Wie Trennung Heilung bewirkt - Predigt zu Hebräer 4,12-13 von Ulrich Kappes
13 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft abgeben müssen.
Wie Trennung Heilung bewirkt
„Das Wort Gottes ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert …“
Wie verstehen wir diese Worte? Können sie uns die neue Woche hindurch begleiten? Handelt es sich um einen Text, den wir besser überschlagen, weil er weh tut?
Nur soviel sei vorweg gesagt. Diese Worte, wonach Christus und das Bild vom Schwert zusammen gehören, sind kein Sonderfall im Neuen Testament. In seiner Aussendungsrede an die Jünger sagte Christus nach Matthäus 10: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“(Vers 34). Der Seher der Offenbarung sieht den Weltenrichter und beschreibt ihn mit den Worten: „und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert“ (1,16). Weitere Texte wären anzuführen. Die uns heute vorliegenden Worte sind Teil einer Quelle im Neuen Testament, die das Bildwort des Schwertes enthält.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie und schärfer als ein zweischneidiges Schwert.“ Das ist die Botschaft des ersten Verses. Es folgt die Mahnung, Gott mit gutem Gewissen Rechenschaft zu geben. So geht es einmal um die Wirkung des Gotteswortes auf uns und dann um unseren Umgang mit dem Wort Gottes.
Zunächst: „Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“
Ist es so in unserem Leben? Sind wir das „gute Land, das hundertfältig Frucht bringt“? Zweifel kommen auf. Tage und Zeiten treten in Erinnerung, an denen wir in der Bibel lasen, ihre Worte beteten, Angst und Einsamkeit aber geblieben sind.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“ Haben wir davon etwas gespürt oder
ist das alles zu vollmundig und eine Nummer zu groß? Ist es zu enthusiastisch und darum eher deprimierend als aufrichtend? Wir wollen später darauf zurück kommen, legen die Einwände für eine Zeit zur Seite.
In den Vordergrund des Textes drängt sich das Bildwort vom Schwert: „Das Wort Gottes … ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein.“ Das ist die besondere Botschaft dieses Sonntages.
‚Das Wort Gottes trennt, wie ein Schwert trennt. Es trennt so scharf, dass es keine Verbindung mehr gibt. Was mit dem Schwert auseinander geteilt wurde, geht nicht mehr zusammen.’
In welcher Weise „trennt“ das Wort Gottes? Pauschal geantwortet: Das Wort Gottes oder das Wort Jesu trennt uns von einem Leben, das nicht schriftgemäß ist und uns darum nicht zu einem sinnerfüllten Leben führt. An zwei Beispielen sei ausgeführt, was damit gemeint ist.
Jesus sagt uns: „Sorget nicht um das andere Morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“ (Matthäus 6,34). Gehen diese Worte in uns ein, nehmen wir sie wie ein Schwert in unsere Hand, so trennt das Wort Jesu von einem Leben, das vom Sorgen und nochmaligem Sorgen um den morgigen Tag bestimmt ist. Es schneidet uns von der Angst vor der Zukunft ab und führt aus der Unfreiheit in die Freiheit.
Das geschieht nicht, wie das Bild vom Schwert suggeriert, gleich und sofort. Es gibt offenbar wirkungslose Schwerthiebe, Hiebe, die daneben gehen oder kraftlos sind. Es kann aber geschehen, dass nach einem anhaltenden Ringen und Suchen nach dem rechten Weg, ein Mensch aufsteht, und wie mit einem Schwertstreich die todbringende Macht der Sorge abwehrt.
Der Prophet Jesaja sagte einst dem König Hiskia die Gottesworte:
„In Umkehr und Ruhe liegt euer Heil, im Stillehalten und Vertrauen eure Stärke!“ I1I
König Hiskia, der zu Lebzeiten Jesajas in Juda herschte, wollte Hals über Kopf einen Bund mit den Ägyptern gegen Assur eingehen, was der Untergang des Königtums gewesen wäre. Der Prophet verhinderte es. In diese angespannte Situation fallen Jesajas Worte: „In Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, im Stillehalten und Vertrauen eure Stärke.“
Das Gotteswort, nach zweieinhalbtausend Jahren auf uns gewendet, drängt zur Abkehr von überstürztem Aktivismus und Hektik. Es schneidet ab von Gehetzt- und Getriebenwerden. Der Gestresste erfährt, wie die fremde Fessel, die an ihn gelegt wurde, wie vom Schwert durchgeschnitten wird.
Auch hier gilt, dass das Schwert geführt werden will. Das Wort vom Stillehalten und der Umkehr ist wie eine geistliche Waffenrüstung in die Hand zu nehmen und mit allen Fasern unseres Wesens zu leben.
Unter den ungezählten Denkmälern, die sich im Zentrum unserer Städte befinden, gibt es auch den Roland. Er steht in Brandenburg, Prag und an vielen anderen Orten. I2I Der berühmteste Roland hat seinen Standort vor dem Bremer Rathaus. Die Skulptur ist dort ca. 10 Meter hoch.
Der Bremer Roland hat ein ausgesprochen friedfertiges Gesicht und erinnert an Darstellungen des Erzengels Michael. Er trägt aber keine Lanze und ersticht keinen Drachen, sondern hat ein überdimensioniertes Schwert. Das prägt neben dem Schild mit dem Kaiserwappen die Skulptur. Das Schwert ist das wichtigste.
Der Legende nach war Roland ein Neffe Karls des Großen. Seine Stellung auf Märkten und vor Rathäusern soll wohl sagen, dass es selbst für einen Menschen mit einem so sanftmütigen Gesicht nicht ohne das Schwert geht. Eine Stadt, und sei sie noch so bürgernah, bedarf der Macht des Schwertes, des Schwertes als klärendem Gerichtsspruch, zur Abwehr der Verbrecher in der Stadt und der Feinde vor der Stadtmauer.
Im Mittelalter wurde Roland als Märtyrer verehrt. Als Beleg dafür dienen die ihm beigegebene Rose als Zeichen des Märtyrertodes. Der Bremer Roland hat zudem Engelsfiguren auf dem Gürtelschloss. Roland wird auf Fenstern zahlreicher gotischer Kirchen als Heiliger dargestellt.I3I
Versenkt man sich ein wenig in das schöne Bildwerk des Bremer Roland, so kann sich unsere Abneigung gegen das Bildwort vom Schwert verringern. Die Botschaft des unbekannten Bildhauers ist deutlich: Sanftmut und Schwert gehen zusammen.
Die Bildhauer, die den Roland darstellten, arbeiteten an einigen Orten mit einem besonderen Attribut. Zwischen den Füßen Rolands, am Boden liegend, sieht man in Bremen einen Mann mit einem abgeschlagenen Haupt.I4I In Zerbst liegt ein Hund zu Rolands Füßen.
Was kann die Botschaft sein? Auffällig ist bei der Bremer Skulptur, dass das Gesicht des Enthaupteten Rolands Gesicht ähnlich ist. Was soll das besagen? Als Deutung scheint mir die Feststellung sinnvoll, dass dieser dem Roland ähnliche Mensch zu Füßen des Rolands das erste ist, wogegen das Schwert zu richten ist. Der wichtigste Kampf richtet sich gegen sich selbst. Und der Hund? Mag er anbellen gegen das, was recht ist oder nicht, Roland hält ihn kurz.
Ich komme auf die Einleitung der Predigt zurück.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“ Wir hatten Bedenken geäußert. Wo sind wir bei dieser Botschaft? Die Antwort heißt nunmehr: Das Wort Gottes ist das Wort einer eigenen Kategorie. Wie Gott lebt, lebt dieses Wort und wie Gott Leben erhält, erhält dieses Wort am Leben. Negativ gesagt: Das Wort Gottes, das lebendig, energiereich und schärfer als ein Schwert ist, ist keine Verlautbarung zu einem Thema, keine Nachricht, die morgen überholt ist, keine Information über eine Sache. Es ist auch keine „Geschichtswahrheit“, die uns über alte Zeiten und den Glauben der Menschen in dieser Zeit unterrichtet. Es ist anders als dieses. Um Welten geschieden. Man erfährt sie an ihrer Wirkung, wenn man an sie glaubt. Sie gibt Leben und Energie, sie trennt und heilt.
Als Mose starb, lauteten seine letzten Worte an das versammelte Volk:
„Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute bezeuge … Denn es ist nicht ein leeres Wort. Es ist euer Leben“(Deuteron. 32,46 ff.)
Gegen den Einspruch, wo und wann denn dieses Wort zum Leben verhilft und dass es so wenige Spuren dieses Wortes in unserem Leben gibt, beschwört Mose das Volk Israel … und mit dem Volk Israel auch uns, an diesem Wort festzuhalten. Juden und Christen glauben an die unbeschreibbare, aber wirkliche Macht dieses Wortes.
ANMERKUNGEN
I1I Jesaja 30,15 – Übersetzung nach Otto Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kapitel 13–39 Berlin 1973, S.232.
I2I Digital ist eine sachkundige Darstellung der Rolanddenkmale nachzulesen bei Dietlinde Munzel-Everling, Kaiserrecht und Rolandfiguren – ein weiterer Beitrag zur Rolandforschung, in: forum historiae iuris. Erste Internet-Zeitschrift für Rechtsgeschichte. http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/. Einfacher über „Roland“ nach wikepedia unter „weblinks“.
I3I Nach Munzel-Everling, Abschnitt 24 ff.
I4I Die Deutung ist umstritten. Ich folge Munzel-Everling, Abschnitt 29.
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Predigt zu Hebräer 4,12-13 von Heinz Behrends
Ein scharfer Ton. Scharfes Schwert. „Männerbilder“, sagt Dorothe Sölle. Frauen tragen kein Schwert. Poetischer ist das Bild von Max Frisch: „Du musst dem anderen die Wahrheit hinhalten wie einen Mantel, damit er hineinschlüpfen kann“, und ihm nicht wie einen nassen Sack um die Ohren hauen. Nicht schneiden und trennen mit dem Schwert. Denn der Mensch kann klare Worte schwer vertragen, wenn es um ihn geht. Er wehrt sich. Niemand möchte sein Leben, seine Geschichte diffamieren lassen oder sich entlarvt fühlen. Wenn man jemandem etwas Wichtiges, Hilfreiches sagen will, muss man wissen, wie ein Mensch hört, vor allem wenn man in der Form des Monologs dialogisch predigen will.
Wir haben das gelernt in der Ausbildung zum Pastor, die Gesetze der Kommunikation. Sprechen und Hören, senden und empfangen geschieht auf zwei Ebenen, der sachlichen und der emotionalen. Wie etwas gehört wird, das entscheidet die emotionale Ebene, die Beziehung. Du hörst selektiv. Was du nicht hören willst, sortierst du aus. Und wenn ein Prediger mit einer politischen Aussage eine andere Meinung vertritt, löst er Ärger aus. Seine Botschaft landet nicht. Der Hörer wehrt sich. „Der soll lieber vom Glauben reden.“ Ich habe 41 Jahre immer versucht, seelsorgerlich zu predigen und liebevoll die Wahrheit des Wortes Gottes zu sagen. Worte können verletzen. Nicht schneidige Worte sind verlangt. Du bist auf der Kanzel kein Chirurg mit einem Skalpell. Predigt ist keine OP ohne Betäubung. Nur, und das macht mich nachdenklich, Beifall für eine Predigt habe ich immer dann erhalten, wenn ich kräftig und scharf geredet habe.
Wahrheiten aufgedeckt. Es wundert mich nicht. Es gibt so eine Sehnsucht nach Klarheit mitten im Geschwätz der Medien, den Floskeln der Politik. Verschleiernde, verdummende Begriffe, die zudecken wollen. Phantasie-Begriffe für kriminelle Finanzkonstruktionen wurden erfunden. Cum-Ex-Papiere, Derivate und andere. Mit ungedeckten Werten Konjunktur machen. Mit gedrucktem Geld. Ich habe verstanden, warum die Geldscheine Scheine heißen. Sie scheinen den Wert nur zu haben, der drauf seht. Und der Bürger heißt Bürger, weil er für die hohen Schulden bürgen wird. Die Zinsen werden klein gehalten, damit die Staaten nicht pleitegehen. Werteverfall durch Verfall der Werte. Gottes Wort hat die Welt der Banker nicht mehr geleitet. Ein Verlust an ethischer Orientierung in nachchristlicher Kultur. Dabei ist das Wort Gottes noch bekannt: „Du sollst nicht stehlen“. Durch verschleiernde Sprache Wahrheiten verstecken. Verschleiern hat Konjunktur. VW kurz vor dem Gipfel der größten Automobilfirma der Welt stürzt über ihre eigenen Lügen. Dabei ist das Wort Gottes klar. „Wenn Gott dein Herr ist, dann wirst du nicht lügen (8.Gebot)“. Als Niedersachse war ich gewohnt, stolz auf VW zu sein, diese erfolgreiche seriöse Firma. Verschleierung, Lügen umgeben uns. Gottes Wort lenkt Menschen nicht mehr.
Dagegen die Sehnsucht nach Klarheit, nach klaren Worten, scharf wie ein Schwert. Darum werden die Vereinfacher in der aktuellen Flüchtlingsdebatte gehört. Sie schüren Emotionen und haben selber keine Antworten. Umfragen befürchten, sie seien bald die drittstärkste Partei im Lande. „Lügenpresse“ rufen sie denen zu, die sich um eine differenzierte Darstellung mühen. Machos sind es, die die Silvester-Nacht in Köln benutzen, um sich als Beschützer der Frau aufzuspielen. Niemand hat eine Lösung in diesen Tagen. Wahr ist, dass wir uns im Lande eingerichtet haben, auch auf Kosten der Armen. Und nun kommen sie zu uns. Unsere Kanzlerin ringt um eine Lösung, bei der alle Europäer zusammenwirken. Eine Grad-Wanderung steht uns bevor, auf der viel schief, aber auch viel gut gehen kann. Gemeinsam müssen wir besonnen und ehrlich daran arbeiten. Das Wort Gottes ist klar. „Du sollst den Fremdling nicht bedrängen“. Wir werden ein anderes Land werden, aber unsere christlichen Überzeugungen wie Barmherzigkeit und Gerechtigkeit werden dieselben bleiben, wichtiger denn je. Wir haben uns im Wohlstand eingerichtet und sind aufgescheucht in unseren Gewohnheiten, nicht nur im politischen Feld.
„Wenn die Propheten einbrächen“, dichtet Nelly Sachs.
„Durch die Türen der Nacht
Mit ihren Worten Wunden reißend
In die Felder der Gewohnheit,
ein weit Entlegenes hereinholend
für den Tagelöhner
der längst nicht mehr wartet am Abend-
Wenn die Propheten einbrächen
durch die Türen der Nacht
und dein Ohr wie eine Heimat suchten-
Würdest du hören?“
Aus der Gewohnheit herausholen.
Wenn Gottes Wort dich aus der Gewohnheit herausholt? Wir wünschen uns die Wahrheit des Wortes Gottes übergehängt wie einen warmen Mantel. Worte, die verletzen, sitzen lange und tief, ihre Wunden bleiben lange sichtbar. Wenn ich die Wahrheit über andere sage, bekomme ich Beifall. Aber wenn das Wort mich selber anspricht. Mein Lebensmotto ist seit meinem 30. das Christuswort: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Ich habe erst später erkannt, warum gerade dieses. Weil ich die Wahrheit meines Lebens lange nicht leben konnte. Immer beliebt sein, immer anerkannt sein, wollte ich. Dafür bereit, alles zu tun. Damit mich ja kein schneidendes Wort treffen könne. Daran zerbrechen Beziehungen. Ich merke heute noch, dass ich Ausreden suchen, wenn meine Frau mich kritisch anfragt. Das Wort Gottes von der Wahrheit trennt mich von allen Rechtfertigungsversuchen, holt mich aus den Verstecken. Deckt mich auf. Macht mich durchschaubar, Gott sei Dank. Ich brauche das Wort von außen. Es ist nicht schon alles in mir, was ich brauche. „Ich horche in mich rein, in mir muss doch was sein. Ich hör nur Gax und Gix. In mir da ist wohl nix.“ Robert Gernhardt.
Seele und Geist vermischen sich, Psyche und Pneuma, weil ich den bequemen Weg suche. Gedanken und Sinne des Herzens wollen es gut haben. Reflexion kann wehtun. Aber Wahrheit ist nicht, was konsensfähig ist. Ich bin auf die Ansprache angewiesen, dass ich angesprochen werde. Durch Sprache drücken wir uns aus. Durchs Wort offenbart sich Gott.
Es wird Fleisch, lebendig in dem Leben Jesu Christi. Er verkörpert Gottes Willen in Liebe und Eindeutigkeit, in Worten der Seligpreisungen und in Gleichnissen. Gelebtes Wort, darum überzeugend. Selig sind die Barmherzigen. Das Wort macht mich sensibel für alle Unbarmherzigkeit. Solange ich das „Selig sind die Friedfertigen“ kenne, werde ich den Krieg ablehnen. Wenn ich höre „Selig sind, die nach Gerechtigkeit dürstet“, bin ich aufmerksam für alle Ungerechtigkeit. Das Wort Gottes schärft meine Sinne und macht das Herz stark. Es sucht Heimat in mir.
Wenn mich das Wort „Gott, dem wir Rechenschaft geben müssen“ noch trifft, werde ich meiner Verantwortung bewusst. Dass nicht alles egal ist. Dass ich einmal vor meinem Herrgott stehe und eindeutig und in Liebe gefragt werde „Wat haste jemacht?“ Darum muss das Wort in dieser Welt gesagt werden. Das Wort Gottes schneidet aber nicht nur. Genau übersetzt beginnt V. 12 im Hebräerbrief: „Leben ist das Wort und Energie.“
„Wie hieß das Wort aus der Bibel auch noch“ fragt mich der erfolgreiche Vorstands-Vorsitzende einer großen Sparkasse nach meiner Andacht in der Aufsichtsratssitzung im Krankenhaus. „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen.“ -„Schreiben Sie mir das bitte auf, das stell ich auf meinen Schreibtisch.“ „Gerne, wenn’s der Wahrheitsfindung dient.“
Darum sei Gott für sein Wort hoch gepreist. Ich schließe mit dem Mantel des Elia. Der Prophet war nicht bekannt für salbungsvolle Worte, sondern kräftig und scharf. Als er zum Sterben kommt, gibt er seinem Schüler Elisa seinen Mantel und sagt. „Immer wenn du Trost brauchst, dann leg ihn um. Er wird dich ins wärmen.“
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Predigt zu Hebräer 4,12-13 von Bernd Vogel
Liebe Gemeinde,
„Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Gelenke, und kann richten Gedanken und Vorstellungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles nackt und offen gelegt vor den Augen dessen, vor dem wir uns verantworten müssen.“ (Hebr. 4,12 f., eigene Übersetzung)
Die Lage spitzt sich zu. Bis zum Frühjahr – heißt es - muss innerhalb der Europäischen Union eine von einer Mehrheit getragene praktische Lösung der ‚Flüchtlingskrise‘ her. Danach drohe das Projekt der Europäischen Union zu implodieren. Auf die praktischen und politischen Schwierigkeiten oben drauf wird die Frage Köpfe und Gemüter besetzen, was eine Europäische Union sein soll, in der es in den wesentlichen Fragen der Zeit keine Einigkeit gibt, ob man das ganze Projekt nicht erledigen sollte, die Schlagbäume wieder hochzieht und Armee und Polizei an alle Grenzen.
Die Bürger und Bürgerinnen in Griechenland und Italien, in Polen, in Großbritannien, in Frankreich, Österreich und wohl auch in Deutschland werden – so ist zu befürchten – auf Dauer mit der Schizophrenie nicht leben können, einerseits für sich selber Freizügigkeit und Wohlstand zu bewahren und für andere als Werte und Lebensstil zu empfehlen, andererseits gewaltsam die Grenzen abzuriegeln und vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Flüchtlinge auf See ertrinken und in menschenunwürdigen Lagern verkommen zu lassen. Das hält niemand im Kopf aus, der noch bei Sinnen ist.
„Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Gelenke, und kann richten Gedanken und Vorstellungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles nackt und offen gelegt vor den Augen dessen, vor dem wir uns verantworten müssen.“
Ein Wort, schärfer als ein Schwert? Und lebendig?
Im Zusammenhang des Hebräerbriefes wird klar, was gemeint ist: Es ist der lebendige Gott, dessen Wort „kritikos“ ist, unterscheidet, scheidet, kritisiert. Seele und Geist. Mark und Gelenke (harmon). Der lebendige Gott zerteilt die Harmonie einer Person buchstäblich. Da bleibt keine Teilstück unbeachtet, keine Verbindung ungeprüft.
Wer kann so etwas hören? In den meisten Gottesdiensten und Gemeinden war es jahrzehntelang nicht angesagt, vom richtenden Gott zu sprechen. Zu viel Schindluder wurde damit getrieben von eitlen Predigern, die ihren Narzissmus pflegten, indem sie der Gemeinde die Hölle heiß zu predigen wussten. Nein, Gott ist die Liebe. Nichts sonst. Gott nimmt dich an, wie du bist. Gott ist immer auf deiner Seite. Gott rettet dich aus deinen Zwängen und von deinem Leistungsdruck. Glaube nur. Sei doch zufrieden mit dem, der du bist. So ungefähr jedenfalls.
Es ist ein weites Feld der Gründe und der Diskussion. Nicht mit wenigen Worten zu fassen. Und doch: Einer der Hauptgründe dafür, dass der Gott der Kirche für die allermeisten unserer Zeitgenossen schlicht kein Thema mehr ist, liegt darin verborgen, dass wir in den Gemeinden nicht mehr gewohnt und fähig sind, die ganze Bibel zu lesen. Auch die erschreckenden Worte. Auch die Gewaltgeschichten nicht nur im sogenannten ‚Alten Testament‘. Die Liebespredigt der Prediger und Predigerinnen trifft möglicherweise noch auf Interesse bei Menschen, die ein Leben lang an ihrer Liebeswunde leiden; aber sie ist belanglos für eine Welt geworden, in der nicht die Sehnsucht nach Geliebtsein und Liebe das vorherrschende Thema ist und auch nicht der Stress des Alltags in einer Leistungsgesellschaft. Auch die sich nach Liebe, Wärme und Entlastung sehnen, ahnen mit allen Menschen, die nicht teilhaben an Sicherheit und Wohlstand, dass es viel elementarer um die Fähigkeit geht überhaupt menschlich leben zu können in einer tendenziell wahnsinnigen Welt.
Ein Wort, schärfer als ein Schwert. Und lebendig. Ein lebendiges Wort, das schärfer als jedes zweischneidige Schwert mit Stich und Hieb, hin und her, ritsch und ratsch den ganzen Wahnsinn offenlegt, ans Licht des taghellen Bewusstseins bringt.
Darum geht es. Und das ist gar nicht lieb und überhaupt nicht gemütlich. Da geht es zu wie in der Küche des Sternekochs am Hackbrett. Der ganze Wahnsinn wird bloß gelegt, wie Luther mit seiner Übersetzung andeutet.
Wer aber kann das hören? Wer kann das ertragen? Was sind das für gewaltsame Wortbilder? Ritsch und ratsch und zweischneidiges Schwert und Psyche und Geist zerteilt und Knochenmark und Gelenke getrennt und nackt liegt der Mensch da. Das ist ja pornografisch in der Sprache und treibt einem die Schamröte ins Gesicht.
Ja, allerdings. Das wäre theologisch und seelsorgerlich mehr als ein Skandal: Es wäre unverantwortlich, sich in einer Predigt und beim Bibelgespräch in der Gemeinde oder gar in der Öffentlichkeit eines Internet-blogs derart zu äußern, in den Wortbildern heimlich zu schwelgen, wenn wir nicht dazu wüssten und sagten, von wem hier die Rede ist: Von Jesus Christus dem Gekreuzigten und Auferstandenen.
Der das Schwert führt, ja selber ‚ist‘ (s. z. B. bei Cranach die Darstellungen vom Weltenrichter-Christus mit dem zweischneidigen Schwert quer im Mund) – das ist der lebendige Sohn Gottes, für den Hebräerbrief der Hohepriester, der sein Leben gegeben hat, damit die, die ihm vertrauen, nichts mehr hindert ein neues Leben zu führen.
Die diesem Jesus Christus vertrauen, ihm ‚glauben‘, sind die, die sich von ihm sozusagen zerlegen lassen – aber nicht, weil sie gerne litten oder eine verhohlene Freude an gewaltsamen Fantasien hätten, sondern weil sie den Wahnsinn loswerden wollen, der auch – und vielleicht gerade – in ihrer Psyche und in ihren Knochen sitzt.
Gott liebt dich als der oder die, der oder die du BIST. Ja, eben. Zu lange haben wir betont: Gott liebt dich mit deinen Macken und Fehlern. Ja, gewiss. Aber das meinte doch biblisch nie, dass Gott die Macken und Fehler liebt. Gott liebt dich, nicht dein Bild von dir und nicht das Bild, das sich andere von dir machen. Vielleicht sollten wir es auch so sagen: Gott liebt dich auch als der, der du sein wirst. Heutige aktuelle Alltagspsychologie spricht davon, dass man lernen möge, sich selbst zu lieben, ganz praktisch, alltäglich eingeübt. Wer aber ist man selbst? Möglicherweise bin ich auch der, der ich sein will, nach dem ich mich ausstrecke. Werde, der du sein willst! sagen Alltagspsychologen heute.
Biblisch entspricht der Hebräerbrief dem insofern, als der Mensch verstanden wird als einer, der sich vor dem Gott verantwortet, der ihm in Jesus den Wahnsinn aus Herz und Knochen genommen hat und täglich nimmt, auf dass der Mensch frei werde, zu leben als der, der er ist und als der er von Herzen sein will: Ein wahrhaft freier Mensch.
Das europäische Projekt wird nicht an objektiven unveränderbaren politischen Problemen scheitern, als wären diese blindwütige Schicksalsmächte. Als wären wir Bürger und Bürgerinnen diesen Mächten hilflos ausgeliefert.
Pegida, AFD und anders – etwas pragmatischer - auch die CSU arbeiten mit diesen Dämonen, die uns in Psyche und Mark und Bein fahren sollen. Die Parolen der Rechten sollen unsere Ängste wecken, schüren und kultivieren. Die „Obergrenze“ scheint die ansonsten flutartig über uns kommende Katastrophe zu bannen. Grenzsicherung statt Willkommenskultur hat Konjunktur. Das christliche Abendland scheint bedroht. Dabei sitzt der Feind längst mitten drin in der Gesellschaft und vielleicht in uns selbst. Das trojanische Pferd steht schon innerhalb der Mauern der Zitadelle. Und es sind nicht die 1 Million Flüchtlinge. Es sind allerdings einige Verbrecher, die sich als Wölfe unter die Schafe gemischt haben. Da muss sich unsere Gesellschaft wappnen. Es sind Probleme der Integration auch des lange Zeit Nicht-Integrierbaren: Das Nebeneinander verschiedener kultureller Bilder von Mann und Frau, von Religion und Politik. Vor allem aber ist es die Unehrlichkeit im Blick auf sich selbst, das Verdrängen und Verschieben eigener Ängste auf „die Flüchtlinge“, „die Asylanten“. Das trojanische Pferd, das zu entdecken und zu destruieren unsere Aufgabe ist, hat am meisten nicht mit den Fremden zu tun, die zu uns kamen, sondern mit dem Fremden in uns selbst, dem Wahnsinn eines schizophrenen Lebens zwischen Offenheit und Abgrenzung, Menschenfreundlichkeit und Angst und Hass.
Wenn in der Bibel vom ‚richtenden‘ Gott die Rede ist, geht es entgegen verbreiteter Lesart nicht um die Hinrichtung von Menschen durch einen rachsüchtigen Gott. Im Gegenteil: Es geht um die Errettung des Menschen aus Sünde und Tod und aus den Fängen des bösen Wahns. As Evangelium, die frohe Botschaft, besteht geradezu darin, dass Gott in Jesus Christus konkrete Befreiung uns bringt, nicht nur als Freispruch für nach dem Tod.
„Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Gelenke, und kann richten Gedanken und Vorstellungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles nackt und offen gelegt vor den Augen dessen, vor dem wir uns verantworten müssen.“
Unserem Text voraus geht eine lange Passage über Psalm 95. Sein Thema ist die Wüstenwanderung Israels und die Ruhe - die menucha, die Freiheit und die Heimat -, welche die verspielen, die Gottes Wegen nicht trauen. Und wann kommt man in diese Ruhe, diese Freiheit und Heimat? Die Antwort, die der Hebräerbrief zitiert und auslegt, lautet:
„Heute, wenn ihr auf seine Stimme hört" (Ps 95,7) (Hebr 3,7 u. ö.). Dieses „Heute“ Gottes anzusagen, ist wieder Auftrag der Kirche. Nicht nur im Gottesdienst. Nicht nur durch die amtlichen Prediger. „Ich bin da!“ spricht Gott zu Mose im Dornbusch. „Ich bin da!“ vergegenwärtigen wir uns im Meditationskreis der Kreuzkirchengemeinde. Hier bin ich, Gott, rede Du zu uns, zu mir auch. Lass mich hören. Lass mich verstehen. Lass mich frei werden vom Wahnsinn. Begeistere mich, begeistere uns alle zu einem fröhlichen Leben mit uns selbst und mit anderen.
Amen
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Neues schaffen
Liebe Gemeinde, was für ein Jahr!
2015 liegt fast hinter uns. Und ich vermute, nicht wenige sagen: Gott sei Dank! Geschafft. Freilich,
-- es ist schon eine harte Nuss, dieses Leben.
Der eine hatte geplant, im August eine Tour durch Australien zu machen doch er verbringt den Sommer in der Klinik. Eine andere plante ihren schönsten Tag im Leben. Hochzeit in weiß. - Aber dann zerbrach mitten - in den Vorbereitungen die Beziehung... Da plante eine Familie in Aleppo, Weihnachten wieder gemeinsam zu feiern und nun finden sie sich vor zwei Monaten in einer Turnhalle in Passau wieder – der Bruder wird noch vermisst...
Was alles passieren kann, liebe Gemeinde, das können wir nicht absehen. Es ergibt sich... Manche sagen auch: Es ist Bestimmung. Oder Schicksal.
Vielleicht ist es deswegen nicht mehr üblich, die Zeit zu bestimmen, wie unsere Vorfahren es taten. Sie hätten zum heutigen Tag gesagt: „27. Tag des Monats Dezember im 2015ten Anno Domini Christi“. Also: 2015 im Jahre des Herrn. A und D – Anno Domini. Das sind nicht nur zwei geheimnisvolle Buchstaben- - die sagen: Du, die Zeit vergeht nicht einfach. Sie wird gehalten. So sind diese beiden Buchstaben streng genommen ein christliches Glaubensbekenntnis.
Wie bestimmen Sie Ihre Zeit? Schreiben Sie: „im elften Regierungsjahr der Kanzlerin Merkel“…oder verabreden sich „im dritten Jahr nach meiner Hüft-OP“? Wohl kaum. Wir Christen − und viele andere mit uns − zählen unsere Jahre nach Christi Geburt, selbst wenn wir kein A.D. mehr in den Briefkopf setzen.
Warum, liebe Gemeinde? Mit Christi Geburt gab Gott uns ein Versprechen. Joseph erfuhr davon als erster: Ein Engel erschien ihm im Traum und sagte: Du, Josef, nenn das Christkind, das deine Braut Maria zur Welt bringt, Im-Manu-EL. Das ist Hebräisch und heißt: Gott mit uns. Joseph, dieses Kind heißt: Gott ist bei euch. - Es ist die Antwort auf all eure Sehnsucht. -
Und vielleicht erinnern Sie sich daran, wie Sie merkten, dass dieses „Immanuel“ auch Ihnen gilt? - Dieser einmalige Augenblick, in dem Sie gespürt, gehört, begriffen haben, dass alle Zeichen auf Leben stehen, und Zukunft und Heil und Himmel?
War es damals, als Sie zum ersten Mal Ihr Kind in Händen hielten? … Oder als der Arzt mit der guten Diagnose kam? …. Als die Mauer aus Schweigen fiel und Sie wieder erste warme Worte wechselten?
Wann wussten Sie, dass Sie von Gott gemeint sind? Gesehen, geliebt und gehalten.
Wann haben Sie es gespürt – vielleicht mit feuchten Augen. - Als tiefe, ehrliche Gewissheit. Ganz still und leise...
Leise, ganz leise ist Großes geschehn. Damals vor mehr als 2000 Jahren. Doch wenn dieses Jahr 2015 wie alle anderen zuvor ein Jahr des Herrn war – wieso ist in diesem Jahr wieder so viel Unglück über die Welt gekommen?
Die Tragödien auf dem Mittelmeer, die Terroranschläge. Ungezählte Familien auf der Flucht. Dieses große und beklemmende Durcheinander weltweit und Ja – dann auch die zahllosen privaten Desaster. Die Krebsdiagose. Die Scheidung. Der Bankrott.
Ist Im-Manu-EL- Gott wirklich bei uns? Gab da wirklich Jemand Acht 2015? Wird da wirklich jemand Acht geben 2016? Es sind gerade die Gottvertrauenden, denen hier heiß und kalt werden müsste: Anno Domini… Man ist bei manchen Ereignissen im Lauf eines Jahres schon schwer in der Versuchung zu sagen: löscht das „Anno Domini“ lieber.
Aber was wäre die Alternative? Sollen wir uns dem Schicksal ergeben? Sterne lesen und alles hinnehmen, wie es kommt? Mit einem traurigen oder grantigen Achselzucken abwinken und denen glauben, die sagen, dass eh alles „den Bach runter“ geht?
Ich möchte lieber der Weihnachtsgeschichte trauen. Die habe ich dieses Jahr nochmal anders gedeutet bekommen. Mit Humor. Da schrieb mir ein Freund folgende email:
Wenn du deine frühe Kindheit in den siebziger Jahren verbracht hast, dann bist du ein wandelndes Immanuelszeichen. Dann hast du nämlich Dinge überlebt, von denen man heute annimmt, dass sie unausweichlich zum sofortigen Tod führen.
Du wurdest als Kind in Wohnungen, Gaststätten und anderen Orten gehalten, wo sich Menschen aufhielten, die Kette rauchten bis die Sprinkleranlage einsetzte.
Oder du radeltest mit deinem mit Stützrädern bewährten Fahrrad die Straßen runter ohne Helm, manchmal mit versagenden Bremsen, und hast draus gelernt, wenn´s dich zum x-Mal in die Büsche gehauen hat. Du hast überlebt.
Ich könnte noch weiter machen, liebe Gemeinde. Aber die Mail zu meinem Vierzigsten endete mit den Worten: Wenn Du meinst, das wäre alles purer Zufall gewesen, dann vergiss das Immanuel – vergiss Weihnachten, vergiss den Gott-mit-uns.
Lesung des Predigttextes
Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in alle Ewigkeit! Lasst euch nicht durch alle möglichen fremden Lehren verführen. Gottes Gnade wird euch berühren, auf dass das Herz fest werde. (…) Denn auf der Erde gibt es keine Stadt, in der wir bleiben können. Wir sind unterwegs zu der Stadt, die kommen wird.
Pfarrer Dr. Norbert Roth:
Dass das Herz fest werde. Genau, das ist Weihnachten: Es wir nie so sein, dass wir Gottes Gedanken verstehen lernen. Es wird nie so sein, dass wir die Welt in eine heile und durch und durch heilige Stadt verwandeln. Wie oft bleibt das für uns dunkel, rätselhaft und nicht selten erscheint das Leben, erscheint sogar Gott hart wie das Schicksal, dem niemand zu entkommen scheint.
Schauen Sie noch einmal auf das Bild hier. Als man das Jahr des Herrn 1955 zählte, haben Menschen sich ihre Zukunft vor die Augen malen lassen. Das Neue Jerusalem. Die Stadt des Friedens. Noch ist es nicht erreicht – aber für den Weg dorthin haben wir seine Zusage. Gott sagt uns in Christus: „Ich bin bei euch. Ich bleibe bei euch.“ Auch im Jahre des Herrn 2016. Amen.
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Gott spricht - Predigt zu Hebräer 1,1-6 von Matthias Wolfes
Gott spricht
„Nachdem vorzeiten Gott manchmal und mancherleiweise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die Welt gemacht hat; welcher, sintemal er ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat gemacht die Reinigung unsrer Sünden durch sich selbst, hat er sich gesetzt zu der Rechten der Majestät in der Höhe und ist so viel besser geworden denn die Engel, so viel höher der Name ist, den er von ihnen ererbt hat. Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: ‚Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt’? und abermals: ‚Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein’? Und abermals, da er einführt den Erstgeborenen in die Welt, spricht er: ‚Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.’“ (Jubiläumsbibel 1912)
Liebe Gemeinde,
manche Momente sind so, daß man „sein Herz ausschütten“ möchte. Dann liegen wohl auch Worte und Wendungen nahe, die einem zu anderen Zeiten nicht gleich einfallen. Für die Christenheit ist die Feier der Weihnacht ein solcher großer Moment. Nehmen wir ihn als das, was er ist: als religiöses Fest, als Ausdruck des christlichen Glaubens, dann gibt es keinen anderen Moment, der intensiver berührt, der erfüllter wäre von freudiger und strahlender Dankbarkeit. Weihnachten ist eben der Ausgangspunkt.
Nun befindet sich der Verfasser des Hebräerbriefes offensichtlich in einem solchen Moment des Überschwangs. Seine Worte gleichen Begeisterungstönen; sie sollen weithin erschallen und sind ein Ausdruck großer Freude. Er ist ergriffen und möchte die, zu denen er spricht, an seiner Ergriffenheit teilhaben lassen.
Die Idee des göttlichen Mittlers, des „Sohnes“, ist es, die ihn begeistert. Ihn habe Gott, wie es bereits im zweiten Psalm heißt, „zum Erben über alles“ gesetzt, und durch ihn habe er „auch die Welt gemacht“. Der Sohn sei „der Glanz der göttlichen Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“. „Alle Dinge“ trage er „mit seinem kräftigen Wort“; durch ihn komme „die Reinigung unsrer Sünden“ zustande, und er sitzt „zu der Rechten der Majestät in der Höhe“. Deshalb sei er auch „so viel besser denn die Engel“, die ihn anbeten sollen.
I.
Wir wollen diese Worte zunächst einmal auf uns wirken lassen. Sie sind eben der Ausdruck einer tiefen religiösen Begeisterung. Man muß sie nicht als dogmatische Formeln verstehen, zu deren Ausbildung sie dann allerdings später auch ihren Beitrag geleistet haben. Hier, im Auftakt dieses religiös-theologischen Traktates, sind sie noch ganz von der Ergriffenheit des glaubenden Herzens bestimmt. Wohl richtet sich die Absicht des Verfassers darauf, eine grundlegende Erörterung über die Stellung des Christus zu geben, und insofern geht sein Schreiben auch schon einen Schritt weiter. Aber, das möchte ich betonen, man braucht den Text noch nicht vom Kalkül der reflektierenden Sprache her zu lesen.
Nun gibt es meiner Ansicht nach überhaupt keinen Grund, weshalb das christliche Herz nicht auch begeistert sein dürfte. „Begeisterung“ ist überhaupt das eigentliche Medium des religiösen Ausdrucks. „Gott“ und „Geist“ sind eng verbundene Begriffe. Das Leben des Glaubens ist ein Leben aus dem Geist, und wahrhafte Frömmigkeit ist immer eine geisterfüllte.
Nicht ohne Grund setzt der Verfasser ja damit ein, daß Gott spricht. Das Wort, die Sprache sind das Medium des Geistes; sie übt die eigentliche Mittlerschaft aus, weshalb ja der Gedanke, Christus und das Wort aufeinander zu beziehen, sehr nahe liegt.
Gott ist dem Hebräerbrief zufolge der sprechende Gott, und zwar damals, „vorzeiten“, wie auch heute in unserer Gegenwart. Die Bereitschaft Gottes, sich selbst kund zu geben, ist das Fundament, auf dem der Glaube ruht. Er verbirgt sich eben nicht in einem düsteren Schweigen, einem womöglich immerwährenden, sondern er bekundet sich. Was die religiöse Sprache „Offenbarung“ nennt, ist seinem Wesen nach nichts anderes als Selbstmitteilung. Ein Zusammenhang wird offengelegt. Im Falle des religiösen Bewußtseins ist es der Zusammenhang zwischen Gott und Mensch.
Dies ist das eine, das wir den Begeisterungstönen des Abschnittes entnehmen können. Das andere geht darüber noch hinaus. Die Behauptung des Autors besagt: Gott hat sich nicht nur selbst kund gemacht, sondern er hat auch der Welt Anteil an sich selbst gegeben. Tatsächlich hat die Idee des Mittlers, des Christus, doch nur dann überhaupt eine erfahrbare Wirklichkeit, wenn sie nicht eine spekulative Figur über bestimmte Bewegungen im Gottesbegriff bleibt (was sie zweifellos auch immer ist). Sie wird real erst in dem Moment, in dem diese Mittlerschaft auch die andere Seite dessen, was vermittelt werden soll, betrifft, wenn sie sie beeinflußt, verändert und neu gestaltet. Daß das der Fall ist, ist der Kern der christlichen Botschaft. Es ist der Inhalt des Weihnachtsevangeliums. Deshalb paßt unser Text auch sehr gut zum heutigen Festtag. Christus ist „der Glanz von Gottes Herrlichkeit“ und „das Ebenbild seines Wesens“.
II.
Was nur aber auch bedacht sein möchte, das ist: Man kann nicht unentwegt im Ton der Begeisterung sprechen. Leicht klingt dann, was man vorbringt, anfechtbar, und auf viele Adressaten wirkt, was mit großem emotionalen Anteil vorgebracht wird, wenig anziehend. Wer nicht willens ist, sich auf die Stimmung des Sprechers einzulassen, wendet sich ab.
Überdies kommen auch Bedenken zum Tragen, die nicht ohne Grund sind. Offensichtlich ist für den Verfasser des Hebräerbriefes die Hoheit und Größe des Sohnes besonders dadurch zur Geltung zu bringen, daß er ihm den Spitzenplatz in einer Hierarchie einräumt. Der Sohn ist eben „besser“ und „höher“ als die Engel, und deshalb müssen sie ihn auch anbeten. Das Gebet dient dazu, anzuerkennen, er sei ihnen vorgeordnet. Es ist also der Sache nach eine Demutsbezeigung und Unterwerfungsgeste.
Auch was die Heilsgeschichte als ganze angeht, argumentiert der Autor, indem er Ordnung schafft. Früher habe Gott „manchmal und mancherleiweise“ zu den Vätern gesprochen und sich dazu der Propheten bedient. Nun aber – „am letzten in diesen Tagen“ – habe er „zu uns“ geredet durch den Sohn. Nicht nur also hat eine Neuvergabe der Sitzplätze im himmlischen Herrscherhaus stattgefunden, sondern es ist auch die Selbstbekundung Gottes an die Menschen in ein ganz neues Stadium getreten. Durch die Sohnestat ist alles Frühere in ein Vergangenes umgewandelt.
Das sind Gedankengänge, die wir nicht nur im Hebräerbrief finden, sondern auch in etlichen anderen neutestamentlichen Zusammenhängen. Sie gehören, in welcher Form auch immer, zum Grundbestand der urchristlichen Verkündigung, sind jahrhundertelang tradiert worden, und ihre Spuren haben sich tief in das christliche Selbstbild eingegraben. Als klassische Motive der Predigt von Christus hören auch wir sie heute. Sollten wir uns aber das ganze Jahr über mit diesen Bildern beschäftigen und in diesen Gedanken bewegen, dann würde das doch nicht genügen. Es wäre sogar schon problematisch diesem Überbietungsmotiv überhaupt allzu großes Gewicht einzuräumen. Um Fragen dieser Art mag es in anderen, früheren Konstellationen gegangen sein. Für uns aber sieht die Situation anders aus.
III.
Das Weihnachtsfest ist ein Fest der Begegnung. Das haben wir, so hoffe ich, in den letzten Tagen wieder an uns selbst erlebt. Vieles von dem, was wir in dieser Zeit tun und auch in der Vorbereitung auf sie getan haben, dient dazu, Begegnungen zu ermöglichen und erfreulich zu gestalten. Auch unsere Gottesdienste dienen dazu, Begegnungen zu ermöglichen. Wenn wir uns heute, an diesem zweiten Weihnachtstag, auf die Christus-Botschaft des Hebräerbriefes besinnen, dann macht das noch einmal deutlich, daß die Begegnung im christlichen Sinne eben auch eine Gemeinsamkeit des Geistes sein soll.
Niemand verlangt, daß wir in die antike Lobpreisung des Christus einstimmen, auch nicht, daß wir uns für unseren eigenen Glauben diese Worte zu eigen machen. Aber wir hören sie in dem Bewußtsein, daß auch sie zu dem überlieferten Schatz der Christenheit gehören. Sollten wir formulieren, was Christus für uns ist, was er uns bedeutet und wie man den Gedanken der Mittlerschaft heute auslegen könnte, dann kämen wohl doch recht anderslautende Wendungen zum Zuge. Doch dies eine müssen wir wissen: Die unsrigen stehen in ein- und derselben Reihe, in der, und zwar ziemlich weit am Anfang, auch das Begeisterungslied des Hebräerbriefes seinen Ort hat.
Der sprechende Gott: Das ist das Eingangsmotiv jener Zeilen. Wir wollen uns für heute damit begnügen. Schön wäre es, wenn wir als glaubende Menschen uns nicht nur von Gott angesprochen sein lassen. Besser noch als das Bewußtsein, Adressat zu sein, vielleicht sogar, wie es in dem Brief ja überall anklingt, privilegierte Adressaten, ist es, wenn wir nun auch unsererseits das Wort ergreifen. Das Weihnachtsfest ist ein guter Zeitpunkt, auch einmal darüber nachzudenken, wie wir es für uns selbst mit dem Gebet halten. Und dann die andere Ebene, das Gespräch mit den Menschen um uns her. Wie wichtig ist es, miteinander zu sprechen. Die Sprache ist ja nicht nur der Leib des Geistes, sondern sie eröffnet den Raum des Lebens selbst. Mit wem habe ich heute gesprochen? Das könnte durchaus eine gute Frage sein, die wir uns am Ende des Tages stellen.
Amen.
Verwendete Literatur:
Erich Grässer: An die Hebräer. Erster Teilband: Hbr. 1 – 6 (Evangelisch-Katholischer Kommentar. Band XVII / 1), Zürich und Braunschweig / Neukirchen-Vluyn 1990.
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Predigt zu Hebräer 1,1,-6 von Axel Denecke
1.
Welt umgreifend, ja den ganzen Kosmos umfassend, so hat der Verfasser des Hebräer-Briefes auf seine ganz eigene Weise, gleich zu Beginn seines Briefes, das Geheimnis der Weihnacht beschrieben. Ungewöhnlich, wirklich ungewöhnlich. Da haben wir vor 2 Tagen an das kleine Kind im abseitig-engen Stall fernab vom großen Weltgetriebe im unscheinbaren Bethlehem gedacht. Kein Raum da in der Herberge, uns allen wohl bekannt, gerade heute. Und da wird auf einmal der ganz große Bogen geschlagen und vom Herrn der Welt geredet, der alles, die ganze Welt umgreift, von Anfang bis zum Ende. Ungewöhnlich, höchst ungewöhnlich. Was soll da nur? Warum jetzt auf einmal dieser große, das ganze damals bekannte Erdenreich umfassende Blick ins Universum? Die Worte und Symbole überschlagen sich bei dieser Schilderung, sie sind kaum noch zu bändigen, so allumfassend ist dies Geheimnis. Hören Sie noch einmal den Predigttext
[Hebr 1,1-6 nochmals lesen]
Sagt uns das etwas? Heute – hier in der Kirche? Oder sind’s zu große Worte, Weihnachten derart ins ganze Universum, als Fixpunkt/Fixstern nach vorn und hinten (von Schöpfung an bis zum Weltende) stellen zu wollen? Sagt es uns was? Die wir vor zwei Tagen vom Kind in der Krippe, im abseitig-engen Stall, heimelige und unbehaust zugleich, hörten?
Und jetzt also dies:„Von Anbeginn der Schöpfung“ bis „in die letzten Tage“, der Sohn (also Jesus) als „Abglanz der Herrlichkeit Gottes“ mit dem er das ganze „Weltall trägt“ und nun „zur Rechten Gottes“ sitzt in „alle Ewigkeit“. Nochmals also: Was ist das? Was soll das? Was hat das mit dem Kind in der Krippe, armselig - arm und selig - im verwunschenen Darf Bethlehem zu tun?
2.
Es wird in diesem Jahr wohl kaum eine Heiligabend-Predigt gegeben haben, so vermute ich, in der nicht ein Satz aus der Weihnachtsgeschichte immer wider zitiert wurde: „Kein Raum in der Herberge“, damals im Kleinen in Bethlehem, kein Raum da für Maria und Joseph und das Kind – und zugleich auch heute noch im Großen, in der ganzen Welt. „Keim Raum in der Herbere“ unserer Welt für all die Flüchtlinge, die uns zu überschwemmen scheinen. In jeder Predigt ist dieser Vergleich gezogen worden, so vermute ich.
Und da haben wir’s schon. Was sich damals –wie Lukas uns berichtet- im Kleinen, verborgen, ganz intim rund um Bethlehem abgespielt haben soll, das gibt es auch noch heute, im Großen, in der ganzen Welt, ist einfach weltumgreifend, betrifft den ganzen Kosmos, unsere Schöpfung von Ur an bis zu ihrem Ende. Oder eben - wie der Hebr-Brief alles überschauend sagt: „Von Urzeiten an bis zu den letzten Tagen“. In dem kleinen, überschaubaren Ereignis vor 2000 Jahren um Bethlehem herum ist nur wie in einem Brennglas einem Einzelschicksal exemplarisch vorgelebt, was für alle Welt und für alle Zeiten gilt. Damals, vor 2000 Jahren, heute nach 2000 Jahren und in 2000 oder 20000 Jahren immer noch. Solange wir auf dieser Erde, der guten Schöpfung Gottes leben.
3.
„Kein Raum in der Herberge“ damals und heute und wohl auch in Zukunft. Für wen? Natürlich zunächst für die Menschen, für Maria und Joseph damals, für die vielen Flüchtlinge heute. Oh ja, natürlich, da ist auch bei einigen Raum da, das will ich nicht übersehen, damals und vor allem auch heute. Denn wir haben ja gelernt. Und nehmen auf in unsere Herberge, gern sogar, die Flüchtlingshilfe ist an vielen Orten überwältigend. Und Pegida uns Konsorten sind im Grund die Minderheit. Oh ja, es ist durchaus Herberge da, hier und anderswo, wollen wir nicht vergessen. Herberge für Menschen, die flüchten müssen und neue Heimat suchen. Oh ja.
Doch gilt das auch für „Gott“ in unserer Welt? In unserem Leben? „Kein Raum in der Herberge“ dieser Welt für Gott? Das muss sich schon jeder selbst fragen. Im Kleinen: Ob Gott bei mir ganz persönlich, in meinem kleinen privaten Leben eine Herberge findet, ob ich ihm ein Nest bereite in mir selbst, dass er da wachsen kann? Und im Großen: Ob für mich Gott der Herr des ganzen Kosmos, unserer Welt von Ur an bis zum Ende ist, ob er für mich der Schöpfer dieser Herberge Welt ist oder nicht? Das muss jeder für sich beantworten. Und es stimmt dann: wenn nicht im Kleinen bei mir, in meinem überschaubaren Leben, dann wohl auch nicht im Gossen für den ganzen Kosmos. Und auch anders herum: Wenn ich Gott Herr und Schöpfer der ganzen Welt sein lasse, unsere Welt seine Herberge, dann ist er es auch für mich im Kleinen, ich gebe ihm Herberge in meinem Leben, er wohnt in mir und ich wohne in ihm.
So ist es. Beides hängt miteinander zusammen. Und deswegen hat der Hebräer-Brief mit seinem alles umfassenden großen Wurf, die ganze Welt umgreifend nur die Kehrseite des Geheimnisses von Bethlehem beschrieben. Was dort im Kleinen, fassbar für jeden, fast eine Idylle zu nennen, geschah – das gilt für die ganze Welt, zu allen Zeiten, in allen Kontinenten, für alle Menschen, ganz gleich, welcher Hautfarbe und Religion.
„Kein Raum in der Herberge“ – damals, vor 2000 Jahren in Bethlehem. Ja, so war’s und doch fanden sie am Ende eine Hebrege, sonst wäre das alles gar nicht geschehen.
„Kein Raum in der Herberge“ – heute, für viele Menschen, da flüchten müssen. Ja, so ist’s – und doch findet sich für viele eine Herberge, Gott sie Dank, wir haben ja gelernt
„Kein Raum in der Herberge“ – heute, für Gott. Wer braucht ihn noch? Ja, so ist’s – und doch ist er der Schöpfer unseres Lebens und Erhalter unserer Welt. Und unsere Welt ist seine Herberge, seit Ur an bis zu den letzten Tagen.
4.
Ich denke, das ist das Geheimnis der Weihnacht. Gott mitten unter uns, ja in uns, so wie das Kind in die Krippe gelegt ist, so wie unsere Welt in Gottes Armen ruht, so wie unser ganzes Leben getragen ist von Gottes Kraft und Segen. Oder wie es der Hebräer-Brief mit seinen Worten sagt:
„In den letzten Tagen hat Gott zu uns geredet ( ‚geredet’ hat er) durch seinen Sohn --- Abglanz seiner Herrlichkeit --- Ebenbild seines Wesens --- Du bist mein Sohn --- alle Enge sollen ihn anbeten“
Ja, ich weiß, nicht mehr unsere Sprache. Oder doch? Sind wir nicht auch Engel, die ihn nicht nur anbeten, sondern ihm Herberge geben können in unserem Leben? Und wenn wir es tun, ja dann werden wir Engel, engelsgleiche Menschen vor Gott. Raum für Gott in der Herberge unseres Lebens.
5.
Und wie sieht diese Herberge für Gott und für die Menschen konkret aus? Wir wissen es alle:
„Frieden auf Erden – allen Menschen (s)ein Wohlgefallen - Gerechtigkeit für alle Menschen – Gottes gute Schöpfung bebauen, bewahren und weiter bauen.“
Weiter bauen wohin? Ich weiß es natürlich nicht im Einzelnen, ich weiß nur, dass die Herberge Gottes, seine Schöpfung, im Geist Jesu weitergebaut werden soll, ja muss. Fangen wir einfach damit an.
Können wir das denn? Ja, wenn wir uns vom Geist Christi anhauchen lassen, wenn wir ihn inhalieren und mit seinem Atem dann auch andere anhauchen, damit Leben im Geiste Christi in ihnen entsteht.
Wo endet es? ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins: Es endet bei Gott, wird bei Gott enden – einst, wenn wir schon lange nicht mehr sind. Denn die Herberge Gottes will in unserer Welt Gestalt gewinnen, und wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen, „unsere Enkel fechten’s besser aus“, oder in 200 oder 2000 oder in 2000 Jahren – oder am Ende der Zeit, in den letzten Tage,
Und ihr werdet leben, werdet Schritt für Schritt, Stepp by Stepp ihm entgegengehen, damit der „Friede im Himmel“ tatsächlich auch der „Friede auf Erden“ sei. Dieser Friede beginnt in eurem Herzen, genau dort, ganz im Kleinen, wie damals im abseitig-engen Stall, da beginnt er. Er beginnt da, doch er endet dort nicht. Er kann weiter wachsen, über uns hinaus, in die ganze Welt hinein, kann, so soll den ganzen Kosmos umfassen, umfangen, umgreifen.
Also fangen wir endlich damit an, Frieden zu machen mit uns selbst, mit anderen Menschen, ja auch mit Gott. Geben wir ihm Herberge in uns. Geben wir anderen Menschen Herberge bei uns. Und wir werden leben, endlich wahrhaft leben.
Ich hab, wenn’s gut geht, noch 10, 20 Jahre dafür Zeit, Sie vielleicht noch 20 oder 40 oder 50 Jahre. Ach, was ist das schon im Maßstab des Universums, kann man skeptisch fragen. Natürlich. Martin Luther sagte einst: „Und wenn morgen die Welt untergehen würde, würde ich noch heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen“. Also pflanzen wir – auf dass die Rose im Schnee erblüht.
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Gottes Schweigen und Reden - Predigt zu Hebräer 1,1-3 von Christian Stasch
Gottes Schweigen und Reden
Liebe Gemeinde!
„Ich bin ein Berliner“ lauten die letzten Worte einer epochalen Rede. John F. Kennedy in Berlin, zwei Jahre nach dem Mauerbau, der die Stadt vollends teilt, und die Menschen verunsichert und trennt. Der US-Präsident kommt und packt seine Solidarität mit den Bürgern in die auf deutsch gesprochenen Worte: Ich bin ein Berliner. Epochal.
Im selben Jahr 1963 beim Marsch auf Washington, die Bürgerrechtsbewegung, 250.000 Menschen, und Martin Luther King entfaltet seinen Traum von der Überwindung der Rassenschranken: I have a dream. Epochal.
1985 im Deutschen Bundestag: 8. Mai, Tag des Kriegsendes. Richard von Weizsäcker nennt diesen tag keinen Grund zum Feiern, aber einen Tag der Befreiung. Epochal.
Und vier Jahre später, Hans Dietrich Genscher. auf dem Balkon der Deutschen Botschaft in Prag, vor ihm auf dem Freigelände der Botschaft 4000 Menschen aus der DDR, ausreisewillig. Seine Rede, eigentlich nur ein einziger Satz: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise… (Tausendfacher Aufschrei und Jubel, und den Rest hört man kaum noch:) … in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“ Epochal. Ich krieg heute noch Tränen beim Anschauen dieser kurzen Rede.
Die letzten Dezemberwochen brachten auch große Reden.
Sigmar Gabriel hat geredet, beim SPD-Parteitag, in Berlin. Über eineinhalb Stunden. Beklatscht wurde das knapp 5 min. lang. Er bekam hinterher 74 % bei der Wahl.
Dann Angela Merkel, sie hat geredet, beim CDU-Parteitag , in Karlsruhe. Über eine Stunde. „Wir schaffen das!“ Beklatscht wurde das knapp 10 min. lang. Sie bekam hinterher 90 % bei der Wahl.
Und nun Weihnachten: Gott hat geredet. Durch Jesus, in Bethlehem, in Nazareth, in Jerusalem, wenige Jahre nur. Beklatscht wurde das von einigen, sie liefen Jesus zunächst hinterher, am Ende aber weg von ihm. Bei der Wahl zur Begnadigung durch Pilatus bekam er dann, laut Bibel, null %.
Gott hat geredet. Heißt es. Nach Ostern wurde dieses Reden immer wieder erinnert und wiederholt und gedeutet und schließlich aufgeschrieben, und die Zustimmungswerte stiegen allmählich an. Und es kam mehr und mehr vor, dass die Christen nicht verzagt und ängstlich waren, sondern den Mund ganz schön voll nahmen, festlich voll.
Wie auch der Anfang des Hebräerbriefes, unser heutige Predigttext:
„Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.
Dieser Sohn ist der Abglanz von Gottes Herrlichkeit und der Stempel-Abdruck seines Wesens.“
Festlich vollmundig, weil hier nicht das Erniedrigt sein Jesu angesprochen ist (dreckiger Stall usw.), sondern sein Erhöht sein: Gottes Erbe, Abglanz, Mitschöpfer der Welt. Ganz große Glaubensbilder.
Gott hat geredet durch Jesus.
Jesus, der eine solche Gottesnähe verkörperte und vorlebte, dass man den Eindruck bekam:
Der zeigt uns, wie Gott ist.
Ein schönes griechisches Wort steht da im Text: „Charakter“. Stempelabdruck. Jesus ist Gottes Stempelabdruck. Ganz der Vater. So weit so weihnachtlich.
Aber: Das Ganze ist nicht eindeutig, sondern vieldeutig. Dass Gott überhaupt „redet“ oder geredet hat, das ist EINE Deutung unter vielen. Es ist DEUTUNG, nicht Fakt.
Gottes Rede gibt’s nicht auf Filmrolle, nicht als Tonbandmitschnitt, und auch nicht auf einem kleinen handlichen USB-stick. Gottes Rede gibt´s nur im Glauben.
Gott hat geredet - das ist zwar nicht eingebildet, aber doch eingeglaubt.
Denn wir machen doch auch ganz andere Erfahrungen. Die Erfahrung, dass Gott - schweigt.
Ein Frankfurter Theologe schrieb kürzlich treffend, Gott sei, kommunikativ gesehen, doch eher ein stiller Typ.
Hält keine großen Reden. Ist kein Lautsprecher. Schweigt.
Fürchten wir dieses Schweigen?
Reden, sprechen, singen wir (auch im Gottesdienst!) die ganze Zeit, aus Angst, dass Gott schweigen könnte?
Oder: Redet Gott im Schweigen, in der Stille?
(Stille … !)
Ein Journalist fragte mal die berühmte Helferin der Armen in Kalkutta, Mutter Teresa, wie sie zu Gott bete. Sie antwortete ihm: „Ich rede eigentlich weniger und höre mehr Gott zu.“ Der Journalist hakte nach: „Und was sagt Gott Ihnen dann so?“. – „Ach, er redet eigentlich auch weniger und hört mehr mir zu.“
Dass Gott redet, haben wir offensichtlich nicht „in der Tasche“.
Dass Gott sich uns zuwendet, erfahren wir manchmal und manchmal scheint uns das nur Schall und Rauch und der Himmel wie verschlossen.
Sag doch was. O Heiland. Reiß den Himmel auf.
Menschen verzweifeln in ihrem Land. Sind verfolgt. Lassen alles zurück. Flüchten.
Sag doch was. O Heiland. Reiß den Himmel auf.
Hass und Gewalt nehmen zu. Vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Fragen. Junge Leute fahren darauf ab, sind fasziniert vom flüsternden Säuseln des Terrors.
Sag doch was. „O Heiland. Reiß den Himmel auf. Herab, herab vom Himmel lauf.
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?“ (EG 7)
--
Weihnachten hilft, die Erinnerung wach zu halten, dass Gott geredet hat.
Weihnachten hilft, die Hoffnung wach zu halten, dass Gott redet.
Weihnachten hilft, hilft mir immer wieder.
Und immer wieder feiere ich Weihnachten gern.
Finde Weihnachten sehr ansprechend.
Fühle mich angesprochen, weil es zu meinem Leben dazugehört und Weihnachtserinnerungen aus der Kindheit in mir aufsteigen und ganz lebendig sind. Weihnachten mit den Eltern, der Familie, ich habe in der Nase, wie es an Weihnachtstagen duftete. Ich sehe, wie es an Weihnachten glänzte, im Wohnzimmer, und in den Christbaumkugeln, und in den Augen.
Und dann später, auch sehr schön, das eigene Vorbereiten und Arrangieren, für die eigenen Kinder.
Die Auseinandersetzung mit Weihnachtstraditionen, was wollen wir beibehalten, was ist nichts für uns?
Und die Lieder tun das ihre dazu.
Fassen das Geheimnis der Weihnacht wunderbar in Sprache.
Und ich werde beim Singen so was wie ein weihnachtlicher Mensch.
„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen,
Und da ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.“ (EG 37, 4)
An Weihnachten ist es, als habe Gott geredet und Licht ins Dunkle gebracht.
„Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß.
Mit seinem hellen Scheine vertreibt´s die Finsternis.“ (EG 30)
Das ist wohl eher zu erfühlen und zu besingen als ganz zu begreifen.
So wirkt Weihnachten. So berührt mich Weihnachten.
Spricht mich an. Ich fühle mich da gemeint, mit hinein verwickelt.
Als ob ich mit an der Krippe stehe.
Ich bin angesprochen, angesehen, wertgeschätzt, geliebt!
Meine Hoffnung, für mein Leben und für diese Welt, bekommt neue Nahrung.
Gott hat geredet. Epochal.
Ja, und darf man fragen, was hat er denn nun gesagt hat?
Dafür könnte man eines der Evangelien lesen. Da steht es drin.
Das schaffen wir jetzt nicht.
In Kurzform sagt er dir und mir heute seine Nähe und Menschenfreundlichkeit zu:
Ich bin, der ich bin.
Bin bei jedem Menschen,
den Berlinern, den Winzlarern, und allen anderen.
Bin bei jedem Kind, dessen Leben beginnt und das aufwächst,
bei Jesus und allen anderen.
Bin bei jedem Sterbenden,
bei Jesus und allen anderen.
Bin bei den Lachenden und den Weinenden.
Bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.
Gesegnete Weihnachten. Amen.
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Predigt zu Hebräer 1,1-4 von Rudolf Rengstorf
Liebe Gemeinde!
Der Predigt soll heute die Epistel, die wir vorhin gehört haben, zu Grunde gelegt werden. Ich verlese noch einmal die Sätze aus dem Anfang des Hebräerbriefes:
Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,:hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn.den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. Er ist der Abglamz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur rechten der Majestät in der Höhe.und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.
Warum um Himmelswillen diese Anhäufung von Begriffen, die man gar nicht so schnell behalten, geschweige denn verstehen kann?!.
Doch diese Worte sind nicht aufgeschrieben, um möglichst schnell von unseren Köpfen aufgenommen zu werden. Nicht zum Denken, zum Kombinieren oder zum Spekulieren sind sie aufgeschrieben, sondern - zum Singen! Zum Mitsingen im Chor derer, die hingerissen sind von dem, der da zu Weihnachten Mensch geworden ist Weil hier klar wird, wie Gott zu den Menschen steht: Liebevoll - uns nachgehend bis zur Geburt in Stall und Krippe - davon sind unsere Weihnachtslieder ja voll. Doch bisweilen wird in diesen Liedern vergessen: Nicht die Niedrigkeit und unsere Rührung darüber ist das Ziel der Wege Gottes, sondern den Himmel will er aufschließen für uns und alles mit seiner Herrschaft und Herrlichkeit zu durchdringen. Darum geht es. Und darum blickt dieser kleine Weihnachtshymnus genau in die entgegengesetzte Richtung: nicht auf Krippe und Stall, nicht auf das Kind, nicht zu den Hirten oder zu den Weisen aus dem Morgenland. Er blickt auf zu dem, der hinter dem allen steht. Er sieht auf zu dem Platz, der dem Kind in der Krippe bei Gott sozusagen im Zentrum der Macht eingeräumt ist.
Ein Hymnus, ein Lied der Anbetung ist das - ein Hymnus in vier Strophen, dessen Mitsänger sich selbstvergessen ganz dem öffnen, ganz den auf sich zukommen lassen, der nicht für sich bleiben, sondern sich mitteilen will.
Und wir nehmen diesen Hymnus am besten so auf, dass wir auf jede seiner Verse mit Strophen aus unserem Gesangbuch antworten.
Strophe 1
Gott hat vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet
zu den Vätern durch die Propheten.
Damit fängt alles an, dass Gott redet, zu Menschen redet und durch Menschen redet. Durch Menschen, die nicht nur behaupten, für Gott, im Auftrag Gottes zu reden - das kann jeder .. Er redet durch Menschen, die nicht sagen, was die andern hören wollen, sondern die sagen, was Gott uns hören lassen will. Vielfach hat Gott geredet und auf vielerlei Weise, so, dass die Herrschenden ihn ebenso hören mussten wie die kleinen Leute, die dachten: Auf mich kommts ja sowieso nicht an. Und er hat nicht allen das Gleiche gesagt, denn die Menschen sind ja nicht alle gleich, leben nicht unter den gleichen Verhältnissen. Den Unterdrückern hat er etwas anderes gesagt als ihren Opfern, den Überheblichen anderes als den Verzagten, den Reichen etwas anderes als den armen Schluckern. Und nie hat Gott in seinem Reden daran gedacht, sich aus der Politik herauszuhalten. Wer das heute fordert, weiß nicht, wie Gott zu den Vätern durch die Propheten geredet hat: immer und ausschließlich als der, dem diese Welt gehört und dem wir Rechenschaft darüber schuldig sind, wie wir mit seiner Welt umgehen.
Damit also fängt alles an, dass Gott redet und sich nicht darum schert, dass viele religiöse Menschen, vor allem die Esoteriker, daran Anstoß nehmen und sagen: Das ist viel zu menschlich von Gott gedacht, viel zu naiv - da sind wir weiter. Wir halten uns an eine göttliche Macht, die jenseits dessen ist, was wir uns vorstellen, sagen und denken können. Allein im Schweigen, in der mystischen Versenkung können wir uns ihm nähern. Nein, was uns zu Menschen macht, dass wir hören und reden können, das geht nicht an Gott vorbei. Das haben wir von ihm, weil er mit uns reden will und nicht daran denkt, uns und die Welt schweigend zum Teufel gehen zu lassen.
Darauf unsere Antwort: „Allein auf Gottes Wort will ich“ EG 105,1...
Strophe 2
In diesen letzten Tagen hat er zu uns geredet durch den Sohn,
den er eingesetzt hat zum Erben über alles
durch den er auch die Welt gemacht hat.
In diesen letzten Tagen - das heißt, wir leben in der Endzeit der Welt. Zwar zieht sich das Ende schon länge hin seit damals, und was ist da nicht alles an Neuem passiert. Vom Menschen aus hat sich das Gesicht der Welt seit der Zeit Jesu gründlich verändert. Von Gott aus gesehen aber hat sich Neues nicht ereignet. Er hat sein letztes Wort zu dieser Welt gesagt, und dieses Wort heißt Jesus Christus.
Mit ihm hat Gott seinen Erben eingesetzt. Nicht, natürlich nicht für den Fall seines Todes, sondern weil alle Welt durch Jesus Christus wissen muss, für wen sie gemacht ist und wem sie gehört. Denn er, Christus, war auch schon dabei, als Gott die Welt geschaffen hat. Als Gott die Welt durch sein Wort schuf, da hat er seinen Sohn im Auge gehabt, damit alles ihm auch entspricht. Das Kind in der Krippe, der Wanderprediger am See Genezareth, der wunderliche König, der auf einem Esel in Jerusalem eingeritten ist, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben um das Jahr 30 - für Gott ist er das Weltmodell, der Dreh- und Angelpunkt der Welt, ja des Kosmos im ganzen.
Dass die Welt ein Ganzes ist, davon kriegen wir unter dem Stichwort "Globalisierung".schon etwas mit. Freilich unter einem eher bedrohlichen Vorzeichen. Denn es sind die Gesetze des Marktes, die das Wohl und Wehe der Menschen auf der Welt bestimmen Und die einzelnen Staaten haben immer weniger Möglichkeit, dem weltweiten gnadenlosen Verdrängungswettbewerb humane und soziale Grenzen zu setzen und die Menschen davor zu schützen zum Spielball von Profitinteressen zu werden..
Desto aufregender ist dieser Hymnus auf den, dem in Wahrheit die Welt gehört und der sich allein mit ihr auskennt - von Anfang an: Jesus Christus. Letztlich regiert nicht Geld, sondern Barmherzigkeit die Welt! Und hier und da kommt das ja auch schon zum Borschein. Gott sei Dank!
Darauf antworten wir:
„Dies ist der Tag, dem Gott gemacht“ EG 42,1+2
Strophe 3
Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens
und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort
und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden
und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe
Abglanz, Ebenbild - so sieht das aus zwischen Gott und Christus. In Christus zeigt Gott, wer er ist: Kein abstraktes Prinzip, keine unpersönliche, namenlose Macht. Nein, wie das Kind in der Krippe und wie der Mann am Kreuz - so ist Gott. Und umgekehrt ist Jesus nicht nur mein
Freund und Bruder, nicht nur der Sympathieträger aller Menschen guten Willens. Er ist Abglanz der Herrlichkeit des allmächtigen Gottes.
Und darum hat er auch eine unglaubliche Tragekraft. Die ganze Welt trägt er mit seinem machtvollen Wort.
· Dass Menschen in ihrem Leid nicht einfach versinken
· dass sie aushalten und tragen können
· dass sie einander Lasten abnehmen und sich gemeinsam dem entgegenstellen können, was das Leben kaputtzumachen droh
· dass sie gegen den Tod rebellieren, die Hoffnung nicht aufgeben bis zum letzten Atemzug, gegen ihn anarbeiten; alles tun, um Leben zu retten
· dass Schwerstbehinderte ihr Leben wollen und ihm bisweilen mehr Freude abgewinnen können als die Gesunden –
darin zeigt sie sich die Tragekraft Jesu Christi und die Überzeugungskraft seines Wortes. Dass er die auf Geld und Macht und Gesundheit Setzenden nicht überzeugt, sagt gar nichts. Weil ihre Fundamente doch keinen Bestand haben. Wer das letzte Wort hat, zeigt sich an denen, die von alledem nichts haben und die dennoch leben und getragen werden.
Und darin, in seinem Tragen, seinem Mitleiden und Mitsterben hat er vollbracht, wozu sonst keine Macht im Himmel und auf Erden fähig wäre, nämlich die Reinigung von den Sünden. Damit, dass Gott an meine Seite tritt und mir gegen den Tod hilft, werde ich frei und rein davon, selber Gott sein, selber alles bestimmen, selber das letzte Wort haben zu müssen. Wenn er auf Gottes Thron sitzt, habe ich nichts mehr zu befürchten!
Darauf antworten wir: „Gott ist Herr, der Herr ist einer“ EG 123, 3-5
Strophe 4
Und er ist so viel höher geworden als die Engel
wie der Name, den er ererbt hat höher ist als ihr Name.
Die Engel haben wir ganz schön runtergeholt von ihrer Höhe und haben uns das von ihnen genommen, was wir hier auf Erden brauchen können: die Erfahrung, in brenzligen Situationen Glück gehabt zu haben oder auch der Wunsch, dass da immer ein harmloses Wesen ist, das auf mich aufpasst: mein persönlicher Schutzengel.
Dabei sind Engel Botem, die mir sagen, was ich nicht ändern kann, worauf ich mich einzurichten habe. Nicht harmlose Flügelmatze, sondern als Schreckensgestalten treten solche
Boten häufig genug auf - als Würgeengel, Racheengel, Todesengel. Sie verkörpern das, was wir uns Schicksal zu nennen angewöhnt haben.
Sie sagen dir, dass du an deiner Vergangenheit nichts mehr ändern kannst, sie dich aber immer wieder einholen wird. Sie sagen, dass wir uns die Zukunft schon längst verscherzt haben und diese Erde die Menschheit nicht mehr lange ertragen wird. Sie sagen, dass es undurchschaubare und anonyme Mächte sind, die diese Welt im Griff haben und dass du als einzelner sowieso nichts dagegen machen kannst. Sie sagen: Wo so viel Not herrscht, so viel Hunger, so viel Morden und Ungerechtigkeit, da kann kein Gott sein. Sie sagen: Dein Glaube ist nichts anderes als eine an den Himmel geworfene Projektion deiner Wünsche. Angst und Schrecken verbreiten sie die Boten der unabwendbaren Realität.
Zu Weihnachten und Ostern allerdings mussten sie sagen: Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren. Und was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Noch sind sie da, die deprimierenden Realitäten, die unser Leben im Griff haben. Aber einem sind sie untergeben und gegen seinen Namen sind sie machtlos: Jesus Christus! Und darum haben wir Grund zu singen:
Heut schleusst er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis.
Der Cherub steht nicht mehr daür, Gott sei Lob, Ehr und Preis!
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Wie Eisen zum Stahl wird: Aufnehmen und Entschlacken - Predigt zu Hebräer 10, 35-39 von Ulrich Kappes
Wie Eisen zum Stahl wird: Aufnehmen und Entschlacken
Viele Texte im Neuen Testament wenden sich an Christinnen und Christen, die kurz zuvor vom Heidentum bekehrt wurden. Der Hebräerbrief richtet sich an Menschen, die lange schon Christen waren, aber wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Hier, bei den Adressaten des Hebräerbriefes, treffen wir auf Menschen, deren Eltern schon Christinnen und Christen waren und dafür mit ihren Kindern büßen mussten.
Diese „Hebräer“ haben, so ist zu lesen, „den Raub ihrer Güter mit Freuden erduldet“. (10,34) Was waren das für einzigartige Glaubenszeugen! Sie wurden danach, wie es wiederum heißt, zu Pilgern „ohne bleibende Stadt“ (13,14) Ungeachtet dessen haben sie in der Fremde neue Gemeinden gegründet. Die Tragik war, dass sich Müdigkeit im „Besuch der Versammlungen“ breit machte, ja sie „verlassen“ wurden (10,35). Der Glaube schwand zusehends in ihren Reihen. Ihnen wird im heutigen Abschnitt des Briefes an gesagt:
Werdet fest im Glauben!
Bewahrt die Zuversicht und es begleite euch die Geduld!
Zunächst: Werdet fest im Glauben!
Im Mittelpunkt des Briefabschnittes steht ein Zitat aus dem Buch des Propheten Habakuk: „Mein Gerechter“, so spricht Gott, „wird aus Glauben leben“. (Habakuk 2,4)
Voran geht diesem Satz ein anderer: „Wer hochmütig ist, ist nicht recht (beschaffen) in seiner Seele.“ Das Gegenstück zum Hochmütigen ist „der Gerechte“. Er lebt „aus Glauben in Glauben“.
Das hebräische Tätigkeitswort „glauben“ kann man mit den Worten „fest sein“ oder „fest werden“ übersetzen.1 Gottes „Gerechter“ ist der, der darum ringt „fest zu sein“ oder „fest zu werden“, darin fest zu sein, bei seinem Gott zu bleiben.
Wie wird man im Glauben fester und gewisser?
Ich meine, dass es dazu zweierlei bedarf.
Glauben ist nicht einfach „zu machen“ und zum Glauben kann man sich nicht entschließen. Darin entzieht er sich. Das ist seine eigentliche und wichtigste Seite. „Fest zu sein“ und „fest zu werden“ ist nicht Ergebnis einer Selbstaufforderung. Wir können uns Festigkeit im Glauben im Wesentlichen nur schenken lassen und diese Festigkeit im Gebet erbitten. Das macht Glauben zu einer eigenen Art zu leben. Es ist das Erste, was zu sagen ist.
Um fest zu bleiben, d.h. nicht wankelmütig und labil zu werden, bedarf es als Zweitem einer ständigen Arbeit und Auseinandersetzung. Der Glaube wird angegriffen und diese Angriffe müssen abgewehrt werden.
Es sind die Zweifel, ob es Gott überhaupt gibt. Es ist die Frage, warum Gott soviel Unglück zulassen kann. Es ist das Problem, ob es nicht viel einfacher und geradliniger ist, ohne Gott zu leben. Es ist das Gefühl, allein zu sein, allein zu glauben in der Welt, in der wir leben.
Die zweite Weise, Glauben zu festigen, ist die anhaltende Auseinandersetzung. Was sagt die Schrift? Was höre ich in mir und von anderen dafür oder dagegen? Wie ernst sind die Einsprüche gegen den Glauben? Wer ist es, der sie vorträgt? Sind es ehrliche oder nur provokative Fragen? Glauben hängt, so das Zweite (ich wiederhole) mit Arbeit, täglicher Arbeit zusammen.
In Delhi steht eine Eisensäule mit einem Alter von 1600 Jahren. Sie ragt ca. sechs Meter über den Boden, hat einen Durchmesser von 42 cm, der sich nach oben auf 30 cm verjüngt. An ihrer Spitze befindet sich ein sehr schöner Knauf von ca. einem Meter Länge, der in mehrfache Ringe eingeteilt ist. Die oberste Spitze enthält das wichtigste Symbol der indischen Religion, das Rad, und eine kleine Figur. Die Oberfläche der Säule ist seidenmatt.
Zu ihr gehört die Sage, dass derjenige, der sie mit seinen Händen nach hinten umfasst und es schafft, dass sich seine Fingerspitzen berühren, nun im Leben Glück haben wird.
Über der Säule schwebt das Geheimnis, warum sie trotz ihres Alters von 1600 Jahren nicht rostet.
Ohne das Geheimnis lüften zu wollen oder zu können, lässt sich so viel sagen:
Die Schmiede, die sie einst herstellten, mussten den Stahl sehr stark erhitzt haben, damit er Kohlenstoff aufnimmt. Erst der Kohlenstoff macht den Stahl hart. Sie mussten zum anderen mit allen Methoden, die sie kannten, Verunreinigung aus dem Stahl entfernt haben, vor allem Schwefel und Schlacke mussten entfernt werden. Verunreinigungen machen den Stahl weich und rostanfällig. So ist Eisen im Feuer: es empfängt und nimmt auf und muss gleichzeitig entschlackt und gereinigt werden. 2
Die Säule in Delhi ist – jetzt mache ich einen Sprung – aus meiner Sicht ein Gleichnis zur Erlangung von Festigkeit im Glauben. Wie werden wir fester, gewisser und stärker im Glauben?
Wie das Eisen der Säule im Schmiedefeuer den „edlen“ Kohlenstoff in sich aufnahm und sich so veränderte, können die Christin und der Christ durch „Umkehr und Ruhe, Stillhalten und Vertrauen (Jes. 30,15) Festigkeit „von oben“ in sich aufnehmen. Das Gebet um das „Edle“ und das Wissen, darauf keinen Anspruch zu haben, stehen am Anfang.
Wie die indischen Schmiede zum anderen einst bei dem Eisen der Säule, Verunreinigungen entfernt haben, wie sie mit verschiedenen Verfahren weichmachende Elemente ausgemerzt haben, heißt das Streben nach Festigkeit im Glauben, sich mit Themen und Fragen auseinander zu setzen, die den Glauben gefährden oder zerstören. Mit der Vernunft des Glaubens ist abzuwehren und zu bekämpfen, was den Glauben schwach machen will. Das ist nicht wenig. Das kostet Mühe und verlangt Wachheit.
Als Zweites wird uns im Predigttext gesagt: Bewahrt die Zuversicht!
Der Hebräerbrief ist voll von Bildern und Gleichnissen aus dem Leben des Volkes Israel. Im Zusammenhang mit der Thematik des Bundesschlusses mit Israel wird im 8. Kapitel das Bild vom Gottesvolk, das durch die Wüste wandert, assoziiert.
Bewahrt die Zuversicht! Vor dem Hintergrund der Wüstenwanderung heißt das:
Bewahrt die Zuversicht, auch wenn euch euer Leben wie ein Weg durch die Wüste erscheint.
Wüste: das ist von Schlangen gebissen zu werden.
Wüste ist Durst, Durst nach Wasser und damit Durst nach Leben.
Wüste ist Hitze und damit Qual.
Wüste, das ist zu unterscheiden zwischen dem, was real vor Augen ist und dem, was eine Fata Morgana vorgaukelt.
Bewahrt die Zuversicht, dass ihr den Weg zum Ziel schafft!
Haben wir Zuversicht in Blick auf die Zukunft unserer Kirche? Was wird sein, wenn alle, die jetzt oberhalb der 70 sind und durch ihren Einsatz eine breite Basis des Gemeindelebens erstellen, nicht mehr sind? „Und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“ – Muss die Kirche überhaupt von den „Pforten der Hölle“ überwältigt werden, weil sie doch von selber auszusterben scheint?
Haben wir Zuversicht, dass unsere Familien zusammen bleiben, auch wenn sie, wie heute vielfach gang und gäbe, weit verstreut, wenn nicht in verschiedenen Ländern leben? Haben wir Zuversicht, dass Kinder und Enkel Christen bleiben?
Haben wir Zuversicht, dass die Kirche inmitten des Flüchtlingsdramas dieser Tage ihre Rolle findet? Wird sie die Weisheit besitzen, aus ihren Wurzeln und von ihren Texten her, zu einer vernunftgeleiteten Nächstenliebe zu motivieren?
Bewahrt die Zuversicht! Der Verfasser setzt diesen Aufruf mit den Worten fort: „weil das eine große Belohung hat.“ Sozusagen als Dublette heißt es einen Vers später: „Geduld aber habt ihr nötig, damit … ihr das Verheißene empfangt.“
Wir wollen das nicht überlesen und überspringen. In diesen Worten liegt die theologische Herausforderung des Textes an uns. Der Apostel wagt sich auf ein schwieriges Terrain. Ein falscher Satz und alle Verse des Predigtabschnitten werden missverstanden.
„Bewahrt die Zuversicht, weil das eine große Belohnung hat …
Geduld aber habt ihr nötig, damit … ihr das Verheißene empfangt!“
Was heißt das? Fällt der Verfasser des Hebräerbriefes hinter Paulus zurück? Wir erinnern uns an Luthers große Entdeckung aus dem Römerbrief: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke allein durch Glauben.“ Gilt nun doch und im Gegenteil „wenn … dann“ oder „wenn nicht … dann nicht“ im Hebräerbrief? Haben wir etwas zu „leisten“ und dafür gibt es die ausstehende Belohnung? Ist das die Botschaft dieses Sonntages?
Es gilt, genau hinzuhören. Es heißt: „Bewahrt die Zuversicht, weil das eine große Belohnung hat.“ Es geht nicht um eine konkrete Belohnung für ein konkretes Verhalten, sondern um etwas Einzigartiges und Großes. Gemeint ist, dass Gott vor unser Leben ein großes Ziel hingestellt hat, das es zu erreichen gilt. Der Mensch hat wie bei Paulus und in den Gleichnissen Jesu keinen Rechtsanspruch auf eine Belohnung. Er läuft aber einem großen Ziel entgegen, das er vor Augen haben soll, das er sich verdienen soll, ohne dass er es einklagen könnte.3
Diese „große Belohnung“, dieses (große) Verheißene ist nach dem Hebräerbrief eine einzigartige Ruhe, in die Gott die Seinen eingehen lässt. (4, 1–11; 6,12 u. ö.) Sie ist etwas Unbeschreibliches. Das Wort „Erquickung“, die Jesus den Mühseligen und Beladenen verheißt, ist in dieser „Ruhe“ enthalten. So spreche ich die Worte um:
Bewahrt die Zuversicht und es begleite euch die Geduld, dass ihr immer das große, schöne Ziel vor Augen habt, mit dem Gott die Seinen belohnen wird! Dieses Ziel unverrückbar vor Augen zu haben, soll – und das ist die Absicht des Verfassers – zur Kraftquelle für Zuversicht und Geduld werden.
Menschen, die Zuversicht und gleichzeitig Geduld haben, sind ein Geschenk. Sie tragen etwas von der Ruhe in sich, die ihnen einmal gegeben wird. Ein Hauch von Sicherheit und Gelassenheit gehört zu ihnen. Sie schaffen ihr Tagwerk und ihr Leben, gehen fest und klar, Schritt um Schritt durch ihren Alltag bis zum Ende ihrer Tage.
Möge dieser Funke zu einem Leben in einer umfassenden Zuversicht und einer ungebrochenen Geduld aus den Worten des Hebräerbriefes auf uns überspringen.
I1I Cf. Gesenius 1959, aman, S. 28. 5.
I2I C.J. Smithells und A. Hessenbruch, Beimengungen und Verunreinigungen in Metallen. Ihr Einfluß auf Gefüge und Eigenschaften, Berlin, Heidelberg, Göttingen 1931, digital als pdf, S.225: „Die Anwesenheit von Verunreinigungen hat … einen wichtigen Einfluß und in der Tat findet man, daß die reineren Eisenformen … am widerstandsfähigsten gegen Korrosion sind.“ – Hier wurde auch der Hinweis auf die „Eiserne Säule“ in Dehli auf S. 227 gegeben.
I3I Erich Gräßer, An die Hebräer, Zürich, Neukirchen-Vluynn1997, S. 72: „Ein Beweggrund für die Einführung des Lohnmotivs kann für unseren Verf. ausgeschlossen werden.“ Er „macht den Verdienstgedanken keineswegs im Sinne eines Rechtsanspruches geltend.“
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„Ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir" - Predigt zu Hebräer 4,9-11 von Katharina Wiefel-Jenner
„Ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir“
Somit wartet auf Gottes Volk noch eine Zeit vollkommener Ruhe – die ´wahre` Sabbatfeier. Denn wer an Gottes Ruhe Anteil bekommt, darf von all seiner Arbeit ausruhen, genauso wie Gott ruhte, als er alles erschaffen hatte.
Setzen wir also alles daran, an dieser Ruhe teilzuhaben, und lassen wir uns den Ungehorsam jener früheren Generation als warnendes Beispiel dienen, damit wir nicht wie sie zu Fall kommen! (in der Neuen Genfer Übersetzung NGÜ)
Wem dürfen wir mit unserer Trauer in den Ohren liegen? Wer bleibt geduldig mit uns? - Es ist November und die Dunkelheit bietet der Trauer ein Zuhause. Weil die Sonne wegschaut, dürfen die Tränen fließen. Weil die Nächte immer länger werden, dürfen sich die Erinnerungen hinauswagen. Das Vergessen will seine Macht über unser Erinnern demonstrieren, aber wir schützen unsere Lieben! Wir halten fest an ihnen, geben sie nicht preis. Sie gehören noch immer zu uns. Sie gehören zu uns und doch gehören sie uns nicht mehr. Sie haben sich von uns getrennt. Im Schutz der Dunkelheit entfernen sie sich von uns. Sie gehören dorthin, wo wir noch nicht sind.
Und das trauernde Herz fragt:
Geht es ihnen dort gut? Haben sie dort gefunden, wonach sie hier suchten? Sind sie angekommen?
Das trauernde Herz fragt im dringlichen Ton und hört Worte von fachmännisch objektivem Nichtwissen. Die Trauer entlarvt die Antworten der kühlen Besonnenheit als hohl. Der Schmerz übertönt das moderate Gespräch zu den letzten Dingen, das bei Kerzenschein und leisen Klängen inszeniert wird. Und irgendwann ist die Trauer wichtiger als die wohlmeinenden Antworten der Welterklärer und Berater. Im Schutz der November-Dunkelheit scheut sich das Herz nicht mehr nach dem Schicksal der Lieben zu fragen. Jetzt hat seine Stunde geschlagen. Jetzt fürchtet es weder Menschen noch Gott. Jetzt erinnert es Gott an die Worte von einst. Jetzt besteht es darauf, dass auf alle Gotteskinder das große Glück der vollkommenen Ruhe wartet. Und jetzt muss das Herz auf diesen Worten von einst beharren: Unsere Lieben haben vollkommene Ruhe bei Gott gefunden.
Ist das gewiss? Die Erinnerungen sprechen eine andere Sprache. Hier sind unsere Lieben nie zur Ruhe kommen. Sie kannten vor allem die Mühsal. In unseren Erinnerungen sehen wir, wie sie sich aufgerieben haben. Das Herz erinnert sich an ihre Müh und Plag. Es sieht, wie sie gearbeitet haben, Lasten getragen, gesorgt und standgehalten haben. Vor dem Morgengrauen, in der Mittagshitze, trunken vor Müdigkeit. Sieben Tage die Woche, kaum Pausen, immer verantwortlich, immer mit der Absicht, das Chaos zu bannen und das Leben zu schützen. Es sollte ihnen nicht passieren, dass irgendeines der Kinder hungrig bleibt. Es sollte ihnen nicht passieren, dass sie am Abend nicht für den nächsten Morgen vorbereitet waren. Es sollte ihnen nicht passieren, dass sie irgendjemandem etwas schuldig blieben. Sie haben für die anderen zuerst gesorgt und in Momenten der Ruhe wurden sie vom Schlaf überwältigt.
Wer, wenn nicht sie, hätte wirklich Ruhe verdient? In der Stunde der Trauer erinnert das Herz Gott an die Worte von einst: Du hattest ihnen einst die vollkommene Ruhe versprochen; auch du hast geruht, nach dem aus Chaos Ordnung, aus Wasser und Licht Leben und aus Himmel und Erde unsere Welt wurde. Bleibst du bei deinem Wort, Gott? – und: In der Dunkelheit der Trauer steht Gott zu den Worten von einst.
Nun gut! Das trauernde Herz darf für die Geplagten auf Gottes Treue trauen. Was ist mit denen, die schuldig wurden? In den Erinnerungen ist für Ruhe kein Platz. Sie sind gefüllt mit Traurigkeit, Versagen, Schuld. In den Nächten der Schuldigen öffneten sich die Saaltüren zum schrecklichen Gericht. Die Hände, die sie nicht ergriffen hatten, streckten sich ihnen erneut entgegen. Die Worte, die sie anderen eingebrannt hatten, klangen nach. Die Schreie der Vergangenheit dröhnten in ihren Ohren und wurden aus den eigenen Mündern laut. Ruhe? Dürfen sie überhaupt zur Ruhe kommen? Nach all ihrer Schuld? Genügten die nächtlichen Gerichtsszenen nicht? Auf welche Ruhe soll das zurückgebliebene Herz bei den Schuldigen hoffen? Nur auf die Friedhofsruhe? Das Herz erinnert sich: Barmherzig und gnädig ist der Herr und die Schuldigen dürfen hoffen. Dem Herz erscheint das Bild des unbestechlichsten aller Richter. Wird sein zweischneidiges Schwert die Schuld von den Schuldigen wegschneiden und auch sie in der vollkommenen Ruhe willkommen heißen? Wird sich der Richter selbst statt ihrer der brennenden Worte annehmen, die verweigerte Hand reichen, das Unerträgliche tragen?
Das Herz, das die Schuldigen liebt, hofft auf den unbestechlichen Richter. Eine andere Hoffnung gibt es nicht. Bleibst du bei deiner Barmherzigkeit und Gnade, Gott? - und: In der Dunkelheit der Trauer steht Gott zu den Worten von einst.
Und das trauernde Herz fragt weiter für die, die nie in ihrem Leben angekommen waren. Was ist mit denen, die in längst vergangenen Zeiten heimatlos geworden sind? Bis zu ihrem Ende hat sie niemand zu den Einheimischen gezählt. Bis zu ihrem Ende haben sie gehofft, dazugehören zu dürfen; gehofft, die Liebe zu empfangen, die sie selbst so reichlich in sich hatten. Sie haben sich verausgabt; gegeben, was sie hatten, damit sie gesehen und geliebt werden. Das Herz fragt für die, die sich von dieser maßlosen Sehnsucht ernährten. Sind sie endlich zur Ruhe gekommen? Hat ihr Suchen und Sehnen endlich ein Ende gefunden? Das Herz, das um die Heimatlosen trauert, schreit es Gott entgegen: Wenn nicht einmal du ihnen Heimat geben willst, wer dann? Wenigstens du, Gott! Du musst dich ihrer annehmen! Wo sollen sie zur Ruhe kommen, wenn nicht bei dir? Du hast sie wie die Israeliten aus der Sklaverei geholt. Nun lass sie nicht weiter heimatlos durch die Wüste ziehen. Du hast sie auf dem Berg versammelt und sie mit Brot und Fisch gespeist. Du hast sie geheilt. Du hast dich selbst in ihre Häuser eingeladen. Du musst. Du, Gott, bist das Ziel aller wirklichen Sehnsucht. Gib dich zu erkennen. Du bist die Heimat für die Heimatlosen. Öffne den Getriebenen deine Tür. - und: In der Dunkelheit der Trauer steht Gott zu den Worten von einst.
Das trauernde Herz liest die Worte von einst. Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer bei Gott (Ps116,15). Gott sind die Toten genauso wenig egal wie uns. Der Tod hat uns von ihnen getrennt und wir halten fest an ihnen, geben sie nicht preis. Sie gehören noch immer zu uns. Aber sie gehören schon dorthin, wo wir noch nicht sind. - Und Gott steht zu seinem Wort. Unsere Toten haben schon die vollkommene Ruhe gefunden, die wir ihnen nicht geben konnten. Sie haben schon die Ruhe, die wir noch entbehren - aus Sorge, in Müh und Plag, in Schuld, mit Sehnsucht. - Und Gott steht zu seinem Wort. Das trauernde Herz muss nicht mehr im dringlichen Ton fragen, ob es den Toten gut geht. Es muss sich fragen, wonach es selbst Ausschau halten soll.