Opfer sind passé – Predigt zu Hebräer 9,(11-14)15(16-26a).26b-28 von Peter Haigis

Opfer sind passé – Predigt zu Hebräer 9,(11-14)15(16-26a).26b-28 von Peter Haigis
9,(11-14)15(16-26a).26b-28

Tanzverbote?

Alle Jahre wieder … ist nicht nur Weihnachten, sondern auch Ostern. Alle Jahre wieder geht dem Osterfest die Passionszeit voraus, die sozusagen im Karfreitag gipfelt. Und alle Jahre wieder hebt um diesen Tag eine merkwürdige Debatte an, ob gesetzliche Tanzverbote an Karfreitag Sinn machen oder nicht. Auch in diesem Jahr wird es Leute geben, die kaum größere Lust verspüren, als ausgerechnet an diesem Tag des Jahres ihrem Tanzvergnügen nachzugehen. Wo Verbote sind, da regt sich eben auch die Lust, diese zu missachten oder zu übertreten – vielleicht sogar noch umso mehr.

Ich persönlich bin diese Debatte leid. Wir leben in einer Gesellschaft, in der ohnehin jede und jeder in seiner Freizeit tun und lassen kann, was er will. Wer mit der christlichen Tradition von Passion und Ostern etwas anfangen kann, der wird an Karfreitag vielleicht Gottesdienste und Meditationen oder Andachten besuchen, vielleicht auch ein Konzert, die Aufführung einer Passionsmusik oder ähnliches. Wer damit absolut nichts anfangen kann, wird diesen Tag anders gestalten und vielleicht – warum nicht? – Tanzen gehen. Jeder nach seiner Fasson!

Ist es so einfach? So beliebig? Einen kleinen Haken hat die Sache freilich: Noch ist der Karfreitag ein staatlich geschützter Feiertag. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Anliegen, das hinter diesem christlichen Feiertag steht, auch als gesamtgesellschaftlich relevant aufgefasst werden kann. Und in der Tat: Man muss keineswegs Christ sein, um den Sinn von Karfreitag zu verstehen. Im Kern geht es an diesem Tag darum, dass wir in einer Welt leben, die ohne die Beschädigung menschlichen Lebens und ohne Opfer offenbar nicht auskommt. Und das ist beschämend! Karfreitag kann eine Chance sein, hier innezuhalten und darüber nachzudenken, warum dies so ist oder auch möglicherweise so sein muss bzw. wie wir mit derlei Beschädigungen und Opfern umgehen wollen. Eine Chance, nicht mehr und nicht weniger – und die verdient es, im Trubel der übrigen 364 Tage im Jahr mit ihrem Rummel nicht unterzugehen.

Wer trotzdem lieber tanzen will oder muss – bitte! Man kann niemanden zu Anstand und Respekt gegenüber denen zwingen, die das Leben eben nicht als unversehrt ansehen oder gar erleben. Aber dann wenigstens hinter verschlossenen Türen!

 

Opfer

Im religiösen Sinne von „Opfer“ zu reden, ist aus der Gewohnheit gekommen. Wir kennen „Mordopfer“, „Unfallopfer“ etc. und wir „opfern“ allenfalls unsere Zeit, unser Geld oder unsere gute Laune. Dieser gewandelte Sprachgebrauch hat mit einer veränderten Lebenswirklichkeit zu tun. Beides, die veränderte Lebenswirklichkeit wie der gewandelte Sprachgebrauch, trennt uns von der Zeit, vom Lebensort und von den Gewohnheiten, die der Verfasser des Hebräerbriefs und seine Adressaten kennen. Und es ist gut, dass wir diesen Abstand haben, denn er ist ganz im Sinne des Hebräerbriefs – wie wir gleich noch sehen werden. Genau genommen hat der Hebräerbrief seinen Anteil an der Abschaffung religiöser Opfervorstellungen und damit auch an der Abschaffung der Opferpraxis.

Zu der Zeit, als der Hebräerbrief abgefasst wurde, war das religiöse Opferwesen im höchsten Maße alltagspräsent, unter anderem im Jerusalemer Tempelkult, aber auch in heidnischen Zusammenhängen im weiten römischen Weltreich. Es wurde geopfert, um die Götter zu beeinflussen, um sie milde zu stimmen. Es wurde geopfert, um Gott zurückzugeben, was ihm gehört an Leben. Und es wurde geopfert – so insbesondere im Judentum –, um vor Gott eine Sühneleistung zur Vergebung von Schuld und Sünde zu erbringen. Der Opferdienst im Jerusalemer Tempel stand – ganz abgekürzt formuliert – in der Funktion, Gemeinschaft zwischen dem Menschen und Gott zu ermöglichen. Der Mensch war in und durch Sünde verunreinigt und von Gott in seiner Heiligkeit und vollendeten Reinheit getrennt. Hier schloss das Opferwesen die Kluft und überbrückte den Graben. Die Priester im Tempel vollzogen dies in ihren täglichen Opfern mit den individuell dargebrachten Opfergaben und der Hohepriester vollzog es einmal im Jahr stellvertretend für das ganze Volk.

 

Gott und menschliches Leiden

Der Verfasser des Hebräerbriefes, den wir übrigens nicht namentlich kennen, schreibt an Gemeinden judenchristlicher Herkunft und er steht beim Blick auf die Frage „Opfer – ja oder nein?“ vor einem nicht gerade kleinen Problem. Eines ist ihm jedenfalls klar und daran soll nicht gerüttelt werden: Jesus ist der Christus; er ist der Sohn Gottes. Dieses Bekenntnis, das Christen zu Christen macht, ist ihm eine unaufgebbare Voraussetzung. Doch dieser Jesus von Nazareth starb am Kreuz einen blutigen und schmachvollen Foltertod. Warum? Wie lässt sich das mit seiner Gottessohnschaft zusammenbringen? Welchen Sinn sollte sein Tod haben, wenn er nicht einfach nur grausames und willkürliches Schicksal ist?

Eine Möglichkeit wäre es, den Tod Jesu, also den Tod des Sohnes Gottes, als Selbsthingabe zu verstehen. Das läge dann ganz auf der Linie von Weihnachten und der Menschlichkeit Gottes. Gott ist in Jesus den Menschen ganz nahe gekommen. Er ist sozusagen „einer von uns“ geworden, hat „Fleisch und Blut“ angenommen, wie es traditionell heißt – damit die Menschen Gott besser verstehen und damit Gott die Menschen versteht, gewissermaßen von innen heraus. Dabei ist Gott nicht nur das Schicksal eingegangen, das mit jedem menschlichen Leben verbunden ist, nämlich zu scheitern, zu leiden und zu sterben. Er ist zugleich das Risiko eingegangen, missverstanden bzw. überhaupt nicht verstanden und erkannt zu werden – und genau aus diesem Grund dann auch an Leib und Leben bedroht zu werden. Man kann sagen – und Jesu Tod so deuten: in ihm hat sich Gott selbst bis ins tiefste menschliche Martyrium hinein erniedrigt.

 

Christus als der ultimative Hohepriester

Das wäre – wie gesagt – eine Möglichkeit. Der Verfasser des Hebräerbriefes wählt jedoch einen anderen Weg. Er interpretiert Jesu Tod vom Opfergedanken her. Und auch hier ergeben sich wiederum unterschiedliche Möglichkeiten: So könnte man z.B. Jesus selbst als den Gegenstand verstehen, der geopfert wird. Ein Gedanke, der übrigens an anderen Stellen des Neuen Testaments auftaucht: Jesus als Opferlamm. Doch auch hier schlägt der Verfasser des Hebräerbriefs eine andere Richtung ein: Bei ihm ist Jesus Christus selbst der Hohepriester.

Wenn wir dem Gedankengang des Verfassers des Hebräerbriefes genau folgen, merken wir, dass er sich selbst zu diesem – offenbar ganz neuen und originellen – Gedanken erst durchringen muss. Deshalb steht zunächst noch die etwas schiefe Parallele im Raum, dass der Hohepriester bei seinem Opferritus natürlich nicht sein eigenes Blut vergießt, sondern das von Opfertieren, während Jesus bei seinem Tod am Kreuz sein eigenes Blut vergießt, das dann als viel wertvoller erachtet wird als das Blut eines jeden Opfertieres.

Entscheidend ist für den Verfasser des Hebräerbriefes aber gar nicht so sehr das Blutritual, sondern etwas anderes. Das wird am Ende unseres Abschnittes deutlich: Entscheidend ist für ihn, dass Jesus Christus wie ein Hohepriester für uns Menschen bei Gott einsteht – als Fürsprecher der Menschen vor Gott.

Damit verändert sich aber noch etwas anderes ganz entscheidend: Opfer, wie sie bislang praktiziert wurden, mussten immer wieder neu vollzogen werden, Jahr für Jahr oder auch Monat für Monat bzw. Woche für Woche. Denn immer wenn die Sünde erneut zwischen Mensch und Gott trat (also ständig), musste sie auch wieder neu aus der Welt geschafft und die Reinigung vollzogen werden – durch Opferungen. Das „Opfer“ Christi dagegen ist einmalig und unwiederholbar. Es genügt, dass Jesus Christus einmal dieses höchste und größte und in seiner Art einzigartige Opfer vollzogen hat und nun zum immerwährenden Fürsprecher und Anwalt der Menschen vor Gott geworden ist, denn als Sohn Gottes ist er Gott ja nahe wie niemand sonst.

Alles, was wir bislang erlebt haben, war die ständige Wiederholung der Opferungen im Tempel. Doch nun geht der Blick direkt in den Himmel. Mit der alten Opferpraxis ist Schluss. Der Mensch hat sie nicht mehr nötig. Jesus, der Mensch gewordene Gottessohn, tritt für den Menschen vor Gott ein – ohne weitere Opfer.

 

Opfer sind passé

Nach dem Tod Jesu Christi bedarf es keiner Opfer mehr – jedenfalls nicht im religiösen Sinn. Aus Gottes Perspektive ist die Opferung von Lebendigem – zu welchem Zweck und für welche Sünde auch immer – ein- für allemal passé. Wenn das aber vor Gott gilt, sollte es nicht umso mehr vor und unter uns Menschen gelten? Sollten Opfer nicht auch in dieser Welt passé sein?

Das würde zunächst bedeuten, dass es uns verboten ist, menschliches Leben zu opfern. Dann sollten wir es aber auch nicht so nennen, denn die Sprache verrät uns. Dass sich Soldaten im Kriegseinsatz „opfern“, ist widersinnig. Schlimm genug, wenn sie dabei ihr Leben lassen müssen – aber es für einen höheren Zweck quasi veredeln zu wollen, ist verquer. Umgekehrt müssen wir uns eher fragen, was mit und an unserem Leben schief läuft, wenn es derlei scheinbarer „Opfer“ bedarf. Wenn überhaupt, dann sind „Opfer“ ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt mit der Art und Weise, wie wir leben. Spätestens nach Jesu Tod also sind „Opfer“ ein Skandal – wenn sie es nicht schon zuvor waren und eben erst spät in der Geschichte der Menschheit durch den Anfang, der mit Karfreitag einsetzt, als solch ein Skandal erkennbar wurden.

Was im Blick auf den Tod von Soldaten im Kriegseinsatz gilt, stellt sich an anderen Bereichen unseres Lebens nicht anders dar: „Opfer“ in der Medizin oder für pharmazeutische Forschung? Verkehrstote als „Unfallopfer“? „Opfer“ einer terroristischen Gewalttat? Immer zeigt das Wort „Opfer“ eigentlich nur an, dass etwas mit unserem Leben nicht stimmt. Denn wenn es „Opfer“ gibt oder scheinbar geben muss, so ist das unerträglich.

Ebenso unerträglich sind die „Opfer“ einer Erdbeben- oder Flutkatastrophe. In diesem Fall wird sich unsere Klage und unser Protest möglicherweise auch gegen Gott richten – im Namen Jesu Christi, der doch allem Opferwesen ein Ende gemacht hat. Im Angesicht derartig schrecklicher Ereignisse fragen wir uns nach dem Sinn solch einen Todes. Möglicherweise entdecken wir über diesem Fragen auch unser eigenes schuldhaftes Handeln und Planen, denn dass Menschen bei Erdbeben unter den Trümmern von Häusern begraben werden oder in Wasserfluten umkommen, ist zum Teil auch menschengemacht. Oft trifft es die Armen, die sich das teure Bauland nicht leisten können und in gefährlichen Flussmündungsgebieten ansiedeln müssen oder die sich keine stabilen Häuser zu bauen vermögen…

„Opfer“ sind immer skandalös und unerträglich, auch wenn es vielfach unvermeidlich ist, von „Opfern“ zu sprechen. Sie zeigen uns an, wo etwas mit unserem Leben nicht stimmt. Und das gilt sicherlich nicht nur für menschliches Leben; es gilt auch für das Leben von Tieren. Selbst wenn das religiöse Opferwesen mit Tieropfern ausgedient hat, so gibt es heute dennoch sinnlose Massenschlachtung und Massenkeulung von Tieren. Und wir müssen uns kritisch fragen: Welcher Lebensstil rechtfertigt solches Massensterben?

Opfer sind passé! Vor Gott, aber auch vor den Menschen. Wo sie geschehen und wo wir von ihnen sprechen, ist unser Leben beschädigt und schreit nach Heilung. Amen.

 

Perikope
30.03.2018
9,(11-14)15(16-26a).26b-28

Die Wirklichkeit des Kreuzes - Predigt zu Hebräer 5,7–9 von Reiner Kalmbach

Die Wirklichkeit des Kreuzes - Predigt zu Hebräer 5,7–9 von Reiner Kalmbach
5,7-9

Die Wirklichkeit des Kreuzes

Liebe Gemeinde:

Passionszeit, wir sind mitten drin, schreiten fort auf dem Weg der uns schnurgerade nach Golgotha führt, jener Ort der die Geschichte der Menschheit in zwei Teile schneidet. Passionszeit, für viele Christen eine Gelegenheit „in sich“ zu gehen, auf Dinge zu verzichten, selbst ein wenig zu „leiden“, für andere kein Grund den gewohnten Rhythmus zu unterbrechen. Passionszeit, nach was fragen wir?, um was geht es da eigentlich?, um uns?, ja, es geht um uns Menschen!, es geht um die Menschheit, um ihr Dasein in dieser Welt und ihrer Geschichte. Und Gott?, kommt er auch darin vor...?

Passionszeit: „Was geht mich das an?“, fragte und provozierte mich einmal ein junger Mann, der von sich behauptete Agnostiker zu sein. Aber an Karfreitag sah ich ihn im Gottesdienst und am Tisch des Herrn.

In der Zeit der letzten Militärdiktatur in Argentinien, zwischen 1976 und 1983, gab es einen alten Priester der politische Gefangene in den Gefängnissen besuchte. Dazu hatte ihm sein Bischoff verholfen, der noch über gewisse „Möglichkeiten“ verfügte. Dann, in stillen Nächten, nahm er Papier und Stift und malte den Gekreuzigten. Jahre später lernte ich ihn während einer Konferenz kennen. Wir waren im selben Zimmer untergebracht. An einem Abend und bei einer Flasche Wein, zeigte er mir ein Buch, das er immer bei sich trug. Auf jeder Seite war der Gekreuzigte zu sehen: junge Männer, junge Frauen, Priester, Nonnen, Arbeiter..., grausam zugerichtet und unglaublich menschlich zugleich. Auf jedem Blatt, ganz unten und in kleinen Buchstaben stand: „Gott in seiner Welt“.

Die Begegnung mit dem alten Priester hat mich tief geprägt. Seine Bilder liessen mich nicht mehr los. Und als ich den Abschnitt aus dem Hebräerbrief las, der uns für heute gegeben ist, waren diese Bilder sogleich wieder da.

Textlesung: Hebräer 5, 7 – 9

Am Hohepriester kommt niemand vorbei.

Der Autor des Briefes wirft mit Namen und Begriffen, die für uns fremd klingen und irgendwie weit weg, nur so um sich. Es ist klar, die Empfänger kennen sich aus, sie „verstehen“, was er ihnen mitteilen will. Er schreibt nicht über ihre Köpfe hinweg. Er spricht zu ihnen in ihrer Sprache. Wie Luther schon erkannte: man muss dem Volk aufs Maul schauen.

Der Hohepriester ist auf jeden Fall ein besonderer Priester, er ist praktisch eine „Schlüsselfigur“ in der Beziehung des Menschen zu Gott. Ohne ihn gibt es keine Vergebung, und darum geht es doch schliesslich. Wir wissen nur zu gut, ob bewusst, oder unbewusst, dass wir Gott „brauchen“. Der Hunger nach Religion, nach Spiritualität, ist auch und gerade im Zeitalter der elektronischen Medien, ungebrochen. Die Frage nach dem Sinn ist im Grunde die Frage nach Gott und seiner Existenz, d.h. ohne Gott geht es nicht. Und Gott ist das Synonym für Erlösung. Gott erlöst uns. Von was, von wem?, wollen wir überhaupt erlöst werden...?

Hier in Lateinamerika spriessen die neuen Kirchen und religiösen Bewegungen nur so aus dem Boden, wie die Pilze nach einem warmen Herbstregen. Ihre Prediger, Verzeihung: „Hohepriester“, treten im Nadelstreifen auf, anstatt aus der aufgeschlagenen Bibel lesen sie vom Lap mit dem Apfel-Logo. Sie reisen im Flugzeug in der ersten Klasse und schlafen in Hotels mit fünf Sternen. Ihre Tempel füllen sich mehrmals wöchentlich bis auf den letzten Platz. Jeder will dazugehören, schliesslich wird hier die Erlösung aus dem Jetzt gepredigt: schluss mit den Geldsorgen!, den Schulden, den Eheproblemen, den Konflikten mit den Kindern! Gibst du Gott 10 Dollar, so bekommst du von ihm 100 zurück, so einfach ist das. „Hör auf zu leiden!“, ist das Motto, das man dir an jeder roten Ampel, an jeder Hausecke in die Hand drückt. Sie haben die Macht und Möglichkeiten der neuen Medien schon längst entdeckt, sie besitzen Fernsehkanäle und Radiolizenzen und sind auf jeder Buchmesse zu finden. Und ihre Beziehungen zu den Politikern sind ohnehin besser als die unseren. Kein Wahlkandidat kann sie ignorieren, die meisten von ihnen buhlen regelrecht um ihre Gunst.

Ja, am Hohepriester kommen wir nicht vorbei, ohne ihn geht’s nicht!

Und wir Deutschen sollten dies doch wissen, einst hiess der Hohepriester Adolf Hitler. Er opferte auf dem Altar der Geschichte ein ganzes Volk, das von Gott erwählte Volk! Und damit nicht genug, am Schluss opferte er sogar sein eigenes Volk...

Und damit kommen wir zum Eigentlichen: es geht um das Opfer. Opfer hat immer mit Schmerz zu tun, mit Leiden, Verzicht. Man ist bereit etwas zu opfern, um etwas zu bekommen, eine Gegenleistung. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Reaktion meiner Konfirmanden, wenn wir die Geschichte von Abraham lesen, der seinen Sohn Isaak „opfern“ will, um damit das Wohlwollen Gottes zu bekommen. Manche der Konfirmanden sehen darin ihr eigenes Gottesbild, ihre Vorstellung von Gott bestätigt: Gott „verlangt Opfer“, droht uns mit Strafe, zumindest aber stellt er uns auf die Probe. Wir sind bereit „Opfer“ auf uns zu nehmen, unglaubliche Anstrengungen zu unternehmen, um erlöst zu werden, um uns selbst zu erlösen.

Das alles ist doch so weit weg von Karfreitag. Die Passionszeit und alles was wir damit verbinden, hat darin keinen Platz. Das Kreuz Christi, das Kreuz in der Welt, wird in diesen Kirchen nicht gepredigt, es existiert einfach nicht, es ist ihnen ein Ärgernis, steht ihnen im Weg. Und das ist auch verständlich, schliesslich weist die Predigt vom Kreuz  auf eben jenen der da hängt...

Dennoch, ob es diesen Hohepriestern passt, oder nicht...

am Kreuz kommt niemand vorbei

Ich muss wieder an den alten Priester denken, an seine Gekreuzigten, an die schmerzverzerrten Gesichter, die verdrehten und gekrümmten Körper, zerschundenen Glieder, die tonlosen Schreie: „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“. Wie würden seine Bilder heute aussehen?, welche Gesichter, welche Menschen? Und dann blättere ich in seinem Buch. Ein Jugendlicher aus einem Armenviertel, die Drogen haben seinen jungen Körper ausgezehrt, seine Augen blicken in eine nicht vorhandene Zukunft. Auf einem anderen Blatt sehe ich eine Frau, die vergeblich bei der Polizei Zuflucht und Hilfe vor ihrem prügelnden Mann sucht. Ein alter Mann sucht nach etwas Essbarem in einem Container hinter einem Restaurant. Nach einer Sitzung in Kirchenangelegenheiten gehe ich durch die Strassen von Buenos Aires. Es ist Winter, kalt und feucht. In einem Hauseingang sehe ich, zusammengekauert und in alte Decken gehüllt, eine Mutter und ihre vier kleinen Kinder. Auch dieses „Bild“ ist in seinem Buch...

Vielleicht entdecke ich auch Bilder aus anderen Weltgegenden, aus Syrien und dem Irak. Zerschossene Häuser, Menschen auf der Flucht, in Panik. Umherirrende Kinder die ihre Eltern suchen, vergeblich. Jugendliche, Kinder, mit Waffen ausgerüstet, bereit den Heldentod zu sterben.

Ja, das Kreuz ist überall, kennt keine Grenzen, keine kulturellen oder gesellschaftlichen Unterschiede.

Einmal hat man mir vorgeworfen, ich würde Jesus zu vermenschlichen, schliesslich sei er Gottes Sohn. Ja, das ist nur zu verständlich. Diese Abwehrhaltung gegen Schwäche und Angst, Dunkelheit und der abgrundtiefen Verzweiflung, diese Verdrängung der Schmerzen, der Verlassenheit..., der leidende Gott, der schreiende, verlassene Gott, verbannt in die hinterste Ecke unsere Vorstellung, eingewickelt in dogmatische Lehrsätze, da kann er keinen Schaden mehr anrichten. Dennoch, an den Tränen und den Schreien dessen, den der Verfasser als Gottes Sohn und einzigen Hohepriester beschreibt, können wir uns nicht vorbeimogeln.

Passionszeit: eine Gruppe Gemeindeglieder trifft sich abends, nach getaner Arbeit, zu einer Passionsandacht. Ich schaue in müde Gesichter und frage mich, was sie wohl dazu bewogen hat, zu dieser späten Stunde hierher zu kommen. Ich weiss, dass die meisten, um über die Runden zu kommen, zwei Jobs haben. Jeder bringt einen Gegenstand mit, der für ihn sein persönliches Kreuz symbolisiert. Wir legen diese Dinge auf den Boden und formen daraus ein grosses Kreuz. Da sehe ich einen kleinen Stein von dunkler Farbe, ein gefaltetes Blatt Papier, ein Brief wohl, eine grobe und auseinandergerissene Kette, ein paar Fotos, eine kleine Kerze ohne Flamme, auch ein einfaches Holzkreuz liegt da auf dem Boden, dann legt ein älterer Mann einen alten verrosteten Nagel auf den Boden.

Ich lade die Anwesenden ein, die Geschichte ihrer Kreuze zu erzählen. Eine Frau nimmt den zusammengefalteten Brief, es ist der Abschiedsbrief ihres Mannes, der sich vor vielen Jahren das Leben nahm: „dieser Brief erdrückt mich fast, manchmal kann ich kaum noch atmen. Ich werde ihn tragen, solange ich lebe und mit jedem Tag wird er schwerer.“ Mich interessiert die Kette, möchte gerne wissen, was sie bedeutet. Eine jüngere Frau, sie ist noch nicht lange in der Gemeinde, sagt: „ich war gefangen in meiner Ehe, angekettet, habe alles erduldet. Er hat mich geschlagen, anfangs nur ab und zu, dann immer öfter. Meine Mutter sagte ich müsse einfach mehr Geduld mit ihm haben. In meiner vorigen Gemeinde sagten sie mir ich sei zu rebellisch, müsste mich unterordnen, schliesslich ist der Ehemann das Haupt der Familie. Bis ich dann jemanden aus dieser Gemeinde kennenlernte. Er hat mich eingeladen und dann habe ich einen ganz anderen Jesus entdeckt, einen Jesus der mit mir leidet. Ich nahm allen Mut zusammen, ging zu einer Anwältin und jetzt habe ich die Kette zerbrochen. Die Kraft dies zu tun habe ich vom Kreuz bekommen...“

Diese einfachen Leute haben es „er“griffen: Jesus am Kreuz ist keine Erfolgsgeschichte. Gott übergab sich selbst den Menschen, der Welt, ohne Sicherungsseil und Netz. Die ganze grausame Macht ist über ihn hereingebrochen, verlassen von den Seinen, verlassen von sich selbst. Nur so, das Ende durchschreitend, war Erlösung möglich. Der Mensch Jesu ist der Sohn Gottes. Der um Rettung fleht („Vater, es ist dir alles möglich. Nimm diesen Kelch von mir, doch nicht , was ich will...“), ist der, der als Retter gepriesen wird. Der sich schlagen und töten lässt, ist der, der sich ganz Gott anvertraut, der ihn vom Tod erretten kann. Wo ist Gott? Dort hängt er, am Kreuz! Im Flehen und Schreien, in der absoluten Verlassenheit senkt sich die Dunkelheit auf ihn herab. Das ist Gottes Geschichte: so weit, so tief lässt er sich fallen. Der, der Mensch war in seiner Angst und Gottesangst, wird zum Gott in gänzlicher Hingabe, zum Urheber des ewigen Heils.

Dieses Geheimnis lässt sich nur im Glauben ergreifen. Er verbindet die Leidenden und Schreienden mit dem, der für sie litt und weinte und nach Gott schrie. Weil er uns so nah ist und bleibt, rufen und beten wir ihn an.

Amen.

 

Perikope
13.03.2016
5,7-9

Gehorsam - Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Sibylle Reh

Gehorsam - Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Sibylle Reh
5,7-9

Gehorsam

Ich möchte mit der Geschichte von zwei Juristen beginnen.

Bei einem damals jungen ehrgeizigen Juristen reichten die Noten des 2. Staatsexamens nicht ganz, um Richter zu werden, sein ursprünglicher Lebenstraum. Aber in einer Kanzlei, in der er seit seiner Studentenzeit gearbeitet hatte, hatte er auch Kontakte geknüpft, die ihm auf eine andere Weise beruflich weiterhalfen. Er machte nun Karriere in einer Firma. Zwar wusste der junge Jurist, dass die Geschäfte dieser Firma unseriös waren, aber er machte trotzdem mit. Er versuchte, an Kundengeld zu retten, was zu retten war. Diejenigen, die die Firma mit dem unseriösen Geschäftsmodell gegründet hatten, brachten vorsichtig ihr veruntreutes Kundengeld in Sicherheit und zogen sich allmählich zurück. Und als das ganze Unternehmen zahlungsunfähig war und die Staatsanwaltschaft vor der Tür stand, da stand der inzwischen nicht mehr junge Jurist ganz allein da. In den 15 Jahren bei der Firma hatte er allerdings nicht wenig verdient und folglich nicht schlecht gelebt.

Ein anderer Jurist hatte ein nicht ganz so gutes Examen und weniger Beziehungen. Trotzdem fand er eine Stelle als Jurist bei einem Unternehmen in einer anderen Stadt. Er hatte kein Einserexamen, aber er brauchte nicht lange, um zu kapieren, welche Art Geschäfte das Unternehmen machte und was von ihm erwartet wurde. Und er wollte da nicht mitmachen. Er kündigte wenige Wochen nach Antritt der Arbeitsstelle, packte seine Sachen und zog in seine Studentenbude zurück. Als die Staatsanwaltschaft vor der Tür stand, konnte sie ihm nichts vorwerfen, auf keinem belastenden Papier der Firma fand sich seine Unterschrift. Nun arbeitet er als selbständiger Anwalt. Er vertritt Kleinunternehmer bei ihren Streitigkeiten mit den Behörden -fast alles Fälle, die nicht viel Geld einbringen, weil der Streitwert gering ist.- Seine Anwaltspraxis liegt in einem Hinterhof im Souterrain. Es gibt kein schickes Vorzimmer und keine Rechtanwaltsgehilfin. Und das Geld für die Miete der Kanzlei und für seinen Lebensunterhalt erwirtschaftet er nicht durch die Kanzlei, sondern dadurch, dass er nachts Taxi fährt.

Übrigens, derjenige, der Karriere mit einem nicht ganz seriösen Geschäftsmodell gemacht hatte, wurde letztlich vor Gericht freigesprochen, und sein Haus konnte er auch retten. Der andere ist immer noch tagsüber Rechtsanwalt, nachts Taxifahrer. Wer von beiden ist nun ein tragischer Held, wer ein Versager? Was sagen Sie, was sagt die Mehrheit der Gesellschaft?

Der Predigttext:

Hebräer 5,7-9 Und er (sc. Jesus) hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.

Heldentum und Märtyrertum werden bei uns meist nicht gewürdigt, wenn sie mit wirtschaftlichem oder sozialem Abstieg verbunden sind. Um wieviel weniger wird dann Gehorsam gegenüber Christus von irgendjemandem in der Welt geschätzt.

Und doch gibt es in diesem Land Tausende, die tun, was sie für ihre Pflicht halten, aus Gehorsam gegen über Jesus, oder, wenn sie weniger religiös sind, aus Gehorsam gegenüber der Pflicht, die sie verspüren, ohne Dank zu erwarten. Ich denke da zum Beispiel an viele der Helfer in Flüchtlingsheimen, von denen einige von ihrer Umgebung bestenfalls Unverständnis, schlimmstenfalls Spott und Bedrohung erfahren.

Albert Schweitzer erinnert sich an seine Jugendzeit: „Ein Jude aus einem Nachbardorfe, Mausche genannt, der Vieh- und Länderhandel trieb, kam mit seinem Eselskarren zuweilen durch Gimsbach. Da bei uns damals keine Juden wohnten, war dies jedesmal ein Ereignis für die Dorfjungen. Sie liefen ihm nach und verspotteten ihn. Um zu bekunden, daß ich anfing, mich als erwachsen zu fühlen, konnte ich nicht anders, als eines Tages auch mitzumachen, obwohl ich eigentlich nicht verstand, was das sollte. So lief ich mit den andern hinter ihm und seinem Esel her und schrie wie sie: « Mausche! Mausche! » Die Mutigsten falteten den Zipfel ihrer Schürze oder ihrer Jacke zu einem Schweinsohr zusammen und sprangen damit bis nahe an ihn heran. So verfolgten wir ihn vors Dorf hinaus bis an die Brücke. Mausche aber, mit seinen Sommersprossen und dem grauen Bart, ging so gelassen fürbaß wie sein Esel. Nur manchmal drehte er sich um und lächelte verlegen und gütig zu uns zurück. Dieses Lächeln überwältigte mich. Von Mausche habe ich zum ersten Male gelernt, was es heißt, in Verfolgung stille schweigen. Er ist ein großer Erzieher für mich geworden.

Von da an grüßte ich ihn ehrerbietig. Später, als Gymnasiast, nahm ich die Gewohnheit an, ihm die Hand zu geben und ein Stückchen Wegs mit ihm zu gehen. Aber nie hat er erfahren, was er für mich bedeutete. Es ging das Gerücht, er sei ein Wucherer und Güterzerstückler. Ich habe es nie nachgeprüft. Für mich ist er der Mausche mit dem verzeihenden Lächeln geblieben, der mich noch heute zur Geduld zwingt, wo ich zürnen und toben möchte.“ (Albert Schweitzer: Aus meiner Kindheit und Jugendzeit)

Albert Schweitzer ist selber für viele Vorbild geworden. Er hat mehr Anerkennung als Ablehnung erfahren. Aber viele andere haben nicht so viel Glück und tun trotzdem was sie tun müssen.

Ich denke, es ist besser, die Menschen an den Werten zu messen, für die sie einstehen, denn an ihren Erfolgen.

Liebe Gemeinde, in dem Text des Hebräerbriefes geht es nicht nur um Gehorsam und Leiden, sondern auch um Leiden und Gebetserhörung. „ Und er (sc. Jesus) hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt.“

Eine sehbehinderte Freundin sagt mir einmal, wenn sie in eine freikirchliche Kirchengemeinde komme, achte sie zunächst einmal darauf, wie denn der Umgang mit Behinderten in der Gemeinde sei.

In nicht wenigen Gemeinden wird versucht, kranke und behinderte Menschen durch Gebet und Handauflegung zu heilen. Wenn dies nicht möglich ist, sehen sie die Ursache in einer Sünde oder im mangelnden Glauben des Kranken oder Behinderten. Das heißt, wer unheilbar krank oder behindert ist, muss sich auch noch vorwerfen lassen, sündig oder kleingläubig zu sein. Liebe Gemeinde, nicht nur der Text des Hebräerbriefes, auch andere Bibelstellen besagen aber, dass Leiden zum Leben und auch zum christlichen Leben da zugehört.

Christentum ist nicht populär in dieser Zeit und an diesem Ort –auch wenn etliche gerne wieder den Begriff des christlichen Abendlandes im Mund führen-, und da gibt es Marketing- Experten, die sagen, das liege daran, dass in der Kirche oft die Sorge um Alte, Kranke Außenseiter, in Jugendsprache „Opfer“, in den Vordergrund gestellt werde und weniger „Siegertypen“ präsentiert würden. Nun, dass ist nun einmal so. Mose hat gestottert, und Paulus litt an einer unheilbaren Krankheit, möglicherweise Epilepsie. Jesus litt nicht an Krankheiten, aber er starb unschuldig den Tod eines Verbrechers am Kreuz. Mehr „Opfer“ sein geht gar nicht.

Liebe Gemeinde, leicht ist es nicht, was uns der Predigttext heute zumutet.

Gehorsam, Leiden und Demut, fallen auch mir nicht leicht.

Und dennoch haben wir Christen einen großen Vorteil: Wir müssen nicht vollkommen sein, nicht vollkommen in den Augen der Welt und auch nicht vollkommen in der Demut.

Christus ist ja gekommen um, uns zu erlösen. Wir sollen ihm nachfolgen, wir müssen aber nicht selber Christus sein. Christus ist gekommen, um uns unsere Sünden zu vergeben. Welchen Sinn hätte das, wenn wir Vergebung nicht, und nicht immer wieder neu, nötig hätten?

Perikope
13.03.2016
5,7-9

Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Inke Raabe

Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Inke Raabe
5,7-9

Liebe Gemeinde, es soll heute um Gehorsam gehen. Und weil das so ein schwieriges und unangenehmes Thema ist, lassen Sie mich mit einer Geschichte beginnen.

Meinem Sohn musste ich Gehorsam relativ früh beibringen. Viel zu früh, wie ich fand, denn ich war eine liberale Mutter, und wollte meinem Kind erlauben, aus Fehlern zu lernen. Marten konnte sich darum in der kleinen Studentenwohnung frei bewegen. Und dieses Kind war unglaublich beweglich, sobald er krabbeln konnte rasend schnell und mit einem absolut sicheren Instinkt für alles, was verboten und gefährlich ist. Darum hatte ich, was er nicht haben durfte, weitestgehend hochgestellt, und die Gefahrenquellen so gut wie möglich eliminiert. Wäre da nur nicht dieser Herd gewesen! Ein uraltes Teil, ein schreckliches Ding aus den 1950er-Jahren mit Schaltern, die sich perfekt in Kinderhände fügten und einem Backofen, der von außen genau so heiß wurde wie von innen.

Sie kennen dieses Alter, in dem kleine Kinderhände fast alles erreichen können, was sie wollen, aber die kleinen Kinderhirne noch nicht in der Lage sind, Verbote zu verstehen und Gehorsam umzusetzen. Zunächst konnte ich noch einfach die Küchentür schließen, um dem Lütten den Zugang zum Herd zu verwehren. Aber das war nur eine kurze Zeit. Bald zog er sich am Türrahmen hoch, stellte sich auf Zehenspitzen und verschaffte sich Zugang zu dem verbotenen Ort, der ja außerdem oft verführerisch roch.

Da musste ich bei einem grade mal Einjährigen mit der Gehorsamkeitserziehung anfangen. Zunächst versuchte ich es mit Erklärungen. „Das ist heiß“, sagte ich und tat so, als würde ich mich selbst an der Platte verbrennen, auch wenn der Ofen gar nicht an war.  „Heiß! Aua!“ Das machten wir mehrmals täglich. Und so wurde neben „Mama“ und „Auto“ das Wort „heiß“ zu den wichtigsten in seinem noch so jungen Leben.

Bald schon versuchte er es nachzusprechen. „Eiiis?“, fragte er und zeigt auf den Herd. „Ja, heiß. Vorsichtig!“ „Eiiss. Aua.“, sagte er brav. Zweite Stufe des Plans war ein scharfes „Nein!“, wenn der Junge sich – unvorsichtig oder mit Absicht – dem Ofen doch nähern sollte. Das bekam er sonst nicht oft zu hören, ein so klares Nein. Er zuckte immer richtig zusammen und begriff schnell, dass „Nein!“, „heiß“ und „Aua“ irgendwie zusammengehören. Das arme Kind war bald völlig konditioniert und zeigte, schon wenn es den Herd von weitem sah, kopfschüttelnd mit ausgestrecktem Finger und angewidertem Blick auf die Abdeckung. „Eiiis?“ „Ja, Marten, der Herd kann heiß sein. Nicht anfassen.“

Ich erzähle Ihnen das, liebe Gemeinde, weil ich meine, dass die Rede vom menschlichen Gehorsam Eckparameter braucht. Gehorsam ist sinnvoll, wenn er der Gefahrenabwehr dient. Gehorsam ist nur dem möglich, der vertraut. Gehorsam ist ein Prozess, ein Lernprozess. Darauf brachte mich der Predigttext für den heutigen Sonntag.

Hört mit mir Worte aus dem Hebräerbrief, Kapitel 5.

Als er auf Erden lebte, hat Christus mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden und wurde von Gott angeredet als «Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks».

Christus hat durch Leiden den Gehorsam gelernt. Das ist ein schwerer Satz, besonders auf dem Hintergrund meines Einstiegs. Ich hab ja vermeiden wollen, dass mein Sohn durch Leiden lernen muss. Ich hab ihn Gehorsam gelehrt, damit er sich nicht die Finger verbrennt. Bei Christus scheint das anders zu sein. Als ob sein Leiden einen Sinn gehabt hätte, als ob das alles so hat sollen sein – und so meint es der Hebräer auch.

„Unter lautem Schreien und unter Tränen“ – Jesus hat bitterlich geweint im Garten Gethsemane, er hat gebetet, dass der Kelch an ihm vorübergehen möge. Er hat gelitten in jener Nacht, alleingelassen von den Jüngern, verraten vom Freund, Aug in Aug mit dem Tod. „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“, sagt er am Ende seines Ringens, als er schon die Waffen der Schächer klirren hört. Er fügt sich in den Willen Gottes. Er wird gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.

Wie eine Grundschule des Gehorsams klingt auf diesem Hintergrund die Geschichte von der Versuchung Jesu in der Wüste. Dorthin zieht er sich zu Beginn seines Wirkens 40 Tage lang zurück. Vier Mal bietet ihm der Teufel ein leichtes, schönes, reiches Leben, jedes Mal weist ihn Jesus entschieden zurück. Er gehorcht Gott mehr als den Menschen, das macht er gleich zu Beginn deutlich.

Und auch die letzten Tage: Er hätte nicht nach Jerusalem gehen müssen, damals zum Passah. Er wusste, dass die Stadt gefährlich war. Er wusste, dass sie ihm nach dem Leben trachteten. Jesus ging bewusst den Weg ans Kreuz. Er gehorchte Gott. Und noch im Sterben vergibt er denen, die ihm Böses taten. „Sie wissen nicht, was sie tun“, sagt er. Und gehorcht damit Gott, der ihm gebot, zu lieben. Immer wieder verweist er auf den, der ihn gesandt hat. Immer wieder verweist er auf Gott, auf einen Gott, den wir Vater nennen dürfen.

Es ist ein dickes, theologisches Brett, das der Hebräerbrief hier bohrt. Er verbindet die Rede vom Gehorsam Jesu mit einer Theologie des Hohepriestertums und verwendet dafür alttestamentliche Bilder, die wir uns mühsam erarbeiten müssen. Es geht ihm dabei um Stellvertretung. Der Hebräer will predigen, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, sondern dass Christus für uns eintritt und an unserer statt handelt und leidet. An unserer statt wird Christus zum Hohepriester, zum Mittler. An unserer statt lernt er gehorsam bis zum Tod, damit wir durch ihn das Heil finden.

Ich muss zugeben: Ich hab nie viel von Gehorsam gehalten - sehr zum Leidwesen meiner armen Eltern übrigens. Ich musste jedes Gebot prüfen, jede Grenze überschreiten, jedes Widerwort riskieren, jedes Gesetz infrage stellen. Das hat meinen Lebensweg nicht leichter gemacht, es war immer der des größtmöglichen Widerstands. Aber so war das nun, und so ist das manchmal immer noch. Ich tue mich unheimlich schwer mit Uniformen und Hierarchien, ich würde in einem System gebellter Befehle wahrscheinlich nicht funktionieren. Gehorsam, das klingt für mich nach Abhängigkeit und Gewalt, nach Strafe und Streit. Gehorsam, das klingt nach Militär und Mittelalter, nach Drill und Druck. Ich tue mich schwer mit diesem Predigttext, der Jesus zum Vorbild im Gehorsam erhebt. Er war für mich eigentlich immer ein Vorbild im Widerstand. Ich tue mich auch schwer damit, dass Jesus trotz seines Gehorsams leiden muss. Das ist theologisches Schwarzbrot für mich, es will nicht so recht lustvoll in meine Seele dringen.

Denn dem Predigttext geht es tatsächlich um Hierarchien, um Unterordnung – und in dem Zusammenhang ist die Rede vom Gehorsam Christi zu verstehen. Christus ist unser Hohepriester, schreibt der Hebräerbrief. Hohepriester kann nur sein, wer sich selbst ganz in den Dienst Gottes gibt. Aber Christus ist noch mehr: Er ist ein Hohepriester der ersten Ordnung, der Ordnung Melchisedeks. Und das ist schon fast eine Ungeheuerlichkeit: Melchisedek war priesterlicher König zur Zeit Abrahams. Und die Bibel erzählt, dass Abraham, der Urvater des jüdischen Glaubens, ihm Steuern gezahlt habe, sich ihm also freiwillig unterordnete. Ebenso muss sich, wenn es nach dem Hebräerbrief geht, der alte Bund, für den Abraham steht, dem neuen Bund unterordnen müsse, weil Christus Nachfolger Melchisedeks sei, von Gott selbst eingesetzt und berufen, uns zum Heil.

Ich will noch einmal auf den Anfang zurückkommen: Ich musste Mutter werden, um zu verstehen: Mein Kind muss mir im Notfall gehorchen, damit ich es sicher durch das Leben führen kann. Es muss mir vertrauen können. Darum muss ich für mein Kind Autorität sein und bleiben. Und in seinem Heranwachsen entdeckte ich, was für ein mühsamer Prozess es ist, zwischen Widerstand und Ergebung jeden Tag neu zu entscheiden, ob die Autorität noch trägt, ob das Verbot noch gilt und ob der Gehorsam noch schützt.

Und ich erinnere an die Eckparameter menschlichen Gehorsams: Gehorsam ist sinnvoll, wenn er der Gefahrenabwehr dient. Gehorsam ist möglich, wo Vertrauen ist. Gehorsam ist ein Prozess, ein Lernprozess.

Ich glaube und bekenne, dass Gott keinen blinden Gehorsam fordert. Ich habe Gott nie als Befehlenden oder Herrschenden erlebt. Vielmehr ist er für mich wie ein guter Vater und eine gute Mutter. Er will Böses abwenden, er eröffnet einen Lebens-Lern-Raum voller Vertrauen und er bringt seine Menschenkinder am Ende ans Ziel eines erfüllten Lebens und eines seligen Sterbens. Ich bin sicher, dass er Schaden von uns abwenden will, indem er uns seine Gebote gibt. Ich vertraue darauf, dass er wie ein guter Vater meine Widerworte erträgt, mein Ausreißen duldet und sogar meine durch Ungehorsam entstandenen Fehler wieder gutmachen will.

Jesus lernt an meiner statt Gehorsam, er geht mir voran. An unserer statt lernte er Liebe bis zum Tod, damit das Böse unsere Herzen nicht vergiftet. An unserer statt lernt er Vertrauen bis in den Tod, damit Zweifel uns nicht vernichten. An unserer statt stirbt er den Tod am Kreuz, damit wir in Kreuz und Leiden nicht verloren gehen.

Amen.

 

Perikope
13.03.2016
5,7-9

Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Joachim Hempel

Predigt zu Hebräer 5,7-9 von Joachim Hempel
5,7-9

Wenn Mensch von 'Ewigkeit' redet, ist – erfahrungsgemäß - Vorsicht angezeigt,
das gilt beim Versprechen ewiger Liebe genauso wie beim Drohen mit ewiger Verdammnis, und besonders aufpassen müssen wir, wenn von Erinnerung die Rede, die 'immer und ewig' währen soll: 'Wir werden ihm oder ihr eine immer währende Erinnerung bewahren.'

Ewigkeit entzieht sich in einer Welt, die ihre Zeitlichkeit in ständig ablaufenden Uhren oder endenden Lebensphasen misst, und die sich meisterhaft darauf versteht, die Endlichkeit von Raum und Zeit aus dem persönlichen Leben zu verdrängen, - Ewigkeit entzieht sich wahrlich jedes Zugriffs.

Gut so, möchte man angesichts menschengemachter Katastrophen und Schrecknisse sagen, - gut so, dass Syrien und Schlepperbanden, Korruption und FIFA-Doping mal ein Ende haben und bloß gut, dass der Mensch ganz im Allgemeinen nicht auch noch in Ewigkeit so weitermachen kann, wie er oder sie es in Raum und Zeit jetzt schon tun.

Und wer in Geschichte und Geographie – diesen 'weichen Schulfächern' – nicht mangelhaft hatte, der weiß, das 'Ewige Reiche', 'ewige Machthaber' meist nach 12 Jahren oder ähnlich kurzen Zeitspannen verschwanden.

Wenn ich, wo auch immer, das Wort 'ewig' aus Menschenmund höre oder in Menschentexten lese, geht automatisch eine gelbe Warnlampe an: Vorsicht, Vorsicht! Unser biblischer Text macht da keine Ausnahme, wenn er gar vom 'ewigen Heil' spricht. Und ich ertappe mich dabei, wie ich auch das Wort 'Heil' nicht zusammenhanglos lesen und hören kann:Zuviel Schindluder getrieben, zu
viele leere Versprechungen gemacht, viel zu viele Tote säumen die Alleen der
Heil-versprochen-Habenden.

Gut, dass der Verfasser des Briefes zuvor beschreibt, von wem da die Rede ist:
von Jesus, dem Christus, dem Sohn, der sich nicht zu schade war, vor der Welt und den Alleswissern, Allesforderern, Allesversprechern, Alleskönnern seiner Tage zu schanden zu werden und der unter Schreien und Tränen litt für die gute Sache Gottes unter den Menschen. Gut, dass der Verfasser des Briefes etwas davon weiß, dass die Antwort Gottes auf Verfolgung, Schande und Tod am Kreuz der Ostermor-
gen ist, den er ihm bereitet hat.

Da, wo die Herrscher über Leben und Tod und Beherrscher der Zeit – auch oft genug der Lebenszeit anderer – meinten, Tod und Grab und dicke Steine drauf würden dem Ganzen um diesen Jesus ein Ende bereiten, da führt der Schöpfer des Lebens einen Ostermorgen herauf und schenkt dem Leben den Sieg über den sich so mächtig und ewig brüstenden Tod!

Hier gründet der Glaube der Christen: Wir sind ja nicht die 'Jesus-von-Nazareth Gedächtnis-Stiftung', die sich jährlich zur Hauptversammlung trifft, um dem Stifter ein 'ewig währendes Andenken' zu bewahren und seine großen Taten zu würdigen und die Zinserträge seines Vermächtnisses auszuschütten; - wir sind die Gemein-schaft der Hoffnungsträger Christi, deren Botschaft lautet, mit dem Tod ist nicht alles aus und vorbei; wir sind die, die den Mächtigen über Zeit und Raum auf Erden sagen: 'Eure Herren gehen, aber unser Herr kommt!'

Die Schrecken dieser Welt, die Trostlosigkeiten und Ungerechtigkeiten, Schuld und Versagen sind noch nicht alles: Die Ewigkeit behält Gott sich selbst vor und diese Ewigkeit ist nichts, wovor Mensch sich fürchten müsste, denn in Jesus Christus haben wir ein Angeld auf das Heil Gottes: Schaut auf diesen Jesus, und ihr versteht, was Gott meint, wenn er vom guten Leben spricht, - schaut auf diesen Jesus in Schimpf und Schande, unter der Last des Kreuzes, das Menschen ihm aufbürdeten, zusammenbrechend, am Kreuz unter Schmerzen sterbend, - schaut auf den ins Grab Gelegten: Und dann hört, was Frauen am dritten Tag am Grab erfahren und nach anfänglichem Schock gar nicht mehr für sich behalten können: Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Hier tritt Gottes Heil in unsere unheiligen Verhältnisse und pflanzt die Hoffnung, die schon jetzt im Glauben und in der Liebe Frucht bringt.
Ja, alle, die ihm, diesem Jesus folgen, beten mit ihm: Dein Reich, Vater unser im Himmel, komme! Und dann werden die Reiche dieser Welt der Vergangenheit angehören.

Amen.
 

Perikope
13.03.2016
5,7-9

KONFI-IMPULS zu Hebräer 4,14-16 von Stefanie Bauspieß

KONFI-IMPULS zu Hebräer 4,14-16 von Stefanie Bauspieß
4,14-16

„Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“

Den Konfis wird die Bibelcloud aus Martin Wolters „Bibelclouds – Die Bibel anders sehen“ S. 147 zum Hebräerbrief gezeigt. Sie sollen ihre Eindrücke schildern, sich jede und jeder ein Wort heraussuchen und es für sich behalten, während eine kurze Einleitung anhand des Textes auf S. 146 zum Hebräerbrief gegeben wird. Danach wird gemeinsam der Predigttext laut vorgelesen.  Zusammen mit den Konfis werden nun die wichtigen Schlagworte des Textes gesammelt:

Schlagworte des Textes sammeln (z.B.):

  • Jesus, Sohn Gottes
  • Bekenntnis
  • Mitleiden
  • Versucht werden
  • Ohne Sünde
  • Hinzutreten
  • Barmherzigkeit und Gnade empfangen

Die Konfis werden in Kleingruppen eingeteilt und erhalten je einen dieser Begriffe, je nach Gruppengröße auch zwei pro Gruppe oder jeder Begriff doppelt. Die Gruppen erhalten DIN-A4 Zettel und sollen nun zu ihrem Begriff eine eigene Cloud erstellen. Dazu sollen sie ihre eigenen Assoziationen und Worte verwenden, die ihnen zu ihrem Begriff einfallen. Sie sollen dabei miteinander ins Gespräch kommen, jedoch sollte die Zeit auf etwa 10 Minuten begrenzt werden. Bibeln, Gesangbücher … dürfen benutzt werden! Danach kommen die Konfis zusammen, stellen ihre Clouds vor und erklären ihre Begriffe.

  • Bei uns waren das: Jesus, Sohn Gottes: Weihnachten, Teufel, Kreuz, Pontius Pilatus, Jünger, Vater, Gott, Auferstehung, Sünde, Bibel, Tod, Taufe
  • Bekenntnis: Wahrheit, Glaubensbekenntnis, schwören/versprechen, Gott, Christentum, für immer, glauben, Bibel, „Grundschullehrer“
  • Mitleiden: Beerdigung, Drogenabhängige, Krankenhaus, Trauer, Arme, Schmerzen, Arbeitslose, Liebe, Krankheiten, Behinderung
  • Versucht werden: In Versuchung geführt werden, Versuchung, nicht in Versuchung geführt werden, Vaterunser, in Versuchung führen, Gott
  • Ohne Sünde: Beichtstühle, unfallfrei leben, Ablassbrief, fehlerlos leben, beichten, Kirche
  • Hinzutreten: hintreten, Konfirmation, zu etwas beitreten, Hochzeit, Taufe
  • Barmherzigkeit und Gnade empfangen: Verzeihen, Friede, Gott, Erleichterung

Es wird noch einmal verdeutlicht, dass es im Hebräerbrief um das Festhalten am Glauben geht. Welche Begriffe würden die Konfis aus ihren Clouds nun als Bestätigung für den Glauben sammeln? Darüber können die Gruppen je miteinander ins Gespräch kommen und ihre Wahl begründen. Eventuell können eigene Geschichten erzählt werden, die mit Glauben, Bestätigung oder Zweifel zu tun haben. Aus jeder Gruppe werden anschließend das Schlagwort und zwei Begriffe ausgewählt und als gemeinsame Cloud (eventuell schon vorbereitet mit den Schlagworten) erstellt oder ergänzt. Schön wäre es, wenn das Glaubensbekenntnis schon behandelt wurde, nun Elemente des Glaubensbekenntnisses auszuwählen und auf der Cloud mit einer anderen Farbe zu ergänzen.

Im Gottesdienst können sowohl die Clouds der Konfis eine Rolle spielen und aufgehängt werden als auch die große gemeinsame Cloud. Sie kann als Ausgangspunkt für die Predigt genommen werden: Welche dieser Momente können uns im Glauben bestärken oder anfechten? Welche Rolle spielt das Bekenntnis in unserer Zeit? Der Text endet mit „wenn wir Hilfe nötig haben“ – welche Hilfe haben wir nötig und wie hilft uns der Glaube dabei? Manch einer braucht vielleicht Hilfe zum Glauben, zum Durchhalten; so wird die Situation bei den Hebräern auch gewesen sein. Einen schönen Bogen kann man zum Glaubensbekenntnis spannen:

Texte zu sprechen, die man kann und auswendig gelernt hat. Texte, deren Bedeutung sich vielleicht nicht auf Anhieb erschließt, aber immer wieder gesprochen werden, können uns gerade in Momenten des Zweifels und der Unsicherheit helfen. Sie können sich bewähren und gerade in solchen Zeiten Bedeutung für das eigene Leben erlangen.

Wenn es ein Gottesdienst um die Konfirmation herum ist, finde ich die Gedanken der Gruppe „hinzutreten“ sehr interessant: „Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ Die Konfis haben an viele Situationen gedacht, wo Menschen sich aktiv der Kirche zuwenden: Taufe, Konfirmation, Hochzeit - die Kasualien. Vielleicht ist die Verbindung gerade auf den Halbsatz „wenn wir Hilfe nötig haben“ weiterführend. Denn das ist der Moment, wo wir als Pfarrer das Mini-Bekenntnis von Hebräer 4, 14-16 deuten und erklären können. Dort können wir Menschen erzählen, dass Jesus auch ihnen beisteht. Interessant ist auch, dass bei Taufe, Konfirmation, Hochzeit das apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen wird. Im Blick darauf, wie wir Menschen im Glauben halten können, oder sie vom Glauben begeistern können, scheint mir die Verbindung von persönlicher Ansprache und Lebensdeutung (Kasualien) und Rückgriff auf geprägte Erfahrung und Worte (Bekenntnis) ein bekannter und guter Weg – umso interessanter, dass Konfis ihn aus solch einem Text herauslesen!

Liedvorschläge: Wir glauben Gott im höchsten Thron EG 184; Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Feiert Jesus 4)

 

Perikope
14.02.2016
4,14-16

Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Claudia Trauthig

Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Claudia Trauthig
4,14-16

I. Versuchung!?

 „Versuchungen –

sollte man nachgeben.

Man weiß nicht,

wann sie wiederkommen.“

Dieses kecke Zitat -von dem irischen Dichter Oscar Wilde- hängt in Form einer kleinen Postkarte bei mir zuhause in der Küche, an der Familien-Pinnwand.

Auf dem dazugehörigen Bild ist ein äußerst appetitlich aussehendes Erdbeertörtchen mit prallen Sahnetupfern abgebildet.

Zögere nicht lang, wenn sich dir ein Sahneschnittchen bietet – sonst verpasst du vielleicht die Gelegenheit: Deine „Versuchung“.

Dazu fordern, so unmissverständlich wie augenzwinkernd, Karte (und Dichter) auf.

Liebe Gemeinde,

„Versuchung“ ist das Thema dieses Sonntags im Kirchenjahr.

Aber sein Ziel ist nicht uns zu lehren, wie wir Versuchungen unbeschwert nachkommen.

Im Unterschied zu den meisten Zeitgenossen, die „Versuchung“ mit Süßigkeiten, Kalorien verbinden, zielt dieser Sonntag in eine ganz andere Richtung…

Das hat uns vorhin bereits die Lesung des Sonntagsevangeliums (Mt 4, 1-11) vor Augen geführt.

Gegen jene Versuchungen, denen Jesus zu Beginn seines Lebenswerks widersteht, ist ein „Sahneschnittchen“ wahrhaftig reine Augenzwinkerei.

Aber –

um was kann es für uns heute gehen, wo wir weder dem „Leibhaftigen“ begegnen, noch vergleichbar dramatisch verlockende Angebote bekommen…?

(…)

Ich denke an Luzie:

Luzie ist 11 Jahre alt und ein ganz normales Mädchen.

Eigentlich kommt sie mit allen gut aus -

nur auf manche in ihrer Klasse ist Luzie (etwas) neidisch… Die haben irgendwie immer „coole“ Klamotten und Sachen.

Auch Antonia - Luzies allerbeste Freundin…

Antonias Eltern sind „richtig reich“.

Ihr Haus ist riesig, und vor der Tür stehen zwei Porsche.

Antonias Mama ist nett, ein bisschen zerstreut, denkt Luzie manchmal, wenn Frau Berger vergisst, die Mädchen pünktlich ins Ballett zu fahren.

An diesem Donnerstag wäre das auch fast passiert.

„Toni, Luzie, beeilt euch, ich geh schon zum Auto, sonst kommen wir zu spät.“

Während Antonia ihren Ballettbeutel sucht, springt Luzie noch schnell auf die Toilette.

Gegenüber, auf der Kommode im Flur, liegt alles Mögliche rum.

Als Luzie vorbeigeht, sieht sie einen dicken Geldbeutel und erkennt einen 50.-€- Schein, der ein Stück weit herausragt.

Komm, greif einfach zu, fährt es ihr durch den Kopf:

Das merkt hier doch keiner.

Ich denke an Markus.

Markus ist Ende 30 und seit Jahrzehnten begeisterter Karnevalist.

Die fünfte Jahreszeit ist einfach seins.

Das ganze Jahr freut Markus sich darauf,

endlich wieder mit den anderen aus seinem Verein die Wochenenden unterwegs zu sein und Stimmung zu machen.

Ihre besondere „Spezialität“ ist die menschliche Pyramide.

Das gibt immer ein großes „Ooooooh“, wenn sie die aufbauen und halten.

Markus macht da schon länger nicht mehr mit, ist nicht unkompliziert und geht auf die Knochen.

Doch Tobi, der letztes Jahr unten rechts stand, studiert nun im Ausland, und Yannick, sein Ersatzmann, ist kurzfristig krank geworden.

„Mensch Markus, jetzt musst du noch mal ran. Du hast das noch drauf,… passiert schon nix. Dir doch nicht. Komm, sei ein Kerl und spring ein.“

Ich denke an Monika und Wolfgang.

Für diese Beiden, Jahrgang ´54, ging es eigentlich immer bergauf.

Von außen betrachtet stimmt bei Wolfi und Moni einfach alles:

Trotz der drei Kinder hat Moni ihren Wolfgang immer in der Firma unterstützt.

Jahre, Jahrzehnte lief es gut, immer besser.

Ihren Lebensstil konnten Wolfgang und Monika kontinuierlich nach oben fahren. Die Enkel strahlen über teure Geschenke oder Fernreisen mit Oma und Opa.

Aber –

seit einer Krise vor wenigen Jahren schwächelt die Firma. Die letzten Bilanzen fielen negativ aus, Rücklagen werden aufgebraucht.

Das kann doch nicht sein, denkt Wolfgang, da arbeitest du dein Leben lang und am Ende fressen ein paar Missgeschicke, Bankenpflichten, Steuern… alles auf?

Dieter, sein Schulfreund, „der alte Windhund“, den Moni nicht ausstehen kann, hat bestimmt eine Idee, wie man aus der Misere kommt.

Und Moni will doch auch nicht, dass die Kinder, Freunde, alle merken, dass nicht mehr alles Gold ist, was glänzt…?

Liebe Gemeinde,

Luzie, Markus, Monika und Wolfgang – Menschen wie Du und ich.

Menschen, die in Versuchung kommen…

Manchmal durch eine plötzliche Gelegenheit.

Manchmal durch riskante Selbst- oder Fremdüberschätzung.

Manchmal durch die Gier nach Macht, Reichtum, Bewunderung.

Manchmal durch Wüstenzeiten, vor denen kein Leben verschont bleibt.

II. Widerstand durch Vertrauen

Hören wir den Predigttext für den Sonntag Invokavit, aus Hebräer 4, die Verse 14-16:

Weil wir denn einen Hohenpriester haben,

Jesus, den Sohn Gottes,

der die Himmel durchschritten hat,

so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.

Denn wir haben nicht einen Hohenpriester,

der nicht könnte mitleiden mit unserer Schwachheit,

sondern der versucht worden ist,

in allem wie wir,

doch ohne Sünde.

Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht

zu dem Thron der Gnade,

damit wir Barmherzigkeit empfangen

und Gnade finden

zu der Zeit, da wir Hilfe nötig haben.

Erneut also auch heute ein Wort aus dem Hebräerbrief, der ja –wie wir schon mehrfach entdeckten- Bilder, religiöse Vorstellungen und Begriffe aus dem Judentum (um die Zeitenwende) aufgreift:

Dass wir einen „Hohenpriester haben“, (Jesus!) wird hier versichert,

der „die Himmel durchschritten“ hat (geboren, gekreuzigt und auferstanden ist),

damit wir am „Thron der Gnade“, „Barmherzigkeit“ und „Gnade finden“, wo wir „Hilfe nötig haben“.

Zweifellos sind das nicht nur schillernde Bilder, die in den Zusammenhang des Tempelkults gehören, sondern Bilder, die uns das Herz leicht machen – erst recht in Wüstenzeiten und Zeiten der Versuchung:

Ihr habt doch Jesus,

den Brückenbauer zwischen Erde und Himmel.

Im Vertrauen auf ihn

Bittet Gott um Hilfe, wo immer ihr es braucht,

Barmherzigkeit und Gnade werden Euch finden.

Nur eins bleibt wichtig:

Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis!“

Denn das Vertrauen in Christus ist der machtvollste Widerstand gegen alle Versuchung.

Liebe Gemeinde,

der namenlose Verfasser des Hebräerbriefs will seine Brüder und Schwestern vor der größten, schwersten Versuchung bewahren:

Der Versuchung, nicht mehr und nicht weiter mit dem Auferstandenen zu leben.

Der Versuchung, sein Leben nur sich selbst (und vielleicht den Seinen) zu leben, zu verantworten.

Der Versuchung, nur an sich selbst zu glauben, statt Gottes Gnade und Barmherzigkeit, Seine Hilfe zu feiern, daraus zu leben, darauf zu vertrauen, wenn Wüstenzeiten anbrechen…

„Meinen Erfolg habe ich mir schließlich hart erarbeitet.“

„Dass es bei mir zuhause stimmt, dafür habe ich auch viel getan.“

„Für meine Gesundheit tue ich schließlich auch was!...

Von nichts, kommt nichts.“

Der Hollywood-Regisseur Woody Allen hat in einer seiner beruflichen Sternstunden, als er einen Oscar, die größte Auszeichnung des Kinos, bekam, ganz anders festgestellt:

Ich danke ihnen allen für diesen schönen Preis, den ich nicht verdient habe -

aber auch meine Zuckerkrankheit habe ich nicht verdient.“ (Werkstatt für Liturgie und Predigt; 12/2015, 540)

Viele (auch wir?) hingegen machen für Glück, Erfolge, gelingende Beziehungen und Gesundheit sich selbst verantwortlich.

Unglück, Scheitern und Krankheit liegen an anderen, vor allem Gott, der nun nicht einmal „lieb“ sein kann, wo man ihn (ausnahmsweise!) braucht.

III. Dem Geheimnis des Lebens begegnen

Liebe Gemeinde,

wöchentlich, täglich (?) beten wir im Vaterunser:

Führe uns nicht in Versuchung“.

Zuerst und zuletzt ist es die Versuchung,

Gott nicht zu lieben, die Auferstehung Christi, sein Bekenntnis zu Dir und zu mir zu leugnen.

Ich weiß nicht, wie sich Luzie und Markus, Wolfgang und Monika entschieden haben…

Wir wissen nicht, was wir in diesen, ähnlichen oder noch weit schlimmeren Versuchungen tun würden.

In Wüstenzeiten oder auf dem Gipfel des Erfolges.

Keiner von uns könnte, wie Jesus im Evangelium des Sonntags, da ruhig und fest mit einem theologisch entwaffnenden Bibelwort antworten…

Aber

- das müssen wir ja auch gar nicht.

Es reicht schlicht: Vertrauen…

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück,

denn du bist bei mir.

Gott ist bei uns.

In Jesus Christus.

„Wir haben nicht einen Hohenpriester,

der nicht könnte mitleiden mit unserer Schwachheit,

sondern der versucht worden ist,

in allem wie wir,

doch ohne Sünde.“

Er hilft mir (und Luzie?) erkennen, dass Freundschaft und Liebe viel kostbarer sind als Geld.

Er hilft mir (und Markus?) begreifen, dass ich mir und anderen gar nichts beweisen muss, weil ich längst vollkommen anerkannt bin.

Er lässt mich (und Wolfgang mit Moni?)verstehen, dass kein Besitz dieser Welt am Ende von Wert ist, außer jener, mit dem Christus reich macht.

Passionszeit bedeutet: diesen geheimnisvollen Weg Jesu wieder neu mitzugehen:

Seinem radikalen Verzicht auf „Geld, Markt, Meinung“ zu begegnen.

Seinem unvergleichbaren Vertrauen in Gott und die Macht der Liebe.

Dem Sieg der verletzlichen Liebe über die Verletzungen durch Unmenschlichkeit, Gewalt, Tod.

Wir sind herausgefordert, christliche Werte nicht zu beschwören (womöglich sogar noch gegen andere!), sondern zu leben:

In jedem Menschen begegnest du dem lebendigen Gott.

Im Leidenden ist ER da.

Im Verfolgten, Missachteten, Vertriebenen… tritt ER dir in den Weg.

Gnade und Barmherzigkeit bleiben dir, in Christus, auf der Spur, was auch immer das Leben belastet, verdunkelt.

In allem, was du an Wüstennot, aber auch Oasenglück und Höhenrausch erfährst, bist du nicht allein.

Die Passionszeit, die durch Leid, Dunkel und Tod führt, mündet in das neue Licht des ersten Tages. In ihr findet sich die Wahrheit des christlichen Lebens.

Von Wolfgang und Moni, Markus und Luzie, Dir und mir.

Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht

zu dem Thron der Gnade,

damit wir Barmherzigkeit empfangen

und Gnade finden

zu der Zeit,

da wir Hilfe nötig haben.

Amen.

 

Perikope
14.02.2016
4,14-16

Da ist mehr als großer Hut und schöner heller Mantel - Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Heinz Janssen

Da ist mehr als großer Hut und schöner heller Mantel - Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Heinz Janssen
4,14-16

Da ist mehr als großer Hut und schöner heller Mantel

14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes,
der die Himmel durchschritten hat, so laßt uns festhalten an dem Bekenntnis.
15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der
versucht worden ist in allem, wie wir, doch ohne Sünde.
16 Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen
und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Lied vor der Predigt: „Gott liebt diese Welt“ (EG 409,1-3)

Liebe Gemeinde,

ein Kind fragte mich in der Religionsstunde, ob ich den großen alten Pfarrer kenne, der so oft im Fernsehen kommt. Ich stutzte einen Augenblick, weil ich nicht gleich verstand, wen das Kind meinte.

I.

"Weißt du", sagte das Kind, "der mit dem großen Hut und dem schönen hellen Mantel". Andere Kinder stimmten mit ein, und wir kamen ins Gespräch über Papst und Kirche und warum es überhaupt katholische und evangelische Christen gebe sowie katholischen und evangelischen Religionsunterricht. Ich erklärte den Kindern, dass dies ein Thema mit einer langen Geschichte sei und es bis heute darüber keine Einigkeit gebe, was es heißt, wie der Glaube angemessen zum Ausdruck gebracht werden solle. Ich erzählte den Kindern von jenem jungen Priester / Pfarrer und Theologieprofessor, Martin Luther, wie er um die Erneuerung / Reformation seiner, damals katholischen, Kirche rang und es, entgegen seiner Absicht, zur Spaltung der Kirche kam. Seither gebe es evangelische und katholische Christen. Warum die Evangelischen auch „Protestanten“ genannt werden, bedurfte noch einer Erklärung. Mir war dabei wichtig, die Kinder darüber zu informieren, daß es außer katholischen und evangelischen noch andere Christen gebe, auch andere Religionen, die ihren Glauben auf andere, uns vielleicht fremde Weise zum Ausdruck bringen.

Mit dem Bild der Familie verband ich vor meinen Schülerinnen und Schülern den Wunsch, alle Christen mögen sich stets von neuem auf ihre gemeinsame Herkunft besinnen: auf einen, der noch viel bedeutender sei als der, den sie im Fernsehen so bewunderten: auf Jesus, jenen Zimmermannssohn aus Nazareth. Zu solcher Besinnung lädt uns der Predigttext ein, Worte aus dem Hebräerbrief.

(Lesung des Predigttextes)

II.

"Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben", so beginnt der Briefauszug. Kurz zur geschichtlichen Einordung des Hebräerbriefes. Der Brief wurde etwa um 56 n.Chr. geschrieben, gewöhnlich wird der Brief später, etwa um 90 n.Chr. datiert). "Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus". Man muss das Engagement und die Leidenschaft dieser Worte mithören. Denn es ging darum, die Menschen damals in den noch jungen christlichen Gemeinden daran zu erinnern, was sie an Jesus haben. Sie waren nach anfänglicher Begeisterung schnell müde geworden, und sie hatten bald vergessen, wie Alles begann: Als ihnen Augenzeugen Jesu ein Evangelium verkündeten, das sie heilsam veränderte, ihnen eine neue Sicht auf ihr Leben gab, sie Wunderzeichen erleben ließ und in ihnen bisher unbekannte  Gaben / Charismen weckte (Hebräer 2,3f.). War das Ganze nur ein Strohfeuer? Neue Impulse wurden nötig. Ist es heute in unseren Gemeinden anders? Haben wir es weniger nötig? Vom Traditionsabbruch ist seit langem und oft die Rede. Den Glauben weiter zu geben, von den Eltern zu den Kindern, von der einen zur anderen Generation, ist schwieriger geworden.

Eindringlich ruft der Verfasser (bzw. die Verfasserin, vgl. Hebräer 11 und: Das NT und frühchristliche Schriften, 1999, S.182f.) zum Festhalten an dem Bekenntnis zu Jesus auf. Der Aufruf bleibt er nicht unbegründet stehen. Hören wir: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde“. Damit wird ein grundsätzlicher Unterschied zu den Hohenpriestern der israelitisch-jüdischen Geschichte benannt.

Die Adressaten des Hebräerbriefes kannten das Amt eines Hohenpriesters aus eigener Erfahrung. Sie konnten darum den gravierenden Unterschied verstehen, wenn sie im Brief von Jesus als dem „großen Hohenpriester“ hören. Jesus beanspruchte nicht wie ein Hoherpriester die höchste geistliche und politische Autorität im jüdischen Volk. Darauf wies schon rein äußerlich die kostbare Kleidung des Hohenpriesters aus Gold, blauem und rotem Purpur, feinster Leinwand und mit Edelsteinen geschmückt. Von Jesus ist eine solche pompöse Bekleidung nicht bekannt. Im Gegensatz zum Hohenpriester Kaiphas, der den Vorsitz im Prozess gegen Jesus innehatte, führte Jesus keinen Prozess gegen irgendeinen Menschen. Die Art seines Urteilens findet ihren Ausdruck in seinen Worten: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein (auf sie)“ (Johannes 8,7).

Mit dem Fall Jerusalems und der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70 n.Chr. endete das Amt des Hohenpriesters. Aber durch den Hebräerbrief gibt es eine besondere Fortsetzung, indem es auf Jesus übertragen wird und damit sein wesenhafter Inhalt zum Vorschein kommt: das Ganz-auf der-Seite-des-Menschen-Stehen, das Vor-Gott-für-ihn-Eintreten, das Mitleiden-können mit der menschlichen Schwachheit, der Verletzlichkeit, der Angst, der Verzweiflung. Das sind die Kennzeichen dieses großen Hohenpriesters, Jesus. Auf den mit uns leidenden Jesus – und damit zugleich auf den mitleidenden Gott – will der Hebräerbrief unsere Aufmerksamkeit lenken. Jesus verkündet einen Gott, der an unserer Seite mitgeht und das Leben mit uns teilt. "Gott liebt diese Welt. Ihre Dunkelheiten hat er selbst erhellt: im Zenit der Zeiten kam sein Sohn zur Welt!“, heißt es in einem Lied. Gottes umfassende Zuwendung zu uns Menschen, zu seiner ganzen Schöpfung, wird darin besungen. Stimmen wir ein!

(Lied „Gott liebt diese Welt“, EG 409,4)

Von diesem Gott, dem uns Menschen und seiner Welt in unergründlicher Güte nahen Gott, hat Jesus gepredigt, ihm lebte er, im Vertrauen auf ihn bestand er die Anfechtungen, nahm Leid, zuletzt auch Spott und Tod am Kreuz auf sich. Für uns, damit wir in den dunklen Stunden unseres Lebens nicht verzagen. Wichtig ist es dem Briefautor zu betonen: "Jesus ist versucht worden in allem wie wir, doch ohne Sünde".

III.

„Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat …“ Jesus hat nicht nur die Erde, sondern er hat auch „die Himmel durchschritten“, hören wir in unserem Briefauszug. „Die Himmel“ – das ist ein Bild für Weite, für die Unendlichkeit des Kosmos, ein Bild für Gott, für Gottes unsichtbare Welt, in der Leid und Tod überwunden sind. „Durchschreiten“ konnte Jesus die himmlische Welt nur, weil Jesus auf Erden Gott wie kein anderer nahe war und Gott Jesus nicht im Tod gelassen, sondern zum ewigen Leben auferweckt hat. „Geheimnis des Glaubens!“

Christen können seither nicht von Gott reden, ohne zugleich auf Jesus hinzuweisen. Darum ist das wichtigste Symbol der christlichen Kirche das Kreuz, es ist Zeichen des Leidens und zugleich Zeichen der Hoffnung. Am Fuß des Kreuzes die aufgeschlagene Bibel, die Einladung, auf das Wort Gottes zu hören und es zu bewahren.

In Jesus zeigt Gott uns sein gütig zugewandtes Gesicht, sein glühendes Herz, mitfühlend und sein voller Liebe. Sehnt sich nicht jeder Mensch nach solcher Zuwendung, angenommen und verstanden zu werden? Wie hat sich Jesus um die Menschen gesorgt! Wie lagen ihm die Kranken, die Trauernden, alle Notleidenden am Herzen. Sollten wir nicht festhalten an dem Bekenntnis zu Jesus oder uns wieder ganz neu zu ihm bekennen?
 

In jedem Gottesdienst stimmen wir auf vielfältige Weise in dieses Bekenntnis ein: anhand der Jahrhunderte alten Bekenntnissen, des apostolischen und nizänischen Glaubensbekenntnis, der Gebete und Lieder, der zu Gottes Ehre erklingenden Musik. Auch unsere Teilnahme am Gottesdienst und am kirchlichen Leben ist Ausdruck unseres Glaubens, unseres Bekenntnisses (Beispiele)

IV.

Die alten christlichen Glaubensbekenntnisse – sie sind hilfreich. Sie verbinden mich mit den Christen vor mir und heute, wo immer sie in den verschiedenen Sprachen gesprochen werden, auf der ganzen Welt. Sie sind mir immer ein Stück voraus. Sie geben mir zuweilen auch Anlass, mich daran zu stoßen, weil mir manche traditionellen Aussagen fremd vorkommen oder meinen Widerspruch hervorrufen. Sie stellen mich aber besonders vor die Frage: Was ist dein Bekenntnis? Hören wir eine Stimme aus unseren Tagen. Da sagt jemand: „Wie ein Pendeln zwischen Distanz und Nähe empfinde ich mein Verhältnis zu Gott und zur Welt. Manchmal schwanke ich zwischen dem Empfinden, Gott in meinem Leben überhaupt nicht nötig zu haben, und der Unsicherheit, allein auf eigenen Füßen stehen zu müssen, und zuweilen überkommt mich das Gefühl, von Gott und der Welt verlassen zu sein“. Oft kommt mir das Bekenntnis eines jüdischen Jugendlichen aus der Zeit des Judenpogroms in den Sinn: „Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht spüre. Ich glaube an Gott, auch wenn ich ihn nicht sehe“.

Ich will es mir von neuem sagen lassen: Es ist gut, an dem Bekenntnis zu Jesus, zu Gott, festzuhalten, und ich will mich heute wieder fragen lassen: „Was ist dein Bekenntnis?“ Wird mir heute im Sinne Jesu ein kleiner „priesterlicher“ Dienst gelingen? Der große Hohenpriester wird meine Gedanken und mein Wollen verstehen, auch meine leisesten Regungen und meinen noch so schwachen Glauben. Von diesem großen Hohenpriester will ich den Kindern in der nächsten Religionsstunde erzählen und ihnen sagen, was mich an ihm so beeindruckt: nicht "der große Hut und der schöne helle Mantel", sondern dass ich ihn zu jeder Zeit und in Allem, was ich erlebe, wohlwollend an meiner Seite wissen darf und er mir Mut macht, immer und überall auf Gott zu vertrauen. „Darum“, so werden wir heute wie damals eingeladen, „laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“.

(Als Amen-Strophe:) „Amen, das ist: es werde wahr“ (EG 344,9) bzw. „Sei Lob und Preis“ (EG 289,5).

Gebet (gemeinsam sprechen): „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens“ (EG 416).

Perikope
14.02.2016
4,14-16

Menschlicher Herzenswunsch: Nahung zum Gott der Barmherzigkeit - Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Angelika Volkmann

Menschlicher Herzenswunsch: Nahung zum Gott der Barmherzigkeit - Predigt zu Hebräer 4,14-16 von Angelika Volkmann
4,14-16

Menschlicher Herzenswunsch: Nahung zum Gott der Barmherzigkeit

Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten am Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden, wenn wir Hilfe nötig haben.

Liebe Gemeinde,

wenn wir jemanden lieben, dann ist es unser Herzenswunsch, diesem Menschen unsere Liebe zu zeigen. Und wodurch? Indem wir ihm etwas geben, was uns etwas kostet. Das muss gar nicht finanziell sein. Eine Mühe, eine Anstrengung, ein Zeiteinsatz, um einem Mitmenschen etwas zu ermöglichen, zu erleichtern, zu schenken, das bringt uns einander näher. So zeigen wir Liebe, so empfangen wir Liebe. Letztlich indem wir uns selber schenken, unsere Zeit, unsere Nähe. Durch Hingabe.

Liebe Gemeinde, das, worum es in diesen Zeilen des Hebräerbriefes geht, kennen wir alle. Auch wenn uns die kultische Bilderwelt des Hebräerbriefes fremd ist.

Wir suchen die Nähe Gottes. Auch das ist ein Herzenswunsch. Wir wollen nicht allein sein in der Welt. Es gibt eine Sehnsucht, in Beziehung zu sein mit dem, was uns übersteigt, mit dem Transzendenten, dem Heiligen. Wir möchten ihn lieben und geliebt werden. Wir wollen unsere Freude mitteilen, unseren Dank für unser Leben, wir suchen Trost in schweren Zeiten, möchten uns und andere Gottes Schutz anbefehlen. Wir wollen verstanden und aufgerichtet werden, wenn wir uns verfehlt haben. Ja, wir wollen Gott, dem wir unser Leben verdanken und der uns liebt, ebenfalls etwas geben, etwas schenken.  Vor allem wollen wir in Beziehung sein zum großen Du, wollen angesprochen werden, uns zu ihm hinwenden können, gemeint sein, geliebt sein. Alleine sind wir verloren, sind wir wie tot. Durch Gottes gütigen Blick sind wir lebendig.

„Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und meine Freude. Immerfort blickt Dein Auge mich an, und ich lebe aus Deinem Blick, Du mein Schöpfer und mein Heil. Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin. Und dass ich bin durch Dich und vor Dir und für Dich.“ 1)
So spricht Romano Guardini von unserer Angewiesenheit auf Gott, von unserem Herzenswunsch, ihm nahe zu sein.

Und die gute Botschaft klingt auch bei ihm gleich mit: Gott gewährt dem Menschen die Möglichkeit, sich ihm zu nahen. Denn auch er hat Sehnsucht nach dem Menschen.

Gott redet an und hört zu. Gott schenkt die Gebote, die Gottesdienste, die Rituale. Seit alter Zeit. Er schenkt die Möglichkeit, ihm etwas zu geben. In diesem Zusammenhang spricht die Bibel von Opfern: Speise und Trank werden Gott dargebracht, Tiere werden geschlachtet, das zubereitete Fleisch in der Gemeinde gemeinsam verzehrt, ihr Blut gilt als Symbol für das Leben und wird rituell Gott gegeben.  Martin Buber und Franz Rosenzweig übersetzen das hebräische Wort korban nicht mit „Opfer“, sondern mit „Nahung“. Eben weil es um einen Herzenswunsch des Menschen geht, nicht um etwas Unbotmäßiges, das Gott fordert. Der Mensch will Gott nahe sein und Gott schenkt Möglichkeiten, wie das geschehen kann.

Zum Beispiel am jährlichen großen Versöhnungstag Jom Kippur. Im Tempel werden an diesem Tag besondere Opfer gebracht. Der Hohepriester geht an diesem Tag ins Allerheiligste des Tempels. Nur er darf diesen Ort betreten und nur an diesem Tag. Das Volk wartet draußen. Im Allerheiligsten befindet sich die Bundeslade mit dem goldenen Gnadenthron (2.Mose 25,17) und zwei goldenen Engeln. Von denen hatte Gott vor langer Zeit gesagt: „zwischen den beiden Cherubim will ich mit dir alles reden“ (2.Mose 25,10-22).  Dies ist der Ort, wo sich Himmel und Erde berühren! Der Ort der Gotteskommunikation! Der Ort der Nahung.
Der Hohepriester besprengt die Bundeslade mit dem Blut von zwei Opfertieren als Symbol für Lebenshingabe. Stellvertretend für das ganze Volk empfängt er Versöhnung. Alle Schuld wird weggenommen und symbolisch von einem Bock aus der Mitte der Gemeinschaft weggebracht und in die Wüste getragen, sodass sie das Zusammenleben nicht mehr belastet. Wie heilsam! Wie wohltuend! Gott schenkt ein gemeinsames Fest, das Reue und Neubeginn ermöglicht. An diesem Tag und an diesem Ort  tut Gott dem Menschen Gutes: vergibt alle Sünden, heilt Gebrechen, erlöst Leben vom Verderben. Krönt den Menschen mit Gnade und Barmherzigkeit – am Gnadenthron im Allerheiligsten. Das ist die offene Tür zum Himmel! Ja, Gott ermöglicht den Menschen Nahung.

Zur Zeit, als der Hebräerbrief geschrieben wird, gibt es den Tempel nicht mehr. Die Römer haben ihn und die ganze Stadt Jerusalem zerstört.  Doch der Versöhnungstag wird beibehalten. An die Stelle der Tieropfer tritt – wie schon Israels Propheten und später die Pharisäer anmahnten  - die Lebenshingabe im spirituellen Sinne in Gestalt von Gebet, Torastudium und dem Halten der Gebote. Das ganze Leben soll Hingabe an Gott sein. Nahung. Das können wir von den Juden lernen. Auch ohne blutige Opfer wirkt dieser Tag Versöhnung. Auch das lernen wir unseren jüdischen Geschwistern – bis heute. Wichtig vor der Vergebung ist die aufrichtig empfundene und eingestandene Reue. Der Jom Kippur ist bis heute der höchste jüdische Feiertag auf den sich die Menschen mit einer Bußzeit vorbereiten und diejenigen, die sie verletzt haben, um Verzeihung bitten.

Der Brief „An die Hebräer“ ist am Ende des ersten Jahrhunderts an eine Synagogengemeinde gerichtet, zu der christusgläubige Juden gehören. In ungebrochener Kontinuität zur hebräischen Bibel erläutert der Brief, wer Christus ist. Der Brief spiegelt gleichsam eine innerjüdische Diskussion wieder.

Heidenchristen, die kein Verständnis für Israels Kultus haben, und manches befremdlich finden könnten, sind bei dieser Erläuterung nicht im Blick. Das Nachdenken über das Zusammenleben von Judenchristen und Heidenchristen fehlt ebenfalls vollständig. In ungebrochener Kontinuität mit dem jüdischen Glauben erklärt dieser Brief der verzagten judenchristlichen Gemeinde, die in ihrem Glauben an Jesus Christus unsicher geworden ist, wer Jesus Christus ist.

Dieser große Hohepriester ist Gottes Sohn. Gott hat ihn dazu berufen. Er ist nicht nur kultisch rein, sondern überhaupt ohne Sünde. Auch er handelt stellvertretend  - doch nicht nur für Israel, wie der Hohepriester  - sondern für alle, die an ihn glauben.
Er hat die Himmel durchschritten. Durch sein Leben, sein Gebet, sein Torastudium. Durch seine tätige Liebe, seinen Tod und seine Auferstehung.

Er hat schon in dieser Welt mit den Kräften der kommenden Welt gelebt und gezeigt, dass das möglich ist. Weil er nicht nur Sohn Gottes, sondern gleichzeitig Mensch ist, kennt er alle menschlichen Schwäche, jedes Leiden, auch alle Versuchungen und teilt das mit den Menschen. In den Tagen seines irdischen Lebens hat er sich mit Bitten und Flehen, mit Tränen und Schreien an Gott gewendet, der ihn vom Tod erretten konnte und ihn erhört hat. (vgl. 5,7) Er leidet mit den Menschen. Scheut vor keiner Qual zurück. Hat Hass, Verrat, Folter durchlebt. Hat somit auch die Hölle durchschritten. Und konnte selber in der Liebe bleiben und für seine Peiniger beten.
In seinem Leben und in seinem Sterben hat er sich Gott hingegeben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit all seiner Kraft. Aufgrund dieser liebenden Hingabe wirkt er Versöhnung und Vergebung für alle, die an ihn glauben. Gott hat ihn nicht im Tod gelassen. Sondern hat sich durch die Auferstehung hinter ihn gestellt und ihn bestätigt und gezeigt, dass er Versöhnung und Vergebung schenkt.

Lasst uns an dem Bekenntnis zu Jesus Christus festhalten! Um der Lebenshingabe Jesu Christi willen. Lasst uns von seiner Glaubenskraft lernen! 
Lasst ihn unseren Hohenpriester sein. Lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Wenn andere uns verletzen. Wenn andere uns Unrecht tun. Sich von uns abwenden, uns im Stich lassen. Wenn wir alles verlieren. Wenn wir einen Fehler gemacht haben. Was auch immer wir aushalten müssen: Christus ist neben uns und kennt unsere Lage und schaut mit gütigem, versöhnlichen Blick auf uns und das, was uns Mühe macht, schenkt uns Kraft, spricht uns Gottes Vergebung zu, heilt. Wenn wir uns auf ihn ausrichten, haben wir Anteil an dem, was durch ihn geschieht, Anteil am Christusgeschehen in der Welt.

Lasst uns hinzutreten. In der hebräischen Ausgabe des NT steht an dieser Stelle wieder das Wort „Nahung“.
Ja, der Himmel steht uns offen! Auch uns Heiden. Durch Jesus Christus können wir hinzutreten zum Ort der Gottesbegegnung, zum Thron der Gnade, und können Barmherzigkeit empfangen soviel wir brauchen, an jedem Tag.

Amen.

1) Das Zitat von Romano Guardini ist entnommen aus: Romano Guardini, Theologische Gebete, Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main, AD 1944, S. 13 f.
Sonstige verwendete Literatur: Martin Nicol, „Herzenswunsch und Sonntagspflicht. Für eine Spiritualität der Nahung. In:  Weg im Geheimnis. Plädoyer für  den evangelischen Gottesdienst, Vandenhoek und Ruprecht Göttingen 2009, vor allem S. 262– 265, „Opfer als Nahung“.

Perikope
14.02.2016
4,14-16