KONFI-IMPULS zu Lukas 9,57-62 von Thomas Ebinger
Der Bibeltext enthält steile und provozierende Sprüche zum Thema Familie und Nachfolge. Sie passen nicht zu einer bürgerlichen Moral, die Familie als Wert hochhält und meist auch mit dem christlichen Familienideal identifiziert wird. Deshalb ist der Text eine Chance für alle Jugendlichen, die in einer nichtkonventionellen Familie leben, wo es durchaus vorkommen kann, dass man an der Beerdigung des eigenen Vaters nicht teilnimmt.
Beim Thema Nachfolge ist es wichtig, zu einem symbolischen Verständnis der Wegmotivik zu kommen. Es ist klar, dass Christen heute nicht wie Jesus ein Leben auf der Straße von der Hand in den Mund führen sollen. Die Basisbibel erläutert schön „Jesus zu folgen bedeutet, das Leben ganz in seinen Dienst zu stellen.“
Gestaltungsideen
Die Konfis könnten nach einer gemeinsamen Erschließung des Textes drei kurze Anspiele gestalten, die die Themen der Nachfolgesprüche aufgreifen und sie in die heutige Zeit übertragen:
1. Wer Jesus nachfolgt, muss sich auf ungesicherte Verhältnisse einlassen, wird womöglich nicht immer ein Dach über dem Kopf haben.
2. Wer Jesus nachfolgt, muss (manchmal) seine Familie vernachlässigen.
3. Wer Jesus nachfolgt, muss sich konsequent auf die Zukunft ausrichten und die Vergangenheit vergangen sein lassen.
In ländlichen Gebieten lässt sich vielleicht ein alter Pflug organisieren, den man durch die Kirche ziehen kann, einmal mit dem Blick zurück in Kurven, einmal mit dem Blick nach vorn auf das Kreuz in gerader Linie.
Und das Elterngebot?
Spannend ist es, den Text mit dem Elterngebot in Verbindung zu bringen. Mögliche Fragen an Konfis, deren Ergebnisse sie in den Gottesdienst mit einbringen können:
Welche Gründe könnte es geben, die Beerdigung des eigenen Vaters oder der eigenen Mutter nicht zu besuchen?
Was heißt es, seine Eltern zu ehren.
Wie steht ihr zu dem Satz: „Eltern sollten im Alter nicht das zurückerwarten, was sie in ihre Kinder investiert haben. Was man von seinen Eltern empfangen hat, soll man seinen Kindern weitergeben.“
Wie und wo kann die Gemeinschaft von Christen als Schwestern und Brüder mit dem einen Vater (familia dei) zum Ersatz der Herkunftsfamilie oder sogar zur eigentlichen Familie werden? Wo habt ihr das schon einmal erlebt
Musik
Das Lied von Albert Frey „Dreimal“ (Werd ich dir folgen) greift am Beispiel von Petrus u. a. das Bild vom Pflug auf, es könnte mit Konfis angeschaut und im Rahmen der Predigt eingespielt werden (http://youtu.be/8y913YwM4b8 mit Herz-Bildern).
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Nachfolge - Predigt zu Lukas 9,57-62 von Kathrin Nothacker
Nachfolge
Liebe Gemeinde,
in diesen Wochen bereiten sich unsere Konfirmandengruppen auf die Konfirmation vor. Diese Vorbereitungen sind von vielen Dingen geprägt: der Feier im Familienkreis, der Auswahl der Kleider, den Einladungen an Verwandte und Freunde. Vielleicht seid ihr Konfirmanden auch schon mitten drin in diesen Vorbereitungen.
Im Unterricht wird aber in diesen Wochen auch über das andere gesprochen, nämlich das, worum es im Kern des Konfirmationsgottesdienstes geht. In diesem verpflichten sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden öffentlich und vor Gott, ein Leben in der Nachfolge Jesu zu führen. Es ist eine spannende und große Aufgabe, darüber mit Euch Konfirmanden ins Gespräch zu kommen. Was heißt das: Leben in der Nachfolge Jesu?
Leben in der Nachfolge Jesu – das ist eine Lebensaufgabe für uns alle, die wir uns Christen nennen. Und ganz gewiss immer wieder eine riesengroße Herausforderung.
Jesus ruft uns in seine Nachfolge auch mit dem Bibelwort heute Morgen und dass das kein Spaziergang ist, merken wir gleich.
Hören wir auf dieses Jesuswort aus dem Lukas-Evangelium:
57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!
61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Obwohl dem einen oder der anderen von uns dieses Wort mit seiner bildhaften Sprache bekannt sein mag; eigentlich ist es ungeheuerlich, was Jesus uns da zumutet. Er mutet uns viel zu, nichts weniger als das, was ich einmal mit den Begriffen Heimatlosigkeit, Pietätlosigkeit und Beziehungslosigkeit beschreiben möchte.
Wer kann so leben? Ohne Heimat, ohne einen Ort, von dem er sagen kann. Hier bin ich zuhause. Hier gehöre ich hin.
Wer von uns kann leben ohne Pietät, ohne dass man den Toten die letzte Ehre erweist, gar dem eigenen Vater? Wer möchte so leben, dass der letzte Dienst, den man an einem Menschen tun kann, diesem nicht mehr erwiesen wird?
Und wer von uns kann und möchte leben ohne Beziehungen, ohne eingebunden zu sein in ein soziales Netz, in das Netz von Familie und Freunden, wer möchte leben ohne menschliche Nähe und Wärme?
Er mutet uns viel zu, unser Herr und Meister. Er ruft in die Nachfolge und redet von Heimatlosigkeit, von Pietätlosigkeit, von Beziehungslosigkeit.
Wir sind versucht zu sagen, das kann er so nicht gemeint haben. Das kann für uns, die wir uns zwar Christen nennen, aber uns eben als ganz normale Christen verstehen, so nicht gelten.
Aber was meinen dann diese Bildworte, die uns immer noch – auch im Jahr 2015 - zur Predigt aufgetragen sind? Was fangen wir mit diesem Jesuswort an, mit diesem radikalen Ruf in die Nachfolge? Was heißt das für Euch Konfirmanden, die ihr in den nächsten Wochen versprecht, in der Nachfolge Jesu leben zu wollen?
Das Wichtigste an diesem Wort ist zuerst einmal: Es geht um Nachfolge. Es geht um Nachfolge Jesu Christi und nicht um einen Ruf zu religiösen Höchstleistungen. Als Ruf in die Nachfolge gilt es aber natürlich auch uns.
Ich möchte versuchen, dieses Jesuswort zu deuten anhand von drei Begriffen, die das Wie dieser Nachfolge definieren. Und es sind drei Gegenbegriffe zu den eben gehörten.
Es geht um Nachfolge, nicht um einen Aufruf zu religiösen Höchstleistungen und als Aufruf zur Nachfolge hören wir den Ruf zur Freiheit, den Ruf zum Leben und den Ruf in eine Zukunft.
Freiheit, Leben, Zukunft – das verspricht uns Jesus, wenn wir uns auf ein Leben mit ihm einlassen.
Zuerst: Der Ruf in die Freiheit:
„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“
Vielleicht können wir diesem kräftigen Bildwort etwas abgewinnen, wenn wir es nicht nur verstehen als ein Zurücklassen der Heimat, dessen was uns lieb und wert ist. Wenngleich es auch die Erfahrung ist von vielen Menschen, die selbst auf der Flucht waren am Ende des letzten Krieges oder die in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind und noch kommen. Das Wort hat auch etwas mit Heimatlosigkeit zu tun, aber vielleicht vermögen wir es auch zu verstehen als einen Ruf in die Freiheit.
Diese Freiheit ist noch fremd und unheimlich, wir wissen nicht, was sie bringt. Israel hat die sicheren Fleischtöpfe Ägyptens hinter sich gelassen und hat sich auf dem Weg durch die Wüste nicht nur einmal nach ihnen zurückgesehnt. Aber die Israeliten tauschten die Fleischtöpfe ein – am Ende – nach langer mühevoller Wanderung für die Freiheit.
Der Weg in die Freiheit reißt oft heraus aus der häuslichen Geborgenheit und der Sicherheit der vier Wände. Aber am Ende wiegt die Freiheit schwerer als alles Zurückgelassene. Es ist gut, wenn wir uns das immer wieder vergegenwärtigen, wenn wir debattieren über die vielerlei Gründe, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen und zu uns flüchten.
Für uns kann dieses Jesuswort aber auch heißen, dass wir die Fesseln der Sorge um unsere Zukunft ablegen.
Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob mir die Gesundheit erhalten bleiben wird.
Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob unser Geld seinen Wert behält.
Es hilft nichts, sich zu sorgen und sich den Kopf zu zermartern, ob wir unseren Lebensstandard in dieser Form behalten werden.
Das Sorgen an sich hilft nichts. Im Gegenteil: Es knechtet uns und nimmt uns Energien, die wir für anderes besser brauchen können.
Und für uns Christen gilt, was Jesus selbst uns sagt: Sorget nicht um euer Leben. Vertraut darauf, dass Gott euch jeden Tag das gibt, was ihr zum Leben braucht. Und vergesst nie: Der Menschensohn hatte keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte.
Sollten wir da nicht mit dem auskommen können, was wir mehr haben als Millionen Menschen auf dieser Erdkugel?
In Jesu Worten scheint das auf, was wir Freiheit vom Sorgen nennen – und das ist gewiss ein hohes Gut.
Der Ruf ins Leben:
Es mutet seltsam an, wenn Jesus dem, der ihm mit Ernst nachfolgen will, nicht zugesteht, den eigenen Vater zu begraben. „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“
Nur vordergründig geht es hier um eine Bestattung. Hintergründig sagt Jesus etwas über den Tod und das Leben an sich aus. Jesus will, dass wir uns in seiner Nachfolge dem Leben zuwenden und nicht dem Tod. Er will, dass wir uns verabschieden von einer Kultur des Todes.
Es ist ja so, dass wir uns in unserer Gesellschaft kaum mehr über den Tod unterhalten. Wenn in der Familie ein Todesfall eintritt, so höre ich oft von den Angehörigen: Hätten wir doch mehr über den Tod gesprochen. Vielleicht könnten wir uns dann leichter verabschieden. Aber über den Tod an sich wird nicht gesprochen. So wie die Friedhöfe ganz an den Rand unserer Städte und Gemeinden gerückt sind, so ist auch der Tod zu einem Tabuthema geworden.
Und doch beobachten wir auf der anderen Seite, dass der Tod in unserer Gesellschaft sehr präsent und sogar dominant ist. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht konfrontiert werden mit den Bildern des Todes: Jeden Tag sterben Menschen; in Syrien, im Irak, in der Ukraine, im Mittelmeer.
Auch die Diskussion um das sogenannte selbstbestimmte Sterben und die aktive Sterbehilfe gehört – bei aller notwendigen Differenzierung – in dieses Feld. Es ist inzwischen immer schwerer geworden, diesen dezidiert christlichen Standpunkt zu verteidigen, dass das Leben schwerer wiegt als der Tod.
Und für unsere Kinder und Jugendliche ist der Tod in den vielen Computerspielen sogar schon zum Spiel geworden. Der Tod ist in unserem Leben allpräsent und eigentlich übermächtig.
Davon müssen wir wegkommen. Lasst die Toten ihre Toten begraben, wir aber wenden uns dem Leben zu! Es gilt, mit aller Macht, das Leben zu schützen. Das ist unsere Aufgabe. So wie es der Tübinger Theologe Eberhard Jüngel formuliert: „Es gilt, Abschied vom Tode zu nehmen – und nicht Abschied vom Leben. Wer Jesus folgt, ist ganz und gar für das Leben da. Und: Arbeit für das Gottesreich ist Abschied vom Tode.“
Und zuletzt: Wir vernehmen einen Ruf in die Zukunft
Zukunft gibt es nur, wenn wir nach vorne blicken. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Das deutet darauf hin, dass es Zukunft nur gibt, wenn die Vergangenheit zurückgelassen wird. Dies ist freilich ein gefährliches Unternehmen. Denn wir wissen, dass es keine Zukunft gibt ohne den Blick zurück in die Vergangenheit und ohne die Erkenntnisse, die man aus der Vergangenheit gewonnen hat. Deshalb ist der Blick nach vorne auch klar zu definieren. Im Wochenpsalm, der diesem Sonntag den Namen gegeben hat, heißt es: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn.“
Das ist der Blick nach vorne. Und wir Christen, die wir mitten in der Passionszeit stehen, blicken nach vorne auf einen Herrn, der ins Leiden, in den Tod ging. Und wir bekennen, dass er das für uns getan hat zur Vergebung unserer Sünden.
Er hat unsere oft so schuldhaft verstrickte Vergangenheit, auch unsere Verstrickung in den Tod auf sich genommen, sie für uns getragen, damit wir den Blick nach vorne tun können, damit uns Zukunft und Leben eröffnet ist. Und dies sage ich auch bewusst in diesem Jahr, in dem wir an das Kriegsende vor 70 Jahren denken.
Schuld und Versagen – so sagt uns der in die Nachfolge rufende Christus - werden nicht unter den Teppich gekehrt, ignoriert oder vertuscht. Schuld und Versagen dürft ihr bei mir, dem Christus Gottes ablegen, ich trage sie ab. „Du aber verkündige das Reich Gottes.“
So ruft er uns in die Nachfolge, dass wir zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Reich Gottes werden. Dass wir uns einsetzen dafür, dass Menschen Zukunft und Leben und Freiheit haben.
Amen.
GOTTESDIENST
Vorspiel
Lied: 390, 1-3 Erneure mich, o ewigs Licht
Votum
Begrüßung
WS: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lk 9,62)
Psalm 25 (713) Ehr sei dem Vater
Gebet - Stilles Gebet
Schriftlesung: 1. Kön 19, 1-8
Lied: 394, 1-5 Nun aufwärts froh den Blick gewandt
Predigt: Lk 9, 57-62
Lied: 384 Lasset uns mit Jesus ziehen
Fürbittgebet - Vaterunser
97, 1-5 Holz auf Jesu Schulter
Abkündigungen
97,6 Hart auf deiner Schulter
Segen – Nachspiel
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Predigt zu Lukas 8,4-8.11-15 von Sven Keppler
I. Ein Muslimbruder wird zum französischen Präsidenten gewählt. Die berühmte Pariser Sorbonne wird von saudischen Geldgebern übernommen und zur islamischen Universität umgebaut. Der Charakter der französischen Gesellschaft wandelt sich in kürzester Zeit: An die Stelle des liberalen Individualismus tritt ein traditionelles Patriarchat. Die Laizität, also die Trennung von Religion und Staat, wird aufgegeben. In kürzester Zeit verschwinden Miniröcke und Boutiquen für körperbetonte Frauenkleidung aus dem Stadtbild.
Liebe Gemeinde, dieses Zukunftsbild des Jahres 2022 entwirft Michel Houellebecq in seinem neuen Roman ‚Unterwerfung‘. Das Buch erschien gleichzeitig mit dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift ‚Charlie Hebdo‘. Eines der Opfer war ein enger Freund von Houellebecq. Und so erreicht der Roman enorme Verkaufszahlen. Auch in Deutschland steht er an der Spitze der Bestsellerliste.
Dieses Buch ist jedoch nicht einfach das Werk eines „Islamkritikers“. Houellebecqs erster Roman erschien 1994. Seitdem ist er ein ätzender Analytiker unserer westlichen Kultur. Die Islamisierung West- und Mitteleuropas ist bei ihm nicht das Werk finsterer Terroristen. Sondern sie erscheint ganz einfach als die Folge davon, dass unsere christlich-liberale Kultur innerlich hohl geworden sei.
Individualismus und Liberalität – das sind Schlüsselwörter dieser Kultur. Der unantastbare Wert und die Würde des einzelnen Menschen. Und das Recht jedes Menschen, sich frei zu entfalten. In Houellebecqs Augen sind davon nur frustrierende Trümmer übrig geblieben. Die Freiheit der Märkte und des Konsums. Die Vereinzelung der bindungslosen Menschen. Und eine tabulose Sexualität, die immer mehr zur Ware wird.
Zweimal bemüht sich der Erzähler, wieder mit der christlichen Tradition in Kontakt zu kommen: in einem Kloster und in einer Wallfahrtskirche. Aber diese Versuche scheitern. Er kommt zu dem Schluss, dass das Christentum seine lebendige Kraft ausgehaucht habe. Der Grund dafür sei geradezu eine tödliche Ansteckung. Die Verbindung mit den liberalen Gedanken habe zum Untergang des Christentums geführt.
II. Michel Houellebecq erzählt seine Geschichte ganz lakonisch: unaufgeregt, knapp, schnörkellos. Was eigentlich unerhört wäre, erscheint dadurch fast zwangsläufig. Wie eine ganze Gesellschaft sich widerstandslos von den Freiheitsrechten verabschiedet, die sie in 200 Jahren erkämpft hat: von der Gleichberechtigung der Frau, von der weltanschaulich neutralen Bildung, von der sozialen Fürsorge des Staates.
Liebe Gemeinde, Michel Houellebecq hat ja Recht: Tatsächlich ist heute der christliche Glaube ganz eng verbunden mit der Würdigung des einzelnen Menschen und seiner Freiheit. Ist das eine Fehlentwicklung? Eine Verformung unseres Glaubens? Ein Unfall der Neuzeit? Oder gehört das zum christlichen Glauben wesentlich dazu? Diese Fragen möchte ich an unseren heutigen Predigttext stellen – das berühmte Gleichnis vom Sämann. Ich lese aus dem 8. Kapitel des Lukasevangeliums [Lk 8, 4-8].
Bei seinem Gleichnis hatte Jesus eine ganz bestimmte Pointe im Sinn. Er wollte sagen: Wenn das Reich Gottes auch noch so klein anfängt – am Ende wird es überwältigend groß. Wie im Gleichnis vom Senfkorn: Aus einem winzigen Korn wird ein erstaunlich großer Strauch. So ist es auch bei der Saat: Auch wenn eine Menge daneben geht, gibt es trotzdem eine große Ernte. Weil die Saat auf gutem Boden hundertfach Frucht bringt und den Verlust mehr als ausgleicht.
Als Lukas sein Evangelium schrieb, hatte sich jedoch eine andere Deutung des Gleichnisses durchgesetzt. Weg, Fels, Dornen und gutes Land wurden auf die unterschiedlichen Menschentypen gedeutet. Ich lese wiederum aus dem Evangelium nach Lukas [Lk 8,11-15]
III. Es war eine Erfahrung von Anfang an: Die Samenkörner bringen nicht überall Frucht. Wenn die Saat gleichmäßig verstreut wird, ist das Ergebnis ernüchternd. Auf dem Weg werden die Körner zertreten und weggepickt. Auf dem Felsen reicht es allenfalls für ein kurzes Aufblühen. Und unter den Dornen kann sich nichts entfalten. Nur auf gutem Land bringt die Saat gute Frucht.
Von Anfang an wurde diese Erfahrung auch mit Menschen gemacht. Nicht jeder ist empfänglich für die Botschaft von Jesus. Manche sind verhärtet. Bei anderen löst das Evangelium nur ein Strohfeuer aus. Und bei wieder anderen werden die ersten Ansätze erstickt durch das, was sonst ihr Leben bestimmt.
Der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Das ist nicht erst eine Erkenntnis unserer Zeit. Sondern eine Erfahrung von Anfang an. Die Deutung des Gleichnisses erklärt diese Erfahrung mit der Unterschiedlichkeit der Menschen. Ob Gottes Wort fruchtet oder nicht – das hat mit der Verschiedenartigkeit der Menschen zu tun. Ob sie verhärtet sind. Oder leichtfertig. Ob ihr Alltag sie im Griff hat. Oder ob sie sich öffnen können.
Jesus begründet den unterschiedlichen Erfolg nicht mit Gottes Vorsehung. Hätte er das gewollt, dann hätte er das Gleichnis anders erzählt: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und er fand ein großes Feld. Und er säte hierhin und dorthin. Wohin sein Same fiel, da brachte er große Frucht. Der Rest des Feldes aber blieb brach.
So nicht. Sondern schon zu Beginn des Christentums wurden die Unterschiede der Menschen gesehen. Die Vielfalt der Persönlichkeiten und Charaktere. Und man wusste: Ob ein Mensch zum Glauben kommt, das entscheidet sich ganz individuell. Ganz persönlich. Das ist keine Frage des Kollektivs oder der traditionellen Gemeinschaft. Sondern eine Sache zwischen Gott und dem Einzelnen.
IV. Wenn das Gleichnis auf die verschiedenen Menschentypen gedeutet wird, kommt jedoch eine neue Frage auf: Was wird aus den Menschen, bei denen Gottes Wort nicht fruchtet? Bei Weizenkörnern lässt sich der Verlust ja verschmerzen. Und wenn ein Weg nicht zum blühenden Feld wird, ist das ja sogar ganz in Ordnung: Er soll ja auch ein Weg sein. Da würde es nur stören, wenn auf ihm etwas wüchse.
Wenn das Gleichnis jedoch auf Menschen gemünzt wird, dann lässt sich nicht so locker sagen: Es ist egal, wenn der Glaube bei manchen nicht fruchtet. Es gibt ja noch genügend andere. – Dann drängt sich doch vielmehr die Frage auf: Was wird aus den Menschen, bei denen die Saat nicht aufgeht? Wenn wir Michel Houellebecq glauben, dann werden das immer mehr.
Es passt überhaupt nicht zu Jesus, dass ihm diese Menschen gleichgültig gewesen sein sollten. Denken Sie an das Gleichnis vom verlorenen Schaf: Jesus geht jedem Einzelnen nach. Dem Zöllner. Der Ehebrecherin. Dem ausgegrenzten Kranken. Niemand soll verloren gehen!
Aber wie soll das gehen bei den Menschen, die wie ein Weg sind? Wie ein Fels? Wie ein von Dornen überwucherter Boden? Müssen sie doch alle zum Acker werden? Alle gleich?
Ich glaube, dass Gott mit jedem Menschen etwas ganz Eigenes vor hat. Denken Sie daran, was Paulus zu den unterschiedlichen Gaben schreibt: Viele verschiedene Glieder bilden einen Leib. Gerade in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt werden die Menschen gewürdigt. Gerade darin gehören sie zur bunten Gemeinschaft des Christentums.
Im Gleichnis gesprochen: Vielleicht werden die Wegtypen ja gerade nicht als Acker gebraucht. Sondern sie sind wertvoll, damit die Ernte zur Scheune gelangen kann. Und von dort zur Mühle und zum Bäcker. Vielleicht werden die Felstypen gebraucht, damit aus ihnen Bausteine werden. Für Scheunen, Mühlen und Backstuben. Und die unter den Dornen: Vielleicht wären sie ja gutes Ackerland. Aber sie müssen erst befreit werden von den belastenden Wucherungen ihres Lebens.
V. Liebe Gemeinde, die Auseinandersetzung mit dem Gleichnis hat zu drei Einsichten geführt.
Erstens: In unserem Glauben wird der Einzelne gewürdigt – in seiner Unverwechselbarkeit und seiner Freiheit! Das ist nicht erst ein neuzeitlicher Gedanke. Er ist tief im Christentum verwurzelt. Anders können wir den Glauben nicht haben als individuell und vielgestaltig. Und es gibt keinen Glauben ohne die Freiheit, sich gegen ihn zu entscheiden.
Zweitens: Trotz aller Freiheit will Gott, dass kein Mensch verloren geht! Der Weg der Vielfalt ist nicht ungefährlich. Welche Fehlentwicklungen dabei möglich sind, das führt Houellebecq unerbittlich vor Augen. Aber einfacher ist der Glaube nicht zu haben. Vertrauen wir trotzdem und gerade deshalb auf Gottes Fürsorglichkeit!
Und drittens: Es gibt keinen Grund zur Verzagtheit! Wo Houellebecq resigniert. Wo er provokativ beschreibt, wie sich eine ausgelaugte westliche Kultur dem Islam unterwirft. Wo vielleicht auch wir zu resignieren drohen in unserer immer stärker entchristlichten Welt. Da gibt das Gleichnis vom Sämann Trost: Selbst wenn nur wenige Samenkörner auf fruchtbaren Boden fallen – sie werden hundertfach Frucht bringen. Amen.
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„Suchet, so werdet Ihr finden“ - Predigt zu Lukas 2,41-52 von Henning Kiene
„Suchet, so werdet Ihr finden“
I. Wissen Sie…, wer ich bin?
Die Fenster sind mit schwarzen Vorhängen verhängt. Die neue Flüchtlingsunterkunft ist bezogen. Von außen gibt es keinen Einblick. Kinderfahrräder stehen vor der Tür, einige Spielsachen liegen bereit, ein Sandkasten scheint auf Kinder zu warten. Menschen habe ich hier bisher nicht gesehen. Doch: Kurz vor Weihnachten bewegt sich einer der schwarzen Vorhänge. Ein Kinderarm hebt sich, kaum erkennbar, von dem dunklen Stoff ab, schiebt den Vorhang bei Seite. Ein kurzer Blick, flüchtig zwei helle Kinderaugen, ein Moment, sofort vorbei. Jemand stoppt, „hoffentlich fühlen die sich bei uns wohl“, höre ich eine Stimme. Und ich frage mich: Sind Eltern und Kinder zusammengeblieben oder wurden sie auf der Flucht voneinander getrennt? Der Gedanke, dass es irgendwo Eltern geben könnte, die nach genau diesem Kind suchen, bleibt hängen.
Auf einer Europakarte sind die Flüchtlingsströme eingezeichnet, die sich ab Januar 1945 durch Europa quälten. Dicke Pfeile zeichnen die Bewegungen der Trecks nach. Diese Erinnerung wird im Januar dieses Jahres 70 Jahre alt. Ich habe noch die Plakate vor Augen, die vor vierzig Jahren noch an den öffentlichen Plakatwänden hingen. Man sieht Frauen und Männer: „Wissen Sie…, wer ich bin? wie ich heiße? woher ich komme?“ Ein Foto von ihnen und eine knappe Geschichte wird erzählt. Der DRK-Suchdienst betreut Kinder und Eltern, die während und nach dem Ende des sogenannten Dritten Reiches getrennt – oftmals auf der Flucht – auseinander gerissen worden waren. Mehr als hunderttausend Kinder und Eltern galt es wieder zusammenzubringen, wie wertvolle weit verstreute Puzzleteile, die zusammengefügt werden sollen. Mittags lief der Kindersuchdienst im Radio: Die Namen der Kinder waren häufig unbekannt, gesprochen wurde darum von einem Leberfleck, einer Narbe, einem alten Spielzeug. Wer es hörte und seine eigenen Eltern in der Nähe hatte, war für einen Moment überaus glücklich.
Die Geschichte, die von einem verlorenen Kind handelt, ereignet sich tagtäglich. Unzählige Eltern sind auf der Suche. Heute wird die Zahl der Flüchtlinge weltweit mit über 51 Millionen Menschen angegeben.[1] In meinen Jahren als Gemeindepastor habe ich am Ende eines Beerdigungsgesprächs manchmal gehört: „Noch eins – Sie sollten es wissen – da war noch ein Kind, unsere Schwester, die ist bei der Flucht…, Sie wissen schon. Wenigstens im Gebet sollten wir an die denken. Wir haben in unserer Familie nie über sie gesprochen.“
II. Genau da nicht: Zwischen Nutella und Playmobil
Der Schaden kann bei Eltern und Kindern nicht größer sein. Es gibt Verluste, die verschmerzt kein Mensch. Wer die drei Tage Maria und Joseph nach Jerusalem folgt, sich mit ihnen auf die Suche begibt, spürt: Das hier ist eine Suche, die hat eine neue Qualität. Hier ist es anders, als in diesem bekannten Schreckmoment, wenn ein Kind in einem gut gesicherten Supermarkt aus dem Blick verschwindet und zwischen Nutella und Playmobilfiguren wieder auftaucht und die Kinderaugen einen überrascht anstrahlen: „Guck mal, das habe ich gefunden!“ und eine Plastikfee mit Zauberstab wird dir in die Hand gedrückt. Es gibt eine Suche, die einen selber grundsätzlich verändert und die Suchenden auf den höchsten Level der Aufmerksamkeit heben. Da wird alles, der ganze Körper, zur Suche. Da ist dieses Wissen, „wie auch immer das hier ausgehen mag, du wirst ein anderer Mensch sein.“ Von dieser Art intensiver Suche handelt das heutige Evangelium. Das anfängliche Bangen, wo denn dieses Kind bloß geblieben ist, führt zu der intensivsten Suche, zu der Menschen fähig sind, um dann der Erkenntnis, wer dieses Kind eigentlich ist und wer es noch sein wird, einzumünden. Hier suchen zwei und wissen zugleich, wenn sie ihn wirklich finden sollten, dann wird er nicht mehr in der Weise ihr Kind sein, wie er zuvor ihr Kind gewesen ist. Es wäre nicht voreilig, heute Maria schon unter Jesu Kreuz zu sehen, die Symbolzahl der drei Tage legt diese Perspektive nah.
Drei Tage war Jona in dem großen Fisch gefangen, bevor er wieder an Land ausgespien wurde. Drei Tage lag Jesus im Grabe, dann erst fanden die Frauen den Toten bei den Lebenden. Es wirkt so, als deute der Evangelist schon im zweiten Kapitel das ganze Leben Jesu aus. Hier geht nicht nur ein Kind verloren, auch geht es nicht nur um diese Suche, hier wird eine Perspektive eröffnet und das Leben Jesu wird sichtbar.
III. „Bitte kümmern Sie sich um dieses Kind, danke schön“
Das Evangelium schickt die, die diese sogenannten Kindheitsgeschichten Jesu lesen und hören, in die Tiefe des Lebens Jesu hinein. Die Katastrophe, dieses unvorstellbare Leid, das einem Menschen wiederfahren kann und zu Boden gehen lässt ist, wird erkennbar. Das Lukasevangelium macht es einem leicht, sich selber in diesen Eltern wiederzufinden: Die Selbstvorwürfe, die innere Qual einer tagelangen Suche, das Gefühl, das eigene Kind nicht mehr schützen zu können und selber so unendlich schutzlos zu werden, dieses Wissen, dass jedes Kind ein Teil von einem selber ist und doch zugleich seinen Eltern nicht gehört…
Hier geht es um eine höchst intensive Suche, an deren Ende alles neu sortiert ist. Dieser erste Moment im Tempel zeigt, wie fremd sie sich in den drei Tagen der Suche geworden sind. Hier beginnt etwas ganz Anderes.
Ich war im Kino, habe den Film „Paddington bear“ gesehen. Das ist ein schöner, auf den ersten Blick harmloser Kinderfilm mit wunderbaren Effekten. Ein kleiner Bär flieht, nachdem ein Erdbeben seine Familie vernichtet hat, nach London. Er sitzt einsam, mit seinem roten Hut auf dem Kopf, in Paddington Station, einem der Londoner Bahnhöfe, auf der Bank: Der Bär trägt ein Schild um den Hals: „Please look after this Bear, thank you“ – „Bitte kümmern Sie sich um diesen Bären, danke schön“. Eine Familie nimmt ihn – widerwillig – mit, nennt ihn den Namenlosen nach dem Bahnhof, an dem sie ihn gefunden haben, „Paddington Bär“. Und während Bär und Gastfamilie diverse „Aneinander-Gewöhnungs-Hindernisse“ überwinden müssen, wird durch dieses braune Packpapierschild, das er um den Hals trägt, deutlich: Diese Geschichte erzählt zugleich eine ganz andere Geschichte.
Der Bär steht für eins der jüdischen Kinder, die in großer Zahl, ab 1930 in London Zuflucht fanden. Diese Kinder trugen solche Zettel um den Hals, Namen, Eltern, Herkunft und eine Bitte: „Nehmt mich auf.“ In ihrer Hand hielten viele Kinder einen solchen Koffer, in dem reiste das Wertvollste dieses Kindes mit. Tausende jüdische Kinder fanden Zuflucht, mühsam oft, innerlich zerrissen, verletzt, voller Traumata, aber immerhin sie überlebten und kamen nicht in die Lager und wurden nicht vergast. Und dann nach dem Krieg fanden die wenigen überlebenden Eltern mit den geretteten Kindern wieder zusammen. Aber: Aus dem „Georg“ war ein „George“, aus dem Schüler ein Student geworden. Und Selma, die Hals über Kopf aus dem feinen Berlin flüchten musste, war eine rotwangige Bauerntochter geworden. Das Deutsche –nicht nur die Sprache – war vergessen. Diese erzwungene Flucht der Kinder, die Zeit der Trennung und nun das wieder Zusammenfinden, veränderte alles, was sonst zwischen Eltern und Kindern gilt.[2] Und so erzählt diese ebenso schöne wie auch harmlose Geschichte von Paddington Bär auch die Geschichte vom schweren Verlust und von dem Wiederfinden, von der ebenso schmerzvollen, wie auch unumkehrbaren Veränderung. Hinter der symbolischen Zahl der drei Tage verbergen sich das Erwachsenwerden und eine Form der Eigenständigkeit, die vor allem der Glaube kennt. Er macht einerseits fremd, weil er sich in vielerlei Hinsicht von allem, was bisher war, unterscheidet, er ist andererseits vertraut, weil er Gott sucht und ihn in Momenten und an Orten entdeckt, an denen niemand mit ihm rechnet.
IV. „Bitte kümmern Sie sich um dieses Kind, danke schön“
Es ist auch heute so, wie es schon in der ganzen bisherigen Weihnachtszeit seit Heiligabend war: Seit Tagen hören wir die vertrauten Geschichten, die ihre wohlbekannten Bilderbögen vor uns aufspannen, sehen Maria, Joseph, Krippe, Hirten, Hannah, den alten Simeon, den Propheten, der entzückt das Kind auf dem Arm hält. Diese Geschichten helfen uns mit ihren Bildwelten durch diese Tage hindurch, sie begleiten viele von uns auch bei der Suche nach dem, was Jesus Christus uns heute bedeutet, womit er uns berührt. In welcher Kammer meines Herzens, in welchem Winkel meiner Gedankenwelt, berührt und verändert er mich? Ich bin auf der Suche, suche nach Sinn und Ziel des Lebens, nach Halt und Orientierung auch in Tagen der Suche. Da pocht jemand an die Tür: Es ist kein Raum in der Herberge, zunächst. Wo sollte man Gott denn suchen, wenn kein Raum vorgesehen ist? Ein Stallgebäude wird zur Geburtsstation. Das bleibt doch verblüffend: Ich suche in den weiten Fernen, Gott aber legt sich in einen Stall. Da ist ein Ort für dieses Kind, eine Futterkrippe dient als einigermaßen passables Notbett. Hier endet die Suche der drei Weisen aus dem Morgenland und meine Suche auch. Die Suche führt in die Ferne, aber das Ziel liegt in der Nähe. Die Suche nach einem Sinn im Leben führt oftmals genau an die Orte, an denen niemand suchen würde. Gott lässt sich entdecken, wo Gott nicht erwartbar ist. Heute führt die Spur vom Stall in Bethlehem zum Tempel nach Jerusalem.
Wer, wie Joseph oder Maria, auf die Suche geht, ahnt, wo und wie es wirklich zu suchen gilt, spürt die Mühe und die Anstrengung. An den Orten, die sich nicht aufdrängen, in den Momenten, in denen niemand wirklich mit Gott rechnet, wird man oft zuerst fündig. Am Ziel der Suche steht die Überraschung und weder die, die suchen, noch die, die gefunden wurden, sind noch dieselben geblieben, die Tage zuvor aufbrachen.
Diese dreitägige Suche von Maria und Joseph leuchtet die Suche aus, auf der sich viele Menschen befinden. Es gibt Tage, an denen verändert sich alles, da geraten die Grundfesten des Lebens ins Wanken und am Ende ist alles anders und neu. Da wird das Leben auf den Kopf gestellt und landet genau so auf beiden Füßen. Da ist dieses Gefühl, das viele suchende Eltern kennen, diese innere Unruhe, das nicht Schlafenkönnen, dieser furchtbare Gedanke an den möglichen, auch schlimmen Ausgang, den alles genommen haben könnte. Und da ist dieser weihnachtliche Bilderbogen, der zeigt: Dann, wenn kein Raum mehr vorhanden ist, schafft Gott sich ein Quartier, dann, wenn das Kind verloren zu sein scheint, treffen wir es heute im Tempel oder in unserem Lebensstall wieder. Wenn Jesus Christus einem dann verloren geht, zeigt er sich an anderer Stelle neu. Solche Suche kennt keine eigene Gesetzmäßigkeit, sie wühlt auf und führt – so in den Evangelien der Weihnachtszeit – an neue, unerwartbare Orte.
Niemand würde, wenn es diesen Kinderarm am Fenster der Unterkunft sähe, sagen: Hier ist kein Platz für diesen Menschen. Niemand würde an die Flucht vor 70 Jahren erinnern wollen, wäre da nicht die Suche nach Heimat zu einem Ziel gelangt. Kein Mensch wollte Weihnachten feiern, wüssten wir nicht, dass es hier so ist, wie in dem Film über den Paddington Bär: Unter der Oberfläche der leicht zu erzählenden Geschichte von Weihnachten, wird immer auch noch eine andere Geschichte mit erzählt: Von der Suche nach Gott, von den drei Tagen, die die Seele aufwühlen und die Welt verändern. Und von einem Finden wird berichtet: Da ist mit der Suche die Neuentdeckung Gottes eröffnet. Stall, Tempel, Kirche, Wohnzimmer, Bahnhof und die lange Schlange im Supermarkt… Die Phantasie reicht nicht, sich den Ort, an dem er sich finden lässt, zu denken.
[2] hier: Ursula Krechel, Landgericht. Roman, Wien 2012
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„Wir gehen und wir wandern...“- Predigt zu Lukas 2,41-52 von Christoph Maier
„Wir gehen und wir wandern...“
Pilgerschaft
„Wir gehn dahin und wandern von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen vom alten bis zum neuen.“ (EG 58,2)
Wieder ist ein Jahr vergangen. Kaum hat man sich an die 2014 im Datum einigermaßen gewöhnt, schon muss man sich wieder umstellen. Wir schreiben jetzt das Jahr 2015 nach Christus. Pilger sind wir nicht nur von einem Jahr zum anderen. Das Leben eines Christenmenschen lässt sich auch 2.015 Jahre nach Christi Geburt als Pilgerweg beschreiben. Wir Pilgern auf den Spuren der Mütter und Väter unseres Glaubens. Auf diesem Weg zu entdecken, wo wir hingehören, zu entdecken, wo wir dem Geheimnis Gottes begegnen können, wo Frieden, wo Freude, wo Ruhe und Geborgenheit wartet, dafür lohnt es sich immer wieder aufzubrechen, Neues zu wagen und die Mühen des Weges in Kauf zu nehmen.
Liebe Gemeinde,
unser Predigttext erzählt von solch einem Pilgerweg besser gesagt von dem Rückweg. Maria und Josef sind mit Freunden und Bekannten wie in jedem Jahr beim Passafest in Jerusalem gewesen. Gut gelaunt und voller Eindrücke machte sich der Tross aus Nazareth wieder auf den Heimweg. Erst am Abend, als man sich zur Zwischenübernachtung niederlassen wollte und der Knabe nicht auftauchen wollte, werden die Eltern unruhig. Wie gut, dass der Evangelist Lukas uns als Leser schon wissen lässt, was den Eltern erst in banger Ahnung allmählich dämmert: „als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten's nicht.“ (Lk 2,43) Gut möglich, dass die Pilgerreise, die ja eigentlich schon zu Ende war, gerade jetzt erst beginnt!
Lukas leitet mit der Geschichte vom 12 jährigen Jesus im Tempel das Ende der Kindheitserzählungen Jesu ein und kommt damit zum Beginn des Erzählstoffes, wie ihn schon Markus als das „Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk1,1) erzählt. Eine Pilgerreise, eine Weggeschichte, das ist das besondere Kennzeichen des Lukasevangeliums. Lukas nimmt uns als Leser mit auf dem Weg Jesu nach Jerusalem zu jenem einzigartigen Passafest, das Jesus dort mit seinen Jüngern gefeiert hat. Lukas gestaltet seinen Evangelienstoff als Weggeschichte als Pilgerrreise und dann als alles zuende schien, als die Jünger sich nach dem Passafest wieder auf den Heimweg machen, da geht die Pilgerreise eigentlich erst los. Zum Beispiel für die Zwei, die sich auf dem Weg nach Emmaus befanden und deren Herz brannte, als ihnen der Fremde in ihrer Traurigkeit ein wenig Gesellschaft leistete. Da geht die Geschichte noch einmal los, noch einmal beginnt die Reise und Lukas beginnt den zweiten Band seines Doppelwerkes. Wieder startet er in Jerusalem und wieder ist der Weg, die Reise ein zentrales Gestaltungselement. Die Apostelgeschichte des Lukas erzählt als Teil 2 des Evangeliums von den Missionsreisen der Apostel. Von Menschen auf dem Pilgerweg wie sie die Geschichte Gottes zu den Menschen tragen hinaus in alle Welt, auch zu uns.
Pilgerwege auf denen wir den Gott suchen, den wir doch scheinbar schon so gut kennen. Pilgerwege auf denen wir Gott begegnen möchten, der uns doch immer wieder entschlüpft und verlohren geht. Mal als 12 jähriger Knabe in Jerusalem, mal als gekreuzigter Gott auf Golgatha, mal als erstartes Feuer in der Geschichte der Kirche. Pilger, Gottsucher, Nachfolge...
„Wir gehn dahin und wandern von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen vom alten bis zum neuen.“ (EG 58,2)
Zum Tempel
Seit dem 4. Advent folgen wir nun in der Reihe der liturgisch vorgesehenen Predigttexte der Kindheitsgeschichte des Lukas. Neben den Schauplätzen überm Gebirge, als Maria durch den Dornwald ging und dem wohl berühmtesten Schauplatz der Kindheitsgeschichte Bethlehem gibt es genau einen weiteren zentralen Ort, an den wir in diesen ersten zwei Kapiteln immer wieder geführt werden: den Tempel in Jerusalem. Dreimal führt uns Lukas an diesen Ort.
Mit Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, gehen wir hinein. Die Gottesbegegnung hat ihn stumm gemacht, verstört, unfähig das Wort auszusprechen und doch gerade so fähig, Gott zu folgen und den zu zeugen, der zum Zeugen werden soll. Pilgerwege führen in die Sprachlosigkeit es muss erst noch geboren werden, was Zeugnis geben kann. Pilgerwege führen ins Schweigen.
Mit den beiden Alten Simeon und Hanna sind wir erneut im Tempel in Jerusalem. 40 Tage nach der Geburt bringen die Eltern den Knaben zum Tempel, um die vorgesehenen Opfergaben darzubringen. Jesus wird schon erwartet. Er wird ihnen gebracht, denen die ein ganzes Leben lang gewartet haben, auf diese Begegnung mit Gott. Die Gottesbegegnung hat sie froh gemacht und voller Frieden. Pilgerwege führen zur Freude und Ruhe, sie führen dazu, dass wir das eigene Leben loslassen und so – noch unterwegs – am Ziel sein können.
Und schließlich führt uns Lukas ein drittes und letztes Mal in der Kindheitsgeschichte nach Jerusalem an den Tempel. Nach 12 Jahren, „da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“
Pilgerwege führen ans Ziel, wenn man weiß, wo man hin will.
„Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Wo ist Jesus zu finden? Wie verstörend und erschreckend muss es sein zu merken, dass man den, den man bei sich auf dem Weg glaubte, unterwegs verloren hat. Nein, Verwandte und Freund haben ihn nicht für mich mitgenommen. Wo könnte er sein. Wo soll man dann anfangen zu suchen. Pilgerwege führen zur Umkehr, dorthin zurück, wo sich die Spur verloren hat, dorthin wo man ihn zuletzt gesehen hat.
Und da finden sie ihn – und finden ihn doch nicht. Nicht den als Kind geglaubten finden sie, sondern den, der den Glauben auf der Höhe der Zeit diskutiert, der den Gelehrten ein ebenbürtiger Gesprächspartner sein kann, dort finden sie den, den sie unterwegs verloren hatten und es noch nicht einmal merkten.
Das Leben eines Christenmenschen gleicht einem Pilgerweg, wo ist der sichere Tempel, der Ort, das Ziel, wo Gott wohnt, wo wir Gott begegnen können. Als Lukas sein Evangelium zu schreiben beginnt, ist der Tempel in Jerusalem schon zerstört, ist alle Sicherheit über Gottes Aufenthaltsort in der Welt mal wieder verlohen. Wo ist Gott zu finden, wohin führt der Weg den wir wandern, von einem Jahr zum andern?
„Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem,
was meines Vaters ist?“
In Maria, in der Krippe, in der Freude Elisabeths, im Frieden des Simeon, in mir?
„Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem,
was meines Vaters ist?“
Dies ist keine Geschichte über einen pubertierenden Jungen, der der elterlichen Vormundschaft entwachsen will. Der endlich eigene Wege geht, unverstanden von den Eltern. Dies ist keine Geschichte, die den Rebellen Jesu, der später die Tische der Händler im Tempel wütend zur Seite schleudert, vorzeichnet. Jesus kehrt brav zurück ins Haus seiner Eltern „und war ihnen untertan.“
Lukas schreibt diese Geschichte aus der Perspektive der Eltern und er lässt uns als Leser ahnen, dass es auch unsere Suche sein kann, die Maria und Josef da beginnen.
Es ist vor allem wieder eine Geschichte Marias, die uns durch die Geburts- und Kindheitsgeschichte mit ihrer Empfänglichkeit für das Göttliche und ihre Empfindsamkeit für den Glauben zur treuen Begleiterin geworden war. In Maria spiegeln sich Emotion und Glaube, Hoffnung und Freude und Frieden.
Es ist eine Geschichte Marias, als Mutter des Glaubens geht sie den Pilgerweg voran und behält auch diesesmal „alle diese Worte in ihrem Herzen.“
Amen
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Jesus suchen - Predigt zu Lukas 2,40-52 von Matthias Loerbroks
Jesus suchen
Das Kind wuchs und wurde stark, voller Weisheit und Gottes Gnade war auf ihm.
Und seine Eltern wanderten, wallfahrten jedes Jahr nach Jerusalem zum Pessachfest.
Und es geschah als er zwölf Jahre alt war, da stiegen sie hinauf nach dem Brauch des Festes.
Und als die Tage vollendet waren und sie sich wieder umwandten, blieb das Kind Jesus in Jerusalem, und seine Eltern erkannten es nicht.
Sie meinten, er sei unter den Weggenossen, und sie kamen eine Tagesreise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten.
Und als sie ihn nicht fanden, wandten sie sich wieder um nach Jerusalem und suchten ihn.
Und es geschah: nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und fragte sie.
Alle aber, die ihn hörten, waren außer sich über seinen Verstand und seine Antworten.
Und als sie ihn sahen, waren sie bestürzt, und seine Mutter sprach zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich unter Schmerzen gesucht.
Und er sprach zu ihnen: was habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?
Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen redete.
Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untergeordnet. Und seine Mutter behielt alle die Worte in ihrem Herzen.
Und Jesus machte Fortschritte in der Weisheit und im Wuchs und in der Gnade bei Gott und den Menschen.
Jesus geht verloren und wird schmerzlich gesucht. Zuerst suchen seine Eltern ihn unterwegs bei Bekannten und Verwandten, vermuten ihn unter den Weggenossen, sind sich sicher: Jesus ist mit ihnen unterwegs, auch wenn sie ihn nicht sehen, sondern suchen. Aber da, im Kreis der Vertrauten, in seiner gewohnten Umgebung ist er nicht zu finden, und so kehren seine Eltern um, kehren zurück nach Jerusalem und suchen ihn dort. Und da finden sie ihn schließlich, und zwar durchaus nicht im vertrauten Milieu, nicht unter Weggenossen, Bekannten und Verwandten, sondern in einer ganz anderen Umgebung, mitten unter den Lehrern, den Theologen Israels, den Schriftgelehrten, Schrifterforschern, Schriftdiskutierern: auch Jesus selbst sucht, und fragt und forscht. Nicht ohne Vorwurf – warum hast du uns das angetan? – weist seine Mutter Jesus darauf hin, dass er ihr und seinem Vater Schmerzen zugefügt hat mit seinem Verschwinden: Dein Vater und ich haben dich unter Schmerzen gesucht. Und diese Schmerzen müssen grausam gewesen sein, wie nicht nur alle Mütter und Väter unter uns nachvollziehen können, denen einmal auch nur für Stunden, nicht zu reden von drei Tagen ihr Kind verloren ging, sondern wie auch im Zusammenhang des Lukasevangeliums deutlich wird. Nur noch zwei weitere Male taucht dieses Wort für Schmerz in diesem Buch auf, und beide in der Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus, als davon die Rede ist, dass der Reiche nach seinem Tod Höllenqualen erleidet: so höllisch schmerzhaft war die Suche nach Jesus. Das einzige weitere Mal findet sich das Wort bei Lukas nicht in seinem Evangelium, sondern in der Apostelgeschichte, als sich Paulus in Milet für immer von seinen Gemeinden verabschiedet, als sozusagen die Leidensgeschichte des Paulus beginnt, die Lukas deutlich nach dem Bilde der Passion Jesu gestaltet hat. Und eine Andeutung in diese Richtung enthält auch unsere heutige Geschichte: nach drei Tagen finden sie ihn wieder, am dritten Tag. Das erinnert an den Ostermorgen und die Frage: was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Ähnlich hier die Frage Jesu an seine Eltern: was habt ihr mich gesucht? Er findet es völlig selbstverständlich, wo er zu finden ist: im Tempel in Jerusalem und zwar im Gespräch mit den Lehrern Israels über die Schrift. In der Gegenfrage Jesu: wusstet ihr nicht, dass ich sein muss in den Dingen meines Vaters?, in seiner Aufnahme des Stichworts Vater – dein Vater und ich haben dich unter Schmerzen gesucht – haben manche einen kritischen, einen zurechtweisenden Ton gehört, als wollte der Zwölfjährige seine begreiflicherweise noch nicht sehr katechismuskundige Mutter über seine Gottessohnschaft belehren, über die Lehre von der Jungfrauengeburt und womöglich die von der Trinität, aber wir merken alle, dass da christlich theologischer Übereifer ins Alberne umgeschlagen und damit gerecht bestraft ist.
Auf zwei Seiten löst Jesus mit seinem Verhalten großes Erstaunen, fast Entsetzen aus: die Lehrer, die mit ihm sprechen, sind ganz außer sich über seinen Verstand und seine Antworten. Dass unsere Erzählung sich nicht ganz schlüssig ist, ob Jesus diesen Lehrern zuhörte und sie befragte oder ob er ihnen antwortete, sie also ihn befragten, muss uns nicht beunruhigen, denn zum einen ist es gute jüdische Art, mit einer Gegenfrage zu antworten – so ja auch Jesu Antwort an seine Mutter –, zum anderen sind nicht nur in der Schriftauslegung, sondern im jüdischen Lernen überhaupt Fragen wichtiger als Antworten. Eine jüdische Mutter fragt ihr Kind, wenn es aus der Schule kommt, nicht, ob es gut gelernt, gut geantwortet, sondern ob es eine Frage, möglichst eine gute Frage gestellt hat. Hier aber reagieren Mutter und Vater nicht stolz und erfreut auf die Gesprächsbeiträge ihres Schulkinds, sondern sind ihrerseits höchst erstaunt, ja bestürzt. Zwar gilt ein jüdischer Junge mit zwölf als erwachsen und mündig in religiösen Dingen, aber seine Eltern hatten nicht damit gerechnet, dass Jesus so selbstverständlich, aber auch so massiv davon Gebrauch macht. Die Eltern sind höchst erstaunt darüber, dass sie ihren Sohn nicht dort finden, wo sie ihn vermuteten, sondern in einer ihnen fremden Umgebung. Die Lehrer Israels sind nicht nur darüber verblüfft, dass, sondern auch wie er sich an ihrem Gespräch beteiligt.
Und nun folgen wir diesem Beispiel des Suchens, Fragens und Forschens und überlegen, warum und wozu uns Lukas diese Geschichte erzählt und was er uns damit sagt. Ich glaube nicht, dass er es nötig hat, uns Jesus als eine Art religiöses oder theologisches Wunderkind anzupreisen – etwa so wie das in viel zu vielen kitschigen Büchern und Filmen über Wolfgang Amadeus Mozart geschieht –, auch nicht, etwas ernsthafter, dass hier vom Drama des begabten Kindes die Rede ist. Aber Lukas legt auch sonst Wert darauf, dass mit Jesus nicht einfach ein Meister vom Himmel gefallen ist, dass er aufs Gespräch mit anderen, die Befragung anderer angewiesen ist, um sich über sich selbst klar zu werden: was sagen die Leute, wer ich sei? Und was sagt ihr?, fragt er seine Jünger. Und in einer Vision, möglicherweise einer vorweggenommenen Ostervision, sehen ihn drei seiner Jünger im Gespräch mit Mose und Elia, also mit der fleischgewordenen Hebräischen Bibel, der Tora und den Propheten in Person. Doch hier wird deutlich, er ist nicht nur auf ein Gespräch mit der Schrift, sondern auch mit ihrer jüdischen Auslegung angewiesen.
Unsere Geschichte ist umrahmt von Hinweisen auf das Wachstum Jesu: Das Kind wuchs, wurde stark und voll Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm, heißt es zu Beginn. Und am Schluss: Jesus machte Fortschritte in der Weisheit, im Wuchs und in der Gnade bei Gott und den Menschen. Das sind nicht nur Hinweise auf seine Entwicklung und sein Lernen, sie betonen auch seine enge Zusammengehörigkeit mit Johannes dem Täufer, von dem es zuvor hieß: Das Kind aber wuchs und wurde stark im Geist. Die beiden werden auch sonst von Lukas eng verbunden, ihre Geburten und deren Ankündigungen, die Schwangerschaften ihrer Mütter, die revolutionären Gesänge, die der Geist dem Vater des Johannes und der Mutter Jesu auf die Lippen legt. Und nun steht ihre Begegnung als Erwachsene bevor. Beide werden durch diese Hinweise auch noch biblisch eingeordnet. Bibelkundige Lukasleser erinnern sie an Samuel, dessen Geburt seine Mutter mit einem ähnlich revolutionären Lied begrüßt, der als Kind ganz und gar beim damaligen Heiligtum – einen Tempel gab es noch nicht – aufwächst: der Knabe Samuel wuchs auf beim HERRN, heißt es da, und: der Knabe Samuel nahm immer mehr zu an Alter und Gunst bei dem HERRN und bei den Menschen. Er wurde zwar nicht selbst zum Messias, zum Gesalbten, aber er wurde – ähnlich wie Johannes – zum Königsmacher, indem er den Gesalbten des HERRN salbte.
Damit wird deutlicher, wozu uns diese Geschichte erzählt wird. Die christliche Gemeinde ist sich vielleicht allzu sicher, dass Jesus mit ihr unterwegs ist, auch wenn sie ihn nicht sieht. Sie ist manchmal in Gefahr, die Besitzverhältnisse umzukehren, als sei sie nicht die Kirche Jesu Christi, sondern Jesus Christus sei so etwas wie verbrieftes Eigentum der Christen. Wenn etwa von der Absolutheit des Christentums die Rede ist, liegt so eine Verwechslung zwischen Jesus Christus und der Kirche vor. Auch die apodiktischen Sätze, die wir vorhin aus dem Johannesbrief hörten: wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht, können wie eine stolze Besitzanzeige verstanden werden, und sind das auch, auch wenn Johannes fortfährt: das habe ich geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt – also nicht als Munition gegen andere. Und so neigen Christen dazu, Jesus nur noch im Kreis des Vertrauten, Verwandten und Bekannten zu suchen. Wir werden aufgefordert, ihn da zu suchen, wo wir ihn nicht vermutet hätten: im Gespräch mit der Hebräischen Bibel und ihrer jüdischen Auslegung, im Gespräch also mit jenen Schriftgelehrten, die wir uns sonst immer als Gegner Jesu vorgestellt haben. Damit es uns nicht so geht, wie es hier von den Eltern Jesu heißt: Sie aber verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen redete.
Wahrscheinlich gab es schon zu der Zeit, als Lukas schrieb, keinen Tempel in Jerusalem mehr. Seine starke Ausrichtung dorthin – letzte Woche hörten wir davon, wie Jesus schon als Baby nach Jerusalem und zum Tempel kam, und seine letzte Reise nach Jerusalem, wiederum zum Pessachfest, aber auch zu Tod und Auferstehung, geht bei ihm zehn Kapitel lang – ist darum auch im übertragenen Sinn: als Ausrichtung auf die Mitte des Judentums gemeint, auch wenn es inzwischen längst wieder möglich ist, Jüdisches in Jerusalem zu lernen. Die Schrift ist inzwischen bei Juden wie bei Christen zu einer Art transportablem Heiligtum, zu einem Zelt der Begegnung geworden. Und damit auch zu einer Möglichkeit, Jesus wieder zu finden, wenn wir ihn verloren haben – sofern wir ihn überhaupt schmerzlich suchen und vermissen. Lukas erinnert an diese Möglichkeit, indem er hier an seine Weihnachtsgeschichte anknüpft: Maria bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.
Amen.
Ich schlage vor, v40 hinzuzunehmen, da er mit v52 einen Rahmen um die Geschichte bildet.
Lieder:
Als erstes Lied nach einer Begrüßung mit dem Wochenspruch aus Joh 1,14:
441,1-5 oder 70,1-4;
nach der Epistel: 5,1-3 oder 37,2-3 oder 20,5-8 oder 341,5-8:
nach dem Evangelium: 105,5.8 oder 282,1-2;
nach der Predigt: 252,3-4 oder 282,3-6;
zwischen Abkündigungen und Gebet: 346,1-4;
als Schlussstrophe zwischen Gebet und Segen: 300,3 oder 70,7.
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Der aufmüpfige Knabe - Predigt zu Lukas 2,41-52 von Klaus Pantle
Der aufmüpfige Knabe
Seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest.
Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes.
Als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten's nicht. Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn.
Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.
Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: „Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“
Und er sprach zu ihnen: „Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte.
Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan.
Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen.
1
Kommt ein Kind auf die Welt ist die Freude groß. Aber kaum ist des da, beginnen die Probleme. Es wird größer, krabbelt aus dem Nest, entwächst seinen Eltern und versucht ihren Fittichen zu entfleuchen. Nicht nur manchen Eltern in deutschen Großstädten fällt es schwer, ihre Kinder loszulassen. Auch für die Eltern des „göttlichen Kindes“ ist das so.
Anfang Dezember schrieb der Schulleiter einer Stuttgarter Grundschule einen Brief an die Eltern seiner Schülerinnen und Schüler:
„’Persönlichkeit stärken – Gemeinschaft entwickeln’, dieser Leitspruch unserer Schule lässt sich, zumindest im ersten Teil, immer schwerer verwirklichen. Das liegt auch daran, dass Eltern zunehmend Schwierigkeiten haben, loszulassen. So erleben wir täglich, wie viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, verkehrswidrig und häufig gefährlich an der Kreuzung und vor dem Haupteingang der Schule parken, Kind und Schulranzen ausladen, den Ranzen teilweise bis ins Klassenzimmer tragen, dem Sohn oder der Tochter die Jacke abnehmen, helfen, die Hausschuhe anzuziehen, die unterschiedlichen Dinge mit der Klassenlehrerin besprechen. Und dies nicht selten nach Beginn des Unterrichts um 7.45 Uhr. … Neben der fehlenden Selbstständigkeit der Kinder kommt es durch die große Zahl der im Haus befindlichen Eltern immer wieder zu Störungen des Unterrichts, etwa durch Elterngespräche vor Unterrichtsende auf dem Flur oder winkende Eltern an den Fenstern.“ Im Gespräch erzählt er: „Bringt ein Kind eine mit einer 2-3 benotete Mathematik-Arbeit nach Hause, auf der der Lehrer vermerkt hat: ‚Wenn du dich noch mehr anstrengst, dann kannst du eine Zwei schaffen‘, dann stehen am nächsten Morgen die Eltern im Klassenzimmer und verlangen eine Erklärung.“
Solche Eltern würden Maria und Josef für ihren Umgang mit Jesus heute vermutlich beim Jugendamt anzeigen.
2
Maria, Josef und ihr Halbwüchsiger pilgern im Kreise ihrer Dorfgemeinschaft am Freitag nach dem ersten Frühjahrsvollmond zum Passafest nach Jerusalem. Wie in jedem Jahr begehen sie dort die rituelle Erneuerung des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten. In der Antike taten ihnen das Abertausende von Juden aus Kleinasien, Mesopotamien, Syrien und Ägypten gleich. Man schloss sich für diese Tour zum Schutz vor Überfällen in Karawanen zusammen. So kamen damals geschätzte 90.000 Feiertags-Touristen in diese Stadt, die normalerweise nur ca. 30-50.000 Einwohnern hatte. Dass die erhebliches Gedränge verursachen, in dem ein zwölfjähriger Knabe schon einmal verloren gehen kann, ist nachvollziehbar.
Jesus verschwindet in den Tempel und diskutiert dort mit Schriftgelehrten. Die Erzählung lässt vermuten, dass Jesus als Sohn des „mittelständischen Bauunternehmers“ Josef von Pharisäern in der jüdischen Tradition unterrichtet worden war. In seinem Alter war er religionsmündig. Der jüdische Historiker Flavius Josephus (ca. 37-100 n. Chr.) berichtet von sich selbst, dass er so gewaltige Fortschritte in seiner Ausbildung gemacht hätte, dass er im Ruf überragender Gedächtnis- und Verstandeskraft gestanden hätte. Schon in seinem 14. Lebensjahr hätte ihn deshalb der Hohepriester wegen seiner Schriftkenntnisse gelobt und hätten die Hohenpriester und Vornehmsten Jerusalems von ihm genauere Auskünfte über einzelne Gesetzesbestimmungen gebeten (Jos.vit. 8-10) „So bleibt die Erzählung von dem Zwölfjährigen, der mit Schriftgelehrten über das Gesetz zu diskutieren verstand, im Rahmen des für die Zeitgenossen Wahrscheinlichen“ (Otto Kaiser). Das Interessante an dieser Geschichte ist der inhaltliche Aspekt. Hier scheint früh auf, was für Jesu späteres Wirken bestimmend wird: Das ist sein Ringen um die richtige Auslegung der Tora. Und es ist die Freiheit, die er sich nimmt, darüber offen zu diskutieren und zu streiten.
Auch Jesu Selbstverständnis als „Sohn Gottes“, das in seiner Antwort auf Marias Vorwurf zum Ausdruck kommt, ist nichts Besonderes. Als Söhne und Töchter Gottes verstanden sich in dieser Zeit alle Jüdinnen und Juden. Als Gotteskind galt jeder, der sich um Gottes Weisheit bemühte, der sich ihr öffnete und nach ihr lebte (Jesus Sirach 6, 18-37). Das Interessante an dieser Geschichte ist die Radikalität und die Konsequenz, mit der Jesus das schon als Knabe tut.
3
Auffällig an dem verbalen Schlagabtausch zwischen Jesus und seinen Eltern im Tempel sind zwei Dinge. Zum einen wird das spannungsvolle Verhältnis Jesu zu seiner Mutter offenbar. Zum zweiten stellt sich die Frage, was Jesus mit seiner geheimnisvollen Entgegnung: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ meint.
Die Eltern finden ihren Sohn wieder und die Mutter schaltet sofort in den Vorwurfs-Modus. Der Vater steht stumm daneben. Josef, von dem kein einziges gesprochenes Wort überliefert ist, wird nach dieser Szene nicht mehr erwähnt. Starke Väter stellen sich ihren Söhnen, schwache Väter entziehen sich. Josef, so scheint es, hat nichts zu sagen. Jesu komplizierte Geschichte mit seinen verschiedenen „Vätern“ bleibt in mythisches Dunkel gehüllt. Seine Mutter dagegen bleibt präsent bis zu seinem Tod. Der hier aufscheinende Mutter-Sohn-Konflikt zieht sich durch das gesamte Evangelium. Erst nach Jesu Tod wird Maria „verstehen“. Erst dann bekommt sie ihren mythischen Glanz. Trotz oder vielleicht wegen seines prekären Verhältnisses zu Josef spricht Jesus im Evangelium nur von Vaterliebe und nie von Mutterliebe. Im weiteren Verlauf zitiert Lukas eine Frau aus dem Volk, die Jesu Mutter selig preist: „Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, an denen du gesogen hast.“ Kühl entgegnet Jesus: „Ja, selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren“ (Lukas 11, 27-28). Als ihm an anderer Stelle berichtet wird, dass seine Mutter und seine Brüder draußen auf ihn warten, antwortet er lakonisch: „Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die Gottes Wort hören und tun“ (Lukas 8, 21). Sprich: Meine wahre Familie sind nicht meine Blutsverwandten, sondern diejenigen, die sich entschieden haben, in der von Gott geschenkten Heilsordnung mit ihrem ethisch-moralischen Bezugssystem zu leben. Jesu Bio-/Patchwork-Familie gibt kein Beispiel ab für eine idyllische „Heilige Familie“. Er pflegt eine ausgesprochen familienkritische Tradition. Von seiner Blutsfamilie hat er sich nicht mit freundlichen Abschiedsworten gelöst, sondern er hat sich losgerissen, Wahlverwandte gesucht und zusammen mit ihnen eine Gegenfamilie gegründet. Im Tempel verhält sich der Vierzehnjährige wie ein arrogantes „Pubertier“. Er ignoriert den Vorwurf der Mutter, dass sie ihn tagelang gesucht und sich Sorgen um ihn gemacht haben. Geradeheraus kanzelt er die Eltern ab: „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Die Mutter ist perplex, der Vater sprachlos. Gelingende Kommunikation sieht anders aus. Heile Familie auch.
Was Jesus wegtreibt von seiner Bio-/Patchwork-Familie, das ist die Suche nach seinem „wirklichen Vater“. Es ist die Suche nach dem Vater, der ihn lehrt, wie er leben kann, der ein vollkommenes Vorbild ist und das ihn zur Identifizierung einlädt. Es ist die Suche nach dem Vater, der alles vermag und die Welt heilt und heiligt. Aber wo lässt sich dieser Vater finden?
In der Mitte dieser Erzählung steht das griechische Wort meso, „Mitte“. Im Tempel, „mitten unter den Lehrern“, hat der Zwölfjährige seinen Platz, seine „Mitte“ gefunden. Jesus folgt hier nicht nur der religiösen Konvention, die den „Glanz Gottes“ (Psalm 50, 2) auf dem Berg Zion im Allerheiligsten des Tempels wohnend findet und davon ausgeht, dass Gott die dort gesprochenen Gebete erhört. Aus der Erzählung wird noch etwas anderes deutlich: Jesus sucht und findet „seinen Vater“ in der Diskussion, im Disput - im Ringen um das richtige Verständnis des Gesetzes. Das bezeichnet man zu dieser Zeit als „Weisheit“. Die „Weisheit Gottes“ erweist sich als Erkenntnis der Schrift. Gerade bei den Gesprächen mit den Schriftgelehrten, den „Weisen Israels“, ist Jesus „mitten in dem, was seines Vaters ist“. Gott ist in der Weisheit gegenwärtig. Und in der Weisheit zu sein, bedeutet in dem zu sein, was des Vaters ist. Jesus, der später selbst als menschgewordene Weisheit Gottes bezeichnet wird (1. Kor. 1, 21-25), begibt sich nach dem Zeugnis des Lukas schon als Knabe in freier Entscheidung hinein in den Bezugsrahmen dieser Weisheit. Innerhalb dieses Bezugsrahmens entwickelt er im Laufe seines Heranwachsens Leitideen für ein „erwachsenes“ Leben aus einem freien Verständnis der Tora heraus. Es ist ein Bezugsrahmen, der um die Liebe Gottes zentriert ist. Das von Gott geliebte und auserwählte Kind liebt den Vater wie seinen Nächsten und sich selbst (Lukas 10, 25-28). Sogar der Feind wird einbezogen in diese Liebe (Lukas 6, 27-28). Diese grundlegende Entscheidung wird ihn geradezu zärtlich die Berührung suchen lassen mit den Randständigen und Ausgestoßenen, mit den Armen und Kranken, den Sündern und Huren. Sie lädt er an seinen Tisch und holt sie damit hinein in die lichte Welt Gottes. Dahinter mag die Erkenntnis stehen: „Jedes Wissen muss theoretisch bleiben, wenn es nicht zur eigenen Weisheit wird und zur konkreten Berührung führt. Die einzige Lehrerin, die uns auf Dauer wirksam verwandelt, ist die Erfahrung“ (Marica Bodrožić). Im allerersten von Jesus überlieferten Satz scheint schon sein gesamtes Lebensschicksal auf. Im Bekenntnis, in dem sein zu müssen, was seines Vaters ist, zeigt sich seine „Passion“: Sein Passion in Gestalt seiner Leidenschaft für den heilsgeschichtlichen und ethisch-moralischen Bezugsrahmen, der sich aus der göttlichen Weisheit herleitet. Und seine Passion im Sinne von Leidensbereitschaft, sich mit Haut und Haaren dafür einzusetzen. So wird der Sohn tatsächlich zum Gleichnis für den Vater, zur menschgewordenen Weisheit Gottes, bei dem Sein und Handeln nicht auseinander fallen.
Noch einmal kehrt der Knabe mit seinen Eltern nach Hause zurück. Was in den darauffolgenden 18 Jahren bis zu seinem endgültigen Auf- und Ausbruch geschieht ist nicht überliefert. Aber die Fortsetzung folgt. Am Ende geht er noch einmal nach Jerusalem und erfährt die Ablehnung der „Weisheit Gottes“ auf äußerst schmerzhafte Weise.
4
Vielleicht wäre es sinnvoll, Kinder gelegentlich Kinder sein zu lassen und nicht ständig zu versuchen, sie zu bremsen und zu lenken, sprich: sie zu erziehen. Sondern als Erwachsene ihnen in ihren Suchbewegungen und in ihrem Entdeckerdrang neugierig zu folgen. Vielleicht wäre es gut, zu versuchen, gelegentlich die Welt mit Kinderaugen zu betrachten und die natürliche Weisheit von Kindern als gottgeschenkt zu begreifen. Wenn Kinder nicht von Erwachsenen entsprechend vorprogrammiert sind, gehen sie beispielsweise vollkommen vorurteilsfrei miteinander um. Ein Kind schert sich nicht um den sozialen Hintergrund oder die ethnische, kulturelle oder religiöse Tradition, der sein Gegenüber entstammt. Menschen, die mit Kindern arbeiten, erfahren jeden Tag, was Verhaltensforscher wissen: Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn, Gemeinsinn und der Drang zur Gemeinschaft sind dem Menschen angeboren. „Bereits im Vorschulalter teilen Kinder fair, auch wenn sie sich selber mehr zuschanzen könnten. Sie bestrafen Egoisten sogar dann, wenn es zu ihrem eigenen Nachteil ist und helfen und leiden mit, wenn sie Gleichaltrige in Not sehen. Fast alle Lebewesen ‚verhalten sich im richtigen Moment solidarisch und kooperativ’, schreibt der Verhaltensforscher Frans de Waal. Nämlich dann, wenn keine unmittelbare Konkurrenz und Gefahr droht, wenn Kleinmut und Angst (zum Beispiel der Erwachsenen) gerade keinen Ausgang haben – und sich das Gute ungebremst ausleben kann“ (Werner Bartens).
„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Matthäus 18, 3) sollte der im Tempel einst aufmüpfige Knabe in seinem späteren Erwachsenenleben einmal seinen Jüngerinnen und Jüngern sagen – in der Hoffnung, dass ihnen dieser Satz helfe, dass ihr Leben gelinge.
Literatur:
Rektor wehrt sich gegen uneinsichtige Eltern, in: Stuttgarter Zeitung 3.12.2014, S. 17
Otto Kaiser, Gottes bedürfen ist des Menschen Vollkommenheit. 40 Predigten aus sechs Jahrzehnten, Gütersloh 2013, S. 108-115
Marica Bodrožić, Mein weisser Frieden, München 2014, S. 66
Werner Bartens, Die gute Seite, in: Süddeutsche Zeitung 24./25./26.12.2014, S. 16
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Predigt zu Lukas 12,35-40 von Georg Freuling
Ein paar Stunden noch. Dann geht das alte Jahr zu Ende.
Im Fernsehen werden die letzten Sekunden mitgezählt. 3 – 2 – 1 – 0: 2014 ist vorbei, 2015 hat begonnen. Draußen steigen Raketen in den Himmel. Nachbarn rufen sich ihre Wünsche zum neuen Jahr zu. So endet das alte Jahr, ein neues beginnt - begleitet von Gedanken, wie das alte war, wie das neue sein wird …
Im Predigttext heute Abend ticken die Uhren anders. Es geht nicht um den Ausblick auf ein neues Jahr. Vorausgeblickt wird auf die Wiederkehr Jesu. Die Zeit bis dahin lässt sich nicht berechnen. Trotzdem kann ich diese Worte Jesu mit unserem Weg durch die Zeit verbinden, mit unserem Aufbruch in das neue Jahr. Jesus sagt dort (Lk 12,35-40):
35) Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen 36) und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun.
37) Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. 38) Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so: selig sind sie.
39) Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. 40) Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.
Diener haben eine Aufgabe. Der Herr ist nicht im Haus. Er ist unterwegs. Er wurde eingeladen zu einem Fest. Wann er zurückkommt, wissen die Diener nicht. Trotzdem richtet sich ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, dass ihr Herr zurückkehrt:
Wenn es so weit ist, dann soll er nicht vor dem dunklen Haus stehen, erst einmal den Schlüssel suchen, auf Socken durchs Haus schleichen, weil alle anderen schon schlafen. Dem Herrn des Hauses steht etwas anderes zu: Wenn er heimkehrt, sollen die Lampen brennen. Wenn er kommt, wird ihm die Tür geöffnet. Er wird begrüßt und willkommen geheißen. Solange er noch nicht heimgekehrt ist, werden die Diener auch nicht schlafen. So gehört sich das...
Worauf leben wir hin? Der letzte Abend im Jahr: Viele blicken zurück und denken dabei an die besonderen Momente des Jahres. Auf dem Sofa lasse ich die Höhepunkte des Jahres noch einmal vorbei ziehen - mit den Fotos von Ausflügen und Sommerurlaub.
Viele blicken in diesen Tagen zurück und ziehen ihre persönliche Jahresbilanz: Was habe ich erreicht? Welche Aufgaben habe ich gemeistert? Was bliebt unerledigt? Und: Was nehme ich mit ins neue Jahr? Welche Pläne begleiten mich?
So eine Bilanz kann auch bedrückend sein: Wieder ein Jahr Leben, von dem ich mich verabschiede... Wieder vergangene Lebenszeit, die ich hier und da gerne anders gefüllt hätte... Wieder Vorsätze und Vorhaben, die ich mit ins neue Jahr nehme... Worauf leben wir hin?
Bei den Dienern in der Geschichte, die Jesus hier erzählt, sieht das anders aus: Die sind nicht Herr ihres eigenen Lebens. Was sie zu tun und zu lassen haben, das wird ihnen von ihrem Herrn gesagt. Und dieser Herr ist es auch, der Bilanz zieht. Sie leben ganz und gar für ihn.
Das klingt nicht sehr angenehm. Wer von uns möchte schon so ein Diener sein, der seinem Herrn die Pantoffeln hinstellt, wenn der nach hause kommt? Die meisten von uns haben wahrscheinlich eine andere Sicht ihres Lebens: Herr im Hause – das bin ich selbst.
Aber – bin ich das wirklich? Bin ich mein eigener Herr? Ein Jahr geht zu Ende. Viele merken bei die Bilanz: Ich bin nicht Herr meines Lebens. Ich bin oft genug fremd bestimmt. Ich renne selbstgesteckten Zielen hinterher. Ich versuche, den Erwartungen anderer gerecht zu werden. Unser Ideal eines selbstbestimmten Lebens entspricht oft nicht unserer Lebens-Wirklichkeit.
Ist das eigentlich schlimm?
Wenn ich zurückblicke, stelle ich immer wieder fest, dass ich die schönsten Augenblicke meine Leben nicht geplant habe. Sie haben sich unerwartet eingestellt. Einfach so. Manchmal auch ganz und gar gegen meine Erwartungen. Gut wenn ich dann wach bin, aufgeschlossen und in der Lage, das so anzunehmen!
Genauso ist es mit den Aufgaben. Wenn ich zurückblicke, stelle ich immer wieder fest, dass mir manches vor die Füße gelegt wird. Das ist dann wichtig. Umgekehrt erledigt sich vieles, was ich für wichtig halte, ganz von allein.
Wer sagt, was dran ist? Nach dem Gleichnis sind wir das nicht selbst. Als Christinnen und Christen haben wir einen Herrn, der uns Ziele und Aufgaben gibt. Unsererseits braucht es dann nur Wachsamkeit, Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit für den Augenblick, in dem es drauf ankommt. Dabei stehen wir nicht unter der Knute unseres Herrn, sondern sind umsorgte Diener:
Diese Diener erleben eine Überraschung. So wie Jesus diese Geschichte erzählt, hat sie zunächst einen bedrohlichen Klang: Die Diener warten darauf, dass ihr Herr heimkehrt. Wird er alles so vorfinden, wie er es sich wünscht? Wird er zufrieden sein? Vielleicht ist er auch ein Despot, vor dem die Diener zittern. Wer weiß, ob er nicht seine Launen an ihnen auslässt? Wer weiß, ob er nicht direkt tobt, wenn die Tür nicht sofort geöffnet wird, wenn nicht alle sofort bereit stehen...
Und dann bekommt die Geschichte eine Wendung, mit der erst einmal niemand rechnet: „Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet.“ Und diese Diener erwartet nicht etwa nur ein Lob, eine Anerkennung. Was dann kommt, stellt die Verhältnisse komplett auf den Kopf: „Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.“ Da kehrt der Hausherr nachts heim. Seine Diener haben ihn schon erwartet. Und was macht er? Er bedient seine Diener. Wenn sie so lange gewartet haben, wenn sie so aufmerksam waren, dann sollen sie es richtig gut haben. Der Herr sucht einen seiner besten Weine und nimmt sich Zeit. Er sitzt noch mit seinen Untergebenen zusammen und lässt das Fest mit ihnen ausklingen.
Wann kommen wir zur Ruhe? Zwischen den Jahren haben die meisten von uns Zeit. Zeit, zur Ruhe zu kommen, bevor das neue Jahr anfängt, bevor der Alltag wieder an Fahrt aufnimmt. Manchen ist die Zeit zu kurz, um Atem zu schöpfen, weiterzugehen.
Wachet! Seid bereit! Auch die Diener in der Geschichte stehen auf Abruf. Auch sie sind eingespannt durch die Aufgaben, die ihr Herr ihnen gibt. Es klingt fast unbarmherzig: Dauerhaftes Wachen kann doch keinem gut tun!
Doch die merkwürdige Wendung der Geschichte zeigt mir: Rastloses Wachen gibt es für uns Christinnen und Christen nicht. Wir sind nicht Getriebene der Erwartung anderer, unserer eigenen Ziele, der Zeit, die läuft. Wir haben einen anderen Herrn: Gott selbst, der die Verhältnisse auf den Kopf stellt und sich zu unserem Diener macht. Jesus Christus, der uns zu sich einlädt, zu Brot und Wein. Mit ihm feiern wir auch heute Abend. Damit feiern wir, dass er uns mitten im Lauf der Zeit seine Nähe schenkt, dass wir nicht getrieben, sondern durch ihn befreit sind! Das ist jetzt dran. Dazu sind wir heute Abend zusammen. So gehen wir dann weiter in das neue Jahr, gewiss, dass Gott auch im neuen Jahr derselbe bleibt, dass Christus uns entgegenkommt.
Sein Kommen erwarte ich nicht so sehr am Ende unserer Zeit, nicht mit Pauken und Trompeten. Jesus hat das so angekündigt. Und die Christinnen und Christen, für die Lukas sein Evangelium geschrieben hat, haben sich bereits schwer damit getan, dass diese Wiederkehr ausblieb. Von dieser Frage ist die Geschichte der Diener, die auf ihren Herrn warten, bestimmt.
Nach dieser Predigt können Sie es sich denken: Ich erwarte diesen Jesus jetzt schon. Nicht am Ende der Zeit, sondern in unserer Zeit: In den Aufgaben, auf die er mich stößt. In der Ruhe, die er mir schenkt. Für mich geht es hier um den Moment, in dem Gott mir begegnet, in dem ich durch ihn Klarheit gewinne, Richtung und Ziel. Das kann jederzeit sein. Auch im neuen Jahr 2015. Und dafür lohnt sich Wachsamkeit. Amen.
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Ein Jahr des Herrn - Predigt zu Lukas 4,16-21 von Karin Latour
Ein Jahr des Herrn
Liebe Gemeinde am Neujahrstag 2015,
Wir kennen alle dieses Bild aus dem Lebensmittelgeschäft: Da stehen Kinder, manchmal auch Erwachsene vor dem Stand mit den bunten Überraschungseiern.
Sie nehmen eines in die Hand und schütteln es nahe am Ohr, sie wiegen es in der rechten Hand, schütteln es wieder, testen ein anderes in eben derselben Weise, vielleicht noch eins, bis sie sich entscheiden. Nein, sehen können sie nicht was darinnen ist, aber es ist als könne ihr Hineinhorchen den Inhalt offenbaren: Bunte Spielzeugfiguren oder kleine Plastikteile, aus denen man irgendetwas zusammensetzen kann mit viel Geschick und Geduld. Die Erwartung beim Öffnen ist groß- manchmal dann aber auch die Enttäuschung.
So ein bisschen mag es uns heute am 1. Tag des neuen Jahres gehen wie den Kindern. Sehen können wir noch nicht was vor uns liegt- aber wir wüssten es schon ganz gerne. Vielleicht möchten wir es gerne ein wenig schütteln, das Neue Jahr, und horchen- vorsichtig und erwartungsvoll- was mag es uns bringen, neugierig auf das, was kommt. Manche aber vielleicht auch ängstlich. Denn anders als beim bunten Spielzeug unserer Kinder im Überraschungsei ist Tauschhandel ausgeschlossen. Wir können das, was uns erwartet nicht ins Sammelbord stellen oder bei Nichtgefallen in den Abfalleimer werfen. Was da in diesem neuen Jahr für uns drin ist - es wird uns begleiten, wird Teil unseres Lebens werden.
Bleiben wir gesund?
Werden wir einander am Jahresende noch haben dürfen?
Behalte ich meine Arbeitsstelle?
Finden die Kinder Arbeit?
Kann ich alleine und selbstständig in meiner Wohnung bleiben oder muss ich in ein Heim?
Natürlich haben wir auch Pläne, Wünsche, Projekte für das gerade angebrochene Jahr. Wir freuen uns auch auf bevorstehende Ereignisse.
Aber da sind eben auch viele Fragen und Unsicherheiten im Raum, wenn wir in Gedanken durch das neue Jahr wandern, das vor uns liegt.
Im ganz Persönlichen und auch im Großen:
Gibt es ein Ende der unzähligen Konflikte und Kriege?
Kommen neue Konflikte hinzu?
Wie wird es weitergehen mit all den unzähligen Menschen, die überall auf der Welt auf der Flucht sind?
Welche Katastrophen werden die Menschen in diesem Jahr heimsuchen?
Not und Armut, die das Leben und die Zukunft vieler ganz persönlich bedrohen und in Frage stellen.
Ängste und Sorgen, wenn wir an die Zukunft des Landes und der Welt denken.
Vielleicht sind wir darum heute hier zusammengekommen, weil wir nach einem Wort suchen, das uns Halt gibt und Orientierung, etwas, das man mit hineinnehmen könnte in den Alltag um sich daran festzuhalten, um klar zu sehen, um getrost und fröhlich wie die Kinder in das neue Jahr zu ziehen. Nein, nicht naiv, nicht die Augen vor dem verschließend , was um uns ist, aber doch mit der Gewissheit: wir sind ja nicht allein, in dem, was kommt, sondern haben einen Herrn, der uns Wegweisung gibt und Trost, Kraft und Mut heute, an der Schwelle des Neuen Jahres.
Und es ist tatsächlich ein Wort des Anfangs, das über unserem Neujahrstag 2015 steht. Ein Wort mit dem eine neue Zeit beginnen soll.
Jesus kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf und wollte lesen. Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und als er das Buch auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben steht: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei sein und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.“
Und als er das Buch zutat, gab er es dem Diener und setzte sich. Und aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn. Und er fing an, zu ihnen zu reden: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren.“ (Lukas 4,16-21)
Jesu Antrittspredigt, so werden diese Worte auch genannt. Und der Evangelist Lukas nimmt uns mit in jene Synagoge in Nazareth.
Wir können förmlich sehen wie Jesus aufsteht, die Schriftrolle nimmt. Ob die Stelle zufällig war? Ob er sie bewusst ausgewählt hatte? Ob sie an jenem Sabbat „dran“ war so wie unsere Losungen oder Lesungstexte?
Wir wissen es nicht, aber Jesus liest dieses Wort aus dem Buch des Jesaja.
Er liest die wahrscheinlich sehr bekannten Worte des Propheten, die von der Hoffnung sprechen auf einen, der kommt und mit dem eine neue Zeit beginnt.
Ein Jubeljahr, ein Gnadenjahr, wie es nach der Thora alle 49 Jahre gehalten werden sollte, in dem Schulden erlassen und Gefangene in ihre Heimat zurückkehren sollen. Ein Erlassjahr, ein Jahr der Freude in jeder Hinsicht. Und seit Jesaja war diese Hoffnung nicht mit einem bestimmten Jahr verknüpft, sondern: alle Ungerechtigkeit und alles Leid sollte ein Ende haben, wenn ER kommt. Der Messias.
In der Synagoge waren nun alle Augen auf Jesus gerichtet. Es ist als könnten wir eine Stecknadel fallen hören! Und Jesus sagt: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor Euren Ohren!“
Liebe Gemeinde,
wie Jesu Hörer damals vor allem diesen letzten Satz gehört haben? Dem anfänglichen Beifall und der Anerkennung folgt innerhalb weniger Verse bei Lukas die Ablehnung durch seine Hörer in der Synagoge, ja, die ersten Gedanken: Dieser Jesus muss weg. Und sie werfen ihn aus dem Ort.
Wie wir diese Worte hören?
Ja, sie stehen im Lukasevangelium zu Beginn der Wirksamkeit und des öffentlichen Auftretens Jesu.
Und wir, beinahe 2000 Jahre später, hören und haben vor Augen all diese Geschichten von ihm, seine Predigten, die Wunder und die Menschen, denen er zugewandt war.
In diesen Worten, die Jesus aus Jesaja liest, hören wir verdichtet sozusagen seinen Weg, den wir vielleicht von Kindesbeinen aus all den bibl. Geschichten kennen. Wir hören in diesen Worten seine Sendung, das wofür er steht, woher er kommt und warum, von wem er kommt und wozu. Am Anfang sein „Programm“.
Mit ihm beginnt eine neue Zeit.
Liebe Gemeinde,
hat wirklich eine neue Zeit begonnen?
Und wie sieht diese Zeit aus?
Wartet die Welt nicht immer noch, dass es endlich besser, gerechter, friedlicher zugehe? Wartet sie nicht immer noch so wie zu Jesajas Zeit, zu Jesu Zeit, zu allen Zeiten? Oder haben wir das Warten aufgegeben?
Wo ist das Gnadenjahr, das Jubeljahr? „Seht die gute Zeit ist nah“, haben wir vor wenigen Tagen gesungen! Aber wo ist sie?
Unsere Flüchtlingsheime sind über und übervoll, weil immer mehr Menschen weltweit auf der Flucht sind, auf der Flucht sein müssen! Gewalt und Terror haben nicht aufgehört, sondern wuchern an immer neuen Stellen und präsentieren sich mit immer neuen schrecklichen Gesichtern und Methoden.
Armut, Hunger, Krankheiten, nein, ich will nicht alles noch einmal aufzählen, worunter diese Welt auch im Jahr 2015 leidet.
Wo, Jesus, ist dieses Wort erfüllt vor unseren Ohren?
Da ist es erfüllt vor unseren Ohren, wo wir, wo Menschen es eingelassen haben. Wo Menschen es angenommen haben. Wo diese Worte konkrete Konsequenzen haben.
Bei Jesus selbst, der sich – so wie er es versprochen hat- der Armen, der Blinden, der Zerschlagenen, der Schwachen und Kleinen angenommen hat, gepredigt und sie in der Begegnung verändert hat.
Und in seinen Worten, ist es nicht so, trifft er nicht nur unsere Sehnsucht nach Heilwerden und Frieden und Gerechtigkeit, in der das Kleine und Schwache einen Platz haben darf- er lebte die Erfüllung vor. Es waren nicht leere Versprechungen, sondern tatsächlich der Anfang von etwas ganz Großem,
Neuem.
Nein, die Welt hatte sich auch mit seinem Kommen nicht von einer Stunde zur anderen verändert, schlagartig, aber eine andere Sicht des Lebens wurde möglich und hat mit ihm begonnen.
Seine Worte, ja, sie treffen unsere menschliche Sehnsucht – und halten sie wach und verändern Menschen und bewegen und verwandeln. Und halten auch den Glauben wach, dass es nicht nur Sehnsucht bleibt, sondern, dass sie Wirklichkeit werden.
Ich habe in diesem Jahr, nein eigentlich in meinem ganzen Leben so viele Menschen gesehen, die sich nicht abfinden mit Not, Ungerechtigkeit und Leid, die nicht sagen: „Kann man nichts machen- ist halt so“, sondern die sich von Jesus im wahrsten Sinne des Wortes „anstecken“ lassen.
Sie gehen in Flüchtlingsheime, sammeln Geld und Kleidung, besuchen Kranke und Alte, bleiben bei Sterbenden, begegnen Menschen ohne Unterkunft und Einkommen in Würde und lindern Not, setzen sich ein für den Frieden im Großen und im Kleinen…Beispiele so vieler engagierter und meist absolut bescheiden und unspektakulär helfender Menschen, für die Jesu Worte - wenn auch im Kleinen, an ihrem vielleicht bescheidenen Ort „Programm“ sind.
Nein, durch Jesu Kommen in unsere Welt hat sie sich nicht schlagartig weltpolitisch geändert. Aber da, wo Menschen sich haben von Jesu Worten verändern lassen, wo sie nicht aufhören daran zu glauben, dass es eine andere Sprache gibt als Gewalt und Egoismus und das Recht des Stärkeren, da wo wir daran festhalten, dass den Armen das Evangelium gepredigt wird … da hat diese neue Zeit, diese andere Zeit begonnen.
In diesem Jahr im Advent gab es für mich einen Moment, den ich nicht vergesse.
Eigentlich nur eine unscheinbare kleine Szene, die für mich aber ein wunderbares Bild geworden ist:
Menschen der Gemeinde hatten in das Übergangsflüchtlingsheim im Wald in Stenden Plätzchen und Tee, Lichterketten und Adventsschmuck geschleppt. Sie kamen mit Instrumenten und Liedern- christlichen Liedern und Winterliedern um den Flüchtlingen einen Nachmittag zu schenken- nicht nur Kleider und Schuhe und Spielzeug, sondern auch Musik und etwas von unserem Advent und der Gewissheit: „Ihr seid uns nicht egal. Wir sehen Euch und heißen Euch willkommen.“
Der ganze große ehemals kahle Raum war gefüllt mit Flüchtlingen, die erwartungsvoll da saßen. Erwachsene, auch viele Kinder. Und als sie notdürftig an einen wackligen Notenständer einen elektrischen Stern hängten und ihn erleuchteten, direkt vor den Augen eines kleinen Flüchtlingsmädchen, da ging ein „Oh“ durch diesen Raum, ein „Oh“ des Entzückens, des Erstaunens, des sich Freuens…Ein Strahlen in den Augen als hätte dieses Mädchen nie ein größeres Wunder gesehen!
Nein, natürlich hat dieses Kind nicht nur eine Odyssee hinter sich sondern vermutlich mit seiner Familie auch noch vor sich.
Aber da gibt es die Erfahrung: wir werden gesehen und Menschen begegnen uns freundlich! Diesen Moment, in dem es hell wurde- der wird bleiben.
Liebe Gemeinde, wir stehen am Anfang eines Neuen Jahres-
Eine Menge Herausforderungen kommen auf uns zu und die Fülle dieser Herausforderungen darf nicht dazu führen, dass wir uns ihnen verschließen.
Was die Jahresrückblicke im Dezember 2015 uns zeigen werden wissen wir nicht. Im Großen und im Kleinen.
Ob es ein glückliches Jahr wird, ein Jahr mit Sorgen, ob Katastrophen kommen werden und wenn ja welche, welche Ängste uns und andere Menschen auf diesem Erdenrund bewegen werden, das alles wissen wir nicht.
Wir brauchen das Jahr nicht zu schütteln wie die Kinder das Überraschungsei. Es kommt mit allem, was darin sein wird.
Aber wir haben hineingehorcht. Und haben Jesu Worte gehört, die über unserem Jahr stehen wollen:
- Da, wo Armen die gute Botschaft gepredigt wird, Menschen sich der Kleinen und Schwachen annehmen, wo Trauernde nicht alleingelassen werden, Sterbende begleitet, Fremde aufgenommen, Hungernde gesättigt werden, Kranken geholfen wird …da wo Menschen in Not wahrgenommen werden, wir für sie beten und mit unserer Zeit und unserem Geld, wie der EKD Ratsvorsitzende in seiner Weihnachtspredigt dieses Jahres schrieb, zur Überwindung der Not beitragen und uns öffentlich einsetzen, dass die Ursachen der Not bekämpft werden- bricht da nicht eine neue Zeit an, eine andere, eine die nicht nur Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit ist, sondern in der zumindest teilweise, ein kleines Stück Erfüllung erfahren werden kann.
Jesus hat uns gesagt, wer er ist, woher er kommt und wie sein Weg ist.
Ganz klar hat er es gesagt, ganz deutlich, ganz unmissverständlich.
Und wir dürfen dieses Wort mitnehmen in unser Neues Jahr. Und dürfen sagen: er meint auch uns. Wir dürfen ihm folgen. Uns daran festhalten. Uns trösten lassen und ermutigen.
Wenn ich malen könnte würde ich ein kleines schäbiges Haus malen ganz klein in ganz viel Weite und mit ganz viel Verlorenheit und mit ganz viel Dunkel drum herum und der Sturm der dahinfegt und die Kälte die zittern lässt und die Hoffnungslosigkeit und die Angst und die Sorge und dann würde ich mitten in dieses kleine schäbige Haus mit dem gelbesten Gelb einen Punkt setzen und diesem Bild würde ich den Titel Du geben, Andrea Schwarz hat dieses Verse geschrieben mit dem Titel Heilige Nacht. Ein wunderschönes Bild. (Eigentlich ist Weihnachten ganz anders, S. 113) Für mich ist es aber nicht nur ein Weihnachtsgedicht, sondern auch eines für ein Neues Jahr.
Jesu Wort und sein Licht mögen uns und unsere Welt in diesem Neuen Jahr so begleiten und ihr und uns immer wieder den Weg zeigen, damit wir ihn nicht aus den Augen verlieren.
Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne ein gutes, ein frohes, ein gesegnetes neues Jahr. Ein Jahr des Herrn.
Amen
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Bereitschaft und die Verheißung des Bedient Werdens - Predigt zu Lukas 12,35-40 von Christian Bogislav Burandt
Bereitschaft und die Verheißung des Bedient Werdens
Krach und Lärm, liebe Gemeinde, regieren auf den Straßen. Heute sind Silvesterknaller und Böller erlaubt. Und das ist ja auch schon zu hören: Böller sind Hör-Signale für glückliche Ereignisse. Die Freunde der europäischen Adelshäuser wissen das. Für die Zwillinge, die die Ehefrau des regierenden Fürsten Albert in Monaco zur Welt gebracht hat, gab es satte 42 Böllerschüsse als Salut! Krach und Lärm als Begleiterscheinungen freudiger Ereignisse durften wir in diesem Jahr durchaus erleben. Der Gewinn der Fußball Weltmeisterschaft war keine stille Angelegenheit. Da haben es viele auf die eine oder andere Art und Weise krachen lassen!
Allerdings. Die Silvesterknallerei dient nicht nur als Kundgabe von Freude. Allzuoft versteckt sich im Werfen von Böllern auch Aggression gegen dies oder jenes. Und dann scheint es mir, als wollten manche Menschen ihre Angst und Unsicherheit vor der Zukunft kaschieren, indem sie ein Feuerwerk anzünden. Krach und Lärm gewissermaßen als Waffen gegen die Dämonen der eigenen Angst!
Das zu Ende gehende Jahr 2014 hat uns mehrfach das Fürchten gelehrt: Das gab es in der Ukraine, in Kiew eine relativ unblutige Revolution. Aber die führte das Land an den Rand des Bürgerkriegs und ließ nahezu die Zeit des Kalten Krieges wiederkehren! Dass eine terroristische Gruppe von Islamisten weite Gebiete von Syrien und Irak unter ihre Gewalt gebracht hat, ist nicht ermutigend, schon gar nicht wenn man an die vielen hunderte Kämpfer denkt, die aus Deutschland dorthin gegangen sind! In was für einer Welt leben wir, wenn ein 15-jähriges Mädchen aus Pakistan für ihren Einsatz um die Bildung von Mädchen und Frauen den Friedensnobelpreis bekommt? Ein Mädchen, das einen Mordanschlag der Taliban nur knapp überlebt hat? Gefährliche Krankheiten – Stichwort Ebola – machten auf sich aufmerksam. Und der Blick in die Geschichte vor 100 Jahre, der Beginn des 1. Weltkriegs offenbarte ebenfalls Abgründe des menschlichen Geschlechts!
An Gründen, den eigenen Ängsten und Unsicherheiten die Böller entgegen zu werfen, fehlt es nicht. Aber wir öffnen in diesem Moment unsere Ohren. Als Christen hören wir auf das, was Jesus im Evangelium zu den Seinen sagt. Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.
Zur Zeit Jesu trugen die Menschen ein langes Gewand, eine Tunika. Und wenn sie sich schlafen legten, zogen sie ihren Gürtel aus. Wenn es dagegen an die Arbeit ging oder sie sich auf einen längeren Weg machten, dann schnallten sie den Gürtel enger, damit das Gewand sie nicht behinderte. Jesus fordert also die Seinen auf, in einer tätigen Haltung zu warten und wachsam zu sein. –
Die Jüngerinnen und Jünger Jesu konnten diese Aufforderung nicht hören, ohne an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten zu denken: Die Israeliten hatten sich damals in der Nacht zum Aufbruch fertig gemacht, also den Gürtel eng geschnallt. Und sie hatten ihre Lampen angezündet, um sehen zu können, wohin die Flucht führen sollte. ‚Aufbruch zur Befreiung’, das steht für die Zukunft noch aus, meint Jesus.
Und dann sagt er weiter: Seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Wartet auf euren Erlöser, auf Jesus Christus, heißt das! Geht nicht so in eurem Leben auf, dass ihr euer Christsein vergesst! Rechnet beständig damit, dass er euch begegnen könnte! Allzeit bereit! Haltet eure Augen und Ohren offen, dass Ihr sein Anklopfen nicht überhört. Seid bereit und zur Stelle, wenn er euch braucht, damit ein Einsamer Besuch empfängt, ein Hungernder zu Essen bekommt, ein Trauriger getröstet wird, ein Nackter bekleidet wird, ein Flüchtling eine Bleibe erhält, einem Unterdrückten Gerechtigkeit widerfährt, ein Mutloser neuen Mut bekommt. Seid aufmerksam, lasst eure Lichter brennen! Setzt eure Fähigkeiten ein, um Licht in die Dunkelheiten der Welt zu bringen! Lasst Geistesblitze aufleuchten, um die Erde und die Schöpfung zu bewahren!
Vielleicht regt sich jetzt bei dem einen oder der anderen unter uns stiller Protest. Wer unter Müdigkeit und Erschöpfung leidet am Ende des Jahres fühlt sich womöglich von Jesus unter Druck gesetzt. Aber das wäre ein Missverständnis! Denn Jesus schwingt hier ja nicht die Peitsche oder treibt uns zur Arbeit an. Er ruft uns vielmehr auf, unser Herz auf ihn auszurichten.
Worauf warten wir ansonsten im tiefsten und letzten? Auf was oder wen wollen wir warten? Auf eine Verschlechterung der Gesundheit? Eine Steuer-Rückzahlung? Einen Märchenprinzen? Die Zeugnisse? Einen Tabellenplatz für Hannover 96, der das Mitmachen in einem europäischen Wettbewerb ermöglicht? – Es gibt ja doch sehr vieles, worauf wir ungeduldig, ängstlich oder hektisch warten könnten.
‚Wartet auf mich’ ruft uns da das Kind in der Krippe, der Sohn Gottes zu. Warten auf Jesus Christus bedeutet Warten auf den Befreier. Das verbreitet positive Aufbruchstimmung. So wie die Israeliten damals voller Erwartung auf das Startsignal zum Aufbruch aus der Ägyptischen Sklaverei gewartet haben, so sollen auch wir bereit sein zum Aufbruch in die Freiheit, in die uns Jesus Christus führen wird! Das Warten auf Jesus Christus hat Verheißungscharakter!
Dazu passt auch das Stichwort von der Hochzeit, von der der Herr der Knechte zurückkehren wird. Die Hochzeit ist ein Bild für die Herrlichkeit des Reiches Gottes, um das wir im Vaterunser beten. Warten auf Jesus Christus hat Verheißungscharakter.
Positive Aufbruchstimmung, sie erwächst nicht aus unseren Leistungsbilanzen. Je ehrlicher wir das eigene Tun und Lassen im zu Ende gehenden Jahr anschauen, um so kritischer fällt unser persönlicher Jahresrückblick aus. Da stehen der einen oder anderen gelungenen Aktion zahlreiche Unterlassungssünden gegenüber. Freundlichkeit und Mitmenschlichkeit, wie sah es damit aus? Wen oder was haben wir vergessen? – Wie gut, dass wir nicht auf einen depressiven Rückblick festgenagelt sind, sondern nach vorne schauen dürfen: in die Zukunft, wo und wann auch immer Jesus Christus bei uns anklopft, wann auch immer das Reich Gottes in Herrlichkeit sich durchsetzen wird.
Jesus sagt. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Was für ein Rollentausch, liebe Gemeinde! Die Bereitschaft zum Aufbruch, die Grundausrichtung des Herzens auf Jesus Christus führt nicht zu massiver Sklavenarbeit! Im Gegenteil! Es ereignet sich die Befreiung aus der eigenen Rolle! Was Jesus zu Lebzeiten selber seinen Freundinnen und Freunden schon vorgelebt hat, der Verzicht auf einen Herrschaftsstatus, wird uns zugute kommen.
Er wird sich schürzen und wird zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Das ist das, was wir zu Weihnachten gesungen haben: Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein. Der Herr bittet die Sklaven zu Tisch und dient ihnen. Diakonie, so steht es im griechischen Urtext!
Auch wenn wir nicht glänzen konnten im letzten Jahr weder vor Gott, noch vor den Menschen, noch vor uns selber, wir dürfen auf einen Herrn warten, der uns bewirtet! Einen Herrn, der unsere Schuld auf sich nimmt und darum unser Leben heil machen wird! Was für ein hoffnungsvoller Ausblick auf die Zukunft!
Immerhin. Im letzten Jahr gab es mit Blick auf die Vergangenheit auch die Mut machende Erinnerung an das 25-jährige Jubiläum vom Fall der Berliner Mauer. 70 Jahre sind vergangen seit dem Attentat auf Adolf Hitler. Einer der Mitwisser der Verschwörer war Oberst Alexis Freiherr von Roenne. Er schrieb im Oktober 1944 vor seiner Hinrichtung an seine Frau: Gleich gehe ich nun heim zu unserem Herrn in voller Ruhe und Heilsgewissheit... Ich bitte Dich als letztes: Klammere Dich nur an Ihn und habe in ihm volle Zuversicht: Er liebt Dich.
Mut zur Zukunft. Heute Abend werde ich ein paar Böller loslassen. Aber entscheidend ist für mich das Festhalten an der Verheißung meines kommenden Herrn!
Herr Jesus Christus,
wir breiten unsere Arme aus,
bereit das Neue Jahr anzunehmen,
bereit zum Aufbruch,
bereit zum Teilen von Freude und Leid,
wir bitten dich um Aufmerksamkeit, Dein Anklopfen bei uns zu hören,
wir bitten dich um Zuversicht, die sich auf Dich gründet,
wir bitten dich um Tatkraft, die sich deiner Liebe verdankt,
AMEN