Predigt zu Römer 1,1-7 von Gabriele Arnold
Liebe Gemeinde
An Weihnachten hat die Post Hochkonjunktur. Niemals sonst im Jahr werden so viele Briefe geschrieben, verschickt und gelesen. Und dann steht man im Flur und macht all die viele Weihnachtspost auf. Der Klavierstimmer wünscht klingende Weihnachten, der Elektriker besinnliche Tage in mildem Licht, der Heizungsbauer wünscht wohlige Feiertage. Neben all den Grußkarten von Banken, Versicherungen und Hinz und Kunz gibt es immer wieder auch echte Briefe, in denen viel Liebe drin steckt. Persönliche Gefühle und Geschichten vom letzten Jahr und Wünsche, die zeigen, dass der Briefschreiber weiß, was ich brauche. Briefe mit Herzblut. Worte, die sagen: Ich denk an Dich, ich mag dich, ich hab dich lieb, du bist mir wichtig.
Mit dieser Weihnachtpost zeigen wir uns, wie gut es ist, dass wir einander haben. Und so gesehen sollte eigentlich immer Weihnachten sein. Aber es ist eben nur einmal im Jahr: das Fest des Liebhabens. Weil es um die Liebe geht, ist Weihnachten auch nicht tot zu kriegen. Weihnachten können wir nicht absagen und ausfallen lassen und selbst wer nach Dubai flüchtet wird auch dort Weihnachtsspuren finden. Man kann ja auch die Liebe nicht abschaffen und man kann auch vor der Liebe nicht davon laufen, wenn sie einen begegnet und das Leben verwandelt.
Wir haben heute alle auch einen Weihnachtsliebesbrief bekommen. Einen mit einer guten Nachricht. Auch wenn der Brief bald zweitausend Jahre alt ist und zuerst an ein paar Frauen und Männer in Rom geschrieben war, so gilt er doch auch uns. Paulus hat diesen Brief geschrieben. Paulus, der zuerst ein glühender Verfolger derer war, die sich um Jesus scharten und dann sein eifrigster Bekenner, einer für den Jesus die Liebe, die Bestimmung seines Lebens wurde, der die Straßen ablief, die Meere befuhr und sich aufmachte bis nach Rom, dem Zentrum der damaligen Welt. Und das weil er aller Welt verkünden wollte, wer dieser Jesus ist, dessen Geburt wir heute feiern und was die Welt von ihm haben wird.
Römer 1,1-7 in der Übersetzung der Guten Nachricht
Diesen Brief schreibt Paulus, der Jesus Christus dient, zum Apostel berufen und dazu erwählt, Gottes Gute Nachricht bekannt zu machen. Diese Gute Nachricht hat Gott durch seine Propheten in den Heiligen Schriften schon lange angekündigt. Es ist die Botschaft von seinem Sohn, Jesus Christus, unserem Herrn. Als Mensch geboren, ist er ein Nachkomme des Königs David. Durch die Kraft des Heiligen Geistes als Erster vom Tod erweckt, ist ihm die Macht übertragen, die ihm als Sohn Gottes zusteht. Er hat mich bevollmächtigt, sein Apostel zu sein. Mein Auftrag ist es, zur Ehre seines Namens Menschen aus allen Völkern dafür zu gewinnen, dass sie sich Gott im Gehorsam unterstellen und ihm vertrauen. Zu ihnen gehört auch ihr. Denn Gott hat euch in die Gemeinschaft mit Jesus Christus berufen.
Dieser Brief ist für alle in Rom, die Gott liebt und dazu berufen hat, ihm als sein heiliges Volk zu gehören. Gnade und Frieden sei mit euch von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn!
Da ist also alles zusammengefasst ist, was von Jesus, von Gott und damit von Weihnachten zu sagen ist. In diesen wenigen trockenen Briefzeilen ist alles eingepackt, was wir auspacken können, damit es in unseren Herzen wirklich Weihnachten wird, auch und gerade bei denen, die heute Abend gar nicht festlich gestimmt sind, sondern traurig, einsam oder verbittert. Hier ist alles eingepackt, was Gott uns zu schenken hat, was in unsere Herzenskrippe heute Abend hineingelegt gehört.
Es geht um eine gute Nachricht. Ja es geht um die zentrale gute Nachricht, um die einzig wirklich wichtige Nachricht. Gott kommt zu uns. Und das hat er schon immer vor gehabt. Immer schon hat er diesen Plan im Herzen getragen. Zu uns zu kommen. Und weil man nicht besser zu uns Menschen kommen kann denn als einer von uns, hat Gott den tollkühnen Plan gefasst selber Mensch zu werden. Und so wird er Mensch. Wird geboren wie wir alle auch. Legt sich in die Arme einer Mutter und eines Vaters. Und wird so von Gott als Sohn eingesetzt.
Paulus weiß nichts von einer wundersamen Geburt, aber er weiß das dieser Jesus Mensch ist ganz und gar und zugleich Gottes Sohn. Gott hat eine ganz eigene besondere Beziehung zu diesem Jesus. Da passt kein Blatt zwischen Gott und Jesus und so in diesem Sinne ist er Gottes Sohn, Gottes Kind.
Das ist die gute Nachricht. Gott kommt selber in seinem Sohn. Gott liegt in der Krippe. Gott geht in diesem Sohn durch die Welt. Wer den Sohn hört, hört den Vater. Und Gott kommt nicht in gute Zeiten, sondern in schlechte Zeiten. Damals wie heute. Das Leben von Jesus war kein Leben der Schönen und Reichen. Kein Jet Set, keine Bilder für Gala. Das Leben von Jesus, von Gott in ihm war das Leben an der Seite der normalen Leute. Das Leben von Menschen im Jammertal. Wenn wir Jesus sehen auf seinen Wegen im Jammertal zu den Menschen, dann sehen wir Gott. Dann sehen wir, wo Gott ist. Bei den Blinden und Lahmen, bei denen die nicht glauben können, bei denen, denen das Unrecht der Welt das Herz zerreißt. Bei uns also. Bei uns zerrissenen fried - und freudlosen Gesellen, bei uns, die wir das Schöne nicht sehen und unser Füße nicht auf den Weg des Friedens richten können. Bei uns, die wir so leiden an dem Elend der Welt, dem Krieg, dem Hass, der Folter oder leiden an unserem eigenen Elend ist Gott. Und uns, uns allen, allen, allen wird die gute Nachricht verkündigt, dass Gott nicht mehr fern ist. Gott selbst ist es der von der Krippe, diesem Wiegenplatz armer Leute ans Kreuz geht, dem Hinrichtungsplatz für die Verdammten dieser Erde. Gott selbst gibt sich in den Tod. Und deshalb muss niemand mehr allein durch die dunkle Todesnacht, ist niemand mehr allein im Tal der Tränen. Selbst die tiefste Angst und die bitterste Schuld kann Gott nicht schrecken. Er ist durch alles hindurch gegangen, durch alles, was uns armen Menschenkindern begegnen kann. Er ist hindurch gegangen und deshalb an unserer Seite, ja uns stets einen Schritt voraus. Immer schon wartet er auf uns, immer schon ist er da und fängt uns auf. Alles ist ihm vertraut, alles ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Ja, er hat das Dunkel schon besiegt. Die Auferstehung des Kindleins, dessen Geburt wir feiern und um dessen Tod wir wissen kündet davon, wer nun in Wahrheit der Herrscher der Welt ist. Nicht der Tod, nicht das Dunkel, sondern Gott, das Leben, das Licht. Das ist die gute Nachricht. Das ist, was uns trägt nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen.
Und was bleibt uns dann zu tun?
Nicht viel, liebe Gemeinde. Nur das eine: Gott zu vertrauen, Gott zu glauben. Und deswegen ist Paulus unterwegs. Deswegen lesen wir bis heute seinen Brief auch in dieser Nacht. Damit wir glauben. Nehmt den Glauben an, darum bittet uns Paulus. Vertraut Gott.
Glauben. Glauben das meint nicht für wahr halten. Wir glauben nicht an die Bibel und nicht an das Glaubensbekenntnis. Wir müssen nichts bekennen als nur, dass wir Gott vertrauen. Das Leben der Welt, das Lieben, das Geboren werden und das Sterben, es liegt nicht in unserer Hand. Das alles ist in Gottes Hand. Und auch unser Leben liegt in Gottes Hand. In seiner Hand liegen all die vielen und kleinen Entscheidungen, die Sorgen und das Glück, das Weinen und das Lieben, das Lachen und das Fluchen. Wir haben die Wahl. Entweder wir meinen alles hängt an uns oder wir glauben, dass alles an Gott hängt, dass wir an Gott hängen. Wenn wir so vermessen sind zu glauben, dass unser Leben an uns hängt, dass wir unseres Glückes Schmied sind, dann sind wir belastete und gedrückte Menschen. Wenn wir aber Gott vertrauen, ihm unser Leben überlassen, dann kann unser Leben frei und wundersam leicht werden.
Dann können wir leben und lieben, lachen und weinen, können scheitern und fallen und wieder aufstehen und sind wunderbar getröstet und seltsam von uns entlastet. Denn ich muss mich nicht selber halten und tragen. Gott hält mich. Und in dieser Gewissheit wagen wir das Leben und versuchen das Richtige zu tun und in den Spuren des Kindes aus Bethlehem zu leben. Denn das freilich gehört zum Glauben, sich darauf zu verlassen, dass das was das Kind bringt gut ist für die Welt. Wer das Kind in der Krippe im Herzen trägt, muss sich empören über Terror und Gewalt. Wer das Kind im Herzen trägt, muss kämpfen gegen Hunger und soziale Kälte. Wer das Kind im Herzen trägt, muss sich kümmern um Flüchtlinge und Arme und denen die Stirn bieten, die Deutschland den Deutschen skandieren. Und damit meinen sie seien das Volk. Wer das Kind im Herzen trägt, kann nicht immer mehr wollen und alles nur für sich. Das Kind im Herzen öffnet unser Herz für die am Rand, die im Dunkeln, die im Schatten des Todes. Und das kann und muss zuweilen sehr politisch und sehr handfest sein. Aber das wissen Sie ja selbst am besten, denn sonst wären Sie heute Abend nicht hier, sondern würden sich mit „süßer die Glocken nie klingen“ unter dem Christbaum begnügen und mit den Lebkuchen, der Gans und dem Champagner und auf die nächsten Brigitte Diät warten.
Aber es geht um mehr. Es geht um die Gute Nachricht. Um die Gute Nachricht dass Gott hier ist. Dass er uns und diese Welt nicht vergessen hat und sie nicht denen überlässt, die nur an sich selber denken oder gar nichts anderes im Sinn haben als Terror, Haß und Gewalt. Und deswegen ist Gnade mit uns und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus. Was für ein passender Schluss für den Weihnachtsbrief.