Wider den Schlaf und seinen hässlichen Bruder - Predigt zu Markus 13, 31-37 von Katharina Wiefel-Jenner
31Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.
32An welchem Tag oder zu welcher Stunde das sein wird, weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater."
33"Passt auf! Seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Zeitpunkt da ist.
34Es ist wie bei einem Mann, der auf Reisen ging. Er verließ sein Haus und übertrug seinen Knechten die Verantwortung. Jedem teilte er seine Arbeit zu. Dem Wächter an der Tür befahl er:
'Bleib wach!'
35Bleibt also wach! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt: spät am Abend, um Mitternacht, beim Hahnenschrei oder früh am Morgen.
36Wenn er plötzlich kommt, soll er euch doch nicht im Schlaf überraschen.
37Was ich euch sage, das sage ich allen: Bleibt wach!"
Wie sollen wir das schaffen, Jesus? Du sagst: „Bleibt wach!“ Du weißt doch, wie schwer das ist! Deine Jünger haben es im Garten Gethsemane nicht geschafft. Dabei hattest Du sie so dringlich gebeten. Drei Mal bist du aufgestanden und hast Petrus, Jakobus und Johannes geradezu angefleht: „Bleibt wach!“ Drei Mal bist du bei Ihnen gewesen und hast gehofft, dass sie wach bleiben würden. Du schwebtest in Todesgefahr und trotzdem schliefen sie ein.
Nun sagst du zu uns: „Wachet!“ Wie sollen wir es schaffen, wenn schon deine Jünger damals nicht wach blieben? Du kennst uns. Du weißt es doch genau, Jesus! Wir sind nicht besser als deine Jünger damals. Du weißt, wie mächtig der Schlaf ist. Du kennst uns und erzählst die Geschichte von den zehn Jungfrauen. Auch sie blieben nicht wach. Alle zehn sind eingeschlafen. Nicht nur die Törichten, nein auch die Klugen wurden müde. Sie schliefen ein, obwohl sie allen Grund hatten, wach zu bleiben. Eine Hochzeit ist kein alltägliches Ereignis, selbst wenn sich der Bräutigam verspätet. Sie schliefen alle und wurden erst wach, als sich um Mitternacht der laute Ruf verbreitete: „Der Bräutigam kommt!“
Der Schlaf ist mächtig. Auch von den Starken mit festem Willen und großen Vorsätzen ergreift er Besitz. Lockt mit wohliger Ruhe, verspricht Vergessen. Legt sich bedächtig und schwer auf die Augen. Wartet so lange, bis die Gegenwehr schwach geworden ist ... und dann hat er auch die Tapfersten bezwungen.
Du weißt das, Jesus! Du weißt es, dass sich niemand der Macht des Schlafes entziehen kann. Die Klugen fallen ihm zum Opfer genauso wie die Törichten, die Liebenden genauso wie die Pflichtbewussten.
Und nicht nur du weißt das, Jesus. Der Tod weiß es auch. Der Tod verbündet sich mit dem Schlaf. Er schleicht sich an die Sterbebetten und verrichtet sein Werk, während der Schlaf denen, die bleiben, die Augen zuhält. Anschließend überlassen beide die Trauernden ihren Selbstvorwürfen. Der eine Augenblick genügt dem Tod und Bruder Schlaf hat ihm wieder zuverlässig geholfen.
Das ist doch zum Verzweifeln! Wütend kann man darüber werden. Und dann sagst du: „Wachet!“
Jesus Christus, wohin soll ich mit meiner Wut? Mit meiner Wut auf den Tod und auf den Schlaf, und auch auf mich selbst. Was mache ich mit meiner Verzweiflung, Jesus Christus? Nur zu gerne wäre ich wach geblieben! Nur zu gerne hätte ich den Tod, wenn er denn schon nicht aus dem Zimmer zu vertreiben ist, ins Auge gesehen. Nur zu gerne hätte ich aufmerksam verfolgt, was geschieht. Zu gerne hätte ich meinen Teil dazu beigetragen, dass das Elend nicht um sich greift. Hätte gerne mit aller Kraft dafür gesorgt, dass die Mächte des Todes sich nicht hemmungslos austoben können. Aber wir sind nicht besser als die zehn Jungfrauen und auch nicht besser als Petrus, Jakobus und Johannes im Garten Gethsemane. „Wachet“, sagst du. Und dann erzählst du von dem Hausherrn, der auf Reisen geht und nicht sagt, wann er wieder kommen wird. Ich will ja wach bleiben, wie der Türwächter, Jesus Christus! Ich möchte wach bleiben und rechtzeitig zur Stelle sein, wenn ich das Tor für dich, mein Heiland Jesu Christ, öffnen soll. Ich will es ja. Ich will meine Herzenstür hüten und für dich offen halten. Und in diesen Nächten, wo der Tod seine Macht demonstrieren will, will ich wenigstens das eine: Wenn ich schon nichts anderes kann, will ich wenigstens dem Schlaf und dem Tod trotzen.
Aber ohne deine Hilfe kann ich es nicht. Hilf mir doch, Christus Jesus, damit ich wache! Hilf mir doch, damit ich die Augen offen halten kann und die schweren Lider dem Locken der Ruhe nicht nachgeben. Hilf mir, dass ich die Tür hoch und das Tor weit mache.
Eine seltsame Hilfe bietest du uns da an, Christus! Du erzählst von dem Hausherrn, der auf Reisen geht und seinen Leuten nicht erklärt, wann er wieder zurückkommt. Das ist deine Hilfe? Uns im Ungewissen über deine Rückkehr zu lassen? Wo ist da die Hilfe? So wächst doch nur die Angst. Oder haben wir da etwas überhört? Sind diese Worte des Hausherrn als Hilfe gemeint: „Er verließ sein Haus und übertrug seinen Knechten die Verantwortung. Jedem teilte er seine Arbeit zu.“ Wo ist da Hilfe? Ist das die Hilfe, dass wir als Türwächter auf dein Haus aufpassen sollen? Hilf uns, wenn du uns als deine Türwächter einsetzt!
Du kennst uns. Du weißt, dass wir am besten wachen können, wenn wir etwas zu tun bekommen. Wenn wir nur still sitzen und warten, dann schleicht sich der Tod unbemerkt ins Zimmer und verrichtet zusammen mit seinem Bruder Schlaf sein Werk. Du willst unsere volle Aufmerksamkeit – auch in den Stunden der Nacht, in den Stunden der Finsternis und Verzweiflung. Wenn die Mächte des Todes sich mit ihrem widerlichen Tun über das Leben in unserer Welt hermachen wollen, dann haben wir unser Tun, das uns vom Einschlafen abhalten soll. Genau hier teilst du uns unsere Arbeit zu. Du willst das wir Verantwortung übernehmen, so wie der Türwächter, von dem du sprichst.
Das ist also deine Hilfe, damit wir wach bleiben. Wir sollen Verantwortung für dein Haus übernehmen.
Verantwortung, wenn die Welt aus den Fugen zu geraten scheint? Verantwortung, wenn Stürme Tausenden das Leben kosten, wenn geliebte Menschen von heimtückischen Krankheiten hinweggerafft werden, wenn das Mittelmeer zum Grab für Flüchtlinge wird? Verantwortung, wenn den Jugendlichen die Zukunft verbaut wird? Verantwortung, wenn das Elend über unser Leben hinwegfegt?
Wie sollen wir das schaffen, Jesus? Was meinst du mit Verantwortung?
Wir können es doch gar nicht,
wenn uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird;
wenn der Himmel über uns zusammenbricht;
wenn Fluten über uns zusammenschlagen;
wenn der Tod sich unsere Liebsten raubt;
wenn die Welt über uns zusammenstürzt.
Und du sagst: doch? Du sagst, dass wir wach bleiben und Verantwortung für dein Haus übernehmen können? Zu Petrus, Jakobus und Johannes hast du damals gesagt: „Bleibt hier, wacht mit mir, wacht und betet.“ Aber in Gethsemane hast du sie nicht noch einmal daran erinnert, was du schon vorher zu ihnen gesagt hattest: „Himmel und Erde vergehen, aber meine Worte vergehen nicht“. Sie haben sich in ihrer Müdigkeit nicht mehr daran erinnert und schliefen ein. Aber bei uns machst du es heute besser. Heute erinnerst du noch einmal daran, was alle Jüngerinnen und Jünger wissen müssen. Wir haben dein unvergängliches Wort. Du gibst uns zu tun, du machst uns zu deinen Türwächtern, wartest darauf, dass wir die Tor hoch und die Tür weit machen.
Und für die Zeiten, wenn es lang wird und die Augen vor Müdigkeit zufallen wollen,
für die Zeiten wenn es schwierig wird, wenn die Nachbarn gehässig werden,
für die Zeiten, wenn der Tod sich in dein Haus einschleichen will,
für die Zeiten, wo Lüge und Streit in dein Haus eindringen,
für alle Zeit gilt dein Wort.
Wacht, betet und vergesst nie: Himmel und Erde vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.
Ach, komm, mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Komm und vertreibe den Schlaf und seinen hässlichen Bruder, den Tod. Darauf warten wir, so lange bis du kommst. Mit deiner Hilfe werden wir wach bleiben, doch wir bitten dich: Komme bald.
Amen.
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Vom Vergehen des Lebens und den Worten, die bleiben - Predigt zu Markus 13, 31-37 von Dieter Splinter
Vom Vergehen des Lebens und den Worten, die bleiben
Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit und gebot dem Türhüter, er solle wachen: so nun wachsam; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!
I.
Liebe Gemeinde!
Da ist auf der einen Seite das, was unser Leben bestimmt. Auf der anderen Seite steht die gute Nachricht, das Evangelium. Und dazwischen gibt es ein Geheimnis, das sich nicht ergründen lässt..
II.
„Seht euch vor, wachet! … Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“ Am letzten Sonntag des Kirchenjahres, am Toten- und Ewigkeitssonntag, mahnt uns Christus, wachsam zu sein.
An diesem Sonntag gibt es nämlich etwas zu entdecken, was nur schwer zu ertragen ist: Wir werden vergehen. Der Tod nagt mit der Zeit an uns. Jedes Haar, das uns ausfällt, jeder Zahn, der uns gezogen wird, jeder Krankheit, die wir mehr oder weniger gut überstehen, erinnert uns daran, dass unser Leben ein Ziel hat und wir davon müssen. Ja, nicht nur wir selber werden vergehen. Auch „Himmel und Erde werden vergehen“. Darum die Mahnung Jesu, die an alle ergeht: „Seht euch vor, wachet!“
Ob wir diese Mahnung nötig haben? Ich meine: ja! Ich jedenfalls habe lange gebraucht, um die Frage nach dem eigenen Tod wirklich an mich heran zu lassen. Es sterben ja immer nur die anderen.
Die Vorstellung nicht mehr zu sein, hat in der Tat etwas erschreckendes. Darum haben die meisten von uns Wege gefunden, dieser Vorstellung zu entgehen. Verdrängen nennen das die Psychologen. Manche von ihnen sagen uns, dass das Verdrängen durchaus etwas Gutes habe. Lebenskräfte würden gesteigert, schließlich halte es keiner lange bei dem Gedanken an den eigenen Tod aus. Zudem setze das Verdrängen Energie frei: Energie zur Erforschung und Beseitigung von Krankheiten; Energie, um Hilfen zur Lebenserleichterung jedweder Art zu schaffen; Energie, um Spuren zu hinterlassen, die lange bleiben.
Wir aber werden von Christus heute am Toten- und Ewigkeitssonntag daran erinnert, was unser Leben unweigerlich bestimmt – und was im Grunde alle wissen, aber nur zu gern nicht wahrhaben wollen: „Himmel und Erde werden vergehen.“ Das geschieht nicht erst in ferner Zukunft. Das geschieht schon jetzt. Der Tod nagt mit der Zeit an uns. „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen.“ So sagt es ein altes Kirchenlied.
Am heutigen Toten- und Ewigkeitssonntag wird das deutlich. Viele trauern um Menschen, die im nun zu Ende gehenden Kirchenjahr von ihnen gegangen sind. Für immer. Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Pläne konnten nicht mehr verwirklicht werden. Eine Lücke bleibt zurück. Je größer die Nähe zum Verstorbenen war, desto größer ist diese Lücke. So wie wir um die Verstorbenen trauern, die ganz nah an unserem Herzen waren, so wird man auch einmal um uns trauern. Wir sind selber in das Vergehen des Lebens einbezogen. Der Tod nagt mit der Zeit an uns. Mit der Zeit vergehen auch wir. Dieses Gesetz bestimmt unser Leben.
„Manchen Menschen geht so schlecht, dass dieses Gesetz im Augenblick ihre einzige Hoffnung ist. Mit allen Fasern ihres gequälten Leibes wünschen sie das Ende ihres Lebens herbei. Für viele andere hingegen ist dieses Gesetz hart, unerträglich herzzerreißend – weil es erbarmungslos unsere Endlichkeit feststellt.“ (Manfred Josuttis: Offene Geheimnisse. Predigten, Gütersloh 1999, S. 137.)
III.
Was sagt Jesus Christus dazu? „Meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Offenbar gibt es Worte, die bleiben. Sie gehen mit einem. Sie tragen einen. Sie machen Mut. Herta Müller berichtet in ihrem Roman „Atemschaukel“ von solch einem Wort.
Darin schildert sie den Lebensweg des jungen Leopold Auberg aus Hermannstadt in Siebenbürgen, Rumänien. Rumänien war im Zweiten Weltkrieg mit Deutschland verbündet. Kurz vor Kriegsende wechselt die rumänische Regierung die Fronten und schlägt sich auf die Seite der Sowjetunion. Im Januar 1945 verlangt Stalin von der rumänischen Regierung alle Deutsche aus Siebenbürgen zwischen 17 und 45 Jahren an die Sowjetunion auszuliefern. Sie sollen dort in Arbeitslagern zum Wiederaufbau beitragen. Patrouillen ziehen von Haus zu Haus, um jene abzuholen, die deportiert werden sollen. Leopold Auberg berichtet es im Roman von Herta Müller so:
„Ich setzte mich an den Tisch und wartete auf Mitternacht. Und Mitternacht kam, aber die Patrouille hatte Verspätung. Drei Stunden mussten vergehen, das hielt man fast nicht aus. Dann waren sie da. Die Mutter hielt mir den Mantel mit dem schwarzen Samtbündchen hin. Ich schlüpfte hinein. Sie weinte. Ich zog die grünen Handschuhe an. Auf dem Holzgang, genau dort, wo die Gasuhr ist, sagte die Großmutter: ICH WEISS DU KOMMST WIEDER. Ich habe mir diesen Satz nicht absichtlich gemerkt. Ich habe ihn unachtsam mit ins Lager genommen. Ich hatte keine Ahnung, dass er mich begleitet. Aber so ein Satz ist selbständig. Er hat in mir gearbeitet … ICH WEISS DU KOMMST WIEDER … Weil ich wiedergekommen bin, darf ich das sagen: So ein Satz hält einen am Leben.“ (Herta Müller: Atemschaukel.Roman, München 2009, S. 14.)
Es gibt Worte, die bleiben. Sie gehen mit einem. Sie tragen einen. Sie machen Mut. Es sind Worte, die nicht vergehen. ICH WEISS DU KOMMST WIEDER. Manchmal finden Menschen Worte, die übersetzen die mutmachenden Worte Jesu ins Hier und Heute. Jesus Christus spricht: „In der Welt habt ihr Angst, doch siehe, ich habe die Welt überwunden.“ Die Übersetzung: ICH WEISS DU KOMMST WIEDER. Jesus Christus spricht: „Meine Worte werden nicht vergehen.“
Seine Worte ergreifen uns bis heute. Sie machen Mut zum Leben und zum Sterben. Mit ihnen kann man das Zeitliche segnen, weil sie der vergehenden Zeit entzogen sind. Jesu Worte werden noch da sein, wenn wir längst vergangen sind. Doch heute gelten sie ganz und gar uns. Denn das die gute Nachricht, das Evangelium: Inmitten der vergehenden Welt ergreifen uns die Worte Jesu. Sie bleiben und vergehen nicht – Worte wie: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden!“
IV.
Da ist also auf der einen Seite das, was unser Leben bestimmt: Es vergeht. Der Tod nagt mit der Zeit an uns. „Himmel und Erde werden vergehen.“ Das ist das Gesetz unseres Lebens. Auf der anderen Seite steht das Evangelium, die gute Nachricht: Jesu Worte vergehen nicht. Sie ergreifen uns inmitten der vergehenden Welt. Sie machen Mut. Sie geben Kraft. Und sie lassen uns etwas von der Ewigkeit ahnen. Im letzten Buch der Bibel hat der Seher Johannes diese Ahnung so ausgedrückt: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen … und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein...“. (Offenbarung 21, 1 und 4)
Zwischen beidem aber – dem Leben, das vergeht, und den Worten Jesu, die nicht vergehen - gibt es ein Geheimnis, das sich nicht ergründen lässt. Jesus beschreibt es so: „Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.“
Das ist ein merkwürdiger Satz. Jesus hat zwar etwas zu offenbaren – „Himmel und Erde werden vergehen“ - aber weder er noch die Engel im Himmel wissen, wann das endgültig der Fall sein wird. Nur Gott, der Vater, allein weiß es.
Das hat die Endzeitpropheten aller Zeiten nicht davon abgehalten zu berechnen, wann dieser Tag eintritt. Doch ist es zwecklos nach den „Zeichen der Zeit“ Ausschau zu halten und sie deuten zu wollen: Kriege, Seuchen, Klimawandel, Erdbeben, Taifune, Hungersnöte, Zerrüttung der öffentlichen Moral. All das ist nur Teil der oftmals verstörenden und empörenden, aber alles in allem sich doch häufig wiederholenden Menschheitsgeschichte. Ein Hinweis auf das unmittelbar bevorstehende Ende der Welt ist es nicht.
Wann das sein wird, können wir nicht wissen. Es ist und bleibt das Geheimnis Gottes. Das ist bei ihm gut aufgehoben. Darauf gilt es wachsam zu reagieren, nicht aber ängstlich. Zwar gilt: „Himmel und Erde werden vergehen“. Doch dem steht der Satz Jesu entgegen: „Meine Worte aber werden nicht vergehen.“ Seinen Worten lasst uns trauen. Sie sind ja noch da, wenn wir nicht mehr da sind. Mit ihnen will er uns ergreifen, wenn wir zu fallen drohen und ängstlich, niedergeschlagen und voller Trauer sind: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Und so bewahre der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, unsere Herzen und Sinne, in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
(Wesentliche Impulse verdankt diese Predigt der schon zitierten Predigt von Manfred Josuttis „Vergehen“, in: Offene Geheimnisse. Predigten, Gütersloh 1999, S.136-138; weitere Literatur: Martin Hauff/Kristin Merle: Von Worten, die nicht vergehen, Markus 13, 31-37, Ewigkeitssonntag, in: Predigtstudien für das Kirchenjahr 2012/2013, Perikopenreihe V – Zweiter Halbband, Hg. Von Wilhelm Gräb et al., Freiburg im Breisgau 2013, S. 249-256)