Der Anfang ist gemacht - Predigt zu Joh 1,1-5.9-14(16-18) von Christiane Quincke
1.
Im Anfang war das Wort.
Der Tag ist noch müde. Der Weihnachtsmorgen nach dem heiligen Abend. Geschenkpapier liegt noch herum, die Kerzen am Baum heruntergebrannt. Der Geruch vom abendlichen Raclette vermischt sich mit dem nach Wachs und Fichte. Die Weingläser stehen noch auf dem Tisch. Und die anderen schlafen.
Aber du bist wach. Machst dir einen Kaffee und sein Duft vermischt sich mit dem von Raclette und Fichte und Wachs und etwas Zweifel ist auch dabei.
Es ist ruhig. Am Anfang.
Und du gehst vor die Tür.
Ganz am Anfang ist die Luft klar. Sie riecht nach Morgenregen und nach Erde.
Der Himmel ist so dunkelblau, dass man den Morgenstern noch sieht.
Am Rand aber ist er hellblau und schimmert gold.
Und dann kommt die Sonne an. Ein riesengroßer flacher Ball.
Und siehe, es ist sehr gut.
Die Schöpfung weiß, was am Anfang zu tun ist.
Wenn es Tag wird.
Wenn ein Same aufgeht und der Regen die Luft sauber gewaschen hat.
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und Regen und Tag und Nacht und Sonne und das Licht.
Der Anfang ist ein Raum und in dem ist alles da und doch noch im Werden.
So vieles, was entstehen kann und so vieles, das vergehen wird.
Im Anfang ist beides da: Werden und Vergehen, Beginn und Ende. A und O.
2.
Am Anfang.
Am Anfang ist das Licht mild. Das Licht vom Weihnachtsmorgen.
Die Welt sieht anders aus in diesem Licht.
Du siehst das Gute. Das Wahre. Das Versöhnliche auch.
Du siehst das, was du sonst übersiehst. Den kleinen Tropfen auf der Fensterscheibe in Regenbogenfarben. Die Christrose zwischen Laub. Den Herrnhuter Stern im Türeingang.
Du siehst, wie schön die Falten deiner alten Nachbarin sind. Sie haben so viel zu erzählen. Du siehst die kleine Hand deines Enkelkindes, die einen Regenwurm ganz vorsichtig berührt. Und du siehst vielleicht, wie jemand frierend an der Bushaltestelle wartet und nimmst ihn in deinem Auto mit.
Am Anfang sind deine Augen klarer als sonst. Und zugleich siehst du, dass du nicht alles auf Anfang setzen kannst. Aber du bist Teil davon. Mittendrin im Anfang, in den sich der Zweifel gemischt hat. Und zugleich voller Sehnsucht nach diesen hellen Anfängen.
3.
Am Anfang.
Am Anfang ist die Liebe. Und mit deinem dampfenden Kaffee in der Hand denkst du an den Anfang deiner Liebe. Wie du nur an ihn denken konntest und dabei vergessen hast, welcher Tag ist. Leicht und unbeschwert war sie, diese Liebe. Da zählte nicht, was die anderen sagten. Nur die zarte Berührung. Die Sehnsucht und der Blick in die strahlenden Augen. Am Anfang war der Name, als du ihn das erste Mal sagtest. Am Anfang war die Fahrradfahrt in der Nacht und die Gespräche im Café. Am Anfang war eine Strähne, die ins Gesicht fiel und stundenlange Telefonate. Am Anfang war der Arm, die Hand und ein pochendes Herz. Verstehen ohne Erklären. Ganzsein. Ganz und gar. Ein Leib. Ein Fleisch.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,
und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.
Am Anfang war die Liebe und die Liebe wird Leib und Körper.
Wird Berührung und Herzschlagen und Wortestammeln.
Gott fängt mit jeder Liebe neu an und wird Leib und Körper in jeder Liebe.
Alles ergibt einen Sinn. Alles fügt sich zusammen.
Und alles, was unwahr ist, ist weit weit weg. Im Anfang.
Und siehe, es ist sehr gut.
4.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Der Anfang ist wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Nackt und unschuldig.
Du sitzt vor diesem Blatt und suchst nach dem richtigen Wort.
Ist es müde oder voller Kraft? Tröstet oder erschreckt es dich?
Was wird es über deine Zukunft sagen?
Wird es dich verändern oder dir gar den Boden wegreißen?
Für all diese Fragen ist es noch zu früh.
Der Anfang ist noch nackt. Das Wort wird noch geboren.
Es kommt noch nicht auf deine Lippen. Denn du ahnst nur, dass es da ist.
Deine Sehnsucht nach dem Woher und Wohin.
Deine Liebe. Dein Leben. Alles ist darin, in diesem Wort.
Am Anfang ist das eine Wort bei Gott.
Der Sinn allen Lebens – verborgen in dem Einen. Nicht zu greifen.
Das Wort, das Eine, es kommt zur Welt in einem Stall.
Dort, wo es nach Tierdung riecht und das Stroh piekst.
Wo die Welt zusammenschrumpft auf einen Moment und einen Ort.
Der ist nichts Besonderes und doch alles.
Eigentlich gibt es dafür keine Worte: für dieses Große, was uns hält, und für das Schöne, was uns umschließt. Unsere Worte sind zu klein dafür. Zu klein für Gott. Zu klein für das Leben. Zu klein für das Wunder.
5.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Du möchtest alles auf Anfang stellen. Von vorne anfangen.
Nur das eine Wort und nicht die vielen anderen. Keine Lügen. Keine Schuld.
Keine Worte, die verletzen.
Was am Anfang so leicht ist, wird im Weitergehen so schwer.
Liebe lässt sich nicht halten. Gott auch nicht.
Gott wird zu groß für dich. Du spürst, wie verletzlich du bist.
In diesen Tagen vielleicht ganz besonders,
weil Weihnachten die Haut dünner ist als sonst.
Ein Streit tut heute besonders weh. Alleinsein ist kaum auszuhalten.
Und auch nicht die Sehnsucht nach mildem Licht und erster Liebe.
Ich bin nicht mehr am Anfang. Ich bin weitergegangen und suche meine Schritte durchs Leben. Nicht nur meine Worte sind zu klein. Auch ich bin zu wenig. Oder manchmal auch zu viel. Ich habe Worte gefunden, die anderen nicht gut taten. Scharfe Worte. Und mir wurden Worte gesagt, die mich klein machten. Was willst du hier? Ich will dich nicht. Nicht gut genug.
Ich habe viele Worte gefunden und gepredigt. Und nicht immer waren sie heilsam. Und zu viele Worte habe ich gehört und gelesen, die menschenverachtend und falsch sind. Die Welt mit ihren Fakenews und Hassworten macht mir Angst.
Ja, alles auf Anfang stellen – das wär’s, denke ich. Sehne ich. Du auch?
6.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
Am Anfang.
Am Anfang ist dieses Kind. Fleischgewordenes Wort. Leben pur.
Lebendiges Bündel. Suchender Mund. Geschlossene Augen. Ausgeliefert und bedingungslos. Noch ganz verschleimt und mit pulsierender Nabelschnur.
Es ist da. In diesem Anfang ist es ganz da: Für dich und für mich und für alle, die hier sind oder zuhause oder weit weit weg.
Im Anfang ist dieses Kind und es kann dir nichts tun, außer in dein Herz kriechen: Dieses Kind - entstanden aus der Liebe von zwei Menschen. Aus Leidenschaft und Hingabe. Aus Gott.
Im Anfang ist dieses Kind. Die Liebe zwischen Gott und Mensch.
Dieses Kind setzt alles auf Anfang. Alles ist neu. Alles beginnt neu. Und neu ist nicht perfekt. Sondern verschleimt und zerknittert, ausgeliefert und bedingungslos, suchend und geborgen zugleich.
7.
Du kannst nicht alles auf Anfang stellen. Aber das Kind tut es. Gott tut es.
Gott weiß, was zu tun ist mit deinen Anfängen und Stolperschritten. Mit deiner Sehnsucht und deinem Zweifel.
Du bist Gottes Kind. Du bist dieses Kind, das Fleisch gewordene Wort.
Anfängerin des Lebens. Anfänger der Liebe. Mitten in dieser Welt.
Du mit deinen Falten und deinen Träumen. Mit deinen Narben.
Geboren aus der Liebe. Nicht perfekt, aber wunderbar. Vielleicht noch dünnhäutiger. Vielleicht noch verletzlicher. Vielleicht noch ausgelieferter – du Gotteskind..
Der Stall ist dein Anfangsort. Dort, wo es nach Tierdung riecht und das Stroh piekst.
Dort, wo du den Kochlöffel in den Topf tauchst oder Bilanzen prüfen musst, wo du an der Kasse Kleingeld entgegen nimmst oder einem Flüchtling vor Gericht beistehst. Überall, wo du bist, bist du richtig. Weil Gott da ist. Bei dir. Auch in deinem unaufgeräumten Wohnzimmer mit dem Geruch nach Raclette und Zweifeln.
Und Gott fängt mit dir an, ins Leben zu gehen.
Raus in die Welt mit ihren vielen ausgesprochenen und unausgesprochenen Worten.
Dort sprichst du dieses Wort des Lebens und der Liebe. Du stellst dich den Lügen und dem Hass entgegen, damit es in dieser Welt neue Anfänge gibt.
Ihr geht gemeinsam und sprecht zusammen und liebt und lebt und weint und lacht.
Ob du nun müde oder wach bist an diesem Weihnachtsmorgen:
Der Anfang ist gemacht: Himmel und Erde, die Nacht und der Tag, der Regen und der Regenwurm, das Licht, die Falten und die dünne Haut.
Und mit dir geht es weiter, du Kind Gottes. Du Wort Gottes.
Und siehe, alles ist sehr gut.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich werde am Vormittag des 1. Weihnachtsgottesdienstes predigen (und die Bibelverse durch eine andere Person lesen lassen). Die meisten Gottesdienstbesucher*innen haben den Heiligabend gefeiert. Manche sind vielleicht noch etwas müde. Der Weihnachtsmorgen hat manchmal was Träges und zugleich Erfülltes. Und er lässt weiterdenken und lenkt den Blick von der Krippenszene auf sich selbst: Wie bin ich in Bezug auf Weihnachten unterwegs?
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Beginn vom Johannesevangelium „Im Anfang“, der den Bogen schlägt zur Schöpfungsgeschichte, hat mich fasziniert – und damit der Gedanke, dass Gott den Anfang gemacht hat und wir zugleich nicht mehr am Anfang sind, aber mit der Sehnsucht nach einem neuen Anfang leben und glauben…
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Das Ringen um eine gute Übersetzung: Luther hat diesen Abschnitt einzigartig formuliert, weshalb ich mich dafür entschieden habe. Aber der Preis dafür ist, dass ein Wort wie „Fleisch“ heute eine andere Konnotation mitbringt, an der ich noch weiter „knabbern“ werde.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Mein Predigtcoach hat mir gute Hinweise gegeben, wie ich meine eher „lyrische Predigt“ noch mehr erden könnte: Gerade der Anfang der Predigt hat dadurch mehr „Alltag“ bekommen. Außerdem habe ich auf sein Raten hin den Bibeltext gekürzt und nicht komplett an den Anfang gestellt.
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Ein Schnurtelefon?! - Predigt zu Joh 16,5-16 von Felix Stütz
Ein Schnurtelefon?!
Holst du mir eine Schnur und die beiden Jogurtbecher aus der Küche, frage ich ihn. Etwas irritiert schaut er mich noch an. Die Fragezeichen in den Kinderaugen des 3-Jährigen kann ich sehen. Aber etwas Faszination ist da auch. Ein Telefon ohne Strom? Das soll’s geben?
Flott haben wir alles zusammengetragen, was wir benötigen, und basteln unser eigenes Telefon. Ich schneide die Löcher in den Boden der beiden Jogurtbecher und gemeinsam fädeln wir die Schnur durch. Abschließend noch einen Knoten in beide Enden. Zack, fertig ist das Wunderding.
Endlich wieder Gemeinschaft mit Jesus
Der Auferstandene war mitten unter den Jüngerinnen und Jüngern. Er aß und trank mit ihnen, sie lachten zusammen. Sie erlebten Gemeinschaft. Dass sie das nochmal erleben würden, war nach der grausamen Kreuzigung kaum zu glauben für die Freundinnen und Freunde Jesu. Aber es war Wirklichkeit. Sie durften nochmal das Brot teilen, nochmal seine Stimme hören. Fürchtet euch nicht, sagte er. Der, dem sie so sehr vertraut, den sie ins Herz geschlossen hatten, für den sie alles stehen und liegen gelassen hatten, dieser Jesus, er war wieder unter ihnen. Jeder Happen Brot schmeckte besser in seiner Gemeinschaft und für so manche Zankerei innerhalb der Gruppe fand man schneller eine Lösung. Was er vom Reich Gottes gepredigt hatte, das schien nun auf einmal zum Greifen nah.
Verstehen wir uns so?
„Und jetzt los. Lass uns telefonieren. Da muss Spannung auf die Schnur, am besten gehst du in einen anderen Raum, dann können wir telefonieren.“ Der kleine Racker geht zögernd einige Schritte und schaut in den Jogurtbecher. Aber verstehen wir uns dann noch, fragt er mich?
„Ja klar, aber dafür musst du gehen. Schau mal, ich geh hier in das eine Ende vom Wohnzimmer und du gehst dort in den Flur.“
Jesus geht
Jesus geht. Ein zweites Mal geht er. Es muss so sein, denn sonst kommt der Tröster nicht, sagt er. Die Gemeinschaft geht scheinbar wieder zu Ende. Sie muss es sogar. Ziemlich verdattert und verdutzt schauen sie ihn an. Was soll das jetzt? „Wir haben doch alles? Wir sind doch zusammen? Endlich verstehen wir so viel. Du lehrst uns und wir verstehen.“
Aber auch diese Zeit neigt sich dem Ende zu. Jesus will gehen. Schon wieder. Zum Vater. Er geht zu Gott, der ihn gesandt hat.
Weg ist er
Genau das feiern wir an Himmelfahrt. Jeden Sonntag bekennen wir das im Glaubensbekenntnis: „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.“ Jesus ist gegangen.
Und nicht selten bleibt dieses Gefühl: Weg ist er. Und ich bin immer noch hier. Ja, Jesus ist nicht mehr tot. „Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Dieser Ruf hallt seit Ostern noch nach. Aber was bringt mir das, wenn Jesus schon wieder weg ist. Was bringt mir das? Manchmal möchte ich ihm das entgegenschleudern. Ich stecke ja immer noch hier fest. Ich darf mir noch immer tagtäglich Nachrichten von Krieg, Leid, Not und Hunger anhören. Zwischen Pausenbrot für die Kinder schmieren und dem ersten Termin in der Arbeit bleibt selten Zeit zum Innehalten. Ja, was bringt mir das im Hier und Jetzt? Von Ostern bleibt am Ende doch nur das Liedblatt, das beim Aufräumen dann weggeschmissen wird.
Das Schnurtlefonat
Ich stehe nun also mit dem Jogurtbecher am Ohr an der Wand. Mein kleiner Telefonpartner platziert sich mit dem Jogurtbecher im Flur. Verstehst du mich, frage ich ihn durch das Schnurtelefon. JAA, schreit er. Aber er nimmt natürlich nicht das Schnurtelefon, sondern legt es zur Seite, um mir seine freudige Botschaft mitzuteilen. Nimm es nochmal und sag mir auch etwas, rufe ich zurück. „Hallo, hallo.“ Wir verstehen uns, auch wenn es eingangs noch etwas einfache Sprache ist, die wir da hin- und hersenden. Von Mal zu Mal wird es länger und wir unterhalten uns. Es geht um die Burg mit den Stapelsteinen, die Zimtschnecken für das Kaffeetrinken und den nächsten Ausflug.
Der Tröster wird kommen?!?
Es ist nicht leicht, Jesus zu verstehen. Dieser Mann, der in Gleichnissen sprach und für Wunderheilungen Sand und Spucke in die Augen von Menschen drückte. Dieser Mann ist ein Geheimnis und das, was er tut, allemal. Und dennoch zeigte sich, dass die Jüngerinnen und Jünger ihm vertrauen können. Jesus geht zum Vater, aber weder unvorbereitet noch einfach so holterdipolter.
Der Tröster wird kommen, er ist das Band der Liebe von Vater und Sohn. Der Tröster wird kommen. Er wird Gemeinschaft trotz der Distanz ermöglichen. Dieser Tröster wird mitten unter uns sein, wie Jesus.
Dennoch fällt es nicht leicht, die Distanz auszuhalten, das Gehen Jesu hinzunehmen. Da stehe ich nun als Glaubender, als Zweifelnder, als Bittender und Betender. Was ich in der Hand halten kann? Mein Jogurtbecher ist vielleicht die Bibel, das Gesangbuch oder so. Oder ist es die Gemeinschaft der Glaubenden? Die Gruppe, die manchmal so unheilig heilig ist? Mein Jogurtbecher kommt mir zunächst einmal albern vor. Ist das alles, was ich im Griff habe, woran ich mich festhalten kann?
Auch ich stehe noch etwas verdutzt da. Und so stehe ich hier mit der Verheißung, dass der Tröster kommen wird. Aber ich stehe noch immer in dieser Welt. Ich kann ihm vertrauen, das hat sich erwiesen. Hat er das also wirklich gesagt: Der Tröster wird kommen? Der Tröster wird kommen? Der Tröster wird kommen! Ja, ich glaube, der Tröster wird kommen.
Wäre es doch einfacher, wenn Jesus hier wäre
Ich stehe noch immer hier in dieser Welt. Die Wäsche macht sich noch immer nicht von selber. Es gibt weiterhin all das Schwere und Böse in dieser Welt. Die Angst, doch alleine zu sein, packt mich hin und wieder. Beziehungen bleiben ein Wagnis. All das Menschliche bleibt bestehen und die Unmenschlichkeit bestimmt nicht selten mein Handeln. Scheitern, Fallen, existenzielle Fragen, Wut, Trauer, Verzweiflung und Unmut. All das bleibt bestehen. Ich stehe immer noch hier. Wäre es doch einfacher, wenn Jesus hier wäre.
Aber der Tröster wird kommen.
Hierhin wird der Tröster kommen
Das klingt vielleicht pathetisch. Hier in dieser Welt stehend, manchmal alleine, manchmal wütend, manchmal lachend und mutig, manchmal hoffend, öfter mal zweifelnd, nicht selten voller Glauben und Mut und dennoch auch mit Sorgen und Stress und wenig Schlaf. Hierhin wird der Tröster kommen. Pfingsten, das steht noch aus. Bis dahin trägt mich das Wort Jesu: Der Tröster wird kommen. Darauf vertraue ich. Er geht zum Vater. Er lebt in Gemeinschaft mit Gott und nimmt uns mit hinein. Nicht nur der Auferstandene, auch wir sollen verwandelt werden.
Vielleicht ist es gut, dass ich noch hier stehe. Hier in dieser Welt. Wer sonst stünde hier, wo ich bin? Und den Tröster, den brauche ich hier. Es trifft sich ganz gut, wenn mich hier Worte des Glaubens erreichen. Hier in meinem Leben brauche ich Mut und Trotzkraft. Dann kann ich jedem „Was bringt’s mir?“ einen vertrauensvollen Widerspruch entgegenschleudern. Hoffnung und Freude bringt’s mir. Genau das brauche ich doch. Das Bedrückende wird nicht erdrückend und die Angst nimmt nicht überhand. Wir sind ja schon einen Weg zusammen gegangen, wie die Jüngerinnen und Jünger mit Jesus. Ich kann Jesus vertrauen. Der Tröster wird kommen. Und den brauch ich hier. Schließlich wird Gottes Geist mich beflügeln, die Kraft Gottes wird mich erfassen, die Liebe Gottes wird mich nicht loslassen, die Gerechtigkeit Gottes wird mich bewegen. Jesus verspricht Gemeinschaft und die Verheißung des Gottessohnes wird mich tragen.
Ich habe euch noch viel zu sagen, sagt Jesus. Na, da bin ich dann mal gespannt, was mich noch erreicht.
Schnurtelefon
„Soll ich dir erklären, wie es funktioniert?“, frage ich nach einem ausgiebigen Telefonat mit dem 3-Jährigen. Er düst allerdings schon wieder weiter. Dass es funktioniert ist wohl wichtiger, als die Art und Weise, wie es funktioniert. Es funktioniert halt und das ist wunderbar.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt wurde ausgearbeitet vor dem Hintergrund einer Gemeinde, die auch Familien und Menschen mit Kindern umfasst. Möglicherweise gibt es junge Familien, die den Gottesdienst besuchen und direkt an das genannte Beispiel anknüpfen können. Im Hintergrund stand eine persönliche Erfahrung im Gottesdienst der EKD-Auslandsgemeinde in Stockholm.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Bei der Predigtvorbereitung hat mich das Wechselspiel von Entzogenheit und Nähe inspiriert. Jesus verheißt den Tröster, ermöglicht weiterhin eine Beziehung mit den Jünger:innen bis heute und ist dennoch nicht unmittelbar ‚greifbar‘. Es funktioniert eben, darauf ist Verlass und gleichzeitig ist es ein Wagnis.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Erwachsen Glauben bedeutet mitunter, Jesus gehen zu lassen. Jesus bereitet seine Jünger:innen vor, er kümmert sich um sie. Aber Jesus geht. Erwachsen Glauben steht vor der Herausforderung Jesus auch ein zweites Mal gehen zu lassen. Mit diesem Gefühl der Einsamkeit, Verlassenheit, der Leere und dem Schmerz muss Glaube umgehen, der als Gewissheit nur auf die gemeinsame Geschichte und dem darin erwachsenen Vertrauen anknüpfen kann.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Der Predigtcoach wies mich nochmal auf das Wechselspiel von Entzogenheit und Nähe hin, das ich implizit die ganze Zeit bearbeitet habe. Der Tröster wird oft genannt, aber es gibt weniger eine direkte Manifestation des Trösters als die Gewissheit, dass der Tröster die Gegenwart Christi vermitteln wird.
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Ein Mehr an Leben (Billy Elliot, Jack und Thomas) - Predigt zu Joh 20,19-29 von Christiane Quincke
1. Jack kann es nicht glauben
Jack kann es nicht glauben. Sein Sohn Billy, 11 Jahre alt, will Balletttänzer werden.
Alle Männer der Familie Elliot haben boxen gelernt. Die Zeiten sind hart. In den 80er toben die Arbeitskämpfe in Durham. Die Zechen sollen geschlossen werden. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. Und darum streiken sie und haben eigentlich nichts, außer ein paar Cent. Aber boxen – das soll jeder Junge können. Schließlich wird einem nichts geschenkt und dann muss man sich wenigstens wehren können. Also geben die Väter von Durham ihre letzten 50 Cent, damit ihre Söhne in der Boxhalle trainieren können, so wie sie früher.
Eines Tages kommt eine Mrs Wilkinson zu Jack und bittet ihn, dass Billy die Royal Ballet School besuchen darf. Jack ist fassungslos.
Während Billys großer Bruder Tony von der Polizei zusammenschlagen wird, lernt Billy ausgerechnet: tanzen. Heimlich. Du hast dich um Grandma zu kümmern, während wir kämpfen – brüllt Jack seinen Sohn an. Und er tobt und schlägt um sich und seine Fäuste treffen Billy.
Jack kann nicht glauben, dass Billy ein Tänzer ist. Es passt nicht in sein Bild von Billy, es passt nicht zu dem, was sie als Familie durchmachen. Es passt nicht dazu, dass sie das von der toten Mutter geerbte Klavier zerhacken müssen, um Brennholz zu haben. Es passt nicht zur Brutalität der Polizei und nicht zur Dunkelheit der Zechen. Es passt nicht zum Ruß, der über Durham liegt, und den Schnee in ein matschiges Grau verwandelt.
(Aus dem Film: Billy Elliot – I will dance).
2. Thomas kann es nicht glauben
Thomas kann es nicht glauben. Jesus, der Freund, der Lehrer, soll leben. Die anderen Jünger und Jüngerinnen haben ihn angeblich gesehen. Der so elend am Kreuz starb und das vor allen Augen – der soll leben? Und er wurde doch dann in das Grab von Josef von Arimathäa gelegt… Das passt nicht. Es passt nicht in die Welt, die Thomas kennt. Es passt nicht zum unerbittlichen Handeln der römischen Soldaten. Es passt nicht zum Blut, zum Schmerz, zum Grau der Tage. Nicht zu den enttäuschten Gesichtern derer, die gehofft hatten, dass nun endlich alles anders wird. Und immer noch verkriechen sie sich hinter dicken Mauern. Dass Jesus leben soll, das passt nicht zu den Tränen der Frauen, die die ganze Zeit unter dem Kreuz waren. Nicht zu der Angst, die die Jesus-Freunde immer noch haben – dass es auch sie treffen könnte. Thomas ist kein Ungläubiger, auch wenn er oft so genannt wird. Und er ist auch kein Leichtgläubiger, kann nicht einfach so glauben, was seine Freunde ihm erzählen.
Ich verstehe Thomas gut. Jesus lebt? Da müsste doch die Welt auf dem Kopf stehen, alles anders sein. Die Angst verflogen – alle Türen offen. Die Tränen getrocknet. Kein Tod mehr. Kein Leid mehr. Aber die Welt ist weiterhin, wie sie ist. Die Türen sind und bleiben verschlossen. Wieso merke ich nichts davon, dass Jesus lebt?
3. Thomas begreift
Und plötzlich ist er da, der Auferstandene. Steht vor Thomas – so wie 8 Tage vorher bei den anderen. Steht vor ihm – offensichtlich können Mauern und verschlossene Türen ihn nicht draußen halten. Es gibt keine Grenzen mehr, kein drinnen und draußen, Himmel und Erde verschwimmen. Wunden und Wunder gehen ineinander über. Die Schwelle zwischen Tod und Leben überschritten. Die Welt, wie Thomas sie kannte, bröckelt.
Aber es reicht noch nicht. „Erst will ich selbst die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen.“
Zeigt mir seine Narben, sagt Thomas zu den anderen. Lasst mich begreifen, was geschehen ist. Lasst es mich spüren. Berühren. Fleisch und Blut, Haut und Haar. Kein Geist. Sondern Mensch. Sondern Jesus.
Und Jesus lässt es zu. Er zeigt Thomas seine Narben. Und das genügt. Jesus zeigt sich ungeschützt, mit all den Spuren, die das Leben hinterlassen hat. Zeigt sich, wie er ist. Unverstellt. Echt. Und das lässt Thomas glauben. Jesus ist kein Geist, der mit ihm nichts zu tun hat. Sondern vielleicht sogar mehr Mensch denn je und damit ganz nah.
4. Jack begreift
Und plötzlich ist er da. Billy, der 11jährige Junge, steht in der Boxerhalle vor seinem Vater. Beide haben nicht damit gerechnet, dass sie sich hier treffen. Draußen und drinnen verschwimmen. Sie sind erschrocken. Wird der Vater wieder prügeln?
Billy fängt an zu tanzen. Alles lässt er raus – seine Wut, seine Trauer, seine Angst, seine Tränen. Er tanzt wie noch nie. Und Jack begreift auf einmal, wen er da vor sich hat. Es ist Billy, den er doch von klein auf kennt und liebt und den er doch nun zum ersten Mal richtig sieht. Mit seinen Narben auf der Seele und seiner Wut im Bauch. Er lässt sich berühren, obwohl er nur zuschaut. Denn Billy hat sich gezeigt. Ohne Mauern. Ohne Panzer. Ungeschützt, unverstellt, echt.
5. Ein Mehr an Leben
Damit ist der Damm gebrochen. Jack erkennt, was Billy braucht. Und für die ganze Familie beginnt ein neues Leben. Immer noch voller Tränen und Zweifel. Nicht wissend, ob Billy es schaffen wird. Sie gehören zusammen und niemand kann sie auseinander treiben, noch nicht mal das Grau in Grau von Durham oder die gnadenlose Dunkelheit der Zechen. Billy wird ein großer Tänzer, der die Herzen berührt und seinem Vater die Tränen in die Augen treibt. Ja, sie beginnen zu glauben, dass es mehr gibt. Ein Mehr an Leben. Und obwohl so viel dagegen spricht: Das Leben lohnt sich und hat alle Liebe verdient.
Ein Mehr an Leben….
Auch Thomas beginnt zu glauben. Mein Herr und mein Gott – mehr kann ein Mensch nicht bekennen, wenn er Jesus begegnet. Mit seiner Geschichte macht er zahllosen anderen Mut. Mir jedenfalls ist Thomas sehr nahe. Wenn ich mich nicht einfach vertrösten lassen will, habe ich Thomas an meiner Seite. Wenn ich mich danach sehne, Jesus begreifen zu können, bin ich in den Spuren von Thomas. Wie er will ich mich berühren lassen und will berühren. Wie er brauche ich diesen lebendigen Jesus, der mir seine Narben zeigt. Dieser Jesus ermutigt mich dazu, selber meine Narben offenzulegen, echt zu sein, mich nicht zu verstellen. Auf Tuchfühlung zu gehen mit Menschen, die mich lieben und die ich liebe. Unsere Welt braucht es, dass die Grenzen zwischen Himmel und Erde, zwischen Tod und Leben fallen. Ein Mehr an Leben – und es lohnt sich, obwohl so viel dagegen spricht. Und ich möchte glauben, dass dies geschieht.
6. Ich glaube
Ich kann es glauben.
Ich glaube, dass ein boxender Junge Tänzer wird.
Ich möchte glauben, dass jeder Mensch frei leben kann – echt und unverstellt.
Ich klammere mich daran, dass das eines Tages geschieht.
Das Holz vom Klavier wird nicht zum Heizen gebraucht, sondern lässt Musik erklingen.
Die Arbeit laugt die Menschen nicht mehr aus.
Und alle tanzen auf der Straße mit Boxerstiefeln und Ballettschuhen.
Ich will glauben, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie ist.
Ich möchte glauben, dass ein machtbesessener Präsident nicht einfach einen Krieg anzetteln kann, sondern Parlament und Ministerinnen ihn stoppen.
Ich möchte glauben, dass die Welt nicht auf eine Terroristenbande wie die Hamas hört, sondern auf misshandelten jungen Frauen, die einfach nur tanzen wollten.
Ich klammere mich daran, dass das eines Tages geschieht.
Und ich spüre meine Narben und sehe deine Wunden.
Und ich glaube, dass das wichtig ist.
Wir begreifen, dass wir Gottes Kinder sind und unser Leben hat alle Liebe verdient.
Lahme gehen, Blinde sehen, Tote stehen auf.
Und ja, Gottes Liebe zum Leben ist stärker als alles andere.
Das glaube ich. Und das hoffe ich – mit Billy und Jack und mit Thomas.
Amen.
(Hier könnte noch der Song „I believe“ von Stephen Gatley eingespielt werden: er ist im Abspann des Films zu hören und fasst den Film quasi zusammen….)
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Eine Woche nach Ostern rückt die Frage mehr und mehr in den Vordergrund: Was ändert sich mit Ostern denn nun wirklich? Und zugleich ist da die Sehnsucht nach dem Neuanfang, dem wirklichen Neustart. In Baden-Württemberg gehen die Osterferien zu Ende. Das Gefühl, dass jetzt der Alltag wieder losgeht, macht sich breit. Wie geschieht Ostern denn nun im Alltag? Diese Fragen bewegen vielleicht die Predigthörer*innen…
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Parallelisierung mit der Geschichte von Billy Elliot („I will dance“), die als Film im Jahr 2000 heraus kam und mich schon immer sehr bewegt hat. Ich habe ihn erst vor kurzem wieder gesehen. Und da ging er mir nicht mehr aus dem Kopf. Insbesondere auf den Vater Jack habe ich nochmal ganz neu geachtet…
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Manchmal zündet eine Idee und gibt mir damit einen neuen Zugang zu einer altbekannten Geschichte. Genau so ging es mir mit Billy Elliot und der Begegnung von Jesus und Thomas.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Meine Coach hat mich dazu ermutigt, noch stärker zu straffen und am Anfang die Dramatik mehr herauszuarbeiten. Wir waren uns nicht ganz einig, ob es den Teil 6 braucht. Ich habe ihn mal drinnen gelassen….. Ich bin aber dankbar, dass sie es in Frage gestellt hat, dadurch habe ich ihn deutlich überarbeitet und zugespitzt!
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Rollentauschübung - Predigt über Joh 13,1-15.34-35 von Jürgen Kaiser
Es war vor dem Passafest und Jesus wusste, dass für ihn die Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen, und da er die Seinen in der Welt liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Während eines Mahls, als der Teufel dem Judas Iskariot, dem Sohn des Simon, schon eingegeben hatte, ihn auszuliefern – Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott weggehen würde –, da steht er vom Mahl auf und zieht das Obergewand aus, nimmt ein Leinentuch und bindet es sich um; dann gießt er Wasser in das Becken und fängt an, den Jüngern die Füße zu waschen und sie mit dem Tuch, das er sich umgebunden hat, abzutrocknen.
Nun kommt er zu Simon Petrus. Der sagt zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus entgegnete ihm: Was ich tue, begreifst du jetzt nicht, im Nachhinein aber wirst du es verstehen.
Petrus sagt zu ihm: Nie und nimmer sollst du mir die Füße waschen! Jesus entgegnete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du nicht teil an mir. Simon Petrus sagt zu ihm: Herr, dann nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf! Jesus sagt zu ihm: Wer vom Bad kommt, braucht sich nicht zu waschen, nein, er ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er kannte den, der ihn ausliefern sollte. Darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.
Nachdem er ihnen nun die Füße gewaschen hatte, zog er sein Obergewand wieder an und setzte sich zu Tisch. Er sagte zu ihnen: Versteht ihr, was ich an euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich als Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben: Wie ich euch getan habe, so tut auch ihr. …
Ein neues Gebot gebe ich euch: dass ihr einander liebt. Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr bei euch der Liebe Raum gebt.
Sein rechter Fuß ragt über den Rand und streckt sich jeder Nase entgegen, die ihn wittert, und jedem Mund, der ihn sucht. Südafrikaner und Albaner, Bayern und Brasilianer, Chinesen und Chilenen und am Ende auch ein paar Zyprioten, Menschen aller Herren Länder reihen sich vor diesem Fuß ein, um ihn zu küssen. Das bringe Glück, heißt es. Petrus, liebe Gemeinde, thront bekrönt in seinem Dom in Rom und lässt sich seit 700 Jahren von den Glückwünschern die Füße küssen. Das scheint Petrus nicht zu stören, jedenfalls lässt sein Gesichtsausdruck sich nichts anmerken, seit 700 Jahren schaut er unverändert über die Küssenden hinweg. Der große Zeh indes ist kaum mehr zu erkennen. Millionen Küsse haben ihn weggeküsst, ein paar Bronzemoleküle seines Zehs an den Lippen nimmt jeder aus dem Petersdom mit. Viel Glück.
Als Petrus noch aus Fleisch und Blut war, war ihm die Berührung seiner Füße in der Regel auch nicht peinlich. Oft wurden sie gewaschen. Wenn er zu Gast war in fremden Heimen. In den Häusern der Reichen kamen die Sklaven und wuschen ihm die Füße, in den Häusern der Armen stellten sie ihm eine Schüssel hin und er wusch sie sich selber. Nur einmal war es ihm peinlich. Als Jesus ihm die Füße waschen sollte. „Nie und nimmer sollst du mir die Füße waschen!“
Dass Petrus hier so heftig reagiert, ist bemerkenswert. Er ist peinlich berührt. Jesus sprengt die Ordnung, indem er Sklavenarbeit übernimmt und gegen Regeln und Sitten verstößt. Was Petrus aber vor allem verstört, ist, dass „der Herr“ sich so demütigt. Petrus will, dass Jesus der Herr bleibt. Der Christus – sein Christus – muss oben bleiben, Haltung bewahren. Für Petrus ist Christus eine Helden- und eine Vaterfigur. Die darf nicht vom Sockel fallen, die muss die Oberhand behalten und kann nicht anderen die Füße waschen. Petrus hat Angst, die Autorität seines Herrn zu verlieren. Er kann nicht dulden, dass Jesus sich selbst so demütigt.
Worum geht es beim Waschen der Füße? Jedenfalls nicht darum, dass die Füße sauber werden. Obgleich das in Zeiten, in denen die Straßen noch staubig und die Füße noch nicht beschuht waren, sondern nackt in Sandalen hausten, nötig war, bevor man das Haus betrat.
Dass es doch darum gehe, meint Petrus zunächst. Ihm selbst scheint erst gar nicht klar zu sein, warum er sich so dagegen sträubt, dass Jesus ihm die Füße waschen will. Jesus sagt: Wenn ich dich nicht wasche, hast du nicht teil an mir. Daraufhin will Petrus ganz gewaschen werden.
Das ist einer jener vielen produktiven Missverständnisse, mit denen das Johannesevangelium das Verstehen seiner Leserinnen und Leser leitet. Konkretes wird zunächst wörtlich und darum im Sinne des Evangeliums falsch verstanden. Jesus gibt die metaphorische Deutung: Diese Fußwaschung ist eine Übung, mit der man in seine Gemeinschaft hineinkommt. Der Punkt an der Fußwaschung ist nicht die Reinigung. Nicht sauber, nicht rein muss sein, wer Teil seiner Gemeinschaft werden will. Der Punkt ist vielmehr das Herr- und das Knechtsein, das Oben und das Unten.
Petrus war das nicht klar, doch mag er es intuitiv gespürt haben. Ihm ist die Fußwaschung durch Jesus ja nicht etwa deshalb peinlich, weil er nicht sauber werden wollte, sondern deshalb, weil er es nicht erträgt, dass Jesus vor ihm auf die Knie geht. Aber gerade darum geht es, um das Oben und das Unten und dessen beispielhafte Umkehrung.
Also reden wir über das Oben und das Unten, das es immer noch gibt, und offiziell doch nicht mehr.
Liberté, égalité, fraternité. Freiheit und Gleichheit sind Grundwerte der westlichen Gesellschaft. Es gibt keine Sklaven mehr und keine Herren, alle Menschen sind gleich – theoretisch. In der Wirklichkeit gibt es noch „die da oben“ und „die da unten“. Die Gesellschaftsetagen sind lange nicht so durchlässig, wie man sich das wünscht. Und weil nicht sein darf, was nicht sein soll, werden die Unterschiede in der öffentlichen Inszenierung kaschiert.
Als letztes Jahr kurz vor Ostern der britische König seinen Einzug in Berlin hielt, wurde er von der Menge bejubelt am Tor empfangen. Sie schwenkten keine Palmzweige, sondern Fähnchen – schwarz, rot, gelb und den Union Jack. Als Jesus in Jerusalem einzog, schrieb das vom Propheten Sacharja verfasste Protokoll vor, dass dieser König nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esel zu reiten habe. Charles hingegen kam im Bentley. Er stieg aus und ging auf die Menge hinter der Absperrung zu, um Hände zu schütteln. Dabei fiel einem Mann vor Schreck sein gelbes Mützchen vom Kopf und landete vor der Absperrung, so dass er nicht mehr drankam. Der König bückte sich und gab es ihm. Der Bürger war selig. Oder auch peinlich berührt, wie Petrus. Das war im Fernsehen nicht genau auszumachen.
Wurden früher auch in der öffentlichen Begegnung die Unterschiede inszeniert, werden sie heute durch Inszenierungen der Gleichheit versteckt. Aber jeder weiß: Sie sind noch da. Nach der Inszenierung fährt der König ohne Krone im Bentley ins Adlon, der Mann mit Mützchen im Opel in die Platte.
Offiziell gibt es keine Hierarchien mehr in Staat und Gesellschaft. Nur in der katholischen Kirche gibt es noch die Hierarchie: das Kirchenvolk, darüber der niedere Klerus, darüber der hohe Klerus, darüber der Papst. Und deshalb gibt es dort auch noch die Fußwaschung. Am Gründonnerstag waschen die Priester 12 Gemeindemitgliedern die Füße und der Papst kniet in Rom vor 12 Wohnungslosen oder 12 Menschen mit Behinderung oder 12 Gefangenen. Bis Ratzinger nur Männerfüße, seit Franziskus auch Frauenfüße, vielleicht nicht gleich 24.
Wo es Hierarchien gibt, muss man den Rollentausch üben. Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten werden die Ersten sein. Das ist die Gesellschaftsordnung im Geltungsbereich Gottes. Das Reich Gottes verwirklicht nicht die Prinzipien der französischen Revolution: Liberté, égalité, fraternité. Ihr nennt mich Meister und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es, sagt Jesus. Der, der Petrus die Füße wäscht, macht sich zwar vor Petrus klein und den Petrus dadurch groß, aber er gibt damit sein Herrsein nicht auf. Es kommt vielmehr darauf an, in den Rollen flexibel zu werden. „Die da oben“ müssen von Zeit zu Zeit nach unten und „die da unten“ dürfen von Zeit zu Zeit nach oben. Es tut den Mächtigen gut, sich hin und wieder zu beugen und zu demütigen. Es tut aber auch denen „da unten“ gut, das Herrsein zu üben. Die Aufwertung durch das Evangelium darf nicht theoretisch bleiben. Man muss sie zuweilen auch spüren und erfahren, um ihr zu trauen. Nicht nur die Reichen, Schönen und Mächtigen laufen Gefahr, sich allzu gottgewollt auf der oberen Etage einzurichten. Auch die Armen, Schwachen und Chancenlosen richten sich zuweilen allzu bequem im Keller einer Opferrolle ein und wollen es gar nicht wahrhaben, dass sie – ja auch sie und sie gerade – Kinder Gottes sind, also Heilige und Priester, Bischöfe und Könige. In Gottes Augen spiegeln sich die Verhältnisse seitenverkehrt.
Jesus nennt die Fußwaschung ein Beispiel oder ein Vorbild – Wie ich euch getan habe, so tut auch ihr! –, man kann es auch eine Abschattung nennen oder eben einen Vorschein dessen, was noch aussteht. Wir brauchen diese zeichenhaften Umkehrungen, denn die Kirche ist berufen, Vorschein des Reiches Gottes zu sein. Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. (Mk 10,42-45)
Der franziskanische Papst praktiziert die Fußwaschung und übt den Rollentausch als Vorschein des Reichs Gottes. Er hat sogar eine moderne Form derselben erfunden. Wenn die Wichtigkeiten dieser Welt in großen schwarzen Limousinen vorfahren, kommt seine Heiligkeit in einem kleinen weißen Fiat cinquecento. Da spielt der Papst ein bisschen Mister Bean und lächelt ähnlich schalkhaft. Vielleicht ist der kleine Fiat auch eine Anspielung auf den Esel, mit dem Jesus in die Stadt kam. Das Ganze offenbart Humor. Humor hat die gleiche Aufgabe wie die Fußwaschung und wie die Heiligkeit im Fiat: den Spiegel vorhalten, „die da oben“ klein und „die da unten“ groß zu machen. Humor karikiert alle, die sich für besonders wichtig und groß halten. Gott stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. (Lk 1,52)
Dem bronzenen Petrus im Petersdom scheint es nicht mehr peinlich zu sein, dass alle Welt ihm die Füße küsst. Jedenfalls verrät sein stoischer Blick nichts dergleichen.
Ich würde nur gern wissen, was sein Nachfolger aus Fleisch und Blut denkt, wenn er anderen die Füße wäscht. Schade eigentlich, dass die Fußwaschung in der evangelischen Kirche keinen Platz gefunden hat. Wir sind zwar nicht so hierarchisch wie die katholische Kirche, aber ganz unhierarchisch sind wir auch nicht. Ein paar Demutsübungen würden auch uns guttun. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt wurde letztes Jahr in der Potsdamer Hugenottengemeinde gehalten, einer eher bildungsbürgerlich akademisch geprägten Gemeinde.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Einige Tage, bevor die Predigt letztes Jahr gehalten wurde, besuchte König Charles Berlin. Die Bilder des Besuchs waren noch präsent. Ich habe das Beispiel gelassen, obwohl das Beispiel nicht mehr aktuell ist und die Bilder nicht mehr so präsent sind. Vielleicht lassen sich aktuellere Beispiele finden.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die Anmeldung zur Predigt kam recht kurzfristig, so dass ein Coaching nicht mehr drin war. Daher geht die Predigt ungecoacht und ungeschliffen online.
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ER trägt unsere Sünde! - Predigt zu Joh 1,29-34 von Winfried Klotz
Johannes 1, 29-34
29 Am Tag darauf sieht er – Johannes – Jesus auf sich zukommen, und er sagt: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
30 Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war, ehe ich war.
31 Und ich kannte ihn nicht. Aber er sollte Israel offenbart werden; darum kam ich und taufte mit Wasser.
32 Und Johannes legte Zeugnis ab und sagte: Ich habe den Geist wie eine Taube vom Himmel herabkommen sehen, und er blieb auf ihm.
33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hatte, mit Wasser zu taufen, er sprach zu mir: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit heiligem Geist tauft.
34 Gesehen habe ich, und Zeuge bin ich: Dieser ist der Sohn Gottes.
Wer begegnet uns in der Einöde am Jordan? Johannes, der Wüstenmensch, Umkehrprediger, Heuschrecken-und-wilden-Honig-Esser, Mann, gekleidet mit einem Sack aus Kamelhaar; ein Mensch, völlig aus der Zeit gefallen, der in der Wüste Judäas eine sperrige, ärgerliche Bußpredigt hält; Erfolg und Anerkennung sind ihm unwichtig, aber alle Welt läuft zu ihm in die Wüste, hört zu, schlägt sich an die Brust und lässt sich im Jordan taufen. Alle Welt – mit Ausnahmen natürlich; nicht alle glaubten, dass Gottes Gerichtstag vor der Tür steht, andere hielten sich für genügend vorbereitet.
So beschreiben die drei ersten Evangelien Johannes den Täufer. Hier im Johannesevangelium ist Johannes nur ein Stimme, die Zeugnis ablegt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ Hier ist er nur der Mann mit dem überlangen Finger, der auf den gekreuzigten Jesus weist, wie es auf dem Isenheimer Altarbild von Matthias Grünewald dargestellt ist. Zu seinen Füßen ein Lamm, aus einer Wunde des Lammes fließt Blut in einen Kelch.
Alles, was in unserem kurzen Predigtwort gesagt ist, ist Bekanntmachung dessen, wer Jesus Christus ist. Dabei sieht das Johannesevangelium fast ganz von einer geschichtlichen Situation ab. Genannt wird ein Ort, Bethanien, am Ostufer des Jordan. Es sieht ab von der Person des Johannes, seiner Ankündigung des Gottesreiches, seinem Ruf zur Umkehr und der Taufe als Zeichen der Umkehr; sie wird im Johannesevangelium ein paarmal erwähnt. (1, 26. 31. 33; 3, 23) Johannes ist nur eine Stimme, sein Tun als Täufer soll Jesus bekanntmachen.
Auch die Zuhörer kommen in unserem Abschnitt nicht in den Blick; im Abschnitt davor sind es Abgesandte des Hohen Rates, später werden die Pharisäer genannt. Im Abschnitt danach legt Johannes Zeugnis über Jesus vor zweien seiner Jünger ab. Hier aber redet Johannes im Angesicht dessen, der auf ihn zukommt, Jesus.
Versteht irgendwer, was Johannes meint? Oder anders: Was meinen die Berichterstatter des Johannesevangeliums? Wir hören das Zeugnis des Johannes aus ihrem Mund. Es fällt auf, dass ein ungewöhnliches, biblisch seltenes Wort für Lamm gebraucht wird, ein Wort, dass sich nur noch Jesaja 53, 7 in der griechischen Übersetzung (LXX) (s. Zitat Apg. 8, 32) und im 1. Petrus 1, 19 findet. Im 1. Petrusbrief heißt es: Ihr wurdet losgekauft „mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“. Wenn ich es recht verstehe, legt dieses Wort für Lamm den Akzent auf Verletzlichkeit, vielleicht auch Reinheit. Jedenfalls gibt es eine Form des Wortes im Feminin, die mit „Lämmchen“ und „junges Mädchen“ übersetzt wird.
Jesus, makelloses, reines Lamm Gottes? Wir erinnern uns, am Passafest wurden Lämmer geschlachtet und ihr Blut an die Pfosten der Eingangstür gestrichen, damit das Gericht Gottes an den Bewohnern vorüber gehe, sie verschont bleiben. Das Johannesevangelium berichtet im Unterschied zu den anderen Evangelien, dass Jesus zu der Zeit hingerichtet wurde, in der die Lämmer für das Passafest geschlachtet wurden. Jesus, Gottes Passalamm, seine Hinrichtung Opfer zur Verschonung derer, die sich auf ihn berufen?! Das Johannesevangelium schlägt diesen Bogen. Ja, es kann in Kapitel 6 berichten: „Jesus aber sagte zu ihnen: ‚Ich versichere euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.‘“ Das ist Auslegung des Abendmahls, das im Johannesevangelium nicht berichtet wird.
Jesus, Gottes Opferlamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt?! Genauso lautet das Zeugnis über Jesus im Johannesevangelium. Ich weiß, das ist für viele anstößig und nicht nachvollziehbar. Warum? Fragen wir uns doch: Wer ist Jesus für mich?
Manche beziehen ihr Christsein auf die 10 Gebote; aber achten sie auch auf das erste Gebot und Jesu Auslegung, Gott von ganzem Herzen und mit aller Kraft zu lieben und die Mitmenschen wie sich selbst? Wo finden sie Vergebung, wenn sie an den Geboten scheitern?
Manche beziehen ihr Christsein auf die Bergpredigt; aber sind sie auch arm vor Gott (1. Seligpreisung) und wissen, dass sie alles von ihm brauchen? Eben auch den, der ihre Sünde hinwegnimmt! Den Armen vor Gott wird die gute Nachricht verkündigt (Mt 11, 5b); auf welches Evangelium vertrauen sie? Lautet ihr Evangelium schließlich doch „ich bin ok, du bist ok?
Ist Jesus nur so etwas wie ein ferner Leuchtturm, der uns eine Richtung weist, in die wir mit unserer Kraft steuern sollen? Oder eine Lampe, die uns hilft, die dunklen Ecken unseres Lebens auszuleuchten und besser zu verstehen? Oder die Notfallbox, zu der wir greifen, wenn nichts mehr hilft? Oder auch das ungewisse Trostpflästerchen für die Wunden, die das Leben schlägt? Vertreter einer Lebensversicherung für die Stunde unseres Todes?
Ja gewiss, Jesus ist auch Leuchtturm, den Weg erhellende Lampe, Helfer in der Not, Tröster und Hoffnungsgeber; aber er ist noch mehr! ER ist Dein/ mein Stellvertreter vor Gott. Es muss jetzt niemand mehr seine Schuld verdrängen, niemand muss friedlos durchs Leben gehen, niemand sich selbst rechtfertigen. Jesus ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Die Tür zu Gott ist auf, die Brücke gebaut, die trennende Mauer niedergelegt. Das hat Gott getan durch Jesus. Im Vertrauen auf Jesus haben wir Zugang zu Gott.
Warum sträuben sich viele dagegen, dass Jesus der ist, der Stellvertretung vor Gott leistet durch sein Leben, Leiden, Sterben und seine Auferstehung für mich, indem er tut, was kein Mensch kann, nämlich die Sünde hinweg zunehmen? Warum kann Gott das nicht durch Jesus tun? Lasst uns aufatmen, uns freuen und jubeln über die gute Nachricht, dass wir im Vertrauen auf Jesus angenommen sind als Gottes Kinder. ER trägt meine Sündenlast, ER überbrückt den Abgrund, der mich von Gott trennt, ER versöhnt mich mit Gott, so dass ich Frieden habe!
Der 1. Johannesbrief sagt: „Meine lieben Kinder, ich schreibe euch diese Dinge, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand doch eine Sünde begeht, haben wir einen Anwalt, der beim Vater für uns eintritt: Jesus Christus, den Gerechten. Er, der nie etwas Unrechtes getan hat, ist durch seinen Tod zum Sühneopfer für unsere Sünden geworden, und nicht nur für unsere Sünden, sondern für die der ganzen Welt.“ (1. Joh. 2, 1-2)
Wollen wir wirklich aus eigener Kraft in den Himmel kommen?
Johannes bezeugt uns in unserem Wort die Größe Jesu. Jesus ist der, auf den der Geist Gottes herabkommt und auf dem er bleibt; Jesus ist der Geisttäufer, Gottes Sohn.
Wie finden wir Zugang zu diesem Zeugnis des Johannes? Doch nur durch Jesus selbst!
So verborgen und doch wirkmächtig wie Gott selbst ist auch sein Geist. Der Geisttäufer Jesus ist Mittler des Geistes. Der Anschluss an ihn verbindet mit dem Geist. Wie geht das? Was müssen wir tun? Den Verstand ausschalten? Nein! Unser Selbst, unser Personsein aufgeben? Auch nicht! Uns hineinmeditieren? Nein. Also gar nichts? Doch. Auf Jesus hören, ihn aufnehmen in Herz und Leben, auf Gottes Gnade vertrauen, das dicke eigene ICH ihm anvertrauen und unterstellen. Wer ans andere Ufer will, muss über die Brücke gehen. Wer zu Gott kommen will, soll über Jesus, die Brücke zu Gott, gehen.
Vertrau Dich IHM an, dann gehst Du mit ihm! Sich IHM anvertrauen ist keine Leistung, sondern heißt loslassen; das aber ist manchmal ein schwerer Kampf. Wegsehen von mir, hinsehen zu ihm. Geben wir Gott Antwort. Und werden wir wie Johannes Zeugen für Jesus. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Das ist schwer zu beantworten, da ich fürs Internet schreibe. Meine Erfahrung ist, dass sich eine Predigt in der jeweiligen Situation anders gestaltet. Ich weiche vom geschriebenen Text ab und spreche frei. Die freie Rede im Blick auf die Zuhörer ist wichtig. Die Vorbereitung dazu geschieht auch im Gebet.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Empfehlenswert ist der Johanneskommentar von Klaus Wengst.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
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4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
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Link zur Online-Bibel
Mit Gottes Hilfe auf neuen und ungewohnten Wegen weitergehen - Predigt zu Joh 6,37-40 von Thomas Volk
Mein Herz braucht eine Pause
Liebe Gemeinde!
„Mein Herz braucht eine Pause“ singt die junge Sängerin Antje Schomaker und meint, dass ihr gerade alles viel zu schnell geht und ihre Gefühle und Stimmungen dadurch ständig durcheinander geraten.
Vielleicht empfindet das jemand von uns genauso: „Mein Herz braucht auch eine Pause.“ So vieles hat sich verändert, seit ich alleine in der Wohnung lebe. Der Abschied nimmt mich so mit. Mein Leben ist aus der Bahn geworfen. Meine Tage sind ohne eine feste Struktur. Seit er tot ist, weiß ich nicht mehr, wofür ich lebe. Sie war mir so nahe und so lieb. Und ich merke auch, dass manche Menschen nicht mehr so selbstverständlich für mich da sind. Wenn mir nur klar wäre, wohin ich mit meinem Leben möchte?
Pausen laden zum Träumen ein
„Mein Herz braucht eine Pause.“ Danach sehnen wir uns oft im Alltag. Der Gottesdienst am Totensonntag will eine solche Pause in einem vielleicht noch neuen und ungewohnten Lebensalltag sein. Und – sozusagen als Pausenlektüre – hören wir aus dem 6. Kapitel des Johannesevangelium, die Verse 37–40:
[Christus spricht:]
37Alle, die mein Vater mir anvertraut,
werden zu mir kommen.
Und wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.
38Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen:
Nicht um zu tun, was ich selbst will,
sondern was der will, der mich beauftragt hat.
39Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat:
Ich soll keinen von denen verlieren,
die er mir anvertraut hat.
Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag
vom Tod erwecken.
40Denn das ist der Wille meines Vaters:
Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben,
werden das ewige Leben erhalten.
Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.“
(Basis Bibel)
Vom mühevollen Alltag lenkt Christus unseren Blick in die Ewigkeit.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten“ (V.40).
Und wenn ich noch nicht so weit nach vorne schauen kann? Viel zu oft zieht es mich in die Vergangenheit. Mein Herz braucht eine Pause, um all die Erinnerungen zu sortieren.
Wie schön wäre es, wenn es etwas geben würde, das für „ewig“ ist und „für immer“ bleibt. Wie gern hätte ich noch Zeit mit meiner Liebsten verbracht. Es hätte ja nicht unbedingt „auf ewig“ sein müssen. Es hätte schon gereicht, wenn einfach noch etwas Zeit geblieben wäre.
Und ich möchte auch, dass das Andenken bleibt. Alle Liebe, die sie gegeben hat, soll in dieser schnelllebigen Welt nicht verloren gehen. Alles, was sie ausgezeichnet und einzigartig gemacht hat, soll einen festen Platz im Herzen behalten. Das, was die Bibel mit Ewigkeit benennt, soll auch für sie gelten.
Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot
Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot. So erzählt es die Geschichte von der Speisung der 5000 unmittelbar vor unserem Abschnitt.
Viele Menschen wollen Jesus unbedingt sehen. Sie scheuen nicht einmal eine Fahrt über den gefährlichen See Genezareth. Sie haben am Tag davor erlebt, wie er mit fünf Broten und zwei Fischen über fünftausend Menschen satt gemacht hat. Wer, wenn nicht er, soll der längst verheißene Messias sein, auf den schon ihre Väter und Mütter und Generationen davor gehofft haben?
Doch Jesus entweicht auf die andere Seite des Sees nach Kapernaum. Vergeblich! Viele Menschen reisen ihm nach. Sie wollen weitere Wunder bestaunen können. Und Jesus weicht ihren Fragen nicht aus. Seine Antworten gipfeln in einer schlichten und zugleich provozierenden Behauptung: „Die Antwort auf alle eure Fragen steht vor euch: Ich bin es!‚ ‘Ich bin das Brot des Lebens!‘“ (Johannes 6,15). Und: „Wer zu mir kommt, denn werde ich nicht abweisen“ (vgl. V.37). Vertraut mir!
Brot für jeden neuen Tag
Brot für jeden neuen Tag – das ist Christus. Um den einzelnen Tag geht es. Für die 5000 Menschen damals, weil sie in der Begegnung mit Jesus, dem Brot des Lebens, satt geworden sind. Und für uns heute ist Christus ist wie das tägliche Brot, das man in der Wohnung jetzt vielleicht alleine zu sich nehmen muss, weil es uns hilft, über diesen einen Tag zu kommen.
Christus ist das tägliche Brot, das alle einsamen Stunden mit uns teilt, vor allem dann, wenn man sich im Esszimmer umschaut und an so manchen Abend denkt, an dem der Raum mit vielen Personen gefüllt war. Christus, das tägliche Brot, ist da und bleibt da und gibt uns zu verstehen: Ich gebe dir viel Kraft auf allen neuen Wegen. Ich mache dich mutig, durch ungewohnte Türen zu gehen. Ich gebe dir einen langen Atem, wenn die trüben Tage nicht enden wollen.
Und auch wenn manche Wohnungen vom bisherigen Freundeskreis auf einmal wie verschlossen sind, so weist Christus niemanden ab. Auf ihn, auf seine vielen Möglichkeiten, uns immer wieder neuen Mut zukommen zu lassen, können wir uns verlassen. Er ist unser stiller Begleiter, wenn wir Tage durchleben müssen, die ganz anders sind und die wir uns wirklich nicht ausgesucht haben. Christus ist das tägliche Brot, das uns hilft, in einem neuen Lebensabschnitt zurechtzukommen.
Niemand soll verloren sein
Christus spricht: „Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren“ (V.39). Das sagt er in eine Welt hinein, in der einiges verloren geht. Das spricht er in ein Leben hinein, in dem so viel zwischen unseren Händen zerrinnt.
Für den heutigen Totensonntag übertragen: Niemand soll sich auf neuen und ungewohnten Wegen verloren vorkommen. Nicht heute. Nicht morgen. In aller Zukunft nicht. Was für eine Zusage, dass wir auf allen neuen Wegen niemals alleine sind, sondern begleitet und getragen?
Die Hoffnung für unsere Verstorbenen - In Gott geborgen sein
Diese Zukunft ist nicht nur uns Lebenden verheißen. Sie gilt auch für unsere Verstorbenen.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken“ (V.40).
Unsere Verstorbenen sind „auf ewig“ bei Gott geborgen. Dass ist unsere christliche Hoffnung. Deshalb finde ich auch die Aufschrift „Hier ruht in Gott …“ auf manchen Holzkreuzen, die man auf ein frisches Grab stellt, so tröstlich. Hier ruht jemand in Gott. Hier ist jemand in Gottes ewiger Welt geborgen. Ich brauche diese Person nicht mehr festhalten. Ich kann mich meinem Leben und dem, was vor mir liegt, wieder mehr zuwenden.
Die Vorstellung, dass unsere Verstorbenen „in Gott ruhen“ beruhigt mich, auch wenn ich nicht weiß, wie das „ewige Leben“ aussieht. Ich muss es auch nicht wissen. Und ruhen ist für mich auch mehr als ein Schlafen. Es ist ein Geborgensein bei Gott und eine neue Lebendigkeit, auch wenn ich sie nicht näher beschreiben kann.
Eine Utopie mit verändernder Kraft
Dieser Glaube ist wirklich eine Utopie. Ein Zukunftsraum. Gleichzeitig hat er „verändernde Kraft“ hat. Unser Leben besteht ja nicht darin, dass wir ständig die Vergangenheit wiederholen. Die besten Jahre liegen nicht immer nur hinter uns.
Dieser Glaube verändert mich und meinen Alltag. Er hilft mir, mit Abschieden umzugehen und mit all allem, was ich im Leben nicht festhalten und nicht ändern kann.
Dieser Glaube macht mich mutig. Er hilft mir trotzig nach vorne zu schauen.
Der Glaube wird uns nicht enttäuschen
Vielleicht brauchen Sie noch länger eine Pause, um alle Gedanken zu sortieren. Vielleicht spüren Sie aber auch schon, dass bald die Zeit da ist, wieder auf neuen Wegen weiter zu gehen. Auf alle Fälle: Der Glaube wird uns nicht enttäuschen. Er hilft uns, dass wir mutig und trotzig, jeden Tag aufs Neue, uns auf ungewohnten Wegen zurechtfinden.
Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und umfangreicher ist als alles, was uns in seinen Bann ziehen will, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe die Predigt für Menschen geschrieben, die in der Kirchengemeinde, in der ich tätig bin, am Totensonntag um 15:00 Uhr zum Gedenkgottesdienst an die Verstorbenen kommen. Die Angehörigen sind dazu schriftlich eingeladen worden und die Gottesdienstgemeinde besteht aus Erfahrung fast ausschließlich aus den Personen, die in den letzten 12 Monaten an einem offenen Grab gestanden haben und immer noch oder immer wieder trauern.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich versuche mich in Menschen hineinzudenken, die, wenn Sie ihre/n Liebste/n verloren haben, nun gar nichts mehr vom Leben erwarten oder nicht mehr die anderen Menschen wahrnehmen, die auch noch da sind und Hilfe anbieten. Dabei macht der christliche Glaube doch Mut, „auf neuen und ungewohnten Wegen“ dem Leben wieder auf die Spur zu kommen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In dem auf den ersten Blick nicht gerade „seelsorgerlichen“ Abschnitt Johannes 6,37-40 habe ich die Formulierung neu entdeckt, dass bei Christus „niemand verloren ist, der ihm anvertraut“ ist (Johannes 6,39). Das hat mir kürzlich selbst geholfen, als ich bei „meinen Lieben“ auf dem Friedhof war. Bei dieser Aussage von Johannes 6,39 habe ich nicht das Bild eines „Schutzmantelchristus“ vor Augen, sondern eines, in dem Christus Menschen wieder in ihr Leben schickt.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Das Coaching war wieder richtig gut. Ich hatte in meinem ersten Entwurf manche wichtigen Aussagen und Passagen wieder durch bestimmte Formulierungen oder durch apologetische Passagen oder „Lieblingsfüllwörter“ abgeschwächt Und „Weniger ist mehr“. Durch das Coaching habe ich noch einmal viel gekürzt und die Abschnitte sind dabei klarer geworden.