„Erntedank bei Hassan – Es kann so einfach sein“ Predigt zu 1. Timotheus 4,4-5 von Wolfgang Grosse

„Erntedank bei Hassan – Es kann so einfach sein“ Predigt zu 1. Timotheus 4,4-5 von Wolfgang Grosse
4,4-5

„Moin Hassan.“
„Salam!“
„Salam aleikum!“ grüße ich zurück.
Eine Windböe drückt mich mit ein paar Herbstblättern in die Imbissstube. Meine Brille beschlägt. Es ist brechend voll. Mittagszeit. Warme Düfte des Orients steigen mir in die Nase.
Draußen tobt der erste Herbststurm. Regen peitscht über den Asphalt. Von meiner Jacke tropft es. Ich versuche mich zu orientieren. Alle Einzeltische sind besetzt. Nur hinten der große Familientisch mit 8 Stühlen ist frei.
„Komm, Imamchen, komm durch. Setz‘ dich hierhin.“ Hassan geleitet mich durch den Raum. Ich muss grinsen. Imamchen, so nennt Hassan mich mit einem Augenzwinkern, seit er vor ein paar Monaten herausgefunden hat, dass ich Pastor bin. Ich hänge meine nasse Jacke an den wackeligen Garderobenständer. Er schiebt mir den Stuhl hin. Ich nehme Platz.

Was für ein Vormittag! Am Morgen war ich im Kindergarten. Herbstfrühstück mit den Eltern. Alle hatten etwas mitgebracht. Zusammen saßen wir auf den kleinen Stühlen. Unbequem aber frohgemut.
Die Tafel war reich gedeckt. Frische Brötchen, sogar Kürbisbrot, Käse und Wurst, selbstgemachte Marmelade, Gemüsesticks in allen Variationen, leuchtende Tomaten und glänzende Gurkenscheiben, duftendes Obst. Die Erzieherinnen hatten als Deko einige Getreidehalme in kleine Vasen gestellt. Erntedank konnte kommen. Alles war gut.
Schließlich gab mir die Leiterin ein Zeichen. Ich wusste schon: Tischgebet! Aber manchmal geht der Schalk mit mir durch. Heute wollte ich es anders machen. „Wer von den Eltern spricht den heute das Tischgebet?“ fragte ich in die Runde. Betretenes Schweigen. Blicke senkten sich zu Boden. Einige Mütter kramten plötzlich hilflos in ihren Handtaschen. Die wenigen Väter schauten mich entsetzt an. Einer fummelte nervös an den nicht vorhandenen Schnürsenkeln unterm Tisch.
Aber ich wusste: wenigstens auf die Kinder ist Verlass. Diesmal war Marie die Schnellste. „Du Pastor Wolfgang, wir singen doch immer!“ und schon begann sie. Alle anderen Kinder stimmten mit ein:
Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümlein trinkt von dir,
hast auch unser nicht vergessen, lieber Gott wir danken dir.

Ich sah die Erleichterung in den Augen der Eltern. Nochmal Glück gehabt. Es wurde ein fröhlicher, lebendiger Morgen. Alles war gut.

Danach kam der Tod. Friedhof. Beerdigung. Frau Meyer war letzte Woche gestorben. 87 Jahre alt. Ein kleiner Kreis. Nur die Familie, wenige Nachbarn und 2 alte Freundinnen.
Sie hatte ein reiches Leben gehabt. War in der Landwirtschaft aufgewachsen. Dann die Flucht, schuften auf dem Bauernhof in der Notunterkunft. Schließlich der Neuanfang hier in Bremen. Die große Liebe, die Ehe, die Kinder, irgendwann ein eigenes kleines Häuschen mit Garten. Im Gespräch hatte mir die Tochter davon erzählt. Auch von den langen Reihen der Einmachgläser im Keller, dem nie endenden Duft in Mudderns Küche, selbst als sie schon alt war. Und davon, dass die 3 Enkelkinder bei Oma die Erdbeermarmelade aus dem Glas löffeln durften.
Frau Meyer hatte ihre Ernte eingefahren. Gesegnetes Leben. Wir sangen (EG 325):
Sollt ich meinem Gott nicht singen? Sollt ich ihm nicht dankbar sein?
Denn ich seh in allen Dingen, wie so gut er’s mit mir mein‘.

Erntedank war gekommen. Alles war gut.

Noch in Gedanken versunken klappert es vor mir. „Imamchen, trink erstmal!“ Hassan stellt den dampfenden, dunkel-leuchtenden Çay vor mich. Ich liebe diesen wunderbaren türkischen Tee, der zu jeder Tages- und Nachtzeit getrunken wird. Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt es Çay.
„Wird Herbst!“ sagt Hassan. „Erntezeit. Auch in meiner Heimat.“ Er deutet auf die vergilbten Fotos an der Wand. „Weißt du, Zitronen, Orangen, Granatäpfel. Melonen, so groß.“ Mit seinen kräftigen Armen formt er einen riesigen Kreis und seine Augen leuchten. „Ich bin so dankbar. Allah meint es gut.“

Ich kenne Hassan schon lange. Ursprünglich stammt er aus einer armen Familie in Anatolien. Vor vierzig Jahren waren seine Eltern mit ihm nach Deutschland gekommen. Sein Vater arbeitete viele Jahre auf dem Bau. Hassan aber hatte von seiner Büyükanne, seiner Großmutter, die Leidenschaft der türkischen Küche in die Wiege gelegt bekommen.
Irgendwann hatte er sich selbständig gemacht. Sein kleiner Imbiss Hasat. Hasat heißt Ernte. Über die Jahre war Hassan und sein Hasat, seine Ernte, zu einer kleinen Institution in unserem Stadtteil geworden. Lange bevor es an jeder Straßenecke eine Dönerbude gab.

„Trink! Wird sonst kalt!“ Ich nippe an dem kleinen Glas und verbrenne mir trotzdem fast die Zungenspitze. Der Tee tut sehr gut. „Danke.“
„Hunger?“
„Ja, was hast du denn heute?“
„Ich mach‘ dir was Leckeres.“ Hassan grinst und verschwindet in der Küche.

Die Tür öffnet sich, Yusuf, Hassans Sohn, 16 Jahre alt, kommt von der Schule. Letzter Schultag vor den Ferien. Ich kenne ihn aus unserer Jugendgruppe in der Gemeinde. Er schlendert zu mir, haut mir auf die Schulter und setzt sich. „Salam Pastor!“
„Salam aleikum Yusuf. Alles klar? Herbstferien?“
„Jo, alles klar, aber nichts Ferien.“ Er nickt zur Küche, wo die Töpfe klappern. „Baba. Die nächsten 2 Wochen arbeiten. Schule wär‘ besser. Aber ich will nicht klagen. Ist schon ok.“ Yusuf schaut sich um. Der Laden brummt. „Man muss ja dankbar sein. Ist alles gut. Gepriesen sei Allah.“ Er grinst mich aus dem Augenwinkel an. „Ja ok, weil du es bist, Pastor. Gepriesen sei Gott.“ Wir lachen beide. Yusuf steht auf und holt auch für sich Çay.
„Was gibt’s heute?“ fragt er, als er zurück kommt.
„Keine Ahnung. Dein Baba kocht irgendwas.“
„Lecker. … Ja, wenn ihr uns Türken nicht hättet!“
„Ich dachte ihr seid Deutsche?“
„Sind wir auch. Baba schon seit 25 Jahren. Ich von Geburt an. Aber für euch bleiben wir doch die Türken. Wenn’s hoch kommt die Deutsch-Türken. Da können wir machen was wir wollen.“ Wo er Recht hat hat er Recht. Hassan ist ja irgendwie der Türke geblieben. Im Stadtteil und auch ich fühle mich ein wenig ertappt. Integration hat immer zwei Seiten.

Erneut geht die Tür auf. Yusuf schaut und winkt. „Ey David! Hier!“
David ist im gleichen Alter wie Yusuf. Auch er ist regelmäßig in der Jugendgruppe. Seine Eltern waren Ende der Neunziger aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. „Moin David!“ grüße ich ihn als er näher kommt.
„Shalom, Pastor!“
„Shalom!“
„Salam!“ sagt Yusuf, steht auf und holt auch für David Çay.
„Was geht?“ fragt Yusuf.
„Alder, Hunger! Habt ihr schon bestellt?
„Nee, Baba macht schon.“
„Krass. Lecker. Danke.

Yusuf war scheinbar am letzten Gedanken vor Davids Kommen hängen geblieben. „Sag‘ mal, bist du eigentlich Jude oder Deutscher?“ David schaut Yusuf etwas verwundert an. „Na ich mein: Ich bin Moslem aber Deutscher und trotzdem immer noch Türke. Und du?“
„Jo, Alder, achso. Also dann bin ich Jude aber Deutscher aber eigentlich Russe, oder Deutsch-Russe. Oder so. Logisch oder?“ Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Verrückte Welt.
„Pastor, was gibt’s da zu lachen? Was bist du denn?“
„Tja, ich bin „nur“ Christ und Deutscher.“
„Echt ey? Nur einfach so? Christ und deutsch? Das geht? Krass.“ Fast klingt es ein wenig mitleidig. Ich könnte zwar jetzt meine Familiengeschichte erzählen. Von meinen Großeltern und deren Migration nach Deutschland. Aber ich lass es. Außerdem tut sich was in der Küche.
Hassan kommt mit drei großen Platten voller Köstlichkeiten. Leuchtendes Gemüse, Fleisch, Falafeln, Oliven und Peperoni, Hummus und Auberginencreme, dazu Fladenbrot. Es duftet wie im Basar. Oder an Erntedank.

Danke Hassan. Das sieht wundervoll aus.“
Dank‘ nicht mir sondern Allah, Imamchen. Und ihr auch! Gott gibt’s.“ Ein bisschen vorwurfsvoll schaut Baba Hassan schon auf die beiden jungen Männer.
„Ja schon ok, Baba! Heute Abend. Freitagsgebet. Oder im Ramadan.“ Yusuf verdreht leicht die Augen. David nickt zustimmend. „Jo, mach‘ ich. Heute Abend. Synagoge. Oder an Sukkot.“ Fast wäre auch mir rausgerutscht: „Ja Sonntag im Gottesdienst. Erntedank.“ … „Nein jetzt!“ entfährt es Hassan leicht erbost. Der Auftrag ist also klar. Baba hat gesprochen. Tischgebet.

Vor uns ist die reich gedeckte Tafel. Daran sitzen Moslem. Jude. Christ. Türke. Russe. Deutscher. Oder irgendwie so. Ich durchschaue das ja selbst nicht. Ist aber auch egal. 3 Menschen jedenfalls. Es hätten noch viel mehr Menschen Platz. Zusammen sitzen wir an einem Tisch und sind plötzlich ratlos bis peinlich berührt. Wie soll das nun gehen mit uns Dreien? Tischgebet. Wir schauen uns verlegen an. Auf einmal ist alles gar nicht mehr gut.

Murat, Yusufs kleiner Neffe, kommt aus der Küche angestürmt. Auch er besucht unseren Kindergarten. „Pastor! …“ seine kindliche Stimme schallt durch die Imbissstube und lässt für einen Moment das Gemurmel an den anderen Tischen verstummen. Dann baut sich Murat mit leuchtenden Augen vor unserem Tisch auf und beginnt zu singen:
Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümlein trinkt von dir,
hast auch unser nicht vergessen, lieber Gott wir danken dir.

Murat hat nicht vergessen. Yusuf, David und ich … es scheint für einen Moment, als ob wir alle ein wenig Glänzen in den Augen haben. Und ganz viel Dank.
Yusuf findet als Erster seine Stimme wieder. Er streichelt seinem Neffen über den Kopf. „Das ist gut, Murat. Das ist sehr gut. Gepriesen sei Gott. Salam.“
„Gepriesen sei Gott! Shalom.“ kommt es aus Davids Mund ehrfurchtsvoll. „Gepriesen sei Gott! Friede mit uns.“ erwidere auch ich. Es ist so eigentlich so einfach.

Die Sätze vom Nachbartisch überhören wir geflissentlich. „Immer diese Ausländer. Können die sich nicht benehmen? Wir sind schließlich ein christliches Abendland.“ Stumpfe, leere Augen. Kein Leuchten. Bestimmt kein Tischgebet.
„Guten Appetit!“ ruft Murat fröhlich. Yusuf nimmt das Brot, bricht es, gibt David und mir davon und sagt: „Nehmt. Esst. Greift zu!“ Wir füllen unsere Teller. Es schmeckt köstlich. Eine lange Mittagspause.
Später setzt sich auch noch Hassan dazu. „Alles ist gut, was Gott geschaffen hat.“ sagt er. „Gott sei Dank.“ erwidere ich. In der Imbissstube Hasat.
Ernte. Dank. Menschen. An einem Tisch. Nehmen. Danken. Feiern.
Salam. Shalom. Friede sei mit uns Menschen. Amen.

Perikope

Gewächshaus Vertrauen - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Henning Kiene

Gewächshaus Vertrauen - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Henning Kiene
1,12-17

I. „Wer weiß…“
Sie legt die Zeitung vor sich auf dem Tisch ab. „Wer weiß, was da richtig ist?“, sagt sie mit ruhiger Stimme, zieht den Frühstückskaffee zu sich. Sie hat einen Bericht über Aserbaidschan und über die Menschenrechte dort gelesen. Der Wirtschaftminister ist zu sehen, ein Staatschef war zu Gast. Jetzt liegt die Tageszeitung aufgeschlagen da, der Regionalteil ist zu sehen, es geht um die Flüchtlinge in der nahe gelegenen Kaserne, die Feuerwehr hatte einen Gewitter-Einsatz. Eine Zeitung, aufgeschlagen auf dem Tisch, abgelegt, das wirkt wie ein modernes Stillleben. Sie war zur Arbeit weg. Sie geht immer als Erste.

In diesem „Wer weiß…“ schwingt eine Portion Misstrauen mit, als würde mit der Zeitung möglicherweise etwas nicht stimmen. Sollte man alles, was da berichtet wird, sicherheitshalber noch einmal überprüfen? Ein unspezifisches Misstrauen bleibt zurück. Lässt man das erst mal an sich herankommen oder in sich eindringen, dann frisst es bald das Vertrauen an. Wird jemand skeptisch, ziehen Gefahren auf. Ehen geraten in Gefahr, Partnerschaften bröckeln, wenn da so eine Art „wer weiß?“ -Frage auftaucht.

II. unspezifischer Verdacht
Wem schenke ich ein so wertvolles Gut, wie das Vertrauen es darstellt? Ich kenne die Menschen, denen ich vertrauen kann: Meine Familie, die alten und neuen Freunde, viele Kolleginnen und Kollegen, die zuverlässig sind, auf die kann ich mich verlassen. Auch auf die gute alte Tagesschau verlasse ich mich, meine Zeitung, die ich schon lange lese, weiß ich zu schätzen. Aber bei Facebook, da vertraue eigentlich nur den Freunden, wenn sie etwas posten, bei anderen wird es schon eng. Stimmt das, was ich da lese, eigentlich wirklich, oder sitze ich schon in einer Werbeveranstaltung in der Menschen und Meinungen nicht echt sind?  „Wer weiß…?“ - wenn sich dieser Gedanke einschleicht, beginnen gedruckte Worte und das, was gesagt wird, an Kraft einzubüßen.

Irgendwann erleidet durch dieses „wer weiß…?“ auch der Glaube an das Wort Gottes Schaden. Die Unsicherheit, die beim Zeitunglesen aufkommt, könnte sich auf andere Bereiche übertragen und sich in den Glauben hinein ausbreiten. Aufkeimendes Misstrauen bringt dann am Ende alles durcheinander.Das Wort Gottes, dessen vertrauter Klang meiner Sprache und dem Denken eine Richtung verspricht, gerät in dieses Gewirr mit hinein. So eine Stimmung, in der jemand sagt: „wer weiß, was da wirklich stimmt…?“, schafft eine Atmosphäre, in der ein unspezifischer Verdacht aufkeimt, der sorgt für weitreichendere Folgen, weitreichender als möglicherweise beabsichtigt war.

III. „von ihnen bin ich der erste“
Die Reformation vor 500 Jahren kannte diesen krisenhaften Moment. Sie begann mit ihm. Es herrschte überall solche Unsicherheit. Die Frage nach der Kraft, die Gott einem verleiht, blieb für viele Menschen gefährlich ungestellt. Die Stimme des Apostels war für viele Ohren verklungen. „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der erste“, ging an den Menschen vorbei. Vielleicht war das zu ehrlich, zu einfach, zu dicht dran. Wer gibt das schon zu: Ich habe es nötig, dass mich da einer herausholt ohne, dass ich selber etwas hinzugeben kann. Wer lässt sich - ohne Wiedestand zu leisten - retten?

Die Frauen und Männer, die die Reformation in Bewegung setzten, wussten: Es liegt so viel Angst in der Luft, dass einem der Atem knapp werden kann. Alle fühlen sich von Gottes Gnade eher verlassen und denken nicht daran, sich neu überraschen zu lassen. Von einem Beschenktsein ist schon lange keine Rede mehr. Nur Angst vor dem Heute, dem, was kommt, dem danach. Da war keine Gnade, nur Enge, der Seele geht die Luft aus. Schon das Knacken im Kamin weckte den Verdacht, der Teufel sei im Haus.

So ein kritisches „wer weiß…?“ wird schnell zu einem Gift, wenn es in kleiner Portion ausgeteilt wird, , es betäubt ganz allmählich das Vertrauen in Menschen, Meinungen, Informationen, die Liebe und die Netzwerke, die einen tragen. Es beschädigt kurz über lang den Glauben und die Seele. Denn ohne neues Vertrauen aufbauen zu können, verkümmert das Leben komplett.

IV. Gewächshaus
Was wir heute aus der Bibel hören, öffnet so etwas wie einen Raum, in dem das Vertrauen wachsen kann. Von dem „verlorenen Sohn“ aus dem Gleichnis haben wir gehört. Da ist dieser Vater, der seinen heimkehrenden Sohn mit offenen Armen aufnimmt, und wer diese Arme spürt, wird nicht misstrauisch „wer weiß…?“ fragen wollen. Dieser Vater baut - wider jede Erfahrung - Vertrauen zu seinem Sohn auf und schenkt es ihm, einfach so. Und unwillkürlich frage ich: Wer sollte denn sonst beginnen, den Anfang zu suchen und das Vertrauen wieder herzustellen, wenn nicht der Stärkere? Ich sehe niemanden, der das könnte als nur ihn. Wie sollte jemand neu anfangen, wenn man ihn nicht wieder in das Leben hinein holte? Es braucht diese erste Geste.

Solche Geschichten sind wie ein Gewächshaus, in dem das Vertrauen reift. Da ist der Apostel Paulus: Er, der Lästerer, der die Christinnen und Christen verhöhnt und verfolgt, genau dieser Mann wird von Gott mit Vertrauen überhäuft. Ausgerechnet der Skeptiker erlebt, wie übergroß die Gnade Gottes ist: Größer, als er es sich vorstellen kann. In diese Atmosphäre sind wir hineingeraten.

Das Wort „Vertrauen“ geht mit dem Verb „schenken“ einher. Hier schenkt nicht der Apostel sein Vertrauen. Hier schenkt Jesus Christus.
Nicht der Sohn, der reumütig heimkehrt, schenkt Vertrauen, der Vater bringt es ihm entgegen.
Nicht der Apostel beginnt mit dem Glauben an Jesus Christus, Christus schenkt ihm den Glauben und damit auch das Vertrauen.
Hier wird etwas korrigiert: Mein Vertrauen wächst dadurch, dass man es mir schenkt und ich es nicht besitze. Ich bleibe nicht in meinen kritischen Fragen hängen, diesem skeptischen „wer weiß, ob das wirklich so ist?“ Denn hier entsteht ein Klima, in dem Wachstum möglich ist.

V. Präsidentschaft war glücklich
Mittags liegt die Zeitung noch immer auf dem Tisch, einige Frühstückskrümel noch um sie herum. Jemand hat die Zeitung zugeschlagen. Nun ist sie von vorne zu sehen. Auf dem Titel ein Bild des Bundespräsidenten. „Warum diese Präsidentschaft so glücklich war?“ wird geschrieben: Diesem Mann schenken die Menschen ihr Vertrauen. Er trifft den richtigen Ton, er greift die wichtigen Themen auf, er spricht so, dass ihn alle verstehen können. Er hat ohne viel Aufwand zu betreiben Vertrauen möglich gemacht und es so seinem Volk geschenkt und unser Volk hat es ihm zurückgegeben.

Da nimmt sie die Zeitung wieder zur Hand, betrachtet das Bild des alternden Präsidenten, beginnt wieder in ihrer Zeitung zu lesen. Was sie jetzt liest, klingt so ganz anders als das, , was sie vor der Arbeit gelesen hat. Hier kehrt ihr das Vertrauen zurück. Ein Bürgerpräsident geht, der unbequem, unbestechlich, sachlich und doch emotional sei, liest sie. Sie bleibt sitzen, studiert aufmerksam Wort für Wort und bleibt bei einem Satz hängen. „Ich freue mich auf die kommenden Monate und darauf, das in mich gesetzte Vertrauen weiter zu erfüllen“, sagte er am Montag. Offenbar wusste dieser Präsident sich von einem Vertrauen getragen, dass nicht er selber beschafft hatte, sondern, dass er, der Politiker, von seinen Bürgerinnen und Bürgern geschenkt bekommen hat. Sie lässt die Zeitung wieder liegen, aber schreibt mit großer Schrift für ihren Mann und die Kinder darauf: „Das müsst Ihr alle lesen.“

Perikope
12.06.2016
1,12-17

Ein schwarzes Schaf wird Leithammel - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Michael Nitzke

Ein schwarzes Schaf wird Leithammel - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Michael Nitzke
1,12-17

12 Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt,
13 mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben.
14 Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist.
15 Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin.
16 Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben.
17 Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen.

Liebe Gemeinde,
vielleicht sehen wir vor unserem inneren Auge noch ein kleines Schäfchen. Wer die Evangeliumslesung noch im Ohr hat, sieht, wie es auf dem Rücken des Hirten zurück zur Herde getragen wird. Sicher ist seine Wolle zerzaust von dem Gestrüpp, in dem es sich verfangen hat. Es ist froh, dass es wiedergefunden wurde. Dieses eine Schaf wird von seinem Herrn zurück getragen und die neunundneunzig anderen Schafe stehen da erwartungsvoll und voller Sorge zusammen. Keines hat die Gelegenheit genutzt, um selbst auszubüchsen, während der Hirte das Fehlende suchte.
Nun, da der Herr es von den Schultern nimmt und vorsichtig auf die noch zitternden Beine stellt, nehmen es die anderen freudig auf in ihre Mitte.
Ja, es wird Freude sein über das wiedergefundene Schaf. Es wird Freude sein unter den Nachbarn und Freunden des Hirten, wie es im Evangelium steht. Wird aber auch wirklich Freude sein unter den anderen Schafen? Werden sie es wieder integrieren in ihre Herde? Wenn mit den Schafen echte Tiere gemeint sind, dann ist das wirklich kein Problem. Aber wenn diese Herde eine menschliche Gemeinschaft ist, dann sieht das schon anders aus. Unwillkürlich drängt sich das Bild vor Augen, dass das verlorene Schaf auch ein schwarzes Schaf war. Und ein schwarzes Schaf wird in der Herde der 99 weißen Schafe zwar ertragen, aber oft nicht wirklich geliebt.

Gehen wir nun herunter von der Weide und begeben wir uns in die menschliche Sphäre. Verlassen wir die schöne Beispielgeschichte vom verlorenen Schaf und hören wir die erlebte Geschichte eines Mannes, ohne den wir wahrscheinlich kaum etwas vom christlichen Glauben wüssten. Der Apostel Paulus, hat wie kein anderer seine ganz Kraft darein gesetzt, den Glauben über die Grenzen des ursprünglichen Gottesvolkes hinaus zu verbreiten. Er hat Grenzen überschritten - nicht nur geographische. Er ist unermüdlich gereist, hat Menschen zum Glauben an Jesus Christus bewogen, die auch dabei geblieben sind. Er hat Gemeinden gegründet und sie immer wieder begleitet. Hat sie im Glauben bestärkt, hat mit ihnen Konflikte ausgehalten und neue Wege gesucht, ohne diejenigen, die lieber die alten Wege gegangen sind, zurück zu weisen.

Paulus, ein Wegbereiter des Glaubens, und dennoch könnte man ihn als schwarzes Schaf der christlichen Familie bezeichnen. Denn der neue Glaube war ihm nicht geheuer, und nicht nur das: Er hat die junge christliche Gemeinde verfolgt. Hat ihren Mitgliedern nach dem Leben getrachtet. Bis er selbst gespürt hat, was er da für Leid über die Menschen bringt. Auf seiner Reise nach Damaskus konnte er auf einmal nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Aber mit seinem Ohr hörte er eine Stimme: »[...] warum verfolgst du mich?« Und er fragte: »Wer bist du, Herr?« Die Stimme sagte: »Ich bin Jesus, den du verfolgst! (aus Apg. 9,4f)
Paulus änderte sein Leben. Diese Begegnung führte ihn zum Glauben, und aus dem schrecklichsten Verfolger der Christen wurde der glühendste Missionar des neuen Glaubens.

Paulus hat seine Herkunft nie vergessen, und dann und wann spricht und schreibt er darüber. So in dem Text, den wir heute gehört haben. Er weiß, was er Schlimmes getan hat. Er beschönigt nichts. Er sagt, dass er Jesus Christus beschimpft, verfolgt und verhöhnt hat.
Aber er hat auch von ihm etwas erfahren. Und zwar Barmherzigkeit. Dass er mit Blindheit geschlagen wurde, das war ein Schuss vor den Bug, ein Warnzeichen. Und er hat das Zeichen richtig verstanden. Der Warnschuss hat ihm die Augen geöffnet. Und als er wieder sah, da sah er sich als Teil der Herde des guten Hirten, der auch sein Leben für die Schafe lässt.
Aber was denken diese Schafe, wenn Jesus auf diese Wiese das verlorene Schaf zurückbringt? Nehmen sie es auf oder betrachten sie es nicht doch mit Misstrauen und Vorbehalt?
Und fragen sie sich nicht noch viel mehr: „Kann denn das verlorene Schaf zum Leithammel werden?"
Hätte Paulus es einfacher gehabt, wenn er in der Herde als ein Schäfchen von vielen unerkannt mit gezogen wäre? Er hat nicht diesen leichten Weg genommen. Er hat seine Gaben und Fähigkeiten, die ihn zum glühendsten Verfolger werden ließen, nicht versteckt. Er hat sie so eingesetzt, dass er zum effektivsten Verkündiger des Glaubens wurde.
Paulus hat sein Licht nicht unter den Scheffel gesetzt. Er hat seine Kraft voll und ganz Gott gewidmet. Er hat von anderen viel verlangt. Und wenn diesen anderen das Tempo zu schnell war, oder wenn ihnen die Richtung nicht passte, dann hat er mit Kritik nicht hinter dem Berg gehalten. Dann hat er auch mal in einer flammenden Rede wie dieser gesagt, dass Gott ihm das Vertrauen gegeben hat. Er hat ihm Barmherzigkeit geschenkt.
Was ist das? Vielleicht Nachsicht, Vergebung, Mitgefühl. Es ist diese Barmherzigkeit, die ihm die Vergangenheit nicht zum Hindernis für die Zukunft werden ließ. Paulus ist dafür von Herzen dankbar. Er nimmt diese Barmherzigkeit nicht als Selbstverständlichkeit. Er ist demütig in der Dankbarkeit. Aber manche halten ihn für hochmütig in dem, was er von anderen verlangt. Denn er erwartet Vertrauen und Verlässlichkeit. Und er verlangt vollen Einsatz, Selbstüberwindung.
Und in der Tat braucht es viel Selbstüberwindung das verlorene Schaf als „Leithammel“ anzuerkennen. Sollte es nicht lieber ruhig und bescheiden bleiben als fordernd und anspruchsvoll.
Paulus hatte sich mit seiner fordernden Art nicht viele Freunde gemacht. Aber er war effektiv. Der Glaube hat Früchte gezeigt, bis heute. Man liest immer noch aus seinen Briefen, die oft nur geschrieben wurden, um Konflikte zu bereinigen. Und die nach seinen Worten handeln sollten, mussten selbst sehr viel Barmherzigkeit aufbringen, um ihm nicht seine alten Fehler vorzuhalten und zu sagen: „Wie kannst du mir Vorschriften machen, der du doch einst die Christen verfolgt hast?"

Paulus sagt:15 Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin.
Ja, er ist nicht bescheiden. Er ist der erste, in allen Bereichen. Erst ist er der, der den Christen am stärksten geschadet hat, und nun ist er der, der sie mit seiner ganzen Kraft zu einer Weltbewegung formen will. Ja, so ein Charakter ist für die Umstehenden nicht leicht zu ertragen.

Aber wie gehen wir heute mit Fehlern um? Können wir uns von jemandem leiten lassen, der alles, was uns vorher heilig war, in den Schmutz gezogen hat? Nehmen wir solch einem Menschen die innere Wandlung ab?
In unserer Gesellschaft kann man sich heute sehr vieles erlauben. Die moralische Geduld ist sehr groß geworden. Ein Mensch in leitender Position muss nicht immer ganz genau den Normen entsprechen, die früher selbstverständlich waren. Aber was man von ihm erwartet ist Ehrlichkeit. Wer in der Öffentlichkeit steht, ist unter genauer Beobachtung. Doch Fehler, die jemand entdeckt, werden verziehen, wenn jemand offen damit umgeht. Wer aber das Falsche für richtig erklärt, der darf kaum Barmherzigkeit erwarten. Wer seine Fehler verdecken und vertuschen will und nicht dazu steht, was er falsch gemacht hat, der wird spüren, wie unbarmherzig eine moderne Öffentlichkeit sein kann.
Wenn Christus so gehandelt hätte, dann hätte aus Paulus nichts Großes mehr werden können. Aber Christus hat Paulus nicht öffentlich demontiert und dann in der Versenkung verschwinden lassen. Nein, er hat ihn aufgebaut, damit er seine Kraft einsetzt für Dinge, die wirklich den Menschen gut tun.
Ein solches Handeln erfordert Geduld. Eine Geduld, die Jesus Christus selbst aufgebracht hat. Paulus selbst ist dankbar für diese Geduld. Aber dennoch scheint es dem Bibelleser so, als sei alles sehr schnell gegangen, vielleicht zu schnell. Doch bei manchem braucht man sicher noch viel mehr Geduld.
Wenn man keine Geduld aufbringt, dann kommt es zu Aussagen wie dieser, die man heute gerne locker daher sagt: „Keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen!"
Bringt man aber Geduld auf, dann wird ein Mensch, der Schuld auf sich geladen hat, nicht als schlechtes sondern als gutes Beispiel dienen.
Und dann sind wir wieder bei der Frage: „Kann denn das verlorene Schaf zum Leithammel werden?"

Ja, denn es kommt nicht darauf an, dass jemand keine Fehler macht in seinem Leben, es kommt darauf an, wie er mit diesen Fehlern in der Öffentlichkeit umgeht.1 Das gilt für Pfarrer, das gilt für Politiker, das gilt für Geschäftsleute, das gilt für Alte und Junge, Männer und Frauen.
Diese Lebenseinstellung braucht Geduld auf beiden Seiten.  unächst Geduld bei denen, die die Auswirkungen der Fehler zu spüren bekommen. Und dann bei denen, die diese Fehler gemacht haben. Es ist ein langer Weg, eine Fehlerkultur in einer Gemeinschaft zu etablieren. Da geht es nicht um meckern und ausgemeckert werden. Da geht es darum, gemeinsam den besten Weg zu suchen. Es ist eine Binsenweisheit, dass man aus Fehlern lernen soll. Aber man muss diese Weisheit auch verinnerlichen.
Ein falsches Wort ist schnell gesagt. Manchmal reicht aber nicht die einfach Floskel: „Entschuldigung!" Dann erfordert es Einfühlungsvermögen mit dem, den das falsche Wort getroffen hat, um das Vertrauen wieder herzustellen. Und man braucht auch Vertrauen zu sich selbst und seiner eigenen Fähigkeit zur Erneuerung. Denn es wäre ein noch falscheres Verhalten, sich nun zu denken: „Jetzt sage ich eben gar nichts mehr!" - Wer das Gespräch sucht, wird spüren, dass Menschen vergeben und verzeihen, weil sie selbst Fehler machen.
Anders sind Fehler, deren Folgen nicht so einfach wieder gut gemacht werden können. Wenn durch einen Fehler ein schwerer Unfall passiert, dann bringt der vielen Menschen unermessliches Leid. Auch da muss man versuchen,  wieder in Ordnung zu bringen, was in Ordnung gebracht werden kann.
Und am besten ist es, wenn man vorher versucht, gemeinsam Fehler zu verhindern. Dazu gehört auch, dass sich niemand für perfekt hält, oder dass sich jemand selbst die Kompetenz abspricht, die Fehler der anderen zu erkennen und zu benennen.
Dazu gehört Mut und Selbstvertrauen. Denn oft trauen wir uns nicht die Wahrheit zu sagen, weil wir irgendwelche Folgen fürchten.
Ja, ich mache Fehler, auch wenn ich viel längere Erfahrung habe. Sagen Sie es mir rechtzeitig, bevor es zu spät ist."2 Ja, selbst ein guter Pilot wird seinem Copiloten auf diese Weise Mut machen, ihn auf Fehler hinzuweisen, ohne dass dieser Angst um seine Karriere haben muss.
Geduld braucht es dazu auf allen Seiten.
Und Geduld gibt uns dazu Jesus Christus, der am Kreuz das Leiden erduldet hat, um uns zu zeigen, wie viel Geduld er mit uns hat. Auch wenn die Rede des Paulus manchem etwas zu viel nach Eigenlob stinkt, so ist das, was er sagt, doch ein Zeugnis seiner Seele: „Ja, mir ist Barmherzigkeit widerfahren. Ja, Jesus hat Geduld mit mir gehabt. Und das will ich euch zeigen und nicht verschweigen." Wer das von Herzen sagt, der ist nicht überheblich, sondern der bekennt sich zu seinen Fehlern, ist dankbar, dass Gott sie erträgt und vergibt.
Ja, auf diese Weise kann tatsächlich ein schwarzes Schaf zum Leithammel werden. So kann sich sogar ein Ackergaul in ein Zugpferd verwandeln. Und selbst wenn jemand den Bock zum Gärtner machen sollte, muss das Ergebnis nicht chaotisch sein. Es kommt auf die innere Einstellung an, die sich mit Gottes Hilfe verändern lässt. Es kommt auf die Geduld an, die ich mit mir selbst habe, und die Gott mir erweist. So kann ich mit Paulus sprechen: Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat.

Amen.

Liedvorschlag:
EG 355 Mir ist Erbarmung widerfahren

 

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1So sinngemäß die Präses der Ev. Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, bei ihrem Besuch im Pfarrkonvent Dortmund am 1.6.2016.
2So sinngemäß Lufthansa-Cpt. Robert Schneider bei seinem Vortrag am 30.5.2016 in Dortmund.


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Pfarrer Michael Nitzke
Ev. Philippus-Kirchengemeinde Dortmund
michael.nitzke@philippusdo.de

 

 


 

Perikope
12.06.2016
1,12-17

Geständnisse im Licht der Gnade - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Søren Schwesig

Geständnisse im Licht der Gnade - Predigt zu 1. Timotheus 1,12-17 von Søren Schwesig
1,12-17

12 Ich bin voll Dank gegenüber Jesus Christus, unserem Herrn, der mir für meinen Auftrag die Kraft gegeben hat. Denn er hat mich für vertrauenswürdig erachtet und in seinen Dienst genommen,
13 obwohl ich ihn doch früher beschimpft, verfolgt und verhöhnt habe. Aber er hat mit mir Erbarmen gehabt, weil ich nicht wusste, was ich tat. Ich kannte ihn ja noch nicht.
14 Er, unser Herr, hat mir seine Gnade im Überfluss geschenkt und mit ihr den Glauben und die Liebe, die aus der Verbindung mit ihm erwachsen ist.
15 Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der schlimmste bin.
16 Deshalb hatte er gerade mit mir Erbarmen und wollte an mir als erstem seine ganze Geduld zeigen. Er wollte mit mir ein Beispiel aufstellen, was für Menschen künftig durch den Glauben - das Vertrauen auf ihn - zum ewigen Leben kommen können.
17 Gott, der ewige König, der unsterbliche, unsichtbare und einzige Gott, sei dafür in alle Ewigkeit geehrt und gepriesen! Amen.
(Gute Nachricht Bibel)

 

Liebe Gemeinde,

ein schöner Gottesdienst, schöne Gesänge, eine schöne Atmosphäre. Aber dann dieses Predigtwort. Es trägt uns auf, über Sünde nachzudenken. Ausgerechnet über Sünde! Und das an diesem schönen Tag. Wollen wir uns darauf einlassen? Wollen wir uns aufs Neue diesem Thema stellen?

Das erinnert mich an den alten Kalauer, als der Vater den Sohn nach der Kirche fragt: „Wie war´s in der Kirche?“ - „Gut!“, sagt der. „Worüber hat der Pfarrer gepredigt?“ - „Über die Sünde.“ „Und", der Vater, “was hat er zur Sünde gesagt?“ – Der Sohn: „Er ist dagegen!

Lassen Sie uns aufs Neue über Sünde nachdenken. Was Sünde ist, was sie bewirkt und was wir tun können – auf dass dieses Nachdenken uns neue Impulse für unser Leben schenkt.

Sünde hat etwas mit Geständnis zu tun. Ein Mensch, der ein Geständnis ablegt, stellt sich dem, was er getan hat und bekennt seine Schuld.
Nun leben wir in einer Zeit massenhafter öffentlicher Geständnisse. Die Talkshows der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender überfluten uns mit Geständnissen: Da prahlt ein sichtlich angegrauter Mann damit, wie viele Frauen er schon gehabt hat. Ein Jugendlicher plustert sich auf angesichts der Vorstrafen, die er angesammelt hat. Eine dritte rühmt sich der Rücksichtslosigkeit, mit der sie durchs Leben geht und dabei auch die eigenen Kinder nicht verschont.
Geständnisse vom Niveau her oft nicht zu unterbieten. Geständnisse, bei denen der, der gesteht, sich nicht betroffen an die Brust schlägt, sondern lachend auf die Schenkel klopft: „Seht, was ich für ein toller Typ bin!“ Geständnisse nicht im Licht der Gnade, sondern im Licht der Einschaltquote.

Was geschieht bei einem richtigen Geständnis? Bei einem richtigen Geständnis stellt sich ein Mensch dem, was er getan hat – wie der Schreiber unseres Predigtwortes. Er sagt von sich: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der schlimmste bin.

Nun wollen wir nicht wie in den Talkshows voll plumper Neugier nachfragen, was dieser Mensch wohl angestellt hat, dass er meint, der schlimmste Sünder zu sein. Fragen wir lieber, was der Begriff „Sünde“ meint und wann ein Mensch als Sünder zu gelten hat.

Was ist Sünde? Martin Luther antwortet darauf so: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“ – und meint: Frage dich, wem du Raum gibst in deinem Leben und auf wen oder was du deine Hoffnung setzt. Frage dich, wem du in deinem Leben letztlich vertraust.

Sünde ist für Luther, wenn ein Mensch in der Überzeugung lebt, er hätte sein Leben im Griff, käme gut allein zurecht und bräuchte keinen Gott. Was aber, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt, was diese scheinbare Sicherheit erschüttert? Der Brief der Firmenleitung mit den Worten: Die momentane wirtschaftliche Situation unserer Firma … der harte Wettbewerb …sie müssen verstehen. Die völlig unerwartete Diagnose des Arztes bei einer Routineuntersuchung. Der plötzliche Tod eines lieben Menschen, mit dem wir doch gerade vor kurzem noch zusammengesessen und gelacht haben. Was dann? Dann begreifen wir, dass wir unser Leben eben nicht jederzeit im Griff haben; dass wir sehr wohl jemanden brauchen, der uns an der Hand nimmt und weiterhilft.
Leben ohne Gott – das ist für Luther Sünde.

Würden wir aber Menschen beim Einkaufsbummel mit der Frage überrumpeln, was für sie Sünde ist, wir würden Antworten bekommen wie: Wenn man zu tief ins Glas schaut. Wenn man zu viel in sich hineinfuttert, obwohl es der schlanken Linie nicht guttut. Sünde ist, wenn man zu schnell mit dem Auto unterwegs ist und dabei auch noch in eine Radarfalle gerät; wenn man dem Staat mit den Steuern erfolgreich ein Schnippchen schlägt.

Alle diese Antworten sind nur eine Aneinanderreihung menschlichen Fehlverhaltens. Sünde aber ist mehr als die Summe unserer Verfehlungen. Sünde geht tiefer. Sünde hat damit zu tun, dass Menschen ihre Bestimmung verloren haben und heimatlos geworden sind. Sünde hat damit zu tun, dass Menschen vom Weg abgekommen und in eine Sackgasse geraten sind. Menschen, die von sich sagen:

  • Ich bin mit mir selber unzufrieden. Ich kann mich manchmal selber nicht leiden. Ich weiß gar nicht wirklich, wer ich bin.
  • Oder: Was hat mein Leben für einen Sinn? Ich hänge an der Flasche. Dabei bin ich doch eigentlich nur süchtig nach Leben.
  • Oder: Ich will die Ekstase am Wochenende. Aber wenn ich nach dem Wochenende aufwache, ist wieder diese große Leere in mir.
  • Oder: Ich bin irgendwie immer traurig. Ich habe Angst - vor dem Altwerden, vor der Einsamkeit, vor einem einsamen Tod in irgendeinem Heim. 

Menschen, die ihre Bestimmung verloren haben und heimatlos geworden sind. Menschen, die vom Weg abgekommen und in eine Sackgasse geraten sind.

So hat Gott uns aber nicht geschaffen. Er hat uns geschaffen als freie Wesen. Als Menschen, die um ihre Heimat wissen. Menschen, die sagen können: „Was immer auch geschieht, ich bin auf einem guten Weg, denn Gott geht mit mir.“ Dass Menschen mit dieser Überzeugung leben können, ist sein Geschenk an uns. Mehr noch: Es ist unsere Bestimmung.

Warum hat der Mensch dieses Geschenk aus der Hand gelegt? Warum hat er seine Bestimmung verloren? Die Bibel antwortet darauf mit der Geschichte von Adam und Eva. Eine Geschichte von Freiheit und von Gottes Gebot, das den Menschen schützen soll. Aber der Mensch will seine Freiheit in die eigenen Hände nehmen und nach eigenen Regeln leben. Er empfindet Gottes Gebot nicht als Hilfe für ein gelingendes Leben, sondern als Einengung, Beschränkung, Zwang. Und so dreht er Gott den Rücken zu und lebt abgewandt von ihm.

Dieses von Gott abgewandt leben ist Sünde. Zu leben im Glauben: „Ich habe mein Leben im Griff. Ich komme gut allein zurecht. Ich brauche keinen Gott!“ – das ist Sünde. Und diese Sünde bringt den Tod. Nicht erst den biologischen Tod. Den Tod schon jetzt, mitten im Leben. Denn der von Gott abgewandte Mensch weiß nicht mehr um den Grund seines Lebens. Er weiß nicht mehr, was sein Ursprung ist und was sein Ziel. Weiß nicht mehr, woher er gekommen ist und wohin er geht. Der von Gott abgewandte Mensch ist vom Weg des Lebens abgekommen. Abseits dieses Weges lauert der Tod. Der Tod schon jetzt, mitten im Leben.

Wer zeigt uns wieder, wo unsere Heimat ist? Wer hilft uns zurück auf den Weg des Lebens?

Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder selig zu machen. Das ist die Antwort unseres Predigtwortes. Jesus zeigt, wo unsere Heimat ist. Darum hat Gott seinen Sohn gesandt, dass Menschen wieder zurückfinden auf den Weg des Lebens. Und Jesus hat Menschen diesen Weg gezeigt, indem er die Verlorenen um sich sammelte und ihnen Geschichten erzählte. Geschichten, die zu Herzen gingen: Vom verlorenen Schaf, vom wiedergefundenen Sohn. Jesus riss Menschen aus ihrer Verlorenheit, indem er mit Sündern tafelte und Feste feierte. Den Halsabschneider Zachäus wollte er bei sich haben, auch die Dirnen, auch die Zwielichtigen, auch die Abgebrühten. In seiner Nähe atmeten die Menschen auf, konnten sie selbst sein. In seiner Nähe lernten sie Liebe. Echte Liebe, keine verordnete Liebe, sondern Liebe, die von Herzen kommt. Darum ist Christus Jesus in die Welt gekommen - um die Sünder selig zu machen.

Sein Werk ist noch nicht zu Ende. Jesus will auch uns bei sich haben. Die Ausgeflippten und die Normalen, die Prahlenden und die Suchenden, die Starken und die Ermüdeten, die Selbstsicheren und die Orientierungslosen. Alle will er bei sich haben, damit wir nicht verloren gehen und um unsere Heimat wissen.

Jesus will auch uns bei sich haben. Nehmt das mit, wenn ihr diesen Gottesdienst verlasst mit seinen Gesängen und seiner Atmosphäre. Nehmt das mit in euren Alltag, damit ihr euch an den haltet, der euch auf dem Weg des Lebens haben will.

Amen.

________________________
Stadtdekan Søren Schwesig
Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart
soeren.schwesig@elkw.de


 

 

 

Perikope
12.06.2016
1,12-17

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? - Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6a von Dieter Splinter

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? - Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6a von Dieter Splinter
2,1-6

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen?

1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. 3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus,  6 der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.

I.

Liebe Gemeinde!

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? Die Antwort auf diese Frage entwickelt der Apostel Paulus (oder einer seiner Schüler) in drei Schritten.

II.

Der erste Schritt beginnt mit einer Ermahnung: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen...“. Viele haben die mahnenden Worte des Apostels befolgt. Jede Kirche zeugt davon. Wer eine Kirche betritt, betritt einen Gebetsraum. In jeder Kirche wurde gebetet. In jeder Kirche wird gebetet – und so lange eine Kirche steht, wird darin gebetet werden.

Das ist gut so. Die Welt braucht Gebete. Wichtig sind sie zunächst für den, der betet. Eine kleine Geschichte macht es deutlich: „Dem Missionar einer Buschkirche in Neuguinea fiel ein Mann auf, der immer nach dem Gottesdienst noch lange Zeit in der Kapelle sitzenblieb. Dieser Mann schaute dann immer mit auf der Brust verschränkten Armen zum Altar, der jetzt abgeräumt und leer war. Einmal nahm sich der Missionar ein Herz und fragte den Mann, was er denn da die ganze Zeit bete. Der antwortete nur lächelnd: 'Ich halte meine Seele in die Sonne.'“

Wer betet, spürt etwas von der Wärme Gottes. Wer betet, bekommt neue Energie. Wer betet, taucht ein in ein Licht, das er nicht selber gemacht hat. Wer betet, weiß: Ich bin nicht allein. Gott ist da für mich. Er hält mich. Er trägt mich. Denn ja, es ist so: „Der Herr ist mein Hirte - mir wird nichts mangeln!“ Jedes Gebet ist ein Sonnenbad für die Seele.

Wenn Christen und Christinnen zusammenkommen, dann beten sie aber nicht bloß jeweils für sich selber. Es ist uns aufgetragen „für alle Menschen“ zu beten. Ein christlicher Gottesdienst ist darum immer auch ein öffentlicher Gebetsdienst. Wir tun es vor allem im Fürbittengebet. Darin nehmen wir die Welt ins Gebet. Wir beten für jene, die mühselig und beladen sind. Wir beten für jene, die krank sind und von Krieg heimgesucht werden. Wir beten für jene, die fliehen müssen und nicht mehr ein noch aus wissen. Ihre Not legen wir Gott ans Herz und bitten ihn um Beistand. In unserer Ohnmacht nehmen wir Zuflucht zu seiner Allmacht. In unserer Schwäche vertrauen wir auf seine Stärke.

„Für alle Menschen“ zu beten heißt darüber hinaus noch etwas anderes. Der Gebetsdienst der christlichen Gemeinde im Gottesdienst geschieht immer auch für jene, die nicht da sein können oder wollen. „Für alle“ zu beten, ist immer auch ein Akt der Stellvertretung.

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? Die Antwort, die im ersten Schritt im 1. Timotheusbrief entwickelt wird, lautet: Im Gebet halten wir gleichsam unsere Seele in die Sonne. Wir tun es aber nicht bloß für uns allein, sondern ebenso für jene, die mühselig und beladen sind – und für jene, die nicht da sind und am Gottesdienst teilnehmen.

III.

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? Um diese Frage zu beantworten, kommt der Apostel nun auf den Gesetzgeber zu sprechen; also auf die Regierung. Der Apostel fordert dazu auf, „für alle Menschen“ zu beten. Und das bedeutet eben auch zu beten „für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“

Diese Worte wurden in einer Zeit geschrieben, in der Christen immer wieder um Leib und Leben fürchten mussten. „Für die Könige und alle Obrigkeit“ zu beten, war zunächst ein Akt der Stellvertretung. Die so ins Gebet Genommenen waren gewiss nicht da. Sie beteiligten sich nicht am Gottesdienst. Vielmehr war damit zu rechnen, dass die Regierenden Christen drangsalierten. Wer dann dennoch für die Regierenden betete, wollte an seiner Staatstreue keinen Zweifel aufkommen lassen.

Man mag das als Duckmäusertum verunglimpfen. Doch ist das Ansinnen, den christlichen Glauben in Freiheit und Menschenwürde zu leben, selbst heute noch nicht  überall in die Tat umgesetzt. Im Gegenteil. Die Christenverfolgungen nehmen zu. Papst Franziskus beschreibt die Situation zu Recht darum so:

“Es ist nicht erforderlich, in die Katakomben oder ins Kolosseum zu gehen, um die Märtyrer zu finden: die Märtyrer leben jetzt, in zahlreichen Ländern. Die Christen werden ihres Glaubens wegen verfolgt. In einigen Ländern ist es ihnen untersagt, ein Kreuz zu tragen: sie werden bestraft, wenn sie es doch tun. Heute, im 21. Jahrhundert, ist unsere Kirche eine Kirche der Märtyrer.”

„... ein ruhiges und stilles Leben führen (zu) können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit“ - das wird vielen Christen heutzutage in dieser Welt immer noch verwehrt. Religionsfreiheit ist vielerorts nicht selbstverständlich. Das mag hierzulande anders sein. Doch gilt es auch bei uns  wachsam zu sein. So tun wir etwa gut daran darauf zu achten, dass der Sonntagschutz nicht ausgehöhlt wird.

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? Im zweiten Schritt seiner Antwort fordert der Apostel dazu auf für die Regierenden zu beten. Und wenn der christliche Glaube unterdrückt wird, gilt es erst recht die dafür Verantwortlichen ins Gebet zu nehmen.

IV.

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – wie hängen sie zusammen? Um diese Frage zu beantworten, geht der Apostel nun einen dritten und letzten Schritt. Die Gemeinde soll „für alle Menschen“  und „für die Könige und alle Obrigkeit“ beten. Wenn sie es tun, so ist dies „gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, das allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“

Wer für die Mühseligen und Beladenem betet, legt sie Gott ans Herz. Wer stellvertretend für die betet, die nicht da sind – und seien es jene, die ihm das Leben von Staats wegen schwer machen – macht deutlich: Gott will, „dass allen Menschen geholfen werde...“. Die Gebete der Gemeinde sind für Außenstehende die Einladung, an Gott zu glauben. Auch wenn sie nicht dabei sein können oder wollen, wenn für sie gebetet wird, so wissen sie doch, dass es geschieht. So nimmt es nicht Wunder, dass selbst jene, die am Gottesdienst nicht teilnehmen, sich hierzulande dafür einsetzen, dass Kirchen gebaut und erhalten werden.

Doch geht es dem Apostel noch um mehr. Die Gebete der Gemeinde sollen deshalb eine Einladung zum Glauben sein, damit alle „zur Erkenntnis der Wahrheit“ kommen. Die Wahrheit, die es zu erkennen gilt, beschreibt der Apostel so: „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“

Ein Gott ? Ein Mittler? Viele sind misstrauisch geworden gegenüber dem absoluten Anspruch, der hier formuliert wird. Sie haben Grund dazu. In dunklen Zeiten unserer Geschichte hieß es: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ Das war eine gängige Parole der Nationalsozialisten. Steigbügelhalter waren für sie unter anderen die Deutschen Christen. Bei ihnen klang der Absolutheitsanspruch so: „Ein Volk, ein Gott, ein Führer!“

Aus der Religionsgeschichte wissen wir, dass der Ruf „Es gibt nur einen Gott!“ zum Schlachtruf werden kann. Er dient dann dazu, sich gegenüber anderen Religionen zu behaupten und sich gegen sie durchzusetzen.  Heutzutage haben sich extreme Islamisten diesen Schlachtruf auf die Fahnen geschrieben.

Ein Gott ? Ein Mittler? Das ist in Wahrheit kein Schlachtruf. Doch geht es trotzdem um einen Anspruch. Wahrheit erhebt immer einen Anspruch. Sie will eben wahr sein und darum gelten. Misstrauen gegenüber einseitigen Parolen ist geboten. Trotzdem gilt es bei der Wahrheit zu bleiben. An ihr halten wir fest. Sonst wären wir keine Christen.

Die Wahrheit für uns ist: Gott begegnet uns in einem Menschen, in Jesus Christus. Der Mittler zu Gott ist ein Mensch wie du und ich. Den Weg zu Gott stellt er uns da. In der Nacht, in der er verraten wird, betet er im Garten Gethsemane, Gott möge den Kelch des Leids an ihm vorübergehen lassen. Doch kommt es anders. Christus wird gekreuzigt. Und es wird deutlich: Erlösung sieht immer anders aus! Selber Beten und anderen Gewalt zufügen – das geht gar nicht!

V.

Gemeinde, Gebet, Gesetzgeber und Gott – sie hängen für den Apostel in der Tat zusammen. Im Gebet wissen wir: Gott ist für uns da. Seine Nähe wärmt uns. Sein Licht erhellt uns. Im Gebet halten wir unsere Seele in die Sonne von Gottes Gegenwart. In der Gemeinde tun wir das besonders im Gottesdienst. Dort tun wir es nie allein, sondern mit anderen. So soll es sein. Unser gemeinsamer Gebetsdienst im Gottesdienst nimmt die Welt ins Gebet. Wir legen so die Mühseligen und Beladenen Gott ans Herz. Zudem beten wir stellvertretend für jene, die nicht das sein können oder wollen. Unser Gebet schließt die Regierenden mit ein – und besonders jene unter ihnen, die Christen andernorts drangsalieren und verfolgen. All das tun wir im Blick auf Jesus Christus. Er hat uns einen Weg gezeigt, der Erlösung verheißt. Wer Jesus Christus auf diesen Weg folgt, der weiß: Gebete und Gewalt, die man anderen zufügt, gehen nicht zusammen.

Und so bewahre der Friede Gottes, welcher höher ist den all unsere Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

 

Perikope
01.05.2016
2,1-6

Beten – ein Fenster zum Himmel und zur Welt, Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6 von Lucie Panzer

Beten – ein Fenster zum Himmel und zur Welt, Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6 von Lucie Panzer
2,1-6

Beten – ein Fenster zum Himmel und zur Welt

Erster Mai, Tag der Arbeit am Sonntag. Irgendwie passt das nicht, habe ich zunächst gedacht.

Weil man ja am Sonntag gerade nicht arbeiten soll. Dann sollte man sich vielleicht auch für die Rechte der Arbeitnehmer besser an einem anderen Tag einsetzen.

Nun hat mich aber ausgerechnet an diesem Sonntag der Predigttext erinnert: Beten und Arbeiten, Sonntag und Alltag, Sonntagsgottesdienst und Werktage – das gehört zusammen. Das kann man nicht trennen. Schon gar nicht, wenn der Sonntag  „Rogate“ heißt, „betet“. Beten, das ist ja eigentlich etwas besonders Sonntägliches.  Im Alltag hat man wenig Zeit dazu. Aber der Sonntag ist arbeitsfrei – auch für den Gottesdienst. Auch zum Beten.

Heute, am Sonntag Rogate gibt der Predigttext eine Anleitung zum Beten. Und die zeigt mir: Glauben und Beten sind nicht weltfremd. Nicht bloß etwas für die Sonntage, wo der Alltag außen vor bleibt. Im Gegenteil: Gerade beim Beten wird der Glaube weltoffen. Offen für das, was in der Welt los ist. Beim Beten öffnet sich die Seele nach zwei Seiten: Zum Himmel und zur Welt. Zu Gott und zum Alltag der Menschen. Beides wird gewissermaßen ins Gebet genommen. „Ora et labora!“, „Bete und arbeite“ – die uralte Regel der Benediktiner-Mönche war anscheinend ausgesprochen klug.

Hören Sie selbst, ich lese:

1. Tim 2, 1-6

Sie haben es gehört: Gebet, das ist Bitte, Fürbitte und Dank für alle Menschen. Ein Fenster zur Welt also. Zu allen. Beten nicht nur für die anderen aus der Gemeinde. Nicht bloß für die Christen. Nicht bloß für Familienangehörige und Landsleute. Alle soll unser Gebet einschließen. Nicht alle auf einmal vielleicht – aber mal die einen und mal die anderen, je nachdem, was mir und was Ihnen gerade auf dem Herzen liegt. Navid Kermani, der Muslim, der den Friedenspreis des deutschen Buchhandels bekommen hat, der hält das für die große Stärke des christlichen Glaubens.  In seinem Buch „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“ schreibt er: „Die Liebe, die ich bei vielen Christen…wahrnehme…geht über das Maß hinaus, auf das ein Mensch auch ohne Gott kommen könnte. Ihre Liebe macht keinen Unterschied.“

Betet für alle Menschen hat deshalb schon im ersten Jahrhundert dieser Briefschreiber die christliche Gemeinde ermahnt. Das ist gewissermaßen die Globalisierung des Glaubens von Anfang an. An alle sollen wir denken in unserem Beten: an die Lebensverhältnisse und die Arbeitsverhältnisse und das tägliche Brot für alle. „Unser tägliches Brot“ – das ist nicht nur das tägliche Brot für uns Christen hier im satten Deutschland. Für alle anderen sollen wir auch beten! Und solches Beten, wenn es aufrichtig ist, wird dann wohl auch das Verhalten ändern. Arbeitsplätze bei uns und gesunde Arbeitsverhältnisse sind wichtig, gewiss. Aber sind sie nicht mindestens genauso wichtig irgendwo in Bangladesh oder in Somalia oder in Marokko? Die Menschen dort würden nicht fliehen, wenn sie Arbeit hätten und ein Auskommen für sich und ihre Familien. Und dass sie es nicht haben – das liegt nicht nur an den Kriegen und korrupten Verhältnissen dort, das liegt auch daran, dass wir hier unsere T-Shirts und unseren Kaffee möglichst billig kaufen wollen. „Unser täglich Brot“ meint aber eben auch: „Ihr tägliches Brot“. Wenn wir Christen „für alle Menschen“ beten – dann sollten wir auch so handeln und ihnen faire Arbeitsbedingungen und faire Preise zubilligen.

Danken übrigens sollen wir auch für alle Menschen: Auch für die schwierigen Nachbarn also, für die Vorgesetzten, mit denen nur schwer auszukommen ist, für die Lehrer, deren Unterricht einem langweilig vorkommt, für die Flüchtlinge, die uns Sorgen machen. Für die bitten, dass es anders wird, dass es leichter wird, mit ihnen auszukommen, dass die Probleme sich lösen lassen – das leuchtet ein. Aber Danken? Warum danken?

Vielleicht, weil sie in mein Denken und Tun Bewegung bringen. Bei mir wohnt seit ein paar Wochen eine junge Frau aus Somalia. Es ist unglaublich, was ich jeden Tag von ihr lerne – über ihre Herkunft, vor allem aber über ihr Ankommen hier bei uns in Stuttgart und über die Schwierigkeiten, die es für sie gibt. Ich sehe Hürden und begreife Dinge, die mir vorher überhaupt nicht aufgefallen waren. Das ist eine Herausforderung und ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich das erlebe. Es bringt mein Denken in Bewegung. Und es bereichert mich. Es ist gut, dass sie da ist. Ein Grund zum Danken, finde ich.

Gebet, Bitten und Danken für alle Menschen. Das bricht die Gruppeninteressen auf. Das verhindert, dass ich beim Beten nur mich selber sehe, meine Sorgen, meine Ängste, meine Wünsche und Hoffnungen. Beten für alle Menschen – am Weltgebetstag im März tun wir das seit Jahrzehnten und informieren uns gleichzeitig über das Leben in anderen Ländern. Ich finde, wir sollten es öfter tun.

Denn „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde“. Das schreibt einer an die ersten Christen, die damals in multikultureller und multireligiöser Umwelt in der Minderheit waren und sich Sorgen machen mussten. Der Briefschreiber verbindet sie mit den Menschen um sie herum. So wie das schon Jahrhunderte vorher der Prophet Jeremia getan hatte: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie“ (Jer 29,7), hatte er den Vertriebenen im Feindesland geschrieben, „denn wenn es ihr gut geht, dann geht’s euch auch gut!“. Nur wenn es allen gut geht, geht es uns dauerhaft gut. Dafür sollten wir beten und arbeiten. Ora et labora!

Es geht weiter mit der Ermutigung zum Beten am Tag der Arbeit. Jetzt kommt das Fenster zum Himmel.

Beten, sagt uns der Timotheusbrief, beten sollen wir für die Könige und alle Obrigkeit. Unter heutigen Bedingungen in Deutschland also für die Kanzlerin und für die Minister, für die Abgeordneten. Aber auch für die Mitarbeiter in den Behörden, für die Chefs und Vorgesetzten, für Ausbilder, für Eltern und Lehrer. Sie alle sind „Obrigkeit“, hat Martin Luther uns beigebracht. Für die sollen wir beten.

Und was hat das mit dem Himmel zu tun? Wo ist da ein Ausblick, ein Fenster zum Himmel und also zu Gott?

Hören Sie mal genau hin! Für die Obrigkeit sollen wir beten. Nicht zur Obrigkeit, nicht zu den Königen und Präsidenten, nicht zu den Chefs und auch nicht zu den Eltern. Das hatten damals die Kaiser in Rom und in Ägypten und sonst wo verlangt. Die ließen sich als Götter anbeten. Manche Präsidenten kommen sich anscheinend heute noch so vor und manche Chefs und Vorgesetzte auch. Götter, denen man sich vorbehaltlos und kritiklos unterwerfen muss und die Kritik nicht ertragen müssen. Götter, die man demütig anzubeten hat.

Aber genau das brauchen wir Christen nicht zu tun. Wir sollen für die da oben beten, nicht zu ihnen. Wir sollen sie nicht als Götter verehren. Gott ist nur einer. Das sieht man durch das Fenster des Gebets. Durch das Fenster zum Himmel.

Wir beten zu Gott. Die anderen alle, die sind nicht Gott. Die sind Menschen. Menschen mit oft riesiger Verantwortung und großer Macht. Aber Menschen. Die Welt hat keine Götter. Weder im Staat, noch bei der Arbeit. Da gibt es aber Menschen, die ihre Verantwortung wahrnehmen. Und die ihre Macht ausüben. Und für die sollen wir beten. Dass sie es menschlich tun. Dass sie Mensch bleiben bei dem, was sie tun. Dass sie die Menschen sehen, mit denen sie zu tun haben. Nicht bloß Untertanen, nicht bloß Wähler oder Steuerzahler, nicht bloß Arbeitskräfte. Menschen. Wir beten für die da oben, die Verantwortung haben, dass sie die anderen Menschen, die weiter unten, die ihnen anvertraut sind, menschlich behandeln.

Dass Väter ihre Kinder nicht misshandeln sondern fördern so gut sie können. Dass Mütter ihre Kinder nicht erpressen oder vernachlässigen, sondern ihnen liebevoll Grenzen setzen und sie auf das Leben vorbereiten. Wir beten für Lehrerinnen und Ausbilder, dass sie ihre Schüler und Azubis als Menschen wahrnehmen mit Fähigkeiten und Möglichkeiten und Fehlern und Einschränkungen. Und dass sie versuchen, das Beste herauszuholen im Interesse der Lernenden. Wir beten für die Mitarbeiter in den Behörden, dass sie nicht nur Problemfälle sehen, die Arbeit machen und Schwierigkeiten, - sondern sich freuen, wenn sie den Menschen Möglichkeiten bieten können. Wir bitten für Chefs und Vorgesetzte, dass sie die Arbeiter und Angestellten als Mitarbeiter begreifen, die auch noch ein Leben jenseits der Fabriktore und Bürotüren haben und genießen sollen. Wir bitten für die Regierenden, dass sie nicht nur an die nächste Wahl denken, sondern an die Menschen und an die Zukunft der Welt, die in ihren Händen liegt.

Für sie alle erbitten unsere Gebete verantwortliche Menschlichkeit. Gott möge sie mit seinem Geist lenken.

Dann können wir alle ein ruhiges und stilles Leben führen. Und das heißt ganz bestimmt nicht, dass wir alle Duckmäuser werden sollen, die sich aus allem raushalten und froh sind, wenn sie bloß in Ruhe ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen können. Wenn ich an die Verhältnisse in der Zeit denke, als dieser Brief geschrieben wurde, dann heißt „ruhiges und stilles Leben“ eher: Leben ohne Angst. Leben ohne Angst, dass die große Politik einem plötzlich das Leben kaputt macht – weil ein Krieg alles zerstört oder eine schwere Wirtschaftskrise. Keine Angst, dass auf einmal Soldaten da stehen und die Männer totschlagen und die Freuen wegschleppen. Keine Angst haben, dass man verfolgt wird, wenn man seine Meinung offen sagt oder weil man einer bestimmten Glaubensgemeinschaft oder Volksgruppe oder Rasse angehört. Ein ruhiges und stilles Leben ohne Angst. So, dass man sich einsetzen kann für die Stadt und den Staat und den Betrieb und die Familie - ohne Angst. Dafür sollen Christen beten. Ora – und dann labora. Beten, damit man seine Arbeit in Ruhe und Frieden machen kann.

Denn „Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“. Das gibt uns der Timotheusbrief dann als Letztes mit auf den Weg. Die Reihenfolge ist entscheidend, finde ich. Menschen sollen Hilfe finden. Das ist das erste. Und dann erst kommt zweitens: Wer Hilfe erlebt und erfährt, der wird Gottes Wahrheit erkennen:

Wir, Sie und ich sollen das zeigen: Bei Gott kann man Hilfe finden.

Ich glaube, da gibt es zwei Möglichkeiten:

1.) Man kann so zeigen : (ausgestreckter Zeigefinger)….  Dann zeigt ein Finger auf unser Angebot für die Menschen. Und drei Finger zeigen zurück – kommt her zu uns, damit unsere Veranstaltung voll wird. Und manchmal muss man sich sagen lassen: ihr wollt ja eigentlich vor allem der Kirche helfen und Mitglieder werben.

2.) Oder man kann so zeigen (ausgestreckte Hand) … auf das, was wir zu bieten haben. Und hoffen, dass Menschen begreifen, wie gut ihnen das tut, was es bei uns gibt. Wenn sie das erleben, dann werden sie vermutlich auch die Wahrheit erkennen: Dass es einen Gott gibt und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich Jesus Christus. Und dass bei dem Hilfe zu finden ist.

Ora et labora. Sie sehen, wenn man sich am Tag der Arbeit über das Beten Gedanken macht, dann kommt man ganz schön weit herum. Und die Gebete bleiben nicht hinter Kirchenmauern versteckt, sondern Fenster gehen auf: Zum Himmel und zum Alltag der Menschen.

Amen

 

Perikope
01.05.2016
2,1-6

„Eine Geschichte müsste man erzählen – etwas nie Gehörtes, Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6 von Klaus Pantle

„Eine Geschichte müsste man erzählen – etwas nie Gehörtes, Predigt zu 1. Timotheus 2,1-6 von Klaus Pantle
2,1-6

Eine Geschichte müsste man erzählen – etwas nie Gehörtes

1 So ermahne ich euch nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
3 Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
5 Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen,6 der Mensch Christus, der sich zum Lösegeld für alle gab.
Dies ist das Zeugnis zur rechten Zeit.

1

Oft vermeide ich, spätabends Nachrichten zu hören oder morgens vor dem Frühstück die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen. Ich schütze mich davor, dass mich schlechte Nachrichten überfluten, sie mich schlecht schlafen lassen und mir frühmorgens die Laune verderben. Höre und lese ich, was über die zahllosen Probleme weltweit veröffenticht wird, überfällt mich lähmende Hilflosigkeit. Wenn ich in eine Fernsehdiskussion über aktuelle Krisen und Konflikte gerate, schalte ich um oder aus, weil ich das Gerede schwer ertrage. Und ich denke, nicht einmal ein Messias könnte „alle“ die mehr oder weniger komplexen Probleme lösen, die es gibt. Nicht einmal ein Erlöser wäre imstande, „allen Menschen“ in Not zu helfen. Dafür bräuchte es eine ganze Armada von Supermännern und Superfrauen. Aber die gibt es nur in der Welt der Marvel-Comics oder in amerikanischen Action-Filmen und nicht in der Wirklichkeit.

Was tun? Sich dem Zugriff dramatischer und bestürzender Ereignisse entziehen? Davor fliehen, in den Wald, auf einen Berggipfel oder eine einsame Insel, in die Phantasiewelten der Literatur oder in die Musik? Manchmal braucht man das, solche eskapistischen Fluchten aus dieser Wirklichkeit. Manchmal muss man den Dauerregungsbetrieb um sich herum abschalten und sich der „Diktatur der Kommunikation“ (François Cassingena-Trévedy) entziehen. Aber dauerhaft kann ich die Wirklichkeit, in der ich lebe nicht ausblenden. Ich brauche Strategien, um darin konstruktiv zu leben.

Was tun? Der Predigttext empfiehlt beten. Er legt seinen ursprünglichen Adressaten, die gewiss auch in einer Welt voller Ungerechtigkeit und Gewalt lebten „Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung“ nahe und meint damit das Gebet im Gottesdienst. Aber auch das erregt in mir Unwohlsein. „So vielfach ist Gebetssprache verschlissen und kontaminiert. Es geht kaum mehr über die Lippen, dieses „lass uns…“, „Gib uns…“ oder „Guter Vater…“ (Christian Lehnert). Zu oft gesprochen und gehört, zu Phrasen erstarrt, kosten Gebetsworte nichts und ändern nichts. Auch das Gebet kann zum routinierten Umgang mit der Hilflosigkeit werden. Im schlimmsten Fall bleibt es ein Vehikel, Unheil auf Distanz zu halten. Es müsste schon Positives wirken.

Was tun? Beten. Trotzdem. Aber wie? Eskapistisches Ausweichen in die Stille kann immer Sinn machen. Nachdenken, zum Beispiel über die Lektüre eines „Traktats über die Stille“. Vielleicht führt mein Weg nicht durch das Gebet zu einem „ruhigen und stillen Leben“, sondern ich finde umgekehrt über das Verweilen und Nachsinnen in der Stille zu einem wirksamen Beten.

2

„Eine Geschichte müsste man erzählen über etwas nur schwach und unklar, kaum und nur mit Mühe Hörbares. Aus dem Gewirr von Klängen und Geräuschen heraushören, was niemand hört, niemand sieht und niemand fühlt, etwas nie gehörtes, um es anderen zu erzählen. Die Geschichte verbirgt sich im Unhörbaren und Unsichtbaren, sie offenbart sich nur den aufmerksamen Sinnen.

Ich habe solche Sinne. Ich bin das Ohr und höre ständig, höre vollkommen, was kaum hörbar ist. Ich bin das Auge, das alles sieht.“

Dragan Velikić erzählt in seinem „Traktat über die Stille“ von seinem Weg in die Stille. Der führt ihn zu einer ganz und gar aufmerksamen Haltung, zu einem unerhört tiefen Hören und Sehen. Darin gelingt ihm ein unmittelbares Eintauchen in die Wirklichkeit und er gelangt zu einem tiefen empathischen Wahrnehmen dessen, was ist.

„Ich habe solche Sinne. Ich bin das Ohr und höre ständig, höre vollkommen, was kaum hörbar ist. Ich bin das Auge, das alles sieht.“

Mit diesen Sinnen, so schreibt er weiter, durchdringt er den Raum – zuerst vertikal: er hört im Zimmer über sich den Körper seines schlafenden Sohnes atmen; er hört das Niederfliegen der Vögel aufs Dach; er hört die Bewegung der Wolke hoch darüber, ja sogar die Stille des Alls.

Dann durchdringt er den Raum horizontal, sieht den Passanten auf der Straße nach seinem Schal greifen; er sieht und fühlt, wie sich in einem weit entfernten Haus, in dem er nie war, die Nägel einer Hand ins Betttuch krallen. Und er hört, wie weit oben im Norden das Fell eines Rentiers die Rinde eines Baumstammes streift.

Er dringt vor in die Zeit, hört durch den Alltagslärm seiner Gegenwart Geschehnisse der Vergangenheit: den Klang des Schnees, der das Dach einer Baracke von Auschwitz berührt, den Klang von Vermeers Pinsel, das Kratzen der Feder von Montaigne, den Schrei einer Frau im Traume Neros.

Er folgt den Eroberern bei ihren Raubzügen durch fremde Kontinente, in Welten und Zeiten voller Bosheit, Neid und Angst. Im Geiste bewegt er sich wieder zurück in sein eigenes Land, Serbien, in das zum Hotel umgebaute ehemalige Gefängnis in der Nachbarschaft, unter dessen Luxusrenovierung er Blutspuren sieht und in dessen Luxus-Apartments er die Schreie der ehemaligen Gefangenen hört.

Zum Benennen all dessen, was er gesehen und gehört hat, zur Geschichte, die man erzählen kann, ist es danach nur ein Schritt.  Wenn ich die Stille suche und darin ganz Auge und ganz Ohr bin, werde ich solches und anderes auch so wahrnehmen. Dann finde ich Geschichten und kann sie erzählen, wahre, wirkliche Geschichten.

„Ich kehre zu mir zurück, höre, wie sich an den Wänden meiner Blutgefäße das Fett ansammelt, sehe, wie sich mein Nierenstein bewegt, höre, wie Säure die Magenwände zerfrisst, höre auch, wie mein Samen gärt, frage mich, ob der penetrante Klang meinen Sohn aufwecken wird, lausche, beruhige mich, mein Sohn atmet gleichmäßig, das eine oder andere Jahr noch. … (Ich belausche alle Klänge), belausche den Klang meines Gehirns, höre, dass sich die Gehirnrinde deutlich hörbar faltet, dieses Sichfalten aber klingt wie ein Geheul von Widerstand wider all diese Klänge die es hört und die es wahnsinnig machen.“

Dragan Velikić beschreibt die Wahrnehmung seiner Selbst, seiner verletzbaren Leiblichkeit. Er schildert, wie er sich seines Geistes bewusst ist, der viel erfassen und manches davon kaum ertragen kann. Er erzählt, was seine Seele spürt, seine Seele, die sich öffnet und auf der Suche ist nach neuen, nie gehörten und nie gesehenen Geschichten: Heilsgeschichten, Versöhnungsgeschichten, Geschichten, die erzählen von Rettung – Rettung für unsere Welt, Rettung „für alle“!

Die Stille, die er sucht, die „Stille Gottes“, wie er sie nennt, die Stille, die er braucht, um die guten, die neuen, die unbekannten und nie gehörten Geschichten zu sehen und zu hören und dann erzählen zu können, diese Stille findet er nicht. Was er findet, sind Geschichten des Leids, der Zerstörung und des Todes.

3

Gibt es ein Beten, das mit solcher Wahrnehmung in der Stille beginnt und das Gehörte und Gesehene so zulässt und aufnimmt, ohne ihm auszuweichen? Solches Beten müsste über diese Phase der Wahrnehmung hinausgehen. Es müsste durch eine weitere Phase ergänzt werden, durch etwas, das über das Vorfindliche hinausführt und das Wahrgenommene überschreitet. Ich müsste darüber hinaus in Verbindung kommen mit einer Kraftquelle, die mir hilft, dem, was ich wahrnehme, mindestens standzuhalten. Diese Kraftquelle müsste mich aufladen mit Energie. Ja mehr noch: sie müsste mir helfen, dem, was ich wahrnehme, Positives entgegenzusetzen. Sie müsste mir helfen neue, andere, gute, bisher ungehörte und ungesehene Geschichten zu finden und in diese Geschichten hineinzugeraten. Aus den Geschichten von Zerstörung, Leid und Tod würden im Idealfall Geschichten von Rettung und Heil, Geschichten von Erlösung und Leben. Dazu bräuchte es eine andere Wirklichkeit, eine Wirklichkeit, der wir uns mit und in dem Wahrgenommenen zuwenden können und in die wir mit allem, was wir sind und erfahren, hineingeraten können. Es gibt einen „Mittler“, der diese beiden Wirklichkeiten verbindet, der beide kennt und den Weg aus der einen in die andere offen hält. Zum Beispiel indem er uns eine Art zu Beten lehrt, die mehr ist als ein mechanisches Rezitieren von Floskeln. Es geht um ein Beten, das eine Lebenshaltung ist:

Vater unser im Himmel…

Ich wende meinen Blick nach oben und nehme Kontakt auf mit dieser Wirklichkeit, die meinen Horizont wie meine Ich-Grenzen übersteigt. Ich wende mich einem Gegenüber zu, einer Instanz in und außerhalb von mir selbst – und erfahre die Gegenwart dieses Gegenübers (oft noch bevor ich sie rufe) – wie auch seine Abwesenheit und Unerreichbarkeit (obwohl ich ihn rufe). Aber ich gehe davon aus, dass ich in jedem Wort, in jeder Tat, in jedem Gedanken und Gedenken, in jeder Bitte und in jeder Klage auf diese Wirklichkeit bezogen bin – dass alles auf ihn hinläuft, weil er der Urgrund und Abgrund meines Lebens ist.

Geheiligt werde dein Name...

Ich ende nicht in der Anbetung – ich beginne damit. Im bewussten Hören und Nachsprechen geschieht schon Verwandlung.  Energetische Aufladung, die Aufsprengung meines Lebenshorizontes werden erfahrbar. Ich gerate hinein in ein Empfinden, als würde ich „schwingen in einer Resonanz, deren Grund mir gar nicht verfügbar ist, zu vibrieren mit den Stimmen all derer, die vor mir waren, ja, mit ‚himmlischen Mächten’ … Unabhängig von allem was ich sagen kann, besser: durch alles hindurch, was ich sagen kann, ist eine andere Aktivität am Werk“ (Christian Lehnert).

Ich nehme wahr, was ist: die Welt und ihre Menschen wie mich selbst. Und versenke all meine Geschichten der Zerstörung, des Leids und des Todes in den Urgrund des Seins. Ich versenke sie, wie ich mich selbst dort hinein fallen lasse. Und vergesse mich – wenigstens für den Moment. Ich spreche nicht mehr meine Schwierigkeiten und Wünsche aus. Vielmehr versenke ich mich in die Wirklichkeit, die trotz aller Schwierigkeiten das Ziel meines Lebens ist. Dieses Ziel liegt jenseits des Vorfindlichen. Es liegt weit über dem Hier und Jetzt hinaus.

Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden...

Das Ziel unseres Lebens liegt in einer Welt jenseits von Gut und Böse. In einer Welt, die ist und nicht ist, die erspürt und erfahren wurde, die gesehen und herbei gesehnt wird. Das Ziel unseres Lebens ist die Wirklichkeit, in der „Gott abwischen wird alle Tränen von ihren Augen, und der Tod  nicht mehr sein wird, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Offenbarung 21, 4). Das ist die „Wahrheit“.

„Eine Geschichte müsste man erzählen über etwas nur schwach und unklar, kaum und nur mit Mühe Hörbares. Aus dem Gewirr von Klängen und Geräuschen heraushören, was niemand hört, niemand sieht und niemand fühlt, etwas nie gehörtes, um es anderen zu erzählen. Die Geschichte verbirgt sich im Unhörbaren und Unsichtbaren, sie offenbart sich nur den aufmerksamen Sinnen“  - und dem Glauben. Sie offenbart sich im unbedingten Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der Kraft, die will, das ich, dass wir –„alle“! - leben. Und diese Geschichte drängt danach, „allen“ öffentlich! erzählt zu werden.

Literatur:

Dragan Velikić, Traktat über die Stille, Lettre International Heft 43 (1998), S. 95

François Cassingena-Trévedy, Götterdämmerung. Eine Bestandsaufnahme der Stille, in: Concilium 51. Jg./Heft 5 (2015), S. 523

Christian Lehnert, Miszelle zur Poesie des Gebets, in: 65 Seiten VELKD – Das Magazin, S. 11 (www.velkd.de/publikationen/download) und: Ins Offene. Über Poesie und Gebet, in: Christian Lehnert [Hrsg.], „Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen…“ Über die Kunst des öffentlichen Gebets, Leipzig 2014, S. 18

Perikope
01.05.2016
2,1-6

Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Jan-Dirk Döhling

Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Jan-Dirk Döhling
3,16

- Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens.– so bejubelt der erste Timotheusbrief das Weihnachtswunder. Und das Geheimnis heißt: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, er ist geglaubt in der Welt, aufgenommen in und er ist aufgenommen Herrlichkeit.

Und seit Jahr und Tag können  Himmel und Erde es nicht ergründen. Denn ein Rätsel kann man lösen - aber von einem Geheimnis, da muss man erzählen, es herumsprechen, sich drauf einlassen - und dann kann es kann feiern – Gott sei Dank.

1.) Im Himmel – so wird erzählt – da wurde getuschelt, als sich der Plan herumsprach. Und Ratlosigkeit  glänzte auf den Gesichtern der Engel und nicht wenige in den Heerscharen tauschten schwere Bedenken – hinter vorgehaltenen Flügeln.

Wie konnte er nur - er der Baumeister des Kosmos, der einst fein säuberlich geschieden hatte zwischen Tag und Nacht zwischen Himmel und Erde. Wie konnte er nur? Und wieso wollte er? Sich so herablassen, sich verlieren ans Dunkel, sich hinabstürzen in die Nacht. 
Sie, die unerschöpfliche Quelle, aus der sich der mächtige Strom des Lebens ergoss auf diesen kleinen Planeten, sie die mit ihrer Lebendigkeit Länder und Meere und Pflanzen und Tiere und alle Geschöpfe durchströmte, wie konnte sie nur zu einem einzelnen Tropfen werden wollen - versickern, verdunsten auf dem Acker der Welt.
Er der dreimal heilige, den kein Auge je gesehen und kein Ohr je gehört hatte – wie konnte er nur, – und wieso wollte er - nun ausgerechnet so Gehör finden wollen, sich ausgerechnet so zeigen: Runzelig rot an einer Nabelschnur, trinkend an der Brust einer Frau.
Sie, die Macht, die Sternen und Sonnen ihre Bahn gab, wie konnte sie nur und wieso wollte Sie, so aus der Rolle fallen und so klammheimlich die Seiten wechseln, verstohlen und unauffällig?

War das nicht ein Skandal, war das nicht eine neue Verrücktheit, die ultimative diesmal durch nichts zu steigern. Eine unglaubliche Kinderei wohlwollend betrachtet. Geschmacklos sogar strenggenommen. So redeten sie die Himmlischen als der Plan bekannt wurde, hinter vorgehaltenen Flügeln.

Dann aber, in jener Nacht, als der Schrei der Geburt durch die Finsternis hallte, da wurden sie alle mitgerissen vom Strom der Freude der aus Gott selbst hervorbrach, als sei er endlich nach Hause gekommen. Und die Freude, sie flutete durch jeden Stein, jeden Grashalm und jedes Atom des Universums. Und sie –  die Engel, sie wussten nicht wie – auch aus ihnen bracht der Jubel heraus und er erfüllte Himmel und Erde. Und seitdem ist er nie mehr verklungen,  nur einmal für drei Tage lang.

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

Gepredigt den Heiden
2.) In Rom, der Hauptstadt der Welt, in den Büros der kaiserlichen Zensur- und Sicherheitsbehörden, Abteilung Sekten und Kulte des vorderen Orient, Unterabteilung Judaica schmunzelte man als man die Geschichte las, die bei dieser neuen jüdischen Sekte beschlagnahmt worden waren.
Man war ja allerhand verworrenes Zeug gewöhnt von diesen jüdischen Spinnern. Aber das hier, das war endlich einmal gut ausgedacht. Natürlich es, war eine blanke Unverschämtheit, wenn man es gemäß den Vorschriften betrachtete. Aber eine mit Köpfchen, fast eine Art Kabarett – das natürlich keinesfalls in die falschen Hände geraten durfte. Bei den eingeweihten aber sorgte es für einige Heiterkeit und so reichte man die Storry weiter, heimlich-grinsend von Büro zu Büro.
Es ging, das war ein bekannter jüdischer Spleen, um die Ankunft des Messias, des rettenden Königs. Der sollte dem kleinen Volk mit dem aufgeblasenen Selbstbewusstsein die Freiheit verschaffen, von der es meinte sie stünde ihm zu. So weit so bekannt.
Aber dieser Heilskönig der wurde hier nicht ein weiteres mal herbeigesehnt und heranorakelt, nein, so das Dokument, er sei schon geboren worden. Als Kind einer Jungfrau, so gehörte es sich. Denn von den großen Königen des Zweistromlandes, über Alexander den großen Griechen bis hin zu ihrem Kaiser, dem göttlichen Augustus behaupteten alle Mächtigen, sie seien samt ihre Macht vom Himmel gefallen. Gottmenschen, geboren zu herrschen geboren und zu siegen.
Bloß – und jetzt wurde es originell – dass dieses Gotteskind auf irgendeinem Acker zur Welt gekommen sei, vor den Toren der jüdischen Hauptstadt, in einem Schafstall. Völlig unbemerkt nicht nur von den römischen Truppen, sondern auch von der jüdischen Marionettenregierung. Stattdessen hätten zuerst nur einige hergelaufene Viehhirten von der Geburt des Göttlichen gewusst und dann seien eben die zur Stelle gewesen und hätten das tun dürfen, was sonst eine ganze Welthauptstadt auf den Gassen und einem ganz kleinen erlesenen Kreis bei Hofe vergönnt war: dem Kind huldigen, dem gottgleichen Retter.
Aber es kam noch besser – nicht nur dass für diesen unehelichen jüdischen Schreinergesellen, eine himmlische Zeugung behauptet wurde wie für den gottgleichen Augustus und nicht nur, dass ihm auch frech das politische Programm, die geschichtliche Aufgabe des glorreichen Roms auf den Leib geschrieben wurde:  Der Weltfriede und die Herrschaft des Rechts – nur eben ohne Legionen und Galeeren und Schwerter, ohne Besatzung, Verwaltung und Strafen und Steuern. 
Das Beste war, dass auch noch der Kaiser selbst Geburtshilfe geleistet hätte für dieses absurde Theater. Der göttliche Kaiser, er setzt Völker in Bewegung durch einen einzigen Befehl, der bis in den hintersten Winkel des Weltreiches befolgt werden muss, wie in Judäa zur Volkszählung - Und doch mit all seiner Macht erfüllt er doch nur den Willen des Israelgottes - völlig ahnungslos ob er will oder nicht. Es war schon klar, dass das irgendwie ernst gemeint war. Aber es war auch so aberwitzig, dass es sich kein griechischer Komödiendichter besser hätten ausdenken können.

„Aufs ganze gesehen unbedenklich“, so lautete die Notiz, mit der man schließlich das jüdische Büchlein zu Akten legte. Denn es war ja völlig undenkbar, dass mit dieser nett ausgedachten Geschichte auch Geschichte gemacht werden könnte. Dass sie bleiben würde, etwas bewegen könnte, dass man ihr Glauben schenken würde, im Volk der Juden und erst recht bei den anderen, den Völkern der Welt

Und doch – noch zweitausend Jahre nachdem die Akten geschlossen – wurden brennen bei den Völkern der Welt die Kerzen der Weihnacht. Und im Namen des Juden Jesus da segnen sich alle Völker. Und in Rom da wird morgen ein christlicher Bischof im Namen des Messias Jesus den Weihnachtssegen sprechen: Für die Stadt und den Erdkreis - in den Sprachen der Welt.

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

Und in unseren Weihnachtsstuben – heute und hier, da wird dem demütigen Gott ein herrlicher Empfang bereitet. Und der irdische Gott kommt zur Welt in einer himmlische Kulisse – mit Engeln und Lichtern und Duft und Gefühl.
Da bemühen sich Menschen quer durch das Land, das große Geschenk der Freundlichkeit Gottes umzumünzen in ein paar freundliche Tage und sie strengen sich an, als die Geliebten Gottes, mit ihren kleinen Gaben seine große Gabe weiterzuschenken an ihre Lieben. Und wenn es gelingt, dann ist da wirklich mehr Freude, mehr Güte, mehr Menschlichkeit zwischen uns – wegen dem menschlichem Gott.
Wenn aber nicht – wenn die Gans verbrannt und die Luft dick ist, wenn die Gabe fehlgeht und die Stimmung kühl wird - und sich die ganze himmlische Herrlichkeit in Rauch auflöst?
Nun, vielleicht erinnern wir  uns dann, dass Gott einen Stall wählte um zur Welt zu kommen, die unanständigen Verhältnissen einer unehelichen Geburt und die Kälte der Nacht und im Qualm eines Hirtenfeuers. Es wird ja nicht Weihnachten wegen dem Reichtum unserer Feste, es wird Weihnachten für die Armut unserer Seele

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit –

In einem Wohnblock irgendwo in Deutschland da läutet der Pfarrer an der Haustür eines Geburtstagskindes. Nicht eben freundlich öffnet ihm eine Frau mit sehr dicken Beinen, aber dann wird er schließlich doch hereingebeten in eine Wohnung, die mehr erzählt als die Frau selbst. Sonst ist kein Besuch da, auch keine Geschenke oder Glückwunschkarte. Eine Medikamentenbox liegt auf dem Sideboard neben der Wohnzimmertüre. Morgens Mittags Abends - Montags bis Freitags, bunte Kapseln  in jedem Fach - Gelenkrheuma sagt sie - und mit dem Herzen. So ist das Herr Pfarrer. An der Wand hängt das Schwarzweißfoto eines jungen Mannes in Wehrmachtsuniform. Nein, sagt sie Familie hätte sie nicht. Bin nach dem Krieg alleine geblieben.
An der Wand gegenüber ein Kruzifix, geschnitzt aus Wurzelholz und darauf zeigt sie, nachdem Sie eine Weile geschwiegen haben.
„Wissen sie Herr Pfarrer – mit Gott kann ich nicht viel anfangen, aber der da, der hatte es auch schwer, der versteht mich“.

Und dem Pfarrer schießt sein Gelerntes in den Kopf und schon will er antworten, dass man das doch so nicht sagen könne. Weil es ja gerade Gott selbst wäre, der da an Weihnachten Mensch würde, weil er nicht ohne den Menschen Gott sein will - und weil er seit Weihnachten auch gar nicht mehr ohne Mensch Gott sein kann. Und eben darum könnte auch kein Mensch mehr ohne Gott sein, weil ja Gott - Mit uns Gott sein wollte.
Aber dann hält er sich zurück: Denn er hat so ein Gefühl als hätte die alte Frau, die mit Gott nichts anfangen kann das Weihnachtsgeheimnis vielleicht viel genauer verstanden als er, oder jedenfalls viel tiefer geglaubt und stärker erlebt.
Denn es gibt ja gar keinen Gott, jedenfalls gibt es seit Weihnachten keinen Gott mehr ohne die dicken Beine einer alten Frau, keinen, der nicht im Krieg seinen Verlobten verloren hätte und keinen Gott, der nicht wüsste wie es sich anfühlt einen achtzigsten Geburtstags allein mit seinen Erinnerungen zu feiern.
Und wenn Christen und Christinnen an einen glauben und also doch mit dem Wort Gott etwas anfangen wissen. Dann deshalb, weil Gott etwas mit ihnen anzufangen wusste. Und dann glauben sie an einen Gott, der sie versteht, mit Seele und Leib, mit Tränen und Schweiß, mit Haut und Haaren und mit Fleisch und Blut.  Wie auf Erden so im Himmel!

Groß ist das Geheimnis des Glaubens. Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt

– Groß ist, wie jedermann bekennen muss das Geheimnis des Glaubens. Und seit Jahr und Tag werden Himmel und Erde nicht fertig damit. Aber immer neu fangen sie an, es zu buchstabieren, es weiterzuflüstern und es zu feiern. Heute und morgen und jeden Tag…

Gott selbst in einem Kind – machtvoll und zärtlich,
Gott selbst bei uns – kräftig und verletzlich
und wir selbst bei Gott – rätselnd und staunend, betend und froh.
geboren, der Heiland, heute – für Euch.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne, bei unserem Herrn und Heiland Jesus Christus.
 

Perikope

Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Martina Janßen

Predigt zu 1. Timotheus 3,16 von Martina Janßen
3,16

Lied vor der Predigt: Dies ist die Nacht, da mir erschien… (EG 40, Strophen 1, 3, 5)

I. „Die Bedeutung eines besonderen Moments wird einem oft erst im Nachhinein bewusst. Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie. Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen. Der Zauber einer Zirkusvorstellung kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt. Der traurige Clown, die Spannung, wenn der Jongleur nicht nur die Teller kreisen, sondern auch die Tassen fliegen lässt, der Geruch von Sägespänen und des Parfüms der Mutter, die einen beschützend in den Arm nimmt, wenn die Tiger in die Manege einlaufen, das alles bleibt unvergesslich. Die magische Aura des fabelhaften Zirkus ist das Weihnachtsthema.“ Ich sitze in der S-Bahn und lese in einer Hochglanzzeitung des Hamburger Alsterhauses. „Sternstunden. Weihnachten im Alsterhaus“ – so lautet der Titel des Magazins (http://www.alsterhaus.de/de/home/content/sternstunden-weihnachten-im-alsterhaus/). Ein glamouröses Werbeheft für teure Kleidung, Parfüms und Accessoires – kunstvoll vor einer Zirkuskulisse in Szene gesetzt. Die Sägespäne erinnern an den Stall von Bethlehem; die festliche Kleidung lässt einen an Heiligabend denken. Gekonnt gemacht – denke ich - durchaus mit einem Hauch Magie, aber eigentlich nichts, was meine Aufmerksamkeit länger als für einen kurzen Augenblick binden kann – schon allein, weil die meisten Dinge für mich unerschwinglich sind. Aber an diesem Vorwort bliebe ich hängen. „Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie.“ – Ja, denke ich, das stimmt. Als Kind ist man offen für den Zauber, für die magischen Momente im Leben. „Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen.“ Der Zauber eines Weihnachtsabends kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt. Das zerbrechliche Wachsgesicht des alten Weihnachtsengels, die Spannung, wenn die Glocke zur Bescherung in die gute Stube ruft, der Lamettafaden, der sich wie feingesponnenes Gold um die Tannennadeln wickelt und zum Träumen einlädt, der Duft von Plätzchenteig an den Händen der Mutter, wenn sie einem unterm Weihnachtsbaum die Locken aus dem Gesicht streicht, das alles bleibt unvergesslich. Aus solchen Momenten sind jene Sternstunden gewoben, die mit ihrem ganz eigenen Glanz unser Herz streifen und ein Geheimnis in sich tragen.

Weihnachten hatte für mich als Kind immer etwas von Geheimnis, von Zauber, von Magie: Was verbirgt sich wohl hinter den Türchen im Adventskalender? Wie kann ein „Ros‘ entspringen aus einer Wurzel zart und ein Blümlein bringen mitten im kalten Winter“? Auf welchem Weg schleicht sich das Christkind ins Haus? Auch wenn ich mittlerweile längst das Geheimnis um Christkind und Weihnachtsmann gelüftet habe, bleibt etwas von diesem Zauber, diesem ganz besonderem Glanz, der auf den Weihnachtstagen liegt, so als sei das Staunen aus meiner Kinderzeit nie ganz vergangen.

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir’s erzählen: wie wir einst den Stern gesehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht.“( EG 52, Strophe 1)

II. Während ich in der S-Bahn sitze und die mittlerweile in Dunkelheit getauchten Landschaften an mir vorüberrauschen lasse, löse ich meine Augen von den zauberhaften Bildern in dem Hochglanzmagazin und verliere mich in all den Erinnerungen aus meiner Kindheit. Wieder einmal wird mir bewusst: Das Geheimnis von Weihnachten besteht nicht darin, seine Kreditkarte geschickt einzusetzen und kleine teure Päckchen unter dem Weihnachtsbaum zu platzieren. Wenn das alles sein sollte, dann wäre der Weihnachtszauber ein fauler Zauber, ein allzu billiger Taschenspielertrick, der einen schon in dem Moment enttäuscht zurücklässt, in dem das neue Spielzeug seinen ersten Zauber eingebüßt und seinen Reiz verloren hat. Mehr noch: Wenn sich die weihnachtlichen Sternstunden in Kaufkraft umrechnen ließen, dann würde das Kind in der Hütte zum Kitsch in den Palästen werden. Und das darf nicht sein. Denn es gibt zu viele Hütten und zu wenig Paläste auf unserer Welt. Da reicht ein Blick zum Hamburger Alsterhaus. Vor dem glamourösen Kaufpalast betteln Menschen, weil sie in Not sind. Ein solches Bild ist niemals eine Sternstunde der Menschheit.

Nein, die Magie von Weihnachten erschöpft sich nicht in Glanz und Glamour, sie riecht nicht nach einem Parfüm von 200 Euro, sondern nach Plätzchenteig, Kerzenwachs und Tannenduft. Zauber kann man nicht kaufen, Sternstunden kann man nicht inszenieren. Sie kommen blitzartig und unverhofft, bahnen sich ihren Weg in die Hütten und in die Paläste. Sie blenden nicht, sondern öffnen Auge und Herz himmelwärts. Der Zauber von Weihnachten ist so eine Sternstunde. Alle Jahre wieder. Geheimnisvoll und sternenklar zugleich. Was da mit einem passiert, das kann man nicht wirklich kalkulieren, analysieren oder inszenieren, aber das kann man fühlen und sich ahnend dem Geheimnis aussetzen!

„Stille war es um die Herde. Und auf einmal war ein Leuchten und ein Singen ob der Herde, dass das Kind geboren sei, dass das Kind geboren sei.“ (EG 52, Strophe 2)

III. Ich fahre mit der S-Bahn in meinen Zielbahnhof ein und klappe mein Weihnachtsmagazin zu. Viele Einkaufstipps habe ich gelesen und auch die ein oder andere Geschenkidee bekommen, viele Hochglanzfotos habe ich bestaunen können, ein Hauch von Magie hat mich gestreift und zum Träumen eingeladen, aber die Geheimformel für Weihnachten habe ich auf all den wohl arrangierten Seiten nicht gefunden. Dazu braucht es weniger als 90 Hochglanzseiten, dazu braucht es nur ein paar Zeilen- egal ob auf dünnem Papier oder kostbarem Pergament gedruckt.

Lesung 1 Tim 3,16

Ein altes Lied besingt das Geheimnis von Weihnachten. „Geoffenbart im Fleisch“ – eine kleine unscheinbare Zeile für das größte Wunder aller Zeiten! Gott ist da, mitten in unserem Leben, hier bei uns, in unseren Hütten und Herzen. Er bleibt nicht im Himmel, wo er mit erhabener Hand die Sterne lenkt und die Engel jubilieren lässt. Er wird Mensch. Wir kennen das aus der Weihnachtsgeschichte. Das kleine Kind im Stall. So und nicht anders kommt Gott in unsere Welt. Vieles sucht man in der Weihnachtsgeschichte vergebens. Das sind kein Hochglanzpalast, keine 30.000 Euro Babybadewanne, kein Joseph „dressed for success“ und auch Maria duftet nicht „glamourous“ (by Ralph Lauren) oder „magic“ (by Guerlain), sondern so wie eine Mutter eben riecht wenn sie gerade ein Kind geboren hat. Diese - und keine anderen - sind die Rahmenbedingungen für die größte Sternstunde der Menschheit, für das Geheimnis von Weihnachten, den Zauber, der seit dieser Nacht auf unser aller Leben liegt. Jemand hat einmal gesagt: Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin, dass wir auf unserer Suche nach dem Großen und Außerordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine angewiesen sind. Genau in diesem Unscheinbaren und Kleinen leuchtet der Himmel auf. Nicht über den Wolken, nicht durch übermenschliche Höhenflüge, sondern mitten in unserer Welt, in unserem Leben und in unseren Dunkelheiten lässt Gott sich finden, in einem kleinen Kind im Stall, geoffenbart im Fleisch, mitten unter uns. Unsere Welt ist vom Himmel durchdrungen. Und darum kann es sein - für eine Stunde, für eine Sekunde - dass sich unsere Hütten und Herzen verwandeln in „magische Orte des Absoluten und der Transzendenz, wo das Wort ein Gesang, das Gehen ein Tanz ist, den es nicht gibt auf Erden. Aber wir gehen ihm entgegen (M. Houellebecq).“

„Eilte jeder, dass er’s sähe arm in einer Krippe liegen. Und wir fühlten Gottes Nähe. Und wir beteten es an, beteten es an.“ (EG 52, Strophe 3)

IV. Als sich die S-Bahntür öffnet, bläst mir ein scharfer Wind ins Gesicht. Ich bleibe eine Weile auf dem Bahnsteig stehen, warte bis die Menschenmassen vorübergezogen sind und blicke in den Himmel. Sternenklar ist die Nacht und bitterkalt. Plötzlich erinnere ich mich an einen Weihnachtsabend. Ich war ein kleines Kind und es war ein strenger Winter – jener Winter, in dem unsere Heizung über Weihnachten ausgefallen war. In unserer Weihnachtsstube stand ein kleiner Heizlüfter, der aber nicht wirklich gegen die Kälte ankam. Alle hatten ihre festliche Weihnachtsbekleidung gegen warme Pullover eingetauscht. Wir boten eine recht eigenwillige Festtagsgesellschaft: tropfende Nasen, klamme Hände um heiße Kakaobecher geklammert und dicke Pudelmützen über der Festtagsfrisur. Irgendwann machte mein Opa das Licht aus und zauberte ein Kleinfeuerwerk aus der Jackentasche, jene kleinen funkensprühenden stabförmigen Feuerwerkskörper mit dem Draht dran, den man in der Hand halten kann. Nichts Glamouröses! 40 Stück für ca. 2 DM! „Wunderkerzen“, auch „Sternenfeuer“, „Sternenwerfer“ genannt. Ganz einfach und preiswert. Zwei Minuten Brenndauer sind lang genug für ein kleines Wunder: Das Aufflackern von tausend kleinen Sternen, das Knistern der Funken, der Schein des Lichts auf unseren lachenden Gesichtern, der Geruch von Feuerwerk, die Rauchfiguren, die sich verteilen und sich irgendwann im Nichts verlieren, all das bleibt unvergesslich. Ein Hauch von Magie, eine Sternsekunde, und das Wissen um ein Geheimnis tief in uns: Gott ist da - mitten unter uns, bei unseren tropfenden Nasen und klammen Händen, in unserer kalten Hütte und in unseren lachenden Herzen! „Die Bedeutung eines besonderen Moments wird einem oft erst im Nachhinein bewusst. Gerade manche Kindheitserlebnisse erweisen sich erst im Rückblick als Sternstunden der eigenen Biographie. Das müssen keine besonderen Erlebnisse sein. Es sind Momente, in denen Gefühle zählen.“ Der Zauber eines Weihnachtsabends kann so eine Sternstunde sein, die ein ganzes Leben lang in Erinnerung bleibt.

„Wisst ihr noch, wie es geschehen? Immer werden wir’s erzählen: wie das Wunder einst geschehen mitten in der dunklen Nacht, mitten in der dunklen Nacht.“ (EG 52, Strophe 6)

Amen

Perikope