Abgeschirmter Glanz, der durchstrahlt - Predigt zu Ex 34,29-35 von Markus Kreis

Abgeschirmter Glanz, der durchstrahlt - Predigt zu Ex 34,29-35 von Markus Kreis
34,29-35

29Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. 30Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. 31Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. 32Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der Herr mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. 33Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. 34 Und wenn er hineinging vor den Herrn, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, 35sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Liebe Gemeinde,

mit Mose als hellster Kerze auf der Festtorte hat das Volk so seine Probleme. Er ist ein schlechter Redner und braucht einen anderen als Sprecher. Was dann sein Bruder Aaron wird. Und das Volk widersetzt sich gerne, wenn ihm zuwider ist, was der von Mose überbringt. Es ist so gut wie laufend am Murren. Schätzt offen oder verdeckt die Ansagen des Moses anders ein. Wie versprochen so gebrochen, heißt der stumme oder laute Vorwurf. Nichts ist so wie angesagt. Erst mit Pomp frei gelassen, dann doch von den Ägyptern gejagt. Und schon tauchen da Gedanken auf, sich zu ergeben. Danach von Durst und Hunger geplagt, und sofort riechen die Leute die Fleischtöpfe Ägyptens. Darauf von Krankheiten gepeinigt. Warum jetzt das? Dachte, so was wäre für die Ägypter reserviert! Außerdem fühlt das Volk sich von Mose immer wieder allein gelassen. Zuletzt verlängert er stillschweigend die Reisezeit, ohne das zu besprechen.

Um zu zeigen, dass er die Wahrheit sagt, bietet Mose eine Menge auf: die Ägypter besiegt, Durst und Hunger gestillt, Krankheiten geheilt. Und er sucht wie am Dornbusch ein Stelldichein mit Gott. Von Angesicht zu Angesicht, wie es gebührt. Um auf dem Berg endlich die Sache mit Gott und dem Volk geregelt zu kriegen. Mose sieht Gottes Angesicht natürlich wieder nur um die Ecke. Immerhin, als er zurückkehrt ins Lager, hat das Volk darauf verzichtet, aus Gold ein Kalb zu gießen. Ob seine Leute inzwischen ernsthaft glauben, obwohl sie nichts sehen? Ob sie annehmen, dass er, statt zu irren, die Wahrheit sagt? Das wäre ja mal was Neues! Aber warum gucken die mich denn so merkwürdig an? Was ist denn los mit denen? Nach einem Gespräch versteht Mose. Das Volk ist mit Recht verwirrt. Glauben, ohne zu sehen, ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Das hat er durch die Wüste wieder und wieder von ihnen verlangt. Klar, dass die krass erstaunt sind, wenn er hier mit so einer Aura aufkreuzt. Von der er übrigens selbst nichts mitgekriegt hat. Gott bewahre, dass sie am Ende ihn anbeten statt den HErrn. Also Schleier vors Gesicht, und gut ist.       

Was mochte Aaron und die Leute am Glanz des Moses gestört haben? Eine Möglichkeit: Vielleicht hatten die einfach ein schlechtes Gewissen. Sie hatten Mose offensichtlich falsch eingeschätzt. Von wegen nicht die hellste Kerze und so. Vermutlich hatten sie das mehr gedacht als gesagt. Und wenn so abfällig gesagt, dann nur hinten rum. Und jetzt kriegt der von Gott persönlich so ein Leuchten verliehen. Volltreffer in die Herzkammer, mit Gewissensblitz.
Eine andere Möglichkeit: Gott ist einfach zu grell. Sogar dann, wenn er sich nur indirekt zeigt, wie hier bei Mose. Schon das mag aufstoßen. Und wie reagiert einer, wenn er geblendet oder irritiert ist? Der wendet sich entweder ab, vielleicht eher impulsiv erschrocken, vielleicht auch reflektiert und gefasst. Oder er ist so verzaubert, dass er Glanz und Wort für seine Zwecke vereinnahmt. Am fremden Glanz mit aller Gewalt teilhaben will.

Um dem vorzubeugen, lässt sich Gott quasi nur per Filter wahrnehmen. Denn wichtig ist allein sein heiliges Wort. Sein Wort, das bewirkt, was es einem mitteilt: In welche Lage Du auch immer geraten bist oder Dich verfahren hast: Ich befreie Dich daraus. Und ich richte Dich auf Neues aus. Dass die heiligen Buchstaben diese Bedeutung in uns gewinnen, das schafft Gott auch ohne äußeren Glanz. So führt er einen zu seiner Wahrheit. Und dazu, dass wir aus dieser Wahrheit leben.

Mose geht hier mit gutem Beispiel voran. Er befreit die Leute von ihrem schlechten Gewissen ihm gegenüber. Denn er folgt ihrem Einwand, gibt ihnen Recht und verdeckt sein Glänzen. Denn Gottseidank haben die endlich kapiert: Was zählt, das sind die Worte, die Gott ausrichtet. Deren Buchstaben gewinnen für unser Leben Bedeutung. Nämlich, dass Gott von alten Fehlern befreit und zu Neuem ausrichtet. Das ist der Fokus. Was von dem ablenkt, das kann oder das muss sogar am besten ganz weg. Was im Falle der Aura von Mose mit dem Schleier noch einfach zu lösen war. Das kann auch viel schwieriger zu machen sein.
Was zählt, das sind die Worte, die Gott ausrichtet. Weniger die Menschen, die sie weitergeben. Also mal schön halblang machen mit der Heiligkeit bei Menschen. Das haben Mose und sein Volk schon damals kapiert. Alles andere lässt Menschen leicht irren über Gott und fehlgehen.

Nehmen wir mal Christen, deren Ansehen für viele glänzt wie bei Mose damals. Die als Vorbilder des Glaubens herhalten. Die Gottes Liebe in besonderer Weise verkörpern: weil sie diese sehr eindrucksvoll aussagen oder tätig und erfolgreich weitergeben. Mutter Theresa, Dietrich Bonhoeffer oder Christen, die, weshalb auch immer, ins Rampenlicht geraten sind. Einerseits wird da teilweise eine Menge Respekt gezollt, andererseits ist da noch was anderes zu sehen.
Es wird in ihrem Leben gegraben. Und man versucht dabei, ihr Leben bloßzustellen, ans Licht zu bringen, was ihre Christlichkeit verdunkelt, in Zweifel zieht. Kurz gesagt, wenn sich so jemandes Andenken besudeln lässt, dann geschieht das auch. Und, oh, welche Überraschung! Da findet sich auch immer was. Immer wieder neu für Beobachter, die sich über fremden Schaden freuen. Keinerlei Wunder für jeden, der an Gott glaubt. Und der weiß, dass er alles ihm verdankt und aus seiner Vergebung lebt. Der gerade darum weiß: Ich muss für mein Sagen und Tun vor einem irdischen Gericht Rede und Antwort stehen, wenn es das Recht will. Heiligenschein hin oder her. So jemand weiß sogar, dass die Medien gerade das gerne einfach rausschneiden und hinten runterfallen lassen: wenn er sagt, alles Gott zu verdanken, was seine guten Reden und Taten angeht. Oder seinen Anteil Schuld bekennt und hofft, dass Gott ihm seine Fehler vergibt. Das lässt man lieber weg, das verschandelt die Botschaft. Die Bibel aber kennt so einige zwielichtige Typen, die Gottes Tun bezeugen. Denken sie mal an David und was er in seinem Leben alles angestellt hat.

Die heilsame Bedeutung, die die Schrift Gottes in uns gewinnt, das allein zählt. Was so alles davon ablenken kann! Ich sprach von Freude am Schaden anderer. Auch von der Lust an Macht über andere. Und von der Freude, sich jemandem fraglos unterordnen zu können. Es gibt unzählige Motive allein in dem, was wir fühlen. Ansonsten kann nahezu alles in der Welt ablenken, besonders Unglücks- oder Glücksfälle, die einem widerfahren.

Nun zum Guten am Glanz, ganz ohne Vorbehalt: Gott bringt seine Zeugen zum Glänzen. Das geschieht verdeckt, innerlich. In Gottes Augen und Vorsehung gelangt ein Glanz nach außen. Der den Augen des Glänzenden entgeht. Erinnern wir uns an die Geschichte der Weih-Nacht. Von außen gesehen ein Ereignis, das sich völlig im Dunkeln abspielt. Nicht nur, weil es des Nachts vor sich geht. Irgendein Stall in irgendeinem Kaff in irgendeiner der letzten Ecken des Römischen Reiches. Irgendein von Staatswillkür verbrachtes, sozial schwaches No Name Paar, weit weg von seiner Heimat. Zu all dem kommt, dass die Geburt ihres Babys vor der Tür steht. Und so suchen sie einen Raum mit Tür, hinter der sie dafür Ruhe finden können. Bekommen aber nur eine zugige Bleibe. Ganz dunkle Aussichten für das Leben des Kleinen. Das ist die eine Seite, die Maria in ihrem Herzen bewegt. Endet schließlich auch als großer Verbrecher, der Kleine. Mit einer Sonnenfinsternis!
Sicher, es leuchten in dieser Weih-Nacht die Sterne am Himmel ohne Wolken. Die Milchstraße ist gut zu sehen. Übers tiefdunkle Blau schweift vielleicht auch das Licht eines Kometen. Eine Standardnacht eben. Dass diese dunkle Geburt in Licht und Glanz erstrahlt, das liegt an der Bedeutung, die sie unter Menschen gewinnt. Der Glaube bringt erst Licht in die dunkle Sache. Auch heute noch. Marias Herz wird neben dem Dunkel auch vom Licht darin bewegt. Die Sterndeuter, die eine Nacht wie unzählige andere zu der einen besonderen wahren Nacht machen. Die Engelsschar, die finsteren Gesellen ein Licht aufgehen lässt. Lämmern und Gebären, das ist für Hirten nur Routine. Und eine recht müh- und arbeitsame dazu, ach, hör´ mir bloß auf damit, jedes Mal dasselbe. Dieses Mal ist es anders. Einmal nur so bei der Geburt helfen, nur hingehen und anschauen. Die glänzenden Augen von Vater, Mutter, Kind. Da leuchten auch die finsteren Gesellen.

Die gute Botschaft unseres Bibeltexts heißt also: Wer sich für glanzlos hält, der kann glanzvoll ankommen bei seinen Mitmenschen - mit Gottes Augen gesehen und auch mit denen der Menschen. Und er bekommt es manchmal sogar gesagt. Auf dass er was zu strahlen hat und sich weniger matt und stumpf fühlt. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an OStR Markus Kreis

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Der Text ist am grünen Tisch entstanden. Intuitiv habe ich wahrscheinlich meine Schülerschaft in Informationstechnik im Hinterkopf gehabt, meist männlich, eher wenige mit Realschulabschluss, viele mit Abitur, einige davon sogar mit Erfahrung im Studieren.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Es hat diesmal eine ganze Weile gedauert, bis ich mir den erzählten Vorgang mit Aufleuchten und Abschirmen und die Kommunikation darum auch auf theologischer Ebene plausibel machen konnte.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass auch Gottes abgeschirmter Glanz Welt und Menschen zu durchstrahlen vermag.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Dank der Rückmeldung habe ich inhaltlich gestrafft und vieles aussortiert, was beim theologisch ungeschulten Hörer oder Leser im besten Fall ein Anspielungsfeuerwerk ausgelöst hätte.

Perikope
30.01.2022
34,29-35

Auf Adelers Fittichen sicher - Predigt zu 2. Mose 19,1-6 von Matthias Loerbroks

Auf Adelers Fittichen sicher - Predigt zu 2. Mose 19,1-6 von Matthias Loerbroks
19,1-6

Im dritten Monat nach dem Auszug der Söhne und Töchter Israels aus dem Land Ägypten, genau auf den Tag, kamen sie in die Wüste Sinai. Sie zogen aus Refidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten in der Wüste. Dort lagerte Israel, gegenüber dem Berg. Und Mose stieg hinauf zu Gott – und der Ewige rief zu ihm vom Berg und sprach: So sprich zum Haus Jakobs, melde den Söhnen und Töchtern Israels: Ihr habt selbst gesehen, was ich getan habe an Ägypten; ich trug euch auf Adlerflügeln und ließ euch zu mir kommen. Und jetzt: Wenn ihr hört, hört auf meine Stimme und haltet meinen Bund, dann werdet ihr mir ein Sondergut aus allen Völkern. Denn mein ist die ganze Erde. Ihr aber, ihr sollt mir werden ein Königreich von Priestern, ein heiliges Volk. Dies ist die Rede, die du zu den Söhnen und Töchtern Israels reden sollst.

Ganz akribisch, mit genauen Zeit- und Ortsangaben wird hier von den ersten Schritten Israels nach der Befreiung aus der Sklaverei erzählt: Diese Befreiungsgeschichte ist keine zeitlose Wahrheit, nicht Bild, Symbol, Illustration für alle möglichen inneren und äußeren Befreiungserfahrungen, jedenfalls nicht nur. Sondern eine besondere Geschichte. Sie spielt in einer bestimmten Gegend, nämlich im Nahen Osten, auf der Halbinsel Sinai zwischen Ägypten und Israel. Deutlich wird auch: Israels Gott hatte sich bereits als Befreier und beschützender Begleiter seines Volkes bewährt, ehe er nun am Sinai einen Bund mit ihm schließt und ihm seine Gebote gibt. Erst die Befreiung, dann die Gebote. Oder, mit den theologischen Begriffen, die Martin Luther sehr beschäftigt haben: das Evangelium, die frohe Botschaft, hat Vorrang vor dem Gesetz. Das gilt für beide Teile der christlichen Bibel, für das Alte wie für das Neue Testament: Jesus beginnt seine Bergpredigt mit den froh und frei machenden Seligpreisungen, ehe er dann in derselben Rede auch Weisung gibt. Hier, in der Exodusgeschichte, wurde das Volk Israel auf erstaunliche Weise aus der Sklaverei befreit. Es hatte dann zwei Monate lang die Erfahrung gemacht, von dem Gott, der es befreit hatte, versorgt zu werden mit Essen und Trinken. Es hatte, offensichtlich mit Hilfe dieses Gottes, den Überfall von Banditen abgewehrt. Israel hatte Gott kennengelernt als einen, der befreit und der mitgeht mit seinem Volk, zeichenhaft sichtbar als Wolke und Feuersäule.

An diese Vorgeschichte erinnert Gott nun: Ihr habt gesehen, was ich getan habe an Ägypten. Israel hat etwas zu sehen bekommen – freilich nicht Gott selbst, aber seine Taten; Israel wurde durch mächtige Taten freigepresst. Und auf dem Weg zwischen Schilfmeer und Sinai hat sein Gott sich erwiesen als der, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet. Das Bildwort von den Adlerflügeln wurde in jüdischer Tradition verschieden gedeutet. Raschbam, Rabbi Schmuel ben Meir, paraphrasiert im Mittelalter: Schnell und sicher habe ich euch über das Meer und trockenes Land getragen, wie ein Adler über die Meere fliegt. Raschi, Rabbi Schlomo Itzchaki, ebenfalls im Mittelalter, einer der größten Theologen der jüdischen Geschichte, betont hingegen Gottes Hingabe und Opferbereitschaft: Alle anderen Vögel tragen ihre Jungen in ihren Klauen, weil sie Angst haben, ein anderer Vogel könnte über sie hinweg fliegen. Der Adler hat nur Angst vor dem Pfeil des Jägers, weil kein anderer Vogel höher fliegen kann als er. Deshalb nimmt er seine Jungen auf seine Schwingen: Soll der Pfeil lieber mich treffen als meine Kinder. Im 20. Jahrhundert deutet der Philosoph, Pädagoge und religiöse Sozialist Martin Buber das Bild als Einübung von Freiheit und Selbständigkeit: Adler bringen ihren Jungen das Fliegen bei, indem sie sie auf den eigenen Flügeln in die Höhe tragen, sie auffangen, wenn sie fallen. Kräftige und sichere Führung, Bewahrung und Schutz, pädagogische Leitung und Anleitung zum Selbstständigwerden – all das schwingt mit in diesem Bild von den Adlerschwingen.

Nun sind sie am Sinai angelangt. Hier hatte Gott aus einem brennenden Dornbusch heraus zum ersten Mal mit Mose gesprochen. Hatte ihn beauftragt, ihm seinen Namen erklärt. Alles, was Israel bisher erlebt hatte, war eine Auslegung, ein Erweis dieses Namens: Ich werde da sein, als der ich da sein werde; werde mit euch sein, wie immer ich mit euch sein werde. Das ist gemeint mit seinem Namen, der in Luthers Bibelübersetzung mit „HERR“ umschrieben wird. Der Name bezeichnet das Besondere an diesem Gott: das, was ihn von anderen Göttern und Mächten unterscheidet. Bereits bei dieser ersten Begegnung hatte die Stimme gesagt: Hier, an diesem Berg, werdet ihr mir dienstbar. Aus dem Frondienst der Sklaverei, aus dem Haus der Dienstbarkeit wird Israel befreit, um stattdessen diesem Gott zu dienen. Die Befreiung und Erwählung Israels ist Befreiung und Erwählung zum Dienst: Gottesdienst statt Sklavendienst. Der HERR, der Gott Israels, hat sich als Bundesgenosse dieses Volkes erwiesen, um dieses Volk zum Bundesgenossen zu gewinnen: Ich will euer Gott sein, ihr sollt mein Volk sein. Aus der Sklaverei befreit ist Israel bereits. Doch bevor es in das versprochene Land gelangt, erhält es hier am Sinai Weisung, damit es im neuen Land nicht zu ägyptischen Verhältnissen kommt. Weisung zum Leben, zum Bewahren der Freiheit. Die Freiheit besteht darin, diesem Gott zu dienen. Worin dieser Dienst im Einzelnen besteht, erfährt Israel hier, wenn es auf diese Stimme hört. Die Befreiung geschah bereits in Ägypten und am Schilfmeer. Zum Gottesvolk, zum kollektiven Bundesgenossen dieses Gottes wird es erst hier am Sinai.

Doch was mag das sein, ein Gottesvolk? Wozu braucht Gott ein Sondergut, ein besonderes Volk? Ihm gehört doch, wie er im selben Satz sagt, die ganze Erde; er ist es, der Himmel und Erde geschaffen hat. Alle Menschen aller Völker sind seine Geschöpfe. Warum und wozu erwählt er eines dieser Völker besonders und macht es zu etwas Besonderem? Und was haben wir aus den anderen Völkern mit dieser Geschichte zu tun? Was geht sie uns an?

Gott hat bei der Erwählung Israels, bei seinem Bund mit diesem Volk auch uns, die anderen Völker im Blick. Er zeigt in dieser besonderen Geschichte, wie er im Allgemeinen, im Ganzen ist. Er liebt alle Menschen, indem er Israel liebt. Diese besondere Geschichte geschieht stellvertretend für die Weltgeschichte, ist ihr roter Faden, ihre Mitte. Gott sagt selbst, wozu er Israel erwählt hat, wozu er ein besonderes Volk braucht, ein Sondergut; und auch, was das ist: ein Gottesvolk, ein heiliges, also ausgesondertes Volk: Ihr werdet mir sein ein Königreich von Priestern.
Das Wort Königreich verweist auf den Bereich der Politik. Dieser Gott interessiert sich nicht nur für Glaubensinhalte, nicht nur für Einzelne, nicht nur für Seelisches. Er strebt eine bestimmte Art gesellschaftlichen Zusammenlebens an. Er will Recht und Gerechtigkeit verwirklichen. Ein Königreich bedeutet: Die Art und Weise der Politik soll zeigen, wer regiert. Er hat darum ein Volk erwählt, nicht eine Religion, und hat ihm ein Land versprochen als materielle Grundlage einer neuen Gesellschaft.

Und diese Besonderung und Aussonderung geschieht stellvertretend für das Ganze: Dieses Volk soll ein Königreich von Priestern sein. Priester, für uns Protestanten ein fremdes Wort, das sind Menschen, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln. Ein Priester vertritt Menschen vor Gott, distanziert sich nicht von den Gottlosen, sondern solidarisiert sich mit ihnen, spricht und handelt stellvertretend für alle. Er vertritt aber auch Gott bei den Menschen, tut seinen Willen kund, macht seinen Einfluss geltend. Vor allem: Er spricht Menschen Segen zu, Gottes fördernde, helfende und schützende Begleitung. Israel als ganzes, als Volk soll ein kollektiver Priester sein, soll vermitteln zwischen diesem Gott und allen Menschen, Kontakt herstellen. Die Völker kommen mit Gott zusammen, indem sie mit diesem Volk zusammen sind. Sie lernen diesen Gott kennen, indem sie auf diese besondere Geschichte aufmerksam werden.
Jedenfalls war das Gottes Ziel. Schon Abraham hatte er versprochen, seine Nachkommen werden ein Segen sein für alle Völker. Und im 5. Buch Mose wird in Aussicht gestellt, die anderen Völker werden aus dem Staunen gar nicht rauskommen angesichts Israels und seiner anderen Art des Zusammenlebens, seiner gesellschaftlichen Organisation. Die Propheten Jesaja und Micha, auch viele Psalmen künden an, die Völker werden zum Zion ziehen, um dort Weisung, Tora zu lernen.

Das jüdische Volk hat immer wieder versucht, die Last seiner Erwählung, diese Sonderrolle abzuschütteln. Es wollte lieber ein Volk wie alle anderen sein – was ihm aber nie ganz gelungen ist. Und die anderen Völker haben sich keineswegs von diesem besonderen Volk aufklären lassen über seinen besonderen Gott. Sie haben feindselig reagiert, es bekämpft, haben in seiner Erwählung keinen Segen gesehen. Sie waren gekränkt und eifersüchtig, nicht selbst erwählt zu sein. Und erwählten sich auch selbst – kaum ein Nationalismus kommt ohne Judenhass aus. Die Völker verstanden die Erwählung Israels als Ausdruck einer ungeheuren Arroganz dieses kleinen Volkes: als Erwählungsgedanken, Erwählungsbewusstsein, Auserwähltheitsanspruch. Israel fand und findet zwar in der Tat große Beachtung in fast allen Völkern, steht unter besonderer Beobachtung, aber nicht als Gottesvolk, als Segen und Licht der Völker, sondern als besonders verhasstes Volk.

Durch das Evangelium von Jesus Christus wurden Menschen aus vielen, aus fast allen Völkern auf die besondere Geschichte, auf die Beziehung zwischen Gott und diesem Volk aufmerksam. Doch auch die Christen aus den Völkern ärgerten und rieben sich an der Besonderheit Israels. Sie behaupteten, als Gottesvolk sei Israel abgelöst und ersetzt worden durch die Kirche. Juden als Juden bräuchte es nicht mehr zu geben, denn wenn sie in Jesus den Messias Israels erkennten, würden sie ja Christen werden und in der Kirche aufgehen. Das Kommen des Messias sei das Ziel, aber damit auch das Ende der besonderen Geschichte Israels.
Am heutigen Israelsonntag nehmen wir dankbar wahr, dass wir das nicht mehr glauben und denken. Wir haben entdeckt: Die Erwählung Israels ist ein wichtiges Thema unserer christlichen Bibel. Der Bund zwischen Gott und seinem Volk ist nicht gekündigt. Gott hält Israel die Treue – neben der Kirche, auch gegen sie. Die schiere Existenz des jüdischen Volkes, allen Versuchen, es auszulöschen, zum Trotz, ist uns ein sichtbares Zeichen der Treue Gottes, der auch wir trauen. Das ist eine frohe Botschaft – so viele sichtbare Zeichen dieser Treue haben wir ja nicht.

Wir wissen nun, dass wir durch unsere Abwertung alles Jüdischen, unsere Klischees von Juden beigetragen haben dazu, dieses Volk in aller Welt verächtlich und verhasst zu machen. Und wir haben uns auch selbst geschadet: Aus dem besonderen Gott der Bibel wurde ein Allerweltsgott, farblos und blass, ein Gott ohne Eigenschaften, ohne Ziele, ohne Geschichte. Doch nun haben wir erkannt: Der Versuch, Israel zu verdrängen, zu ersetzen und abzulösen, war ein Irrweg. Die kirchliche Rede vom Ende Israels, von seiner Beerbung durch die Kirche als neues Israel ist eine verhängnisvolle Irrlehre. Und die Rede von einer Überbietung des Alten Testaments durch das Neue ist das auch. Wir verstehen den Ort und die Aufgaben der Kirche nicht mehr anstelle, sondern an der Seite Israels.

So entdecken wir Christen aus den Völkern nun unsererseits eine priesterliche, eine vermittelnde Aufgabe. Wir werden zu Dolmetschern zwischen Israel und den Völkern, bitten die Völker an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott – und mit seinem Volk. Und diese Aufgabe ist dringlicher geworden. Das wurde im Frühjahr nicht zum ersten Mal, aber besonders dramatisch deutlich.

Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen! Er ist dein Licht.

Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Dr. Matthias Loerbroks

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Christen, die die Erwählung Israels als narzisstische Kränkung empfinden und darum leugnen, weghaben wollen.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Hass auf Juden in unserer Gesellschaft wird offener und tätlich, besonders deutlich während des Kriegs zwischen Chamas und Israel im Frühjahr. Auch in den Kirchen sind antijüdische Ressentiments nicht etwa nur noch da, sondern wachsend. Der nicht christlich motivierte Hass auf Juden hat nicht nur seine Wurzeln in der christlichen Judenfeindschaft, sondern findet da auch seinen Stoff.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gottes Treue zu Israel, die Existenz dieses Volkes außerhalb der Kirche und auch gegen sie ist frohe Botschaft für Christen aus den Völkern.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Kurze Sätze statt langer Sätze. Freundlich mit der Gemeinde reden: ihr zu Herzen.

Perikope
08.08.2021
19,1-6

Von Tischdecken und Schutzräumen - Predigt zu 2. Mose 12,1-4 von Frank Nico Jaeger

Von Tischdecken und Schutzräumen - Predigt zu 2. Mose 12,1-4 von Frank Nico Jaeger
12,1-4

Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.

Die Welt verläuft in geregelten Bahnen als Dietrich Bonhoeffer 1906 in Breslau zur Welt kommt. Alles hat seine Ordnung. Preußisch und pflichtbewusst gestaltet die Familie ihren Alltag. Pflegt die Traditionen. Dazu gehören auch die Familienfeiern an den großen Feiertagen. Die Kinder zählen gerne die Tage bis zum nächsten großen Fest. Freuen sich auf die festliche gedeckte Tafel. Das gute Essen. Das Beisammensein.

 

Über die Jahre begehen die Bonhoeffers alle Feste und vielleicht stehen zu Ostern auch gelbe Tulpen in einer Vase auf dem großen, sechseckigen Tisch, um den sich die Familie zu versammeln pflegt. Die kleinen Frühlingsboten bilden einen schönen Kontrast zu der weißen Tischdecke und sie weisen voraus auf das was noch kommt. Das Gute. Das Licht.

 

Die ewige Ordnung ist gestört.

Auch über die Kriegsjahre hinweg pflegt die Familie diese Tradition. Als Dietrich Bonhoeffer später ins Gefängnis kommt, weil er sich aktiv im Widerstand gegen Hitler engagiert hat, helfen ihm die Erinnerungen an diese Zusammenkünfte.

Es fällt Bonhoeffer nicht leicht, von der Familie getrennt zu sein. Auch wenn Familie für ihn immer schon mehr war als nur Vater, Mutter und die Geschwister. Zur Familie gehören für Dietrich Bonhoeffer nicht nur die Blutsverwandten. Aber die gemeinsamen Feste nehmen in seinen Erinnerungen einen besonderen Platz ein.

 

Weiß ist die gute Tischdecke auf dem sechseckigen Tisch, um den sich die Familie versammelt. Weiß ist auch die Farbe dieses Abends. In der Kirche und ihrer Liturgie steht weiß für Licht und Reinheit. Aber der heutige Gründonnerstag wird nicht rein weiß bleiben. Auch auf dem Weiß dieses Tages gibt es Flecken. Spuren von Menschen. Verrat liegt in der Luft.

Der Abend bleibt nicht makellos.

 

Weiße Tischdecken.

Die meiste Zeit des Jahres liegt die weiße Tischdecke wahrscheinlich gestärkt in einer Schublade, aber an hohen Feiertagen ist sie Pflicht.

Und wenn man genauer hinsieht, sieht man hier und da auf der Tischdecke auch Soßenspritzer oder einen alten Rotkrautfleck. Kleine Ausrutscher. Verblasst, aber noch zu sehen.

Die Tischdecke ist nicht makellos.

Keine der Tischdecken, die ich kenne, hat im Laufe ihrer Nutzung nicht auch Spuren davongetragen. Fast so, wie die Menschen, die sich immer wieder um den Tisch herum versammeln, auf dem sie liegt. Wir kennen Ärger und Liebe. Sind schon mal verletzt worden und haben selber schon andere verletzt.

Jede Gemeinschaft ist zerbrechlich.

 

Zerbrechlich, weil sie gefährdet ist. Im Mittelpunkt des Gründonnerstags steht das gemeinsame Mahl. Die Israeliten nehmen es an dem Abend ein bevor sie aus der Sklaverei fliehen.

Jesus und seine Jünger nehmen es ein an dem Abend bevor er stirbt.

Es ist jedes Mal ein widersprüchlicher Augenblick. So wie die Farbe weiß für diesen Abend. Der Abschied steht kurz bevor, der Tod Jesu ist längst beschlossen. Es gibt kein Entrinnen. Keine Flucht.

Heute ist es noch ein weißer Abend, aber schon morgen hängt hier schwarz. Leben und Licht vor dem Leiden und der Dunkelheit. Das Problem Dietrich Bonhoeffers war nie die Frage, wie zuverlässig Gott ist. Für ihn ist klar, Gott ist mit ihm.

 

Und die Erinnerungen an die Tischgemeinschaft der Familie tragen ihn durch die Dunkelheit hindurch.

Dieses innere Erbe stärkt ihn, hilft ihm auszuhalten. In einem Brief an die Eltern schreibt er: „Das Bewusstsein, von einer geistigen Überlieferung getragen zu sein, die durch Jahrhunderte reicht, gibt einem, allen Bedrängnissen gegenüber, das sichere Gefühl, geborgen zu sein. Ich glaube, wer sich im Besitz solcher Kraftreserven weiß, braucht sich auch weicherer Gefühle nicht zu schämen. […] Gott behüte uns: in großer Dankbarkeit und Liebe seid herzlich gegrüßt!“

 

Der heutige Abend ist ein Schutzraum. Allen Bedrängnissen zum Trotz. Gemeinsam Essen, gemeinsam trinken. Zusammen sein. Mit allen Kränkungen beieinandersitzen.

Sich mit der eigenen Angst, mit meinen Sorgen gut aufgehoben fühlen in dieser Runde.

 

Und mittendrin Jesus, der sich weigert zu hassen. Bis zum Ende wird er Vergebung und die Bereitschaft zu verzeihen durchbuchstabieren.

Er weiß, was kommt. Er hat auch Enttäuschungen erlebt, zuletzt die schlafenden Freunde im Garten, wenn er ihren Beistand am nötigsten gebraucht hätte. Er ahnt den bevorstehenden Verrat des Judas, weiß um das Einknicken des Petrus, der lieber seine eigene Haut retten will.

 

Der heutige Abend ist ein Schutzraum. Ein inneres Erbe, wie Bonhoeffer schreibt. Denn im Angesicht der Dunkelheit steht eine andere Macht neben uns. Gott.

AMEN.

 

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Frank Nico Jaeger

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Besucherzahlen am Gründonnerstag sind rückläufig. Seit ein paar Jahren stagnieren sie. Es kommt „die Kerngemeinde“. Bunt gemischt. Die Witwe, deren Mann ich beerdigt habe, ein paar Konfis, Vertreterinnen und Vertreter aus der kommunalen Politik. Kon-firmierte. Alles in allem sehr unterschiedlich, aber alle gemeinsam auf der Suche nach Trost und Halt „in Bedrängnis, Not und Ängsten.“


2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Das Bild des Schutzraumes am Tisch an diesem Abend. Und die Vorlage von


3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gott hält die Ordnung aufrecht. Er ist da, ganz egal, wo ich bin. Gott ist ein „inneres Erbe“ das gemeinsame Mahl ist ein Schutzraum.  

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die Konzentration auf ein gutes Bild: Schutzraum.

 

Perikope
09.04.2020
12,1-4

Brennen, aber nicht verbrennen - Predigt zu 2. Mose 3,1–8a.9–14 von Frank Fuchs

Brennen, aber nicht verbrennen - Predigt zu 2. Mose 3,1–8a.9–14 von Frank Fuchs
3,1–8a.9–14

Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt (…). Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge. Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.

Liebe Gemeinde,

der Dornbusch brennt, ohne zu verbrennen. Es gibt aber auch Menschen, die scheinen für etwas zu brennen, ohne zu verbrennen. Sie setzen sich ganz für etwas ein, geben alles dafür. Ein solcher Mensch war auch Mose.

Wie es dazu gekommen ist, dass er so wurde, das erfahren wir aus der Geschichte vor unserem Predigttext (2. Mose 1-2). Hineingeboren wurde er in den Konflikt zwischen Ägyptern und Israeliten. Als die Israeliten drohten, ein zu starkes Volk in Ägypten zu werden, erging der Befehl des Pharaos, dass die männlichen Neugeborenen zu töten und in den Nil zu werfen sind. Aus Verzweiflung war Mose von seiner Mutter in einem Binsenkorb auf dem Nil ausgesetzt worden. Eine ägyptische Prinzessin fand ihn und ließ ihn aus Mitleid am Königshof aufziehen. Seine leibliche Mutter durfte ihn stillen. Als Mose ein Mann wurde, sah er, dass ein ägyptischer Aufseher auf einen israelitischen Sklaven einprügelte. Mose packte der Zorn und er erschlug den Ägypter. Daraufhin floh er in die Wüste. Auf der Flucht half er an einem Brunnen einigen Frauen, die von Hirten vertrieben werden sollten. Er heiratete eine von ihnen und hatte mit ihr zwei Söhne. Inzwischen starb der Pharao, doch die Israeliten litten weiter unter der Sklavenarbeit.

Nun wird Mose berufen, wie es im Predigttext erzählt wird. Er sieht den Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt. Er hört die Stimme des Engels, die ihn beruft. Mose ist zögerlich. Warum sollte ausgerechnet er zum Pharao gehen? Ausgerechnet er, der nicht gut reden kann. (2. Mose 4,10) Doch Gott verspricht, dass er mit ihm sein wird. Moses Bruder Aaron soll an seiner Stelle vor dem Pharao sprechen. Mose vertraut ihm und übernimmt die Aufgabe, die Israeliten aus Ägypten zu führen.

Nach anfänglichem Zögern brennt Mose für diese Aufgabe. Die Widerstände, die er zu überwinden hat, sind gewaltig. Denn Arbeitssklaven lässt man nicht gerne ziehen. Sie sorgen für den Wohlstand des Landes. Der Pharao verspricht immer wieder, das Volk ziehen zu lassen, doch überlegt er es sich im letzten Moment anders. Durch die vielen Rückschläge lässt Mose sich nicht entmutigen. Nach den vielen Plagen, die die Ägypter getroffen haben, gelingt endlich die Flucht durch das Schilfmeer. Doch weitere Schwierigkeiten stehen noch bevor. Das Volk ist unzufrieden über das Leben in der Wüste und sehnt sich zurück. Mose ist desillusioniert und enttäuscht von seinem Volk. Sie widersetzen sich und leisten Widerstand. Doch Mose bleibt standhaft und ist erfüllt davon, seinen Auftrag mit ganzer Kraft zu erfüllen.

Manche Menschen wachsen an den Aufgaben, die unmöglich erscheinen. Für Mose erschien es unmöglich, zum Pharao zu gehen und ihn um etwas zu bitten. Doch sein Glaube, die Begegnung mit Gott gibt ihm die nötige Kraft dafür. Der Name Gottes ist auch ein Versprechen. Sein Name ist „Ich werde sein“. In der Zukunft wird sich erweisen, dass Gottes Plan, das Volk durch Mose von der Knechtschaft zu befreien, gelingen wird.

Vor einer gewaltigen Aufgabe steht in diesen Tagen die englische Premierministerin. Sie will ihr Land aus der EU führen. Dafür verwendet sie alle ihre Kraft. Die Aufgabe scheint in diesen Tagen fast unmöglich zu schaffen zu sein. Denn da gibt es diejenigen, die ihr Land nur unter Bedingungen ziehen lassen, die vielen auf ihrer Insel sehr hart erscheinen. Deshalb hat ihr Parlament den Vertrag abgelehnt. Die andere Seite lässt keine Nachverhandlungen zu. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Ein Misstrauensvotum gegen sie hat sie überstanden.

Die Vorbereitungen auf den Tag X laufen auf Hochtouren. Es werden Lebensmittel auf der Insel von Privathaushalten und Bedarfsmittel von Logistikfirmen gehortet. Schiffe wurden gechartert für den Fall, dass der Warenfluss zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zum Erliegen kommen könnte. Es wird erwartet, dass das Volk murren könnte, wenn Waren, die zuvor selbstverständlich waren, nicht mehr geliefert werden können. Die Gesellschaft ist gespalten über die Frage, ob der Brexit die richtige Entscheidung war und wie er umzusetzen ist. Es könnte so kommen, dass sich das Volk nach der Zeit in der EU zurücksehnt. Ein Weg zurück wird für lange Zeit nicht möglich sein.

Wenn Menschen vor einer schier unbewältigbaren Aufgabe stehen, dann liegt es nahe, Kraft aus dem eigenen Glauben zu schöpfen. Die englische Premierministerin Theresa May ist Tochter eines Pfarrers der Church of England. Sie selbst gilt als regelmäßige Gottesdienstbesucherin und lebt so ihren christlichen Glauben. Der Glaube kann eine große Kraftquelle sein.

In der Geschichte von Mose brennt der Dornbusch, aber verbrennt nicht. Mose wird neugierig und geht auf diese Erscheinung zu. Gott erscheint als Kraft, die sich nicht aufzehrt. Sein Wirken bleibt beständig erhalten. Wie in dieser Erscheinung zu sehen, so ist Gott. Er erhält das Leben und trägt es. Doch bleibt die Begegnung mit Gott unverfügbar. Gott erscheint da, wo überhaupt nicht damit zu rechnen ist. Bei der alltäglichen Arbeit, beim Hüten der Herde kommt ihm Gott ganz nahe. 

Manche Menschen brennen für ihre Aufgabe, aber es kann auch zu viel werden und ein Mensch kann ausbrennen. Wenn ein Mensch erschöpft ist und nicht mehr kann, dann ist das schmerzlich, weil es wie Schwäche nach außen wirkt. Aber nur ein Mensch, der alles gegeben hat, kann ausbrennen. Die Zeit der Schwäche kann zu neuer Stärke werden. Manche suchen die Ruhe und Stille von Klöstern und finden Hilfe in ihrem Glauben. 

Gottes Kraft kann in uns wirken.  Sie kann uns beflügeln. Sie kann helfen, Widerstände zu überwinden.  Sie kann uns ermöglichen, dass wir für etwas brennen, aber nicht ausbrennen. Sie kann Halt geben und Hoffnung. Auf seinen heilsamen Willen für unser Leben können wir vertrauen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Perikope
27.01.2019
3,1–8a.9–14

Konfi-Impuls für den letzten Sonntag nach Epiphanias, 2. Mose 3,1-15 von Christina Hirt

Konfi-Impuls für den letzten Sonntag nach Epiphanias, 2. Mose 3,1-15 von Christina Hirt
3,1-15

Ein Vorstellungsgespräch

Wie heißt du? Wie alt bist du? Woher kommst du? Auf welche Schule gehst du? Was machst du in deiner Freizeit? Wer einen anderen Menschen kennenlernen will, stellt solche Fragen, und erzählt auch selbst etwas zu diesen Themen.

In der Geschichte vom brennenden Dornbusch führt Gott ein Vorstellungsgespräch mit Mose.
Der Text eignet sich hervorragend dazu, mit den Jugendlichen gemeinsam zu forschen:
Wie stelle ich mir Gott vor? Und wie stellt er sich selbst vor?

Vorschläge für eine Bearbeitung im Konfi-Unterricht. Die Ergebnisse können in den Gottesdienst einfließen.

1. Wen ich gerne einmal kennenlernen würde: Jede/r schreibt den Namen einer Person auf einen Zettel, faltet ihn zusammen und übergibt den Zettel an die Pfarrerin. Die liest anschließend die Namen vor. Alle raten mit: wer hat diesen Namen wohl aufgeschrieben? Jede/r zeigt auf eine Person aus der Gruppe. Nach der „Auflösung“, ist es natürlich reizvoll, wenn es noch eine kurze Auskunft darüber gibt, was an dieser Person so fasziniert.

2. Was braucht es, damit du jemand wirklich gut kennenlernen kannst? Im Gespräch werden die Antworten der Konfirmanden auf einzelne Papierstreifen geschrieben.
Beispiele aus unserer Gruppe waren: gegenseitiges Interesse, miteinander reden, sich treffen/ ein Date haben, etwas miteinander machen, Zeit verbringen.

In einem zweiten Schritt die Frage anschließen: Was davon ist möglich, um Gott kennenzulernen?
Damit kann eine gesprächsbereite Gruppe ganz schön in Bewegung kommen!
Die Pfarrerin kann weitere Impulse geben: Wie und wo kann man Gott treffen?
Ich kann im Gebet mit ihm reden, aber redet er auch mit mir?
Gibt es Interessen, die Menschen und Gott teilen? Welche?
Wie gut kennst du Gott? Gibt es Menschen, die ihn sehr gut kennen?
Warum ist es gut, Gott zu kennen? Warum vermeiden es Menschen vielleicht auch, Gott kennenzulernen?

3. Miteinander den Bibeltext lesen und herausfinden: Wie stellt sich Gott vor?
In unserer Gruppe ist der Wechsel vom Engel Gottes in V 2 zu Gott höchstpersönlich V 4 aufgefallen.
Dann die Frage danach, warum Gott im Feuer erscheint. „Feuer hat Macht“, meinte ein Konfirmand. „es ist gefährlich …“ ein anderer. „Aber es ist auch sehr nützlich und gut“.
Interessant fanden die Jugendlichen das Verhalten von Mose. Er ist zuerst neugierig und will herausfinden, was da mit dem Busch los ist. Und dann erschrickt er doch sehr, als er erfährt, wen er da kennenlernt.
Dass Gott Interesse am Ergehen seines Volkes hat, ist aufgefallen. Aber auch, dass das ja zum Krieg führen könnte, wenn er dieses Volk in ein Land führen wird, in dem schon Leute wohnen.
Dass Gott nicht einfach Smalltalk mit Mose führt, war auch noch eine Erkenntnis. Wenn er sich vorstellt, dann hat er auch etwas vor!

Perikope
27.01.2019
3,1-15