht nur bei uns, überall auf der Welt wird sie heute gelesen und gehört: die Weihnachtsgeschichte.
Manchen ist sie so vertraut wie ein Lied aus Kindertagen, andere hören sie erstaunt und erinnern sich an längst vergessene Träume – da war doch was. Einige hören sie vielleicht zum ersten Mal. Aber kaum einer kann sich dem Charme dieser Geschichte entziehen. Vielleicht weil es eine so einfache Geschichte ist. Eine Frau, ein Mann, ein Kind, Schafe und Hirten, Engel und Licht. Eine menschliche Geschichte, denn sie erzählt doch von uns: Frau und Mann, ein Kind, Mensch und Tier, Himmel und Erde. Eine Urgeschichte unserer Sehnsucht: ein neugeborenes Kind-welches Glück. Und zugleich eine, ja, die Gottesgeschichte. Gott wird Mensch und der Himmel öffnet sich.
Man kann diese Geschichte nicht zum Verstummen bringen. Weder die Verkitschung von Weihnachten durch Jingle Bells in allen Kaufhäusern noch die aggressive Werbung vom Weihnachtssparen kann die Weihnachtsgeschichte töten. Nicht einmal die grausame Wirklichkeit unserer Welt kann diese Geschichte aus unseren Herzen vertreiben. Ja, je schlimmer es um uns und um unsre Welt bestellt ist, umso mehr entfacht diese Geschichte unsere Sehnsucht nach Heil und Frieden, unsere Sehnsucht, dass es doch einen Gott gibt , geben könnte, dem wir vertrauen und der diese Welt wieder ins Lot bringt.
Unzählige Male ist die Weihnachtsgeschichte vertont worden von der Stillen Nacht bis zu den großen Oratorien, wo Pauken und Trompeten uns zum Jauchzen einladen. Ungezählte Bilder und Nacherzählungen gibt es. In aller Welt stehen Krippen: Maria und Josef und das Kind in der Krippe, in allen Kulturen sind sie zu Hause. Nur in der Bibel selber, in dem Buch, in dem diese Geschichte aufgeschrieben ist, bleibt sie merkwürdig folgenlos. Nie wird auf sie Bezug genommen. Nie mehr wird sie weitererzählt. Das Wunder der Weihnacht es taucht ein, taucht unter in Sätze, in Theologie, in Glaubenslehren. Und so ein Satz ist der Predigttext für den heutigen Heiligen Abend.
Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.1.Tim.3,16
Ein Satz. Nur ein Satz. Ein Satz, der in einer großen, atemberaubenden Bewegung die ganze Geschichte erzählt. Die Geschichte vom Kindlein in der Krippe, die Geschichte vom großen Gott, der das Kleine nicht scheut, von den Menschen aus allen Völkern, die diesem Kinde, diesem Gott mit dem Gesicht eines Menschen glauben. Menschen, die sich geborgen wissen bei Gott. Und in diesem Satz steckt auch wie es weitergeht mit diesem Kindlein. Als erwachsener Mann wird er vor Schmerzen schreien und sterben und mit ihm schreit Gott und stirbt mit ihm. Seit damals weiß Gott, wie sich das anfühlt Mensch zu sein, wie schön es sein kann und wie erbärmlich. All unser Schmerzen kennt er, er schreit mit uns und weint und stöhnt. Deswegen glauben ihm auch die Menschen weil Gott herabgestiegen ist und sich nicht zu schade war für uns.
Wer will schon einen erhaben, fernen Gott? „Den aller Weltkreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß, er ist ein Kindlein worden klein der alle Ding erhält allein.“ So heißt es in einem alten Weihnachtslied. Ja, Gott liegt in Mariens Schoß. Der große Gott ist ganz klein, ist ganz menschlich und ist wie wir. Das und nichts anderes heißt geoffenbart im Fleisch. Der große Gott ein Menschenkind aus Fleisch und Blut in die Welt gekommen, hineingeboren so wie wir und so wie wir wird er aus der Welt hinaussterben. Schutzlos und hilflos. Ausgesetzt Wind und Wetter als Baby und später den bösen Mächten.
Und wie wir ist dieser Gott angewiesen auf Menschen, die ihn lieben und aufnehmen, ihn wärmen und trösten. Und zugleich ist er es, der Menschen aufnimmt und wärmt und tröstet und wunderbar berührt und verwandelt. Das ist das Geheimnis des Glaubens. Gott kommt zu uns, braucht unser Herz und macht es dann warm und hell in unseren Herzen. So will er geglaubt sein Als der nahe Gott, als der der uns anrührt.
Und so wird er seit Weihnachten aller Welt verkündet. So können seither Menschen aller Nationen ihm glauben ihm vertrauen. Denn Gott ist nicht mehr fern sondern nah. Er lässt sich anschauen im Gesicht eines Babys, er reicht uns die Hand, er streckt sie uns entgegen. Gott wird so sehr Mensch, dass er in einer afrikanischen Krippe schwarz ist, in China gelb und bei uns ein Knabe mit lockigem Haar. Das mag man komisch finden, aber es zeigt doch, dass die Menschen Gottes Geheimnis verstanden haben. Er ist jetzt einer von uns. Und zugleich bleibt er doch verborgen in Herrlichkeit. Wir sehen ihn nicht, wir glauben ihn. Klein ist Gott und schwach und zugleich ist er ewig und heilig und kann Wunder geschehen lassen, die über unser Verstehen gehen. So wie das Weihnachtswunder, das unsere Herzen berührt. Und das uns gesagt werden muss. Gepredigt den Heiden.
Uns Heiden, denn von selber können wir das ja nicht wissen. Wir stellen uns alle möglichen Fragen über Gott und versuchen auf alle erdenklichen Arten zu ihm zu gelangen. Durch Meditation und Feng Shui. Durch Frömmigkeit und sittlichen Lebenswandel. Alles das ist nicht nötig. Alles das sind kleingläubige, heidnische Versuche sich Gott gewogen zu machen. Die Geschichte vom großen Gott der klein in die Welt kommt, die müssen wir hören. Müssen Hören, dass Gott ja längst schon da ist Diese Botschaft will, muss unser Herz erreichen.
Verstehen können wie das nicht. Aber wir können der Geschichte vertrauen, ihr glauben. Wir können glauben, dass wir niemals mehr allein sind. Wir können glauben, dass Gott mit uns ist. Und diese Botschaft brauchen wir mehr als alles andere im Leben. Warum? Damit uns die Hoffnung nicht verloren geht. Denn auch wenn wir heute feiern und uns freuen, so wissen wir doch, dass es auch anders geht und dass wir viel Hoffnung brauchen um unser Leben zu bestehen.
Das ist die ganz irdische Wahrheit, das gehört zu dem Fleisch wie unser Predigttext sagt und das können wir heute Abend nicht vergessen. Auch heute Abend gibt es Tränen in der Welt und der Tod geht um. Auch heute Abend werden Menschen schreien und sich bitterlich Unrecht tun, auch heute Abend werden Menschen hungern und frieren und auf der Flucht ihr Leben lassen. Um da nicht zu kapitulieren, um da nicht die Hoffnung zu verlieren brauchen wir Gott. Gott in uns. Da brauchen wir eine große Hoffnung. Und auch von dieser Hoffnung erzählt unser Satz, zu dieser Hoffnung schwingt er sich auf, darauf läuft alles andere zu.
Die Geschichte Gottes in diesem Kindlein mit uns und mit aller Welt sie ist ja noch lange nicht zu Ende. Da kommt noch was. Aufgenommen in Herrlichkeit. Das letzte Wort ist Herrlichkeit. Wenn Gott am Ende aller Zeiten und am Ende unseres Lebens endlich alles in allem ist, wenn Gott und Welt wieder zu einander gehören, wenn wir wieder ganz bei Gott sind, dann wird es eine wunderbare und schöne und große Herrlichkeit, ein Glanz und ein Leuchten sein. All unser Weihnachtsglanz ist nur ein müder Vorgeschmack dieser großen überirdischen Schönheit. Man kann das als Vertröstung verächtlich machen. Man kann diese riesige Hoffnung klein reden und lächerlich machen oder mit bissiger Ironie überziehen. Wir können dieser Hoffnung aber auch einfach trauen. So wie wir Gott trauen. Und dann ist nicht nur heute Weihnachten sondern auch an anderen Tagen, an dunklen und hellen. Wenn wir dieser Hoffnung trauen werden wir anders leben. Leichter, freier und mutiger. So wie wir es in der Adventszeit gesungen haben „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gottes Huld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr. Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“ Sind das nicht gute Aussichten? Damit lässt es sich leben und wenn’s sein muss sogar sterben. Amen
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Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Joachim Hempel
"Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit. 1. Tim 3.16
Liebe Christvesperer,
"Gepredigt und geglaubt" -
na dann mal los, möchte man nach all den vielen Weihnachten doch sagen, rufen, singen:
na dann mal los, liebe Christvesperer, dann fangt mal an, das Himmelsbrot zu vespern.
"Schwarzbrot des Glaubens" – also: gehaltvoll und gesund, bekömmlich für Leib + Seele.
Und das ist ja schon was in diesen Zeiten, wo hinter manchem Etikett dann doch nicht
so verträgliche Stoffe in jenen Mitteln lauern, die gemeinhin 'Lebensmittel' heißen.
Das Geheimnis des Glaubens, von dem die Geschichte der Weihnacht berichtet, ist:
Gott tritt in Vorleistung und wirbt um unser Vertrauen, der Schöpfer des Lebens begegnet
dem Geschaffenen, dem Geschöpf mit nicht enden wollender Liebe, die mich - auf's Ganze
der Schöpfung betrachteten - Winzling wertschätzt, achtet und Großes mit mir vorhat.
"Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?" - wir haben das Lied zu
einem Kinderlied gemacht, aber es ist genauso gut ein Lied für Große, Lange, Alte, für
gestandene Typen und coole 'Mir kann keiner' Menschen: Denn wir wissen es nicht, wie viele Sterne, trotz all unseres Wissens. Wir können das Leben nicht allein aus dem Vorfind-
lichen erklären, denn unser Leben ist doch mehr als die Summe unserer Taten und Erfolge,
und mehr als die Summe unserer Untaten, Fehler und Schuld.
Wir leben von Voraussetzungen, die wir nicht selbst geschaffen haben.
Darum brauchte es göttliche Offenbarung, damit uns deutlich und klar ist, wie das Ganze sich zusammenfügt zwischen ‚Geboren werden hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit’.
Und Gottes schönste, handfesteste, anrührendste Offenbarung liegt in der Krippe, hat Hand und Fuß. Und das, was dieses Kind später als junger, umher wandernder Mann sagt und tut, hat wahrlich ‚Hand und Fuß’: Selig die Frieden stiften, sie werden Gottes Kinder heißen!
Selig die Barmherzigen, sie werden Barmherzigkeit erlangen. Wie doch Lebenswirklichkeit sich präsentiert, wenn schon diese zwei, Frieden und Barmherzigkeit, den Ton angeben...
Mensch, Christvesperer, da fällt mir doch gleich ein ganzes Bilderalbum oder eine Bilderdatei ein, wo Szenen bewahrt sind, in denen mir Barmherzigkeit widerfuhr, in denen jemand mit mir nach allem Streit wieder seinen Frieden machte. Oder die zweite Seite der Lebensmedaille: Wo ich die Hand zur Versöhnung ausgestreckt habe nach all diesen Schmäh-sms und bösen Worten hintenrum oder direkt ins Gesicht, - wo mich eine Hand sanft streichelte als meine herbe Widerborstigkeit eigentlich für die kleinste Freundlichkeit keinen Raum mehr hatte.
Gottes weihnachtliche Offenbarung löst in Himmelshöhen den Jubel aller Engel und guten Mächte aus, von denen wir – wie Dietrich Bonhoeffer dichtet, wunderbar umgeben sind, - und die, die es wahrlich nicht erwartet hatten, erhalten auf Erden Anteil an der schöpferischen Freude, die Gottes Botschaft auslöst: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden – den Menschen, die guten Willens sind!“
Hirten und Herden haben’s geglaubt, in die Welt getragen, und ob du’s Christvesperer nun glaubst oder nicht, Gottes Wahrheit bleibt Gottes Wahrheit. Gut, dass die Botschaft der Nacht aus Bethlehem noch nicht verdunstet ist, sich kraftvoll und lebensfroh auch zur Heiligen Nacht 2013 zeigt, wieder gelesen, gepredigt und besungen wird, auf dass dem Gott, der ein Menschenfreund ist, vertraut und geglaubt wird.
„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen“ (Ps 37.5) – auch mit dir; offenbart, erschienen, gepredigt, geglaubt – von Gottes Geist getragen in Gottes Herrlichkeit geborgen: Was für ein Fest und wir mittendrin. FROHE WEIHNACHT!
Choräle:
Je bekannter desto mitsingbarer
„Stille Nacht, heilige Nacht“ - aber bitte alle sechs Strophen