Konfi-Impuls zu Epheser 2,1-10 – von Judith Reinmuth-Frauer
1) Zum Sonntag
Für diesen 11. Sonntag nach Trinitatis mitten in den Sommerferien gibt der Wochenspruch das Thema vor: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Hochmut – mit diesem Begriff können die Konfirmandinnen und Konfirmanden etwas anfangen. Diese Haltung kennen sie, und viele haben Probleme mit Leuten, die sie als überheblich, arrogant oder eingebildet empfinden. Es wäre spannend, Hochmut zu vergleichen mit Stolz, Selbstbewusstsein und Übermut, um herauszufinden, was das Besondere an einer hochmütigen Haltung ist. Ich kann mir auch vorstellen, diese Haltung körperlich auszudrücken: Wie gehe ich, wie halte ich den Kopf, wie schaue ich als hochmütiger Mensch?
Doch wie sieht es mit Demut aus? Dieses alte Wort dürfte vielen Jugendlichen nicht sehr vertraut sein. Interessant ist, dass in beiden Begriffen der „Mut“ steckt. Geht es darum, dass im einen Fall der eigene Mut zu hoch angesetzt wird – im Sinne von „Hochmut kommt vor dem Fall.“ – und im anderen Fall der Mut das rechte, nämlich menschliche Maß hat? Oft wurde Demut ja missverstanden als übertrieben unterwürfige und selbstlose Haltung – gerade in der Kirche. Es wäre aufschlussreich, auch eine solche Haltung einmal körperlich auszuprobieren – gerade in diesem übertriebenen Sinne. Welche Haltung möchte Gott von uns? Über diese Frage nachzudenken, bringt uns auch dem näher, was uns der Predigttext vermittelt.
2) Sonntag der Gegensätze
Wie der Wochenspruch so zeigen uns auch andere Predigttexte des Sonntags starke Gegensätze. Zum Beispiel die Geschichte vom Pharisäer und Zöllner. Wenn sie als Schriftlesung gewählt wird, kann in der Predigt anhand dieser zwei Personen demonstriert werden, wie unterschiedlich die Haltungen sind. Sie können das, was im Predigttext abstrakt vermittelt wird, anschaulich und begreifbar machen. Eine Möglichkeit ist, diese beiden Figuren in ihrer Rolle und mit ihrer Einstellung zum Leben sprechen zu lassen. Womöglich auch von zwei Personen gelesen, um den Kontrast zu schärfen.
3) Rechtfertigung aus Gnade – stimmt das überhaupt?
Erleben die Jugendlichen, erleben wir Erwachsene das so? Und damit meine ich nicht nur in der Gesellschaft, sondern gerade auch in der Kirche? Wird hier gelebt, was verkündigt wird? Oder geht es auch im Raum der Kirche um Leistung und Druck?
Wie sieht ein Raum der Gnade aus? Welche Bilder kommen uns da? Wie wollen wir als Kirche gerade dem neuen Konfirmandenjahrgang Kirche als Raum der Gnade vermitteln?
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Judith Reinmuth-Frauer
Ditzingen
Mitglied im Beirat Konfirmandenarbeit
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Lass das Licht rein! – Konfi-Impuls zu Epheser 5,8b-14 von Cornelius Kuttler
Wenn Konfirmanden von dem erzählen, was sie glauben, spielt das Thema „Licht“ eine große Rolle. Zumindest ist dies meine Erfahrung der Konfirmationsgottesdienste in diesem Jahr. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden präsentierten aus Keilrahmen gebastelte Uhren, auf die sie gemalt und geschrieben hatten, was ihnen in ihrem Glauben wichtig ist – unter der Überschrift „Sag mir, was wirklich bleibt!“. Viele Jugendliche hatten Elemente der Lichtsymbolik gewählt, um ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen zu visualisieren.
Ideen für die Predigt
Der Predigttext aus Epheser 5,8b-14 knüpft an die hohe Bedeutung an, die das Licht als Glaubensmetapher für Konfirmandinnen und Korfirmanden hat. Drei Linien für eine Predigt, die auch sie im Blick hat, seien angedeutet:
1) Was uns auszeichnet: Du bist ein Kind des Lichts.
Mit diesem Würdetitel spricht der Epheserbrief die Glaubenspraxis im Alltag des Lebens an: „Lebt als Kinder des Lichts!“.
Kind zu sein, ist nicht unbedingt das höchste Gut, das Jugendliche anstreben. Im Schnittpunkt zwischen „noch Kind-Sein“ und „noch nicht Erwachsen-Sein“ suchen Jugendliche ihren eigenen Weg in Annäherung und Abgrenzung zu den eigenen Eltern.
Die Formel des Predigttextes „Kind des…“ fragt danach, was über ein Leben bestimmt, wem ein Leben gehört.
Konfirmandinnen und Konfirmanden (und nicht nur sie) erleben, dass sie oft genug dem Stress des Alltags gehören, der Angst, der belastenden Situation in der Familie, usw. Dem stellt der Predigttext entgegen: „Du bist Kind des Lichts, nicht Kind des Stresses, nicht Kind deiner Ängste, nicht Kind deines schlechten Gewissen, usw.“. So verstanden, ist der Predigttext ein Wort der Hoffnung gegen alles, was gefangen nimmt und bindet.
2) Sei jemand, auf den man sich verlassen kann.
Ich erlebe Konfirmandinnen und Konfirmanden als höchst achtsam und sensibel, wenn es um die Frage nach authentischen Lebensstilen geht. Sie erkennen zielsicher, ob jemand das, was er sagt, auch lebt. Mit dieser Beobachtung konvergiert einer der prominenten Verse des Predigttextes: „Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“ (Eph 5,9). Wenn der biblische Wahrheitsbegriff „Zuverlässigkeit“ und „Treue“ intendiert, so kommt das den Erwartungen nahe, die Konfirmandinnen und Konfirmanden an einen authentischen Lebensstil haben. Die Predigt könnte dazu ermutigen, ein Mensch zu sein, auf den andere sich verlassen können. Wer zum Licht gehört, kann zu sich und zu anderen stehen.
39 Steh auf und lass das Licht rein.
Wichtig scheint mir, dass die pointierten Schlussverse des Predigttextes elementarisiert zu einem für Konfirmandinnen und Konfirmanden verständlichen Imperativ werden, z. B. im Sinn eines „Lass das Licht rein in dein Leben.“ Mir ist in bleibender Erinnerung, was von einer Konfirmandin als Kennzeichen einer guten Predigt genannt wurde: Dass es Beispiele gäbe, die mit ihrem Leben zu tun hätten. Es wird folglich darum gehen, beispielhaft aufzuzeigen, was dies bedeuten kann: Lass das Licht rein! Es könnte z. B. angedeutet werden, wie in dunklen Lebenssituationen neu Vertrauen zu Christus wachsen kann. Oder es ist eine zwischenmenschliche Situation im Blick, wie sie Konfirmandinnen und Kornfirmanden auch kennen: Dass es Streit und Misstrauen finster werden lassen und nur Versöhnung Licht ins Dunkel bringen kann.
Ideen über die Predigt hinaus
Eine erlebnispädagogische Gruppenerfahrung zum Thema „Licht und Finsternis“ ist der Besuch einer Höhle mit der Konfirmandengruppe. Völlige Dunkelheit zu erleben, ist eine eindrückliche Erfahrung, die im Alltag der Jugendlichen sicherlich nicht oft gegeben ist.
Gut geeignet sind Höhlen, die nicht touristisch erschlossen und mit elektrischer Beleuchtung ausgestatten sind (z. B. die Gustav-Jakob-Höhle in Grabenstetten auf der Schwäbischen Alb; sie ist von April bis Anfang Oktober frei und kostenlos zugänglich. Informationen sind über das Internet gut greifbar).
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Pfarrer Cornelius Kuttler
Gesamtkirchengemeinde Oberiflingen
Beauftragter für Konfirmandenarbeit im Kirchenbezirk Freudenstadt
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07.08.2016 - 11. So. n. Trinitatis
17.07.2016 - 8. So. n. Trinitatis
Frieden im Haus Gottes - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Winfried Klotz
Liebe Gemeinde,
lauter Aussagesätze, Bestätigungen, Ermutigungen und so gar keine Imperative enthält unser Abschnitt! Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt! Das ist die Grundlage für alle nachfolgenden Zusagen, Bestärkungen. Das mit dem Frieden klingt in unseren Ohren etwas matt; von Frieden reden viele, den Frieden beschwören viele, fordern ihn, aber wir wissen: deshalb ist noch lange kein Frieden.
Wenn zwei Schüler auf dem Schulhof sich anschreien, vielleicht sogar tätlich werden, dann nützt es manchmal wenig, sie zum Frieden zu rufen. Manchmal müssen die Streitenden handfest getrennt werden, damit sie aufhören. Aber Frieden miteinander haben sie deshalb noch nicht.
Es ist eine schwierige Sache mit dem Frieden; damit er eintritt, braucht es einen Ausgleich, Versöhnung, einen Weg, der zur Gerechtigkeit führt. Ausgleich? Warum streiten manche bis zur Prügelei miteinander? Weil einer dem anderen etwas weggenommen hat. Ausgleich heißt dann: Was weggenommen wurde muss zurückgegeben werden – so einfach kann das sein. Damit aber aus dem Ausgleich auch Versöhnung und damit Frieden wird, braucht es die Bereitschaft zur Vergebung. Das ist die eigentliche Klippe; das liebende Herz, das Vergebung gewährt.
Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt, heißt es im ersten Vers unseres Abschnittes. Die Grundlage dazu hat er durch das Opfer seines Lebens gelegt. Weil er Sühne geleistet hat, können wir mit Gott versöhnt sein. Durch das Opfer seines Leibes und Lebens ist auch die Feindschaft zwischen denen, die Gott zuerst als sein Volk erwählt hat, Israel, und denen, die zu den anderen Völkern gehören überwunden. Und zwar dann, wenn Juden und Nichtjuden sich hineinrufen lassen in die Gemeinde, die auf Jesus Christus gegründet ist. Dann wird sichtbar: ER ist unser Friede! (V. 14) „Dadurch, dass er am Kreuz starb, hat er sowohl Juden als auch Nichtjuden mit Gott versöhnt und zu einem einzigen Leib, der Gemeinde, zusammengefügt; durch seinen eigenen Tod hat er die Feindschaft getötet.“ (V. 16 NGÜ)
Durch seinen Tod die Feindschaft getötet - das übersteigt unsere Vorstellungskraft! Dass einer, der anderen verhasst ist, an diese ausgeliefert wird und dann getötet, das hat es in der Menschheitsgeschichte schon gegeben. Den Gegner vernichten, sich an einem Feind rächen, das ist unter Menschen nicht ungewöhnlich. Hat Gott sich dem Prinzip der Vergeltung unterworfen, als er seinen Sohn und Gesandten, den Schuldlosen, in die Hände von schuldigen Menschen gab, die ihn töten ließen? Muss Gott ein Opfer bringen, um uns mit sich zu versöhnen? Aber das lief doch dann falsch herum! Wir Menschen hätten doch Gott ein Opfer zu bringen, damit Gott uns gnädig ist.
Was nach Gottes Willen im Leiden von Jesus am Kreuz geschehen ist, darüber können wir nachdenken, aber es nicht erklären. Deutlich ist das, was aus dem Leiden und Sterben von Jesus folgte: Gott hat ihn auferweckt, zum Herrn gemacht. Überwunden ist, was von Gott trennt, Jesu Kreuz ist Ort der Sühne und damit der Versöhnung, zusammengefügt sind Juden und Nichtjuden in der Gemeinde Jesu. All das ist Ausdruck unbegreiflicher Suche Gottes nach seinen Menschen, einer Liebe, die alles Menschenmaß übersteigt.
„Und er (Jesus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“
Durch Jesus Zugang zu Gott, weil Jesus Frieden gemacht, das Trennende überwunden hat. Das gilt für die Nahen und Fernen, damals Juden und Nichtjuden. Das gilt heute für den inneren Kreis der Gemeinde wie auch für die Distanzierten, das gilt für Einheimische wie auch für die Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Syrien oder dem Irak. Alle sollen die Friedensbotschaft hören. Durch die Botschaft des Evangeliums kommt ein neuer Geist in die Herzen, der Einheit ermöglicht. Alle stehen doch in gleicher Weise vor Gott; sie sind durch den Glauben Empfänger seines Friedens. Es ist nicht nötig, dass die Unterschiede glatt gebügelt werden; es ist aber erforderlich, dass der Geist des Evangeliums die Herzen erfüllt, dass wir nicht nur vom Zugang zu Gott hören, sondern auch hineingehen in die durch Jesus uns geschenkte Gemeinschaft mit Gott. Dann lernen wir Unterschiede zu ertragen. Unterschiede der Kultur: ich denke z. B. an die sehr unterschiedliche Gottesdienstkultur von Kirchen und Freikirchen. Schon bei den Liedern wird das überaus sichtbar. Und wir lernen, uns manchmal freundlich aus dem Weg zu gehen, wenn es zu sehr knirscht und trotzdem Schwestern und Brüder zu sein.
Wer Zugang zu Gott hat durch Jesus, der gehört zur Familie Gottes. Der ist nicht fremd im Haus Gottes, in seiner Gemeinde. Der ist nicht Zuschauer, Fan, distanzierter Beobachter; der ist dabei! Der freut sich, dazu zugehören! „Ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligem Volk gehören – Bürger des Himmels; ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie.“ (V. 19 NGÜ)
Die Freude darüber, zur Gemeinde Jesu zu gehören, Bürger des Himmels zu sein, ist bei uns heute eher mäßig ausgeprägt. Das Lamento über irgendwelche Unstimmigkeiten in der Gemeinde/ Kirche überwiegt oft die Freude. Oder sollte in unserem Vers 19 gar nicht die irdische Gemeinde Gottes gemeint sein, sondern eine himmlische und zukünftige Größe? So wie wir beim apostolischen Glaubensbekenntnis fragen, was denn gemeint ist, wenn wir sagen: „Ich glaube an die heilige, christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen…“? Unsichtbare oder sichtbare Kirche, himmlische oder irdische Gemeinde?
Dass die Gemeinde Jesu, die Kirche, keine statische Größe ist, ist klar. Sie lebt und verändert sich, sie wächst und manchmal scheint sie auch zu sterben. Sie ist eine irdische und sichtbare Gemeinde, zugleich aber eingebunden in Gottes unsichtbare Welt. Sie feiert ihre Gottesdienste ausgerichtet auf die unsichtbare Wirklichkeit Gottes. Sie arbeitet mit an Gottes Reich, beauftragt und gestärkt durch Jesus Christus selbst; sie arbeitet mit IHM. Ja, wir sind Bürger des Himmels und zugleich Teil dieser Welt, angefochten und schwach, aber doch getragen und erfüllt vom Geist Jesu. Das macht den Unterschied zwischen drinnen und draußen, dass Gott uns den Geist Jesu gegeben hat. Wir haben durch Jesus Zugang in dem einen Geist zum Vater. Manchmal ist unsere Freude über die Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu aber nicht deshalb so schwach, weil diese Gemeinde verstaubt und langweilig ist, sondern weil wir einen Spagat leben: Wir wollen zugleich drinnen wie draußen sein. Gott muss damit zufrieden sein, dass wir an ihn glauben, aber ihm unser Leben anzuvertrauen, das wollen wir nicht. Unsere Entscheidungen treffen wir nicht auf ihn vertrauend, sondern nach den Maßstäben unserer Umwelt. Wer so lebt, kann seines Glaubens und seiner Zugehörigkeit zur Gemeinde nicht froh werden.
Ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie! Das hat durchaus etwas Exklusives, Elitäres. Nicht, weil wir etwas Besseres wären, sondern weil wir teilhaben an dem einen Geist, dem Geist Jesu. Weil das Fundament unseres Glaubens gelegt wurde durch Apostel und Propheten und Jesus Christus der Eckstein ist. Zuverlässig und fest ist das Fundament der Kirche Jesu und unseres Glaubens. Das ist kein schwankender Grund, abhängig von den Veränderungen der Zeit, unterworfen dem Geist der Zeit. Die Orientierung auf dieses Fundament macht unabhängig vom Geist der Zeit. Wenn die Gemeinde auf diesem Fundament steht, ist sie nicht aus der Auseinandersetzung genommen, aber sie hat einen festen Stand und kann den Kampf bestehen.
„Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst.“ (V. 20 NGÜ). Die Zuverlässigkeit des Evangeliums, ja der Schrift liegt nicht in einer von uns definierten Irrtumslosigkeit, sondern darin, dass Jesus Christus zuverlässig und wahrhaftig ist. Vom Christus Jesus her wird die Heilige Schrift als göttliche Wahrheit erkannt, nur von IHM her! Solange er in seiner Gemeinde lebt, hat sie Bestand. Solange er gegenwärtig ist, ist sie Haus Gottes, wächst und gestaltet sich als heiliger Tempel Gottes.
Das ist wieder so ein fremdes Bild, „heiliger Tempel“. So manches Bild, manche Vorstellung und mancher Begriff hat uns angestoßen in unserem Abschnitt. „Wohnung Gottes im Geist“ gehört auch dazu.
„Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.“ (V. 21f NGÜ) Es ist aber klar, was gemeint ist: Jesus Christus ist der, der seine Gemeinde erhält und wachsen lässt. Durch ihn wohnt Gott unter uns, ja in uns. Alles ist auf ihn bezogen und empfängt von ihm seine Kraft. Es braucht keine anderen Quellen, ER ist die Quelle. Kreativ zu sein ist gut, Gottesdienst als besonderes Ereignis herauszustellen – in Ordnung. Aber achten wir darauf, dass unsere Bemühungen nicht die Quelle verdecken! Dass unsere gut gemeinten und schönen Worte nicht Jesus, die Quelle des Lebens verdecken. Amen.
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Pfarrer Winfried Klotz
Königsberger Str. 13
64732 Bad König
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Gottes Wohngemeinschaft - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Mirko Peisert
Liebe Gemeinde,
je mehr die ersten christlichen Gemeinden wachsen, desto mehr treten auch Unterschiede und Gegensätze zu Tage, desto mehr wachsen die Spannungen.
In den christlichen Gemeinden kommen Menschen aus jüdischer Tradition zusammen mit Menschen, die bislang nur römische Götter oder griechische Gottheiten kannten. Es kommen Sklaven und Freie zusammen, Mägde und Herren, Knechte und wohlhabende Frauen. Unterschiedliche Herkunftssprachen, unterschiedliche Familientraditionen. Lauter Unterschiede und auch Widersprüche, die in den christlichen Gemeinden für viel Streit und Diskussionen sorgen.
Auch der heutige Predigttext aus dem Epheserbrief versucht zu vermitteln zwischen unterschiedlichen Gruppen der Gemeinde. Es heißt, der Epheserbrief wurde von Paulus geschrieben, doch wir wissen heute, dass es wahrscheinlich eher einer seiner Schüler war, der im Sinne seines Lehrers den Brief verfasst hat. Doch egal, wer den Brief geschrieben hat, der heutige Predigttext kann helfen auch unsere Gemeindesituation besser zu verstehen.
Ich lese aus dem 2. Kapitel des Epheserbriefes:
(Christus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Paulus vergleicht die Gemeinde mit einem Haus. Das Leben in der Gemeinde entspricht einem Hausbau, an dem viele mitarbeiten und ein Haus in dem viele unterschiedliche Menschen miteinander wohnen.
In der Gemeinde sind wir alle zusammen eine große Wohngemeinschaft, Hausgenossen Gottes.
Der Grundstein für dieses Haus ist Jesus Christus, auf ihm ruht das ganze Haus.
Das Fundament haben bereits unsere Vorfahren im Glauben gelegt, wir bauen nicht neu, sondern wir bauen vielmehr weiter an dem, was wir geerbt haben.
Mir gefällt dieses Bild von Gemeinde sehr gut. Und ich lade Sie ein, einen Moment über dieses Bild und unsere Gemeinde nachzudenken. Ich glaube in den letzten Jahren haben wir viel gebaut, im ganz konkreten, aber auch im übertragenen Sinne.
Aber:
Wo müssen wir heute weiter bauen?
Wo sind wichtige Baustellen in unserer Gemeinde?
WennSie mit dieser Frage nichts anfangen können, dann denken Sie vielleicht vielmehr über die Frage nach:
Wofür bin ich dankbar in unserer Gemeinde?
Was ist gelungen in unserer Gemeinde?
Pfadfinder werden gleich Stifte und Zettel verteilen und ich bitte sie ein Stichwort ihrer Überlegungen aufzuschreiben und dann hierher nach vorne zu bringen, alle Zettel zusammen werden dann hier zu einem Haus zusammen gefügt.
Wir hören währenddessen Musik und bitte denken Sie einmal an unsere Gemeinde:
Woran müssen wir arbeiten?
Wofür bin ich dankbar?
+ MUSIK – Zettel und Stifte werden verteilt +
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Wir alle zusammen sind Gottes Hausgenossen, seine Wohngemeinschaft, ein Haus gebaut auf dem Grundstein Jesus Christus.
Ich glaube, wenn wir nachdenken, dann gibt es ganz vieles, über das wir in unserer Gemeinde dankbar sein können, viele Bauabschnitte, die gelungen sind, auch wenn unsere Gemeinde eine Baustelle bleibt!
Lassen Sie mich dazu noch zwei Anmerkungen machen:
1.
Gottes Gemeindehaus ist ein Haus mit vielen Räumen, ein Haus, das Platz lässt für vieles und viele! Da gibt es Räume für Kinder, für Jugendliche, für Männer und Frauen, für die, die zweifeln genauso wie für die, die tief verwurzelt sind im Glauben.
Vielfalt zuzulassen, anzunehmen und zu gestalten – ich glaube, das ist eine Aufgabe, der wir uns immer wieder stellen müssen.
Von den einen höre ich: „Ach, am Sonntag, da ist Familiengottesdienst, da werde ich nicht kommen, das ist mir zu laut, wenn so viele Kinder da sind.“
Und von anderen höre ich: „Ich höre Sie ja ganz gerne predigen, aber ich komme nicht gerne in die Kirche, da sind doch immer nur alte Leute!“
Als Gottes Wohngemeinschaft zusammen zu leben, das heißt, einander anzunehmen und anzuerkennen. Unterschiedliche Formen, den Glauben auszudrücken und zu leben, nicht zu verurteilen oder angstvoll abzulehnen, sondern als Gottes Vielfalt anzuerkennen.
Was wären die Alten ohne die Kinder?
Was wären die Kinder ohne die Alten?
Was wären die, die fest verwurzelt sind im Glauben und in der Tradition, ohne die, die Fragen stellen, die Zweifel anmelden?
Was wären Jugendliche ohne starke Vorbilder im Glauben?
Was wären die Erwachsenen ohne den Veränderungswillen und die Aufbruchsfreude der Jugendlichen?
Was wären schließlich wir ohne unsere Mütter und Väter im Glauben, von denen wir unsere Traditionen, unsere Gebete und Gottesdienste geerbt haben?
Wir brauchen einander in aller Verschiedenheit! Es kommt nur darauf an, den anderen nicht als Fremden oder Unfrommen zu sehen, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
2.
Und doch ist Gottes Haus keine „Villa kunterbunt“! Das ist das Zweite was ich heute Morgen sagen will!
Es geht nicht um ein verschiedenes Einerlei, um der Vielfalt willen.
Sondern wir bauen nicht nur auf einem vorgegebenen Fundament, wir folgen Gottes Bauplan. Es ist sein Haus, das er baut.
Wir müssen uns immer wieder fragen, im Kirchenvorstand, als Gemeinde, jeder für sich: woran baue ich?
Was ist Gottes Wille mit der Gemeinde?
Was ist sein Weg?
Verfolgen wir nur unser eigenes Projekt? Mache ich nur mein Ding für mein EGO, für meine Selbstdarstellung oder um einer Pflicht zu genügen - oder ist es sein Bauplan, um den es mir geht?
(Gerade Pastoren sind da sehr anfällig, mehr sich selbst als Gottes Architektur zu sehen.)
„Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen." So mahnt der 127. Psalm eindringlich.
„Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.“
Gottes Bauplänen zu folgen, das ist eine Herausforderung, denn seine Baupläne können manches Mal ganz anders aussehen als meine.
Der Theologe Michael Herbst hat es einmal zugespitzt: „Auch die Sparzwänge und die Kirchenaustritte sind eine Weise Gottes, mit uns zu reden!“
Gottes Bauplan heißt nicht immer: schöner, moderner, größer.
Sein Bau sieht anders aus!
In seiner Architektur, da hat wohl auch Unfertiges, Langsames, Schräges seinen Platz.
Manchmal ist es wohl auch sein Wille, dass abgerissen wird und abgebrochen, dass wir uns verabschieden.
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
AMEN
P.S.: Die gesammelten Notizen können spontan in der Fürbitte aufgenommen werden, sie können auch an einer Wäscheleine aufgehängt und ausgestellt werden und können beim Kirchencafé als Gesprächsanregung dienen.
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Pastor Mirko Peisert
Dorfstr. 7
31275 Lehrte-Steinwedel
05136/5565
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Konfi-Impuls zu Epheser 2,17-22 von Christina Hirt
Der 5. Juni ist für viele Konfirmandengruppen „Start-Sonntag“ des Konfirmandenjahres. Viele Gruppen haben sich in der Woche davor zum ersten Mal getroffen. In manchen Gemeinden ist am Sonntag auch schon Vorstellungsgottesdienst. Der Text aus Epheser 2 eignet sich sehr gut als Einstieg in das Konfirmandenjahr. Er könnte die Gruppe beinahe bis zu den Sommerferien oder darüber hinaus begleiten, bietet er doch sehr viele Anknüpfungspunkte für Themen wie: unsere Gemeinde, unsere Kirche, Geist Gottes, die Bibel …
Verse 17-18: Im Rückblick auf ihr Konfirmandenjahr berichten Jugendliche, dass sie in dieser Zeit Gott näher gekommen sind oder einen Zugang zum Glauben gefunden haben. Für manche „Neue“ ist das sicher auch die Motivation, am Unterricht teilzunehmen. Wenn sich die Gruppe am Mittwoch davor trifft, können die Erwartungen für das Konfi-Jahr zusammengetragen werden und im Gottesdienst vorgestellt werden. Zum Beispiel: Ich erwarte von diesem Konfi-Jahr … Ich wünsche mir, dass …
Vers 19: Die meisten Jugendlichen werden sich eher als Fremde, bestenfalls erst einmal als Gäste in der Gemeinde und im Gottesdienst verstehen.
Im Gottesdienst könnten Gemeindeglieder erzählen, wo und wie ihnen ihre Gemeinde, bzw. ihr Glaube Heimat bietet.
Ein Anknüpfungspunkt fürs Kennenlernen wäre, die Wohnsituation der Jugendlichen zu erkunden: Mit wie vielen Menschen wohnst du zusammen? Nenne eine Regel, die in eurer Hausgemeinschaft gilt. Konfirmanden ordnen sich im Raum so, dass sie schließlich eine Art Karte mit ihren Wohnorten abbilden ….
Eine weiterführende Frage könnte sein: Stell dir vor, du würdest mit Gott (bzw. Jesus) in einer WG leben. Wie wäre das? Was wäre anders? Geht das überhaupt, dass Gott mitten unter Menschen wohnt?
Verse 20-22: Hier wird Gott als „Architekt“ und Bauherr der Gemeinde vorgestellt. Ob sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden gerne als Bausteine einfügen lassen? Wichtig ist das Ziel: Gott soll mitten unter uns seine Wohnung haben.
Als Hinführung könnte man den Konfis am Mittwoch eine große Kiste Legosteine oder Playmobilsteine zur Verfügung stellen, damit sie sich erst einmal selber ein Haus zum Wohlfühlen bauen und so ganz nebenbei ihr erstes Gemeinschaftsprojekt erstellen. Die Ergebnisse einer anschließenden Reflektion zu den Bauarbeiten könnte sicher auch gut in den Gottesdienst eingebaut werden.
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Predigt zu Epheser 2,17-22 von Karl Hardecker
Liebe Gemeinde,
nach dem vorletzten Spiel des VfB Stuttgart stürmten wütende Fans auf den Platz und beschimpften die Spieler. Beeindruckend mutig stellten sich die Spieler den aufgebrachten Fans. Allerdings waren die wenigsten Vorwürfe sachlich und gut begründet; zum größten Teil handelte es sich um Beschimpfungen und Beleidigungen der übelsten Art.
Eine Bürgerversammlung vor zwei Monaten in Halle geriet außer Kontrolle und endete in Geschrei und üblen Beleidigungen. Bei der Versammlung war es um die Information über eine geplante Unterbringung von 16 allein reisenden jugendlichen Flüchtlingen gegangen. Mitarbeiter des Roten Kreuzes, das die Betreuung übernehmen wollte, wurden daran gehindert, das Vorhaben näher zu erklären.
Wo nichts mehr zusammengeht, wo alles auseinanderstrebt, wo kein kleinster gemeinsamer Nenner mehr möglich ist und Menschen sich nur noch anstarren, anschreien und niederbrüllen, ist alles verloren und droht größter Unfrieden, ja Hass und Gewalt.
Wo nichts mehr geht und kein gegenseitiges Verständnis mehr möglich ist, da wirkt auch kein Geist mehr; da regiert tiefste Geistlosigkeit. Und wo der Geist klein ist, wird das Geschrei, das Gebrüll groß. Da ist das Pfingstfest aus der Gemeinschaft verschwunden.
Aus dem: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen wird dann etwas ganz Anderes: Es soll nicht durch meinen Geist geschehen, sondern durch Heer und durch Kraft, durch Hetze und Pöbelei…
Das ist dann kein Evangelium mehr, da spricht dann die Straße und sie spricht verächtlich und dumpf. Und schafft kein Vertrauen. Aber ohne Vertrauen ist Frieden nicht möglich. Und Frieden, der nicht ganz verschiedenen Menschen gilt, hat keinen Wert. Denn das kostbare am Frieden ist dies, dass er der Frieden unterschiedlicher Menschen und unterschiedlicher Völker ist. Deshalb ist das Evangelium dort gute Nachricht, wo es Frieden denen, die nahe waren und denen, die ferne waren, also Juden und Heiden bringt. Darin ist unser Text eine frohe Botschaft. Jesus wirkt als ein Versöhner, der über die Grenzen ethnischer und religiöser Zugehörigkeit hinweg Menschen den Frieden bringt. Und diese Grenzüberschreitung ist Jesus nur möglich, weil er im Geist Gottes redet und handelt. In der Kraft dieses Geistes heilt er Besessene, Blinde und Lahme. In der Kraft dieses Geistes vergibt er Sünden und heilt er Gelähmte. In der Kraft dieses Geistes berührt er Aussätzige und sucht die Gemeinschaft der Zöllner und Huren.
Dieser Geist atmet den Schöpfungsmorgen und schreibt der Schöpfung das Wort in ihr Herz: Und siehe, es war gut.
Und dieses Wort trägt Jesus, der Christus nun hinüber zu den Blinden und zu den Lahmen: Du bist gut.
Sein Verhalten und sein Tun atmet dieses Wort: Du bist gut. Der Geist, der darin wirkt, der richtet auf und macht gesund. Verschlossene Gesichter öffnen sich und strahlen. Verkrampfte Gesichtszüge glätten und entspannen sich. Frieden Dir und Frieden mir und uns der Frieden dieses Gottes, der uns liebt.
So wäre es denn ganz einfach, wenn wir vertrauen könnten und wenn wir leben könnten ganz aus diesem Geist!
Wenn wir uns eingestünden: manchmal fehlt uns nicht nur das Vertrauen, manchmal fehlt uns auch der Geist. Dann wird die Sorge groß, dann wächst die Angst. Dann verschließt sich Herz und Mund und auch Gesicht; dann hören wir nicht mehr genau, dann drehen wir uns um uns selbst; dann haben wir keinen Zugang mehr zu uns und keinen Zugang mehr zu unserem Nächsten. Dann haben wir auch keinen Zugang mehr zu Gott; denn wie sollten wir den auch haben ohne dieses Vertrauen, das uns fehlt?
Ja, diese Zeiten gibt es und diese Tage, wo uns der Geist fehlt und das Vertrauen schwindet und Gott ganz fern zu sein scheint; diese Tage gibt es bei uns und diese gibt es auch für ganze Völker. Wenn ein Krieg beginnt; wenn die Diplomatie verliert; wenn Abgeordnete aus dem Parlament heraus verhaftet werden und Regime kritische Journalisten ins Gefängnis müssen. In solchen Momenten hat der Geist verloren und hat die Gewalt gesiegt. In solchen Momenten zieht das Misstrauen ein in eine Gesellschaft und mit dem Misstrauen der Hass.
Ein neuer Nationalismus ist in Europa erstarkt. Mir fällt es schwer, in diesem Nationalismus geistige Qualitäten zu erkennen. Ihn geistlos zu nennen, klingt überheblich. Aber wo ist seine Grenz überschreitende Macht? Wo nimmt er Menschen die Angst und wo ist seine Menschenfreundlichkeit, die über die Gleichgesinnten hinausgeht? Blanker Rassismus ist geistlos; blanker Rassismus atmet keine Weite und atmet nicht den weiten Horizont unseres Gottes.
Womöglich haben die vielen, die sich in diesen Parolen verstehen, ein Bedürfnis nach Orientierung und Angst, unter zu gehen in einem Europa der vielen, das dann auch noch unterschiedlichste Kulturen und Religionen beherbergt. Wer sich da seiner selbst nicht sicher ist und wer womöglich gar nicht seine kulturellen und religiösen Wurzeln kennt, der oder die fühlt sich überfordert, der sucht das kleine, überschaubare, ein Vereinsfest, - ja und der Stadtteil und die Stadt, vielleicht auch noch das Land, aber bitte nicht mehr. Grenzziehung statt Grenzüberschreitung. Deutsch statt Englisch, Französisch, Arabisch. Die Pfingstgeschichte brauchen wir nicht.
Dann aber siegt die Angst; dann siegt die Kleinstaaterei; dann verliert der Geist seinen Atem der Weite und Vielfalt.
Der Geist Gottes aber fängt an in der lebendigen Begegnung, von Angesicht zu Angesicht. Er fängt an beim anerkennenden Zuspruch, beim eindeutigen Ja zu einem anderen Menschen. Er fängt an bei der Freude am anderen, dass es ihn gibt, wie es ihn oder sie gibt, eben als diesen einmaligen Menschen. Er beginnt damit, dass eine einheimische Frau ihren Arm schützend um diese Frau aus Syrien legt, die trauert um ihre getöteten Verwandten. Der Geist Jesu wirkt da, wo ein junger geflüchteter Eritreer das offene Ohr eines einheimischen Mannes findet, der ihn versteht.
Wo beginnt der Geist? Wo das Evangelium wirkt und der Geist Gottes die Herzen von Menschen ergreift, da entsteht Vertrauen, Vertrauen zum anderen, allererst zu dem, der mir fremd und ganz fern zu sein scheint, Vertrauen zu Gott, zu dem ich Zugang habe durch Christus und Vertrauen zu mir selbst, dass ich mitwirken kann an etwas Größerem. Und dieses Größere ist der Frieden zwischen unterschiedlichen Menschen. Dieses Größere wird vorbereitet durch das Verständnis füreinander. Dieses Größere wird vorbereitet durch eine Menschenfreundlichkeit, die alles durchdringt und überall zu spüren ist. Dieses größere eines umfassenden Friedens wird vorbereitet durch einen menschenfreundlichen Gott, den uns Jesus nahegebracht hat. In seinem Geist, im Geist Jesu wird ein Haus vorbereitet, das Platz hat für alle, ein Menschenhaus, in dem jeder Zuflucht findet, Ansprache und Hilfe für seine Ängste, ein Menschenhaus, dessen Architektonik diesen Geist atmet und das ohne diesen Geist schnell zerfällt und zur Wüste wird. Deshalb lasst uns bitten um diesen größeren Geist Jesu, den Geist der Liebe und des Friedens, den Geist, der uns aufatmen und frei werden lässt. Amen
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Predigt zu Epheser 2,17-22 von Inke Raabe
In Österreich ist sie zum Wort des Jahres 2015 gekürt worden. Und auch bei uns ist sie in aller Munde. Manche beklagen schon ihr Ende, andere sagen, es wäre Zeit, dass endlich mal ein Ende mit ihr sei. Die Arme ist gedehnt, verwaschen und missbraucht worden, und trotz allem hat sie nicht wirklich Schaden genommen. Die Rede ist von der Willkommenskultur. Sie ist, entgegen anderslautender Behauptungen, keine Erfindung der Neuzeit. Im Gegenteil. Hört mit mir den Predigttext für den heutigen Sonntag. Er steht im Epheserbrief, Kapitel 2.
Christus ist gekommen und hat Frieden verkündet: Euch, den Fernen - und Frieden den Nahen. Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also nicht mehr Fremde und Nicht-Bürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten - der Eckstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, durch ihn werdet auch ihr mit eingebaut in die Wohnung Gottes im Geist.
Ihr seid nicht mehr Fremde und Nichtbürger, oder wie es bei Martin Luther heißt „Gäste und Fremdlinge“ – das wird den Leserinnen und Lesern des Briefes zugesagt. Ihr gehört dazu, ihr seid absolut vollwertige Mitglieder. Ihr seid Mitbürger und Hausgenossen, zu 100 Prozent gleichberechtigt. Ihr seid herzlich willkommen in der Gemeinschaft der Glaubenden, ihr Neuchristen aus Kleinasien. So sieht Gottes Willkommenskultur aus, sagt der Epheserbrief.
Eigentlich schlimm, dass wir über Willkommenskultur überhaupt reden müssen. Es ist doch eigentlich ein Jammer, wie mühsam wir das lernen. Es gibt Konzepte für die Integration, es gibt Schulungen für die interkulturelle Öffnung, es gibt Papiere, Streitschriften und Beschlüsse – sie ist eben nicht selbstverständlich, die Willkommenskultur. Und manchmal scheint es, als wäre sie uns Menschen naturgegeben mühsam, als bedürfe es auch immer wieder neuer und noch qualifizierterer Lehrmeister, die uns auf die Notwendigkeit der Freundlichkeit und Offenheit hinweisen. Anscheinend ist es gar zu bequem und gemütlich im eigenen Saft ist. Und ja, ich weiß es selber: Das Fremde ist immer auch anstrengend und herausfordernd. Und die Beschäftigung mit dem Anderen wirft immer auch ein neues Licht auf mich und meine eingeübten Muster. Willkommenskultur ist nicht selbstverständlich. Leider.
Aber so ist es nun einmal. Und so war das schon immer. Schon das Alte Testament sieht sich gezwungen zu mahnen: Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst (Lev. 19, 34). Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten (Ex. 23,9). Gastfrei zu sein vergesset nicht; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt – so steht es im Hebräerbrief des Neuen Testaments (Hebr. 13,2) So hoch die Gastfreundschaft im Alten Orient angesehen ist, so wenig war sie auch dort selbstverständlich. Sie wurde immer als Kulturgut, als kulturelle Errungenschaft verstanden, als etwas, das Menschen lernen können und lernen müssen. Gastfreundschaft muss kultiviert werden – unkultiviert ist, wer auf Grenzen pocht. Und noch heute sind die arabischen Völker stolz auf ihre hochkultivierte Gastfreundschaft und beschämen damit nicht selten uns Europäer, die wir im Vergleich dazu manchmal kleinkariert wirken.
Der Epheserbrief ist an Christen in Kleinasien gerichtet, die vormals Heiden waren. Er entsteht im ausgehenden ersten Jahrhundert nach Christus. Da gibt es noch kaum kirchliche Strukturen. Das junge Christentum galt den Römern als jüdische Sekte, den Juden als Irrglauben und den Wohl-Wollenderen als kleine Schwester des Judentums, als ein neuer Spross am alten Baum. Die Christengemeinden wussten vielfach selber nicht, wer sie nun sein wollten und was sein würden. Sollten sie sich nun als Neubürger des Judentums verstehen und sich zum Beispiel an die althergebrachten Speise- und Bekleidungsvorschriften halten? Waren sie als Christen vielleicht sogar nur Juden zweiter Klasse, Proselyten, Zugezogenen im Glauben? Alles war im Umbruch, alles war neu. Sie waren im Grunde geistliche Migranten, die jungen Christen: Sie entflohen der römischen Einerlei-Kultur und der beliebigen Vielgötterei ihrer Umwelt, sie suchten eine neue geistliche Heimat im Glauben an den Auferstandenen Christus. Und mit der Willkommenskultur war das damals wie heute so eine Sache. Sie rechneten nicht unbedingt mit der Gastfreundschaft der Mutterreligion, und nicht wenige meinten, dass Anpassung der bessere Weg sei.
Christus ist gekommen und hat Frieden verkündet: Euch, den Fernen - und Frieden den Nahen. Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also nicht mehr Fremde und Nicht-Bürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten - der Eckstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, durch ihn werdet auch ihr mit eingebaut in die Wohnung Gottes im Geist.
Ihr gehört dazu, meint das. Ihr müsst euch nicht anstrengen, ihr braucht euch nicht zu verbiegen. Und: Ihr braucht keine Angst zu haben. Mit Gott ist alles geklärt. Dieser Text - das ist so viel wie die Anerkennung eines Asylantrags durch das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge und klingt doch viel schöner. Hören Sie mal, wie unser Amt Flüchtlinge willkommen heißt: „Der Antragssteller hat vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration die Flüchtlingseigenschaft gemäß §3AsylVerfG zuerkannt bekommen. Ihm wird eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §25, Abs. 2 AufenthG, gültig für drei Jahre, erteilt. Der Reiseausweis für Flüchtlinge und der elektronische Aufenthaltstitel werden bei der Bundesdruckerei bestellt. Erwerbstätigkeit gestattet. Im Auftrag. Und Punkt.
Na, denn herzlich willkommen.
Gottes Willkommenskultur klingt anders. Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Ihr seid willkommen, ihr Lieben, Gott freut sich, dass ihr da seid. Ihr seid willkommen, so wie ihr seid.
Warum ist uns das mit dem Willkommen denn so mühsam, wenn es Gott doch offensichtlich so leicht fällt? Bei uns in Dithmarschen hängt an jeder zweiten Haustür ein Schild. „Willkommen“ steht da drauf, oder auch ein einfaches „Moin“ – das meint im Grunde dasselbe. Also: Der Wille zur Gastfreundschaft ist da. Aber man kennt auch hier die fiesen Sprüche: „Besuch ist wie Fisch: Nach drei Tagen fängt er an zu stinken.“ „Ein ungebetener Gast ist eine schwere Last.“ Oder: „Besuch ist wie Regen: Er muss nicht zu lange dauern.“ Willkommen schon, aber schön in Grenzen. Mein Gartenzaun ist mir heilig. Und der Harkstreifen davor erst recht.
Auf der anderen Seite erleben wir – gerade wir Dithmarscher - zurzeit höchstes Glück mit unseren Migranten. Unzählige engagieren sich, geben Sprachkurse, organisieren Kleiderkammern, fahren mit ihren Schützlingen zu den Ämtern, übersetzen, hören zu, reparieren Heizungen, besorgen Decken. Und sie sind unendlich freundlich zu – nein, sie sind geradezu entzückt von den kleinen Neubürgern, von den Kindern der Geflüchteten, die uns so vorbehaltlos und ganz ohne Angst und Vorurteile begegnen und uns behandeln wie die Ihren. Wir erleben Glück in diesen Begegnungen: Ahmad, der einen Lehrplatz gefunden hat, Donya, die sich hat taufen lassen, Saria, die ihr erstes Kind im neuen Land erwartet, Kevah, der die Level-C-Prüfung bestanden hat und nun studieren darf. Wir erleben das Glück mit den wenigen, deren Asylanträge bewilligt werden und wir stören uns keine Sekunde an der kalten Bürokratensprache des zitierten Amtsbriefes - das machen wir mit Herzlichkeit locker wett.
Willkommenskultur – ja, wir mussten das lernen. Und wir mussten das ein bisschen schneller lernen, als uns lieb gewesen wäre. Aber da, wo es gelungen ist, erleben wir voller Dankbarkeit die Bereicherung und überwinden miteinander alle Schranken unterschiedlicher Kultur, Sprache oder Religion. Wir sind reich beschenkt. Herzlich Willkommen.
Darum ist sie so wichtig, die Willkommenskultur Gottes. Darum lässt die Bibel nicht nach, die Gastfreundschaft einzufordern. Weil Gott weiß, dass sie uns gut tut. Weil Gott weiß, dass Menschen nur so miteinander leben können, wenn sie einander von Herzen begrüßen, einander von Herzen suchen und kennenlernen wollen. Weil sie nur im Respekt vor dem Fremden und in der Begegnung mit dem Anderen die Demut lernen, die vor Gott so wichtig ist. Gott weiß, wie viel wir lernen können und wie viel wir lernen müssen. Und er möchte, dass wir einander dienen, so wie er uns dient und so wie er es uns in Christus aufgegeben hat.
Ihr seid willkommen, sagt der Epheserbrief seinen Leserinnen und Lesern. Und er sagt es auch zu uns: Ihr seid Gott so herzlich willkommen, ihr Dithmarscher, ihr Niedersachsen, ihr Friesen und Bayern. Gott lässt euch sein, wie ihr seid: ihr Dänen, ihr Ukrainer, Spanier, ihr Amerikaner, ihr Moldawier, ihr Tschetschenen und Finnen. Ihr seid ihm so herzlich willkommen, ihr Menschenkinder, egal, ob ihr krause Haare oder glatte habt, ob ihr gut seid in Mathe oder Deutsch, ob ihr Fußball mögt oder lieber Facebook und selbst wenn ihr World-of-Warcraft liebt - ihr seid ihm von ganzem Herzen willkommen. Gott liebt euch ohne Maß, ihr Männer und Frauen, ihr Alte und Junge, euch alle, die ihr heute hier seid. Merkt ihr, wie wunderbar das ist, so herzlich willkommen zu sein? Wer kann da, wo er so herzlich geliebt wird, anderen die Willkommenskultur verwehren?
Geht gar nicht, liebe Leute. Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sagt der Epheserbrief. Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr wohnt in der wunderbaren Wohnung Gottes ganz umsonst. Ihr lebt in seinem heiligen Tempel absolut unverdient allein aus Gnade. Ihr lebt in Gottes Nähe – und hier ist Platz ist für viele. Für dich und für mich. Und natürlich für alle anderen auch.
Amen
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Predigt zu Epheser 3,14-21 von Thomas Bautz
Deshalb knie ich vor Gott nieder und bete zu ihm. Er ist der Vater, der alle Wesen in der himmlischen und in der irdischen Welt beim Namen gerufen hat und am Leben erhält.
Ich bitte ihn, dass er euch aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit beschenkt und euch durch seinen Geist am inneren Menschen, d.h. innerlich stark werden (erstarken) lässt.
Ich bitte ihn, dass Christus durch den Glauben in euch lebt und ihr fest in seiner Liebe wurzelt und auf sie gegründet seid. Ich bitte ihn, dass ihr zusammen mit der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden begreifen lernt, wie unermesslich reich euch Gott beschenkt.
Ihr sollt die Liebe erkennen, die Christus zu uns hat und die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr immer umfassender Anteil bekommen an der ganzen Fülle des Lebens mit Gott. Gott kann unendlich viel mehr an uns tun, als wir jemals von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So mächtig ist die Kraft, mit der er in uns wirkt.
Ihm gehört die Ehre in der Gemeinde und durch Jesus Christus in allen Generationen, für Zeit und Ewigkeit! Amen.
Liebe Gemeinde!
Der Verfasser des Briefes an die Gemeinde zu Ephesus packt alles, was ihm wichtig ist, in dieses Gebet hinein: der überwiegende Teil besteht im Griechischen aus einem einzigen Satz mit 86 Wörtern (Theo K. Heckel: Der Innere Mensch, 215). Das Hauptanliegen besteht darin,
dass die Gemeinde Kraft erhalten möge, um durch den „Geist Gottes“ zu erstarken in dem „Inneren Menschen“, so dass der Christus durch den Glauben in ihren Herzen wohne. Im Rahmen dualistischen Denkens erfahren wir bei Paulus mehr über den Inneren Menschen: „Darum werden wir auch nicht verzagt; nein, wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, so empfängt doch unser innerer Mensch Tag für Tag neue Kraft“ (2 Kor 4,16).
Der Dualismus zieht sich gleichsam wie ein roter Faden durch die paulinische Briefliteratur, wobei das Vokabular freilich wechselt: Christen versuchen, dem Geist Christi in ihrem Leben (mehr) Raum zu geben, sich allmählich ganz von ihm bestimmen zu lassen. Doch erleben sie immer wieder, dass noch eine andere Kraft in ihnen waltet, häufig als Gesetz der Sünde oder einfach als Sünde bezeichnet. Paulus ermutigt in seinen Briefen die Gemeinden, darauf zu vertrauen, dass Christus - bildlich gesprochen - in ihren Herzen wohnen kann, dass sie durch den Geist Gottes am Inneren Menschen (innerlich) stets neue Kraft schöpfen werden. Darin stimmt er mit dem Verfasser des Epheserbriefes überein.
Paulus geht so weit, dass er sein Leben ganz in Abhängigkeit von Christus erachtet (Gal 2,20): „So lebe also nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir; soweit ich jetzt aber noch im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes (…).“ In solchen Kontexten meint „Fleisch“ eine Gesinnung und Lebenseinstellung, die einem Leben nach den Prinzipien Jesu - oder wie man früher sagte: einem Gott wohlgefälligen Leben abträglich sind. Zum Teil ist dieses Denken in Gegensätzen schwer zu verstehen; man denkt vielleicht an Goethes Faust: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust (…).“ Bei Paulus klingt das so (Röm 8,10):
„Wohnt dagegen Christus in euch, so ist euer Leib zwar tot um der Sünde willen, euer Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.“
„Paulus“ wirbt für Existenz im Glauben - ein Leben mit innerem Reichtum; der besteht darin, „daß Christus in euch ist, als die Hoffnung auf die (künftige) Herrlichkeit“ (Kol 1,27).
Was ist mit solchen Wendungen wie „Christus in euch“ und „der Innere Mensch“ gemeint; wie dürfen wir diese Ausdrücke heute verstehen; wie können wir sie sinnvoll übersetzen? Um dieses Denken besser zu verstehen, scheint mir ein Gedanke hilfreich, den Luther in seinen Vorlesungen zum Römerbrief (1515/1516) zum Ausdruck bringt: „In diesem Leben kann der innere Mensch ohne den äußeren nicht bestehen“, Martin Luther: GW, S. 674, (vgl. Luther-W Bd. 1, S. 243), DB 63.
Man mag diese Erkenntnis Luthers als moderner Mensch für trivial halten, aber wir würden ohne sie vom theoretischen Dualismus unweigerlich zu einer Zwiespältigkeit gelangen, die für die seelische und geistige Entwicklung gefährlich und schädlich ist. Auch wenn Christus oder Christi Geist in uns wohnt, wenn der Innere Mensch so mit Christus eins wird, dass ein Leben in seiner Liebe möglich ist - man bleibt Mensch und kann nicht aus seiner Haut raus.
Deshalb bedarf es der Fürbitte und der Ermahnung, denn „ihr müsst im tiefsten Inneren eures Geisteslebens erneuert werden und den neuen Menschen anziehen, der nach Gottes Ebenbild geschaffen ist in wahrhafter Gerechtigkeit und Reinheit“ (Eph 4,23-24).
Woher rührt diese starke Motivation zu ermahnen und zu ermutigen (im Griechischen das gleiche Wort)? Der Verfasser erwähnt (anders als der Schreiber des Kolosserbriefes) keine Konfrontationen mit religiösen Gegnern, so dass die Gemeinde deswegen einer besonderen Stärkung und Konsolidierung (Festigung) ihrer Frömmigkeit bedürfte. Ich versuche, einen möglichen Hintergrund für das Hauptanliegen des Briefes an die Gemeinde in Ephesus hypothetisch zu „rekonstruieren“, indem ich ein wenig die Geschichte und Rolle dieser Stadt beleuchte und von einem Konflikt erzähle, der in der Apg nach Lukas berichtet wird.
In neutestamentlicher Zeit ist Ephesus nicht nur eine reiche Handelsstadt an einem Punkt, wo sich Orient und Okzident berühren, sondern auch ein Zentrum paganer Kulte in Kleinasien (heutige Türkei); in ihr befindet sich der berühmte Tempel der Artemis (Diana), der als eines der sieben Weltwunder der Antike gilt. Zwar erfährt das Bauwerk das gleiche Schicksal wie viele andere Sakralbauten, indem es Mitte des 4. Jh. v.d.Z. niedergebrannt wird; doch bauen die Epheser den Tempel später noch größer und prachtvoller wieder auf.
Ephesus ist von alters her Zentrum hochentwickelter Kultur, von dort stammt der bedeutende Philosoph Heraklit. Ephesus wird 133 v.d.Z. Hauptstadt der römischen Provinz Asia und Sitz des Prokonsuls; es gewinnt sogar gegenüber der ebenfalls einflussreichen, attraktiven Stadt Pergamon allmählich noch größere wirtschaftliche, kulturelle und als Zentrum des Artemis-Kultes eben auch enorme religiöse Bedeutung. Ephesus hat das Wächteramt für den Tempel der Artemis und ist obligatorisches Vorbild für die Ausübung des Kultes auch in anderen Städten (vgl. Matthias Günther: Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus: Aufstieg der Stadt Ephesus, 18-21; Ephesus als Zentrum religiösen Lebens, 21-24).
Aufgrund des Wächteramtes entwickelt die Stadt ein enormes Selbstbewusstsein, und es ist nicht verwunderlich, dass ihr zusätzlich noch das Amt der Tempelwache für die Ehrwürdigen, die Verehrungswürdigen zuteilwird. Damit ist einmal mehr das wechselseitige Verhältnis von Stadt und Kult besiegelt. Die Präsenz der Artemis und des Tempels ist für jedermann sichtbar, zumal der Tempel in das städtische Leben völlig integriert ist: durch Vergabe von Darlehen; Einnahme von Abgaben; durch das Asylrecht; durch jährlich wiederkehrende Feste. Es gibt keine andere griechisch-römische Metropole im römischen Reich, deren Leib, Seele und Geist derart einer bestimmten Gottheit angehörte, wie Ephesus ihrer Schutzgöttin Artemis (Günther: Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, 23). Unverkennbar, einzigartig ist das Band zwischen Ephesus und Artemis; der Tempel ist für die Stadt Symbol, kulturelles Zeichen (vgl. Rick Strelan: Paul, Artemis, and the Jews in Ephesus: Artemis. Background and history, 41-48; The Temple of Artemis at Ephesus, 68-76).
Bereits vor Beginn des Kaiserkultes in Ephesus mit der Errichtung des Tempels für Augustus existieren Herrscherkulte, wovon sich die Stadt verschiedene Vergünstigungen erhofft, die sich nicht selten auch erfüllen. Vor allem kann Ephesus, indem sie das Bild der Verwalterin auf den Kaiserkult überträgt, auf ihren Anspruch bestehen, an der Spitze der Städte in Asia zu stehen (Günther: Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, 23-24).
Als Hafen- und Handelsstadt, ausgestattet mit Bauten imperialer Dimensionen, hat Ephesus bald ihre konkurrierenden Städte in Asia übertroffen. Das Artemision fungiert als „Bank von Asia“, da es mit seinen über Jahrhunderte angehäuften Schätzen und Geldmittel das Kapital bietet (Strelan: Paul, Artemis, and the Jews in Ephesus: The wealth of Artemis, 76-79).
Plinius d.Ä. belobigt Ephesus als „Leuchte Asias“ (lumen Asiae). Im 2. Jh. urteilt der Redner Aelius Aristides, die Stadt böte aufgrund ihres internationalen Charakters Heimat für viele; er bestätigt Ephesus als die allgemeine Bank von Asia, als Zufluchtsstätte der Kreditheischenden (Dieter Knibbe: Ephesus, 136-137).
Mitte des 1. Jh. d.Z. wird der Prokonsul von Asia gebeten, zwischen dem Tempel der Artemis und den Behörden zu vermitteln, die Geld vom Tempel geliehen, es aber dem gottgeweihten Kreditgeber nicht zurückgezahlt hatten. Der Herrscher ergreift Partei für das Heiligtum und löst die behördlichen, administrativen Kontroversen auf (Roman Religion, hg.v. Jörg Rüpke: Religion in the Roman East (Ted Kaizer), 446-456: 449; vgl. Religions of Rome I. A History: Roman religion and Roman Empire, 313-363: 343).
Für die künstlerische Ausgestaltung und Erhaltung des Tempels gibt es Kunsthandwerker und Silberschmiede. Das missionarische Auftreten des Apostels Paulus in Ephesus haben einige von ihnen entweder gründlich missverstanden, oder seine Verkündigung zeigt erste Merkmale von Intoleranz gegenüber nichtchristlichen Kulten, religiöser Praxis und Überzeugung. In der Apg nach Lukas wird von einem massiven Aufruhr berichtet; ein Silberschmied und Arbeiter des Tempels machen sich Luft. Sie sind darüber aufgebracht, dass die neue Lehre ihnen nicht nur das Geschäft verdirbt, sondern auch der Artemis-Kult missachtet wird (vgl. 19,23-40):
„Um diese Zeit aber kam es (in Ephesus) zu großen Unruhen wegen der christlichen Lehre. Ein Silberschmied nämlich, Demetrius mit Namen, der silberne Heiligtümer (Schreine für Abbilder der Kultstatue) der Artemis (Diana) anfertigte und den Kunsthandwerkern der Stadt und deren Arbeitern mit dem Devotionaliengeschäft großen Gewinn verschaffte, berief diese zu einer Versammlung und wetterte: Ihr Männer, ihr wisst, daß wir unsern Wohlstand dem Gewerbe verdanken. Nun seht und hört ihr aber, daß dieser Paulus nicht nur hier in Ephesus, sondern beinahe in der ganzen Provinz Asia viele Leute durch sein Gerede betört hat, indem er ihnen vorhält, das seien keine Götter, die von Menschenhänden angefertigt würden.
Aber nicht nur unser Erwerbszweig droht Einbußen zu erleiden, sondern auch der Tempel der großen Göttin Artemis schwebt in Gefahr, in völlige Missachtung zu geraten; wir befürchten, daß sie sogar ihres hohen Ruhmes ganz verlustig geht, während sie jetzt doch von ganz Asien, ja von aller Welt verehrt wird. Als sie das hörten, gerieten sie ganz in Wut und riefen laut: Groß ist die Artemis (Diana) von Ephesus! Die ganze Stadt geriet in Aufruhr (…)
Endlich brachte der Stadtschreiber die Menge zur Ruhe und sagte: Ihr Männer von Ephesus! Wo gibt es wohl in der ganzen Welt einen Menschen, der nicht wüsste, daß die Stadt Ephesus die Tempelhüterin der großen Artemis und ihres vom Himmel herabgefallenen Bildes ist? Da dies eine unbestreitbare Tatsache ist, solltet ihr euch ja ruhig verhalten und nichts Übereiltes tun. Ihr habt doch Paulus und seine Begleiter hierher gebracht, die weder Tempelräuber sind noch unsere Göttin lästern. Wenn nun Demetrius und die Zunft der Kunsthandwerker mit ihm Grund zu einer Klage gegen jemand haben, nun, so werden ja Gerichtstage abgehalten, und es gibt Statthalter; dort mögen sie in dieser Sache miteinander streiten!
Habt ihr aber außerdem noch Anliegen, so wird das in der ordentlichen Volksversammlung erledigt werden. Droht uns doch wegen der heutigen Vorkommnisse eine Anklage wegen Aufruhrs, weil kein Grund vorliegt, mit dem wir diesen Aufruhr rechtfertigen könnten.“
Ein hoher Beamter, Stadtschreiber oder Stadtsekretär, der genau über die Geschichte der Stadt informiert ist und die wichtigsten Ämter und Aufgaben überblickt, kann die erhitzten Gemüter beruhigen, indem er auf die nach geltendem Recht herrschende Religionsfreiheit hinweist und darüber hinaus erklärt, dass Paulus und seine Begleiter weder am Tempelschatz interessiert sind noch den Artemis-Kult verunglimpfen. Daher solle man sie gehen lassen. Im Übrigen liefen die Aufrührer bereits Gefahr, sich wegen dieser unrechtmäßigen Volksversammlung im Theatrum vor dem Prokurator verantworten zu müssen, der Anklage erheben könne.
In dieser Zeit (bis ins 2. Jh. hinein) genießt das frühe Christentum noch den Schutz durch das römische Recht; denn der römische Staat kann die neue Religion problemlos integrieren, weil seine Religion polytheistisch ist und deren Ausübung eine Vielzahl von Kulten beinhaltet. Die Toleranzschwelle wird erreicht, als das Christentum nach einer Phase der Vermischung bald den Monotheismus und spezifische Kulte und Rituale durchzusetzen versucht. Der Bruch mit Rom entwickelt sich, je mehr die christliche Religion auch imperiale Züge annimmt und den Absolutheitsanspruch stellt.
Wenn die Apg von der Perspektive eines Silberschmieds und Devotionalienhändlers berichtet, wie christliche Lehre in der Lage sei, „durch die Götter- und Götterbilderkritik die auf die Verbindung von Geschäft und Frömmigkeit gegründete heidnische (pagane) Religiosität zu untergraben“, erzählt sie von einem der ersten Symptome für einen schwelenden Konflikt, lange vor einer grundlegenderen Auseinandersetzung.
Man sollte die bei Lukas‘ Apg angedeutete Kritik an einer Verknüpfung von Ökonomie und Religionsausübung auch nicht überziehen, sondern eher nach den Inhalten des Kultes fragen (s. Strelan: Paul, Artemis, and the Jews in Ephesus: Ephesian myths of Artemis, 53-57). Zumal die Verbindung von Wirtschaft und institutionalisierter Religion (Kirche, Diakonie, Mission) die gesamte Christentums- und Kirchengeschichte bestimmt.
Trotz des Konfliktes in Ephesus und obwohl Paulus mehr als zwei Jahre dort gewirkt hat, befindet es der Verfasser des Epheserbriefes nicht für notwendig, über Schwierigkeiten solcher Art zu schreiben - im Unterschied zum Verfasser des Kolosserbriefes, der immerhin Auseinandersetzungen mit Irrlehrern thematisiert. Wahrscheinlich will er die Gemeinde eher „von innen her“ stärken, damit sie auf diese Weise an der Erkenntnis Christi im Glauben wachsen kann, statt ihre Identität durch Konfrontation mit „Gegnern“ zu gewinnen.
Wie das Stärken oder Erstarken des Inneren Menschen erreicht werden kann und was nun überhaupt mit dieser Metapher gemeint sein kann, lässt sich nur schwer beantworten. Das Bildwort vom Inneren Menschen könnte mit Vernunft, Verstand verbunden werden, doch benutzt etwa Paulus dafür ein anderes griechisches Wort (s. Gerhard Sellin: Der Brief an die Epheser, 279-284; vgl. ThWNT II, s.v. „eso“, 696-697).
Ich möchte die Metapher an der Stelle einfach so verstehen, dass sie den Kern des Menschen anspricht, was ihn im Tiefsten seines Wesens ausmacht - relativ unabhängig von all dem, was äußerlich bleibt - soziale und wirtschaftliche Stellung: Beruf, Familie, soziale Anbindung (Verein, Kirche) und Wohlstand.
Sympathisch ist mir der offensichtliche Realismus des Briefschreibers, indem er sich nicht auf irgendeine geistliche, spirituelle Lehre und Methodik verlässt, die etwa das Wachstum für den Einzelnen und für die Gemeinde scheinbar garantieren würde. Vielmehr setzt er seine ganze Hoffnung auf das Wirken „Gottes“ und darauf, was der Gemeinde bereits durch das Vertrauen auf Christus (auf die Inhalte der Verkündigung Jesu; Th.B.) geschenkt ist, der innerlich immer mehr Gestalt annehmen, d.h. Einfluss nehmen soll und wird.
Amen.
Literatur
Rudolf Schnackenburg: Der Brief an die Epheser, EKK X (1982). Gerhard Sellin: Der Brief an die Epheser, KEK 8 (2008); Matthias Günther: Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, Arbeiten zur Religion und Geschichte des Urchristentums 1 (1995). Theo K. Heckel: Der Innere Mensch. Die paulinische Verarbeitung eines platonischen Motivs, WUNT/2. 53 (1993). Rick Strelan: Paul, Artemis, and the Jews in Ephesus, BZNW 80 (1996). Rudolf Pesch: Die Apostelgeschichte (Apg 13-28), EKK V/2 (1986). Dieter Knibbe: Ephesus. Geschichte einer bedeutenden antiken Stadt und Portrait einer modernen Ausgrabung (1998). A Companion to Roman Religion, hg.v. Jörg Rüpke (2011). Religions of Rome 1: A History, hg.v. Mary Beard/ John North/ Simon Price (1998).