Die Werke der Finsternis und die Helden des Lichts – Predigt zu Epheser 5,8b-14 von Johannes Block

Die Werke der Finsternis und die Helden des Lichts – Predigt zu Epheser 5,8b-14 von Johannes Block
5,8b-14

1. Die Kämpfer des Lichts

Auf´s erste Hören klingt das Wort der Bibel für die Predigt am heutigen Sonntag wie ein Appell in der Journalistenausbildung:

Habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. (V. 11)

Licht ins Dunkel bringen, Skandale aufdecken, der Wahrheit ans Licht verhelfen – das ist die hohe Schule des Enthüllungsjournalismus, des sogenannten Investigativjournalismus. Zwei Klassiker in der Geschichte des Investigativjournalismus sind die Watergate-Affäre um den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon und die Waterkant-Affäre um den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Ohne die Recherche mutiger und hartnäckiger Journalisten wüssten wir nichts über den amerikanischen Nachrichtendienst NSA, nichts über entlarvende Panama-Papiere und nichts vom transatlantischen Freihandelsabkommen TTIPP. In vielen Ländern werden Journalisten bei ihrer Recherchearbeit behindert und bedrängt, manche auch bedroht und getötet – etwa in China, in Saudi-Arabien oder in der Türkei. Organisationen wie „Reporter ohne Grenzen" veröffentlichen Listen mit Journalisten, die aufgrund ihrer Nachforschungen ums Leben gekommen sind. Weltweite Empörung hat die Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja ausgelöst.

Ähnlich wie eine Investigativjournalistin sollen sich die christlichen Freunde in Ephesus verhalten. An sie schreibt der Apostel Paulus einen freundlich auffordernden Brief:

Lebt als Kinder des Lichts. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist und habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. (V. 8b, 10-11)

Der politische Auftrag der Christen blitzt zuweilen während der Deutschen Evangelischen Kirchentage auf. Dort ist man nicht für sich allein, sondern kann sich verbünden und solidarisieren. Auf den jeweiligen Kirchentagen kam und kommt es zu Protesten und Kundgebungen etwa gegen die Apartheid und Rassentrennung in Südafrika, gegen die Umweltzerstörung durch die Versenkung einer Erdölplattform im Atlantik oder gegen unfaire Wirtschafts- und Besitzverhältnisse in Südamerika.

Jeder Christ und jede Christin ist aufgerufen, ein Kämpfer, eine Kämpferin des Lichts zu sein. Mit den Waffen des Lichts (Römer 13,12) lassen sich die Werke der Finsternis aufdecken. Das biblische Wort aus dem Brief an die Epheser ist voller Lichtmetaphorik:

Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (V. 8b-9)

Gegen das Licht steht die Finsternis. Dieser Gegensatz bestimmt die biblische Sprache und das biblische Denken. Bis heute sind die Geschichten und großen Erzählungen geprägt von den gegensätzlichen Mächten des Lichtes und der Finsternis. Die großen Geschichten und Erzählungen in unserer Zeit werden auf den Großbildleinwänden in den Kinos und auf den Bildschirmen in den Wohnstuben erzählt – mit atemberaubenden Bildern und packender Musik. Man denke an erfolgreiche Blockbuster wie „Harry Potter", „Star Wars" oder „Batman". In diesen erfolgreichen Filmen mit einem Millionenpublikum geht es immer auch um den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. Im Mittelpunkt steht der erwählte Held, der mit dem „Lichtschwert" die Finsternis zerreißt und das Böse bekämpft. Auf den Kinoleinwänden und Bildschirmen sehen wir allerdings ferne Helden, gemalt mit Farben und Fantasie. Im Brief an die Epheser geht es dagegen um uns selbst, um dich und um mich. Wir sind die Helden, wenn es heißt:

Lebt als Kinder des Lichts. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis. (V. 8b, 10-11a)

Die Werke der Finsternis sind unfruchtbar, weil sie den Fluss des Lebens behindern und zerstören. Wo Finsternis herrscht, kann das Leben nicht gedeihen und stirbt ab. Es gibt viele Werke der Finsternis, die den Fluss des Lebens behindern und zerstören:

Die Demütigung eines Kollegen, das Mobben eines Mitschülers, das Unterschlagen von größeren oder kleineren Steuerbeiträgen, die üble Nachrede, das Ratschen und Tratschen, die Doppelzüngigkeit, die Raffgier und Schnäppchenjagd, das kultivierte Dauerjammern, die Bewegungslosigkeit vor den Bildschirmen, die Überzuckerung in der Ernährung, die Massenproduktion von Billigkleidung, das Leerfischen der Meere, die Vermüllung der Ozeane und der Berggipfel, das massenhafte Schreddern von männlichen Küken, die Quälerei bei Tierversuchen.

Gegen die Werke der Finsternis braucht es die Helden des Lichts, die wie mit einem „Lichtschwert" das Netz der Finsternis zerreißen. Lebt als Kinder des Lichts, fordert der Apostel Paulus im Brief an die Epheser. Ihr seid das Licht der Welt, ruft das Evangelium des heutigen Sonntags in Erinnerung (Matthäus 5,14).

 

2. Die billige und die teure Investigation

Wie ein Lehrbuch für die Journalistenausbildung klingt das biblische Wort für die heutige Predigt:

Habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. (V. 11)

Aufdecken, Licht ins Dunkel bringen, offenlegen: Enthüllungen durch den Investigativjournalismus sind dann besonders interessant, wenn es um andere geht. Wenn man in der Zeitung lesen kann, was sich Politikerinnen, Sportler, Schauspielerinnen, Bischöfe und andere Prominente an Fehltritten geleistet haben.
Das nenne ich die einfache, die billige Investigation. Dabei geht es um andere, teils prominente Personen, die sich bequem von den Fernsehsesseln in den Wohnstuben beobachten und verurteilen lassen.
Einfach und billig ist ein Journalismus, der alles besser weiß, aber keine politische Verantwortung tragen muss.
Einfach und billig ist eine Opposition, die alles Übel und alle Schuld ausschließlich beim politischen Gegner sieht.
Einfach und billig ist ein Reformationsjubiläum, das mit dem Ruf zur Freiheit nicht im eigenen Haus der Kirche beginnt.
Einfach und billig ist eine Investigation, die sich bloß mit der Schuld der anderen beschäftigt.

Schwer und teuer nenne ich demgegenüber eine Investigation, bei der es sich um einen selbst dreht: um dich und um mich. Das Licht, das im Brief an die Epheser aufleuchtet, will die eigene Nase kitzeln wie die frühe Morgensonne. Das biblische Licht leuchtet auf um meinet- und um deinetwillen. Es weckt dich und mich auf mit einem strahlenden Lied:

Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten.
(V. 14)

Wir brauchen den Weckruf, wir brauchen das aufgehende Licht!
Denn im Menschen selbst ist es immer wieder finster. Wie der Tag eine helle und eine dunkle Seite hat, so ringen auch im Menschen zwei Seiten: das Licht und die Finsternis.
„Der Mensch ist ein Reittier", sagt Martin Luther. „Entweder wird er von Gott oder vom Teufel geritten."
Die menschliche Seele ist hin- und hergerissen und das menschliche Leben ist ein bleibender Kampf zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis. Immer wieder wird das eigene Herz von der Finsternis ergriffen, weil einem das Leben eine schwere Prüfung auferlegt, weil man nicht bekommt, was man sich erhofft, weil man sich übersehen und vernachlässigt fühlt, weil einen das Leben zum Einzelkämpfer macht.
Finster ist dann das Herz, wie ein schwarzes Loch. Kein Lichtstrahl, nicht einmal der Stern von Bethlehem, vermag in solch ein Herz hineinzuleuchten. Dann helfen auch keine leuchtend herausgeputzten Fassaden und keine frisch sanierten Straßen. Dann helfen keine strahlend renovierten Gebäude und keine kunstvoll angestrahlten Kirchen mitten in der dunklen Stadt. All das viele Licht dringt in die Augen, aber nicht in die Herzen hinein.

Die Lutherstadt Wittenberg hat sich im Blick auf das Reformationsjubiläum großartig herausgeputzt und tut es weiterhin. Wer aber weiß, wie viele Herzen finster bleiben hinter all den leuchtenden Fassaden? Wer aber weiß, wie viele Herzen kein Licht des Himmels erreicht? Nach Jahren der Straßen- und Gebäudesanierung sollten wir mit dem kommenden Reformationsjubiläum damit beginnen, Jahre der Herzenssanierung auszurufen! Nicht nur die Häuser, auch die Herzen der Wittenberger sollten in neuem Glanz und Licht erstrahlen!

Doch weil sich das eigene Herz nicht selbst wecken und retten kann, braucht es den Weckruf, den Zuruf von außen. Deshalb ermuntert Paulus seine Freunde in Ephesus mit vielen Appellen und Aufrufen und schreibt:

Lebt als Kinder des Lichts. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist. Habt nicht Gemeinschaft mit den Werken der Finsternis. (V. 8b, 10-11a)

Am Ende singt Paulus geradezu ein Weck- und Morgenlied:

Wach auf, der du schläfst,
und steh auf von den Toten,
so wird dich Christus erleuchten.
(V. 14)

„Rücke deinen Herzensstuhl aus dem Schatten in das Licht!", so könnte man die Worte des Paulus übersetzen. Wie man in den Cafés auf dem Wittenberger Marktplatz dem Licht nachrückt und nachwandert, so soll man auch das eigene Herz in das Licht des Himmels rücken.
Lebt als Kinder des Lichts! Lasst euch vom Licht bescheinen! Lasst euch vom Licht verändern! Stimmt ein in das Weck- und Morgenlied für das eigene Herz:

Herr, laß die Sonne blicken
ins finstere Herze mein,
damit sich's möge schicken,
fröhlich im Geist zu sein
. (EG 501,3)

 

3. Die Früchte des Lichts

Die schwere und teure Investigation beginnt im eigenen Herzen. Es ist geradezu eine Lebensaufgabe, das eigene Herz immer wieder neu vom Licht des Himmels erfassen zu lassen. Mit dieser Lebensaufgabe wird man niemals fertig – und währte das Leben auch hundert Jahre!

Mit dem Licht im Herzen greift man zu den Waffen des Lichts und deckt die Werke der Finsternis auf. Der politische Auftrag der Christen wurzelt im Bewusstsein, dass Christen Kinder des Lichts sind.
Es ist das Licht des Himmels, das die finsteren Dinge aufdeckt, die das Miteinander der Menschen, der Tiere und der Pflanzen stört oder gar zerstört. Deshalb haben Christen einen politischen Auftrag, eine Investigationsaufgabe.

Doch der politische Einfluss der Christen und der Kirche ist keine Lobbyarbeit neben anderen.
In jeder Landeshauptstadt und vor allem in der Bundeshauptstadt gibt es unzählige Lobbyvertreter, die bei Gesetzesvorhaben um Rat gefragt werden und ihre Interessen einbringen. Allein die Gesundheitsindustrie soll mehr als hundert Interessensvertretungen haben. Und auch die Kirche hat bevollmächtigte Vertreter bei der Bundesregierung in Berlin und bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Doch die Kirche sollte keine Lobbyvertretung unter anderen sein nach dem Motto: Je mehr Macht, desto mehr Eindruck. Je mehr Druck, desto mehr Einfluss. Dann folgte man den Gesetzen der Macht und des Drucks, aber nicht dem Gesetz des Lichts. Denn das Licht hat eine ihm eigene Macht: Es setzt sich selbst durch!
Der politische Einfluss der Kirche und der Christen steckt im Licht selbst, genauer gesagt in den Gaben des Lichts:

Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (V. 9)

Das Licht des Himmels hat seine eigene Durchsetzungskraft, indem es Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit aufstrahlen lässt. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit verändern die Welt auf andere Weise als es Macht, Gesetz und Recht vermögen. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit sind die Lichtstrahlen des Himmels, die in das Leben hineinbrechen.

Wie ein himmlischer Lichtstrahl ist Jesus von Nazareth in die Welt gekommen. An Jesu Worten und Taten zeigen sich die Güte, die Gerechtigkeit und die Wahrheit Gottes. Der korrupte Zöllner Zachäus wird durch die Güte Jesu in der Tiefe seines Herzens verändert. Von den besorgten Bürgern, die aus ihren Wohnstuben die Szene beobachten, kommen Spötteleien und Proteste, als Jesus das Haus des Zöllners betritt. Doch die Begegnung und das Gespräch bringen Licht in das Herz. Davon bewegt bekennt Zachäus:

Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. (Lukas 19,8)

Als eine Ehebrecherin vor Jesus geführt wird und die Todesstrafe durch Steinigung vollstreckt werden soll, leuchtet durch Jesu Wort die Wahrheit Gottes in den Herzen der Menschen auf:

Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. (Johannes 8,7)

Im Licht der Güte verändern sich die Herzen der Menschen. Im Licht der Güte vermögen Menschen der eigenen ungeschminkten Lebenswahrheit ins Gesicht zu schauen:

Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr. (Johannes 8,10f.)

Im Licht des Himmels wärmen und wandeln sich die Herzen. Die Herzen der Menschen wandeln sich durch Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Darin besteht der politische Auftrag der Christen, die Früchte des Lichtes aufscheinen zu lassen: Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit.

Diesen Auftrag hat der heitere Poet Hanns Dieter Hüsch in folgenden Aufruf gegossen:

Lasst uns Gottes versammelte Großzügigkeiten werden
und seine Artisten sein,
die Welt überwinden,
nicht mit Leichtigkeit gewiss,
aber mit Zuversicht,
Geduld und Freundlichkeit.
Lasst uns Nachsicht üben,
wo andere den Schlussstrich ziehen.
Lasst uns spielerisch auftreten,
wo andere mit dem Fuß aufstampfen.
Lasst uns Feinde in Freunde verwandeln.

 

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Stadtkirchenpfarrer PD Dr. Johannes Block
Jüdenstr. 36
06886 Lutherstadt Wittenberg
block@kirche-wittenberg.de

Perikope
17.07.2016
5,8b-14

Konfi-Impuls zu Epheser 2,1-10 – von Judith Reinmuth-Frauer

Konfi-Impuls zu Epheser 2,1-10 – von Judith Reinmuth-Frauer
2,1-10

1) Zum Sonntag
Für diesen 11. Sonntag nach Trinitatis mitten in den Sommerferien gibt der Wochenspruch das Thema vor: „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Hochmut – mit diesem Begriff können die Konfirmandinnen und Konfirmanden etwas anfangen. Diese Haltung kennen sie, und viele haben Probleme mit Leuten, die sie als überheblich, arrogant oder eingebildet empfinden. Es wäre spannend, Hochmut zu vergleichen mit Stolz, Selbstbewusstsein und Übermut, um herauszufinden, was das Besondere an einer hochmütigen Haltung ist. Ich kann mir auch vorstellen, diese Haltung körperlich auszudrücken: Wie gehe ich, wie halte ich den Kopf, wie schaue ich als hochmütiger Mensch?
Doch wie sieht es mit Demut aus? Dieses alte Wort dürfte vielen Jugendlichen nicht sehr vertraut sein. Interessant ist, dass in beiden Begriffen der „Mut“ steckt. Geht es darum, dass im einen Fall der eigene Mut zu hoch angesetzt wird – im Sinne von „Hochmut kommt vor dem Fall.“ – und im anderen Fall der Mut das rechte, nämlich menschliche Maß hat? Oft wurde Demut ja missverstanden als übertrieben unterwürfige und selbstlose Haltung – gerade in der Kirche. Es wäre aufschlussreich, auch eine solche Haltung einmal körperlich auszuprobieren – gerade in diesem übertriebenen Sinne. Welche Haltung möchte Gott von uns? Über diese Frage nachzudenken, bringt uns auch dem näher, was uns der Predigttext vermittelt.

 

2) Sonntag der Gegensätze
Wie der Wochenspruch so zeigen uns auch andere Predigttexte des Sonntags starke Gegensätze. Zum Beispiel die Geschichte vom Pharisäer und Zöllner. Wenn sie als Schriftlesung gewählt wird, kann in der Predigt anhand dieser zwei Personen demonstriert werden, wie unterschiedlich die Haltungen sind. Sie können das, was im Predigttext abstrakt vermittelt wird, anschaulich und begreifbar machen. Eine Möglichkeit ist, diese beiden Figuren in ihrer Rolle und mit ihrer Einstellung zum Leben sprechen zu lassen. Womöglich auch von zwei Personen gelesen, um den Kontrast zu schärfen.

 

3) Rechtfertigung aus Gnade – stimmt das überhaupt?
Erleben die Jugendlichen, erleben wir Erwachsene das so? Und damit meine ich nicht nur in der Gesellschaft, sondern gerade auch in der Kirche? Wird hier gelebt, was verkündigt wird? Oder geht es auch im Raum der Kirche um Leistung und Druck?
Wie sieht ein Raum der Gnade aus? Welche Bilder kommen uns da? Wie wollen wir als Kirche gerade dem neuen Konfirmandenjahrgang Kirche als Raum der Gnade vermitteln?

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Judith Reinmuth-Frauer
Ditzingen
Mitglied im Beirat Konfirmandenarbeit

Perikope
07.08.2016
2,1-10

Lass das Licht rein! – Konfi-Impuls zu Epheser 5,8b-14 von Cornelius Kuttler

Lass das Licht rein! – Konfi-Impuls zu Epheser 5,8b-14 von Cornelius Kuttler
5,8b-14

Wenn Konfirmanden von dem erzählen, was sie glauben, spielt das Thema „Licht“ eine große Rolle. Zumindest ist dies meine Erfahrung der Konfirmationsgottesdienste in diesem Jahr. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden präsentierten aus Keilrahmen gebastelte Uhren, auf die sie gemalt und geschrieben hatten, was ihnen in ihrem Glauben wichtig ist – unter der Überschrift „Sag mir, was wirklich bleibt!“. Viele Jugendliche hatten Elemente der Lichtsymbolik gewählt, um ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen zu visualisieren.

Ideen für die Predigt

Der Predigttext aus Epheser 5,8b-14 knüpft an die hohe Bedeutung an, die das Licht als Glaubensmetapher für Konfirmandinnen und Korfirmanden hat. Drei Linien für eine Predigt, die auch sie im Blick hat, seien angedeutet:

 

1) Was uns auszeichnet: Du bist ein Kind des Lichts.

Mit diesem Würdetitel spricht der Epheserbrief die Glaubenspraxis im Alltag des Lebens an: „Lebt als Kinder des Lichts!“.

Kind zu sein, ist nicht unbedingt das höchste Gut, das Jugendliche anstreben. Im Schnittpunkt zwischen „noch Kind-Sein“ und „noch nicht Erwachsen-Sein“ suchen Jugendliche ihren eigenen Weg in Annäherung und Abgrenzung zu den eigenen Eltern.

Die Formel des Predigttextes „Kind des…“ fragt danach, was über ein Leben bestimmt, wem ein Leben gehört.

Konfirmandinnen und Konfirmanden (und nicht nur sie) erleben, dass sie oft genug dem Stress des Alltags gehören, der Angst, der belastenden Situation in der Familie, usw. Dem stellt der Predigttext entgegen: „Du bist Kind des Lichts, nicht Kind des Stresses, nicht Kind deiner Ängste, nicht Kind deines schlechten Gewissen, usw.“. So verstanden, ist der Predigttext ein Wort der Hoffnung gegen alles, was gefangen nimmt und bindet.

 

2) Sei jemand, auf den man sich verlassen kann.

Ich erlebe Konfirmandinnen und Konfirmanden als höchst achtsam und sensibel, wenn es um die Frage nach authentischen Lebensstilen geht. Sie erkennen zielsicher, ob jemand das, was er sagt, auch lebt. Mit dieser Beobachtung konvergiert einer der prominenten Verse des Predigttextes: „Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“ (Eph 5,9). Wenn der biblische Wahrheitsbegriff „Zuverlässigkeit“ und „Treue“ intendiert, so kommt das den Erwartungen nahe, die Konfirmandinnen und Konfirmanden an einen authentischen Lebensstil haben. Die Predigt könnte dazu ermutigen, ein Mensch zu sein, auf den andere sich verlassen können. Wer zum Licht gehört, kann zu sich und zu anderen stehen.

 

39 Steh auf und lass das Licht rein.

Wichtig scheint mir, dass die pointierten Schlussverse des Predigttextes elementarisiert zu einem für Konfirmandinnen und Konfirmanden verständlichen Imperativ werden, z. B. im Sinn eines „Lass das Licht rein in dein Leben.“ Mir ist in bleibender Erinnerung, was von einer Konfirmandin als Kennzeichen einer guten Predigt genannt wurde: Dass es Beispiele gäbe, die mit ihrem Leben zu tun hätten. Es wird folglich darum gehen, beispielhaft aufzuzeigen, was dies bedeuten kann: Lass das Licht rein! Es könnte z. B. angedeutet werden, wie in dunklen Lebenssituationen neu Vertrauen zu Christus wachsen kann. Oder es ist eine zwischenmenschliche Situation im Blick, wie sie Konfirmandinnen und Kornfirmanden auch kennen: Dass es Streit und Misstrauen finster werden lassen und nur Versöhnung Licht ins Dunkel bringen kann.

 

Ideen über die Predigt hinaus

Eine erlebnispädagogische Gruppenerfahrung zum Thema „Licht und Finsternis“ ist der Besuch einer Höhle mit der Konfirmandengruppe. Völlige Dunkelheit zu erleben, ist eine eindrückliche Erfahrung, die im Alltag der Jugendlichen sicherlich nicht oft gegeben ist.

Gut geeignet sind Höhlen, die nicht touristisch erschlossen und mit elektrischer Beleuchtung ausgestatten sind (z. B. die Gustav-Jakob-Höhle in Grabenstetten auf der Schwäbischen Alb; sie ist von April bis Anfang Oktober frei und kostenlos zugänglich. Informationen sind über das Internet gut greifbar).

 

 

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Pfarrer Cornelius Kuttler
Gesamtkirchengemeinde Oberiflingen
Beauftragter für Konfirmandenarbeit im Kirchenbezirk Freudenstadt

Perikope
17.07.2016
5,8b-14

Frieden im Haus Gottes - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Winfried Klotz

Frieden im Haus Gottes - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Winfried Klotz
2,17-22

Liebe Gemeinde,

lauter Aussagesätze, Bestätigungen, Ermutigungen und so gar keine Imperative enthält unser Abschnitt! Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt! Das ist die Grundlage für alle nachfolgenden Zusagen, Bestärkungen. Das mit dem Frieden klingt in unseren Ohren etwas matt; von Frieden reden viele, den Frieden beschwören viele, fordern ihn, aber wir wissen: deshalb ist noch lange kein Frieden.

Wenn zwei Schüler auf dem Schulhof sich anschreien, vielleicht sogar tätlich werden, dann nützt es manchmal wenig, sie zum Frieden zu rufen. Manchmal müssen die Streitenden handfest getrennt werden, damit sie aufhören. Aber Frieden miteinander haben sie deshalb noch nicht.

Es ist eine schwierige Sache mit dem Frieden; damit er eintritt, braucht es einen Ausgleich, Versöhnung, einen Weg, der zur Gerechtigkeit führt. Ausgleich? Warum streiten manche bis zur Prügelei miteinander? Weil einer dem anderen etwas weggenommen hat. Ausgleich heißt dann: Was weggenommen wurde muss zurückgegeben werden – so  einfach kann das sein. Damit aber aus dem Ausgleich auch Versöhnung und damit Frieden wird, braucht es die Bereitschaft zur Vergebung. Das ist die eigentliche Klippe; das liebende Herz, das Vergebung gewährt.

Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt, heißt es im ersten Vers unseres Abschnittes. Die Grundlage dazu hat er durch das Opfer seines Lebens gelegt. Weil er Sühne geleistet hat, können wir mit Gott versöhnt sein. Durch das Opfer seines Leibes und Lebens ist auch die Feindschaft zwischen denen, die Gott zuerst als sein Volk erwählt hat, Israel, und denen, die zu den anderen Völkern gehören überwunden. Und zwar dann, wenn Juden und Nichtjuden sich hineinrufen lassen in die Gemeinde, die auf Jesus Christus gegründet ist. Dann wird sichtbar: ER ist unser Friede! (V. 14) „Dadurch, dass er am Kreuz starb, hat er sowohl Juden als auch Nichtjuden mit Gott versöhnt und zu einem einzigen Leib, der Gemeinde, zusammengefügt; durch seinen eigenen Tod hat er die Feindschaft getötet.“ (V. 16 NGÜ)

Durch seinen Tod die Feindschaft getötet - das übersteigt unsere Vorstellungskraft! Dass einer, der anderen verhasst ist, an diese ausgeliefert wird und dann getötet, das hat es in der Menschheitsgeschichte schon gegeben. Den Gegner vernichten, sich an einem Feind rächen, das ist unter Menschen nicht ungewöhnlich. Hat Gott sich dem Prinzip der Vergeltung unterworfen, als er seinen Sohn und Gesandten, den Schuldlosen, in die Hände von schuldigen Menschen gab, die ihn töten ließen? Muss Gott ein Opfer bringen, um uns mit sich zu versöhnen? Aber das lief doch dann falsch herum! Wir Menschen hätten doch Gott ein Opfer zu bringen, damit Gott uns gnädig ist.

Was nach Gottes Willen im Leiden von Jesus am Kreuz geschehen ist, darüber können wir nachdenken, aber es nicht erklären. Deutlich ist das, was aus dem Leiden und Sterben von Jesus folgte: Gott hat ihn auferweckt, zum Herrn gemacht. Überwunden ist, was von Gott trennt, Jesu Kreuz ist Ort der Sühne und damit der Versöhnung, zusammengefügt sind Juden und Nichtjuden in der Gemeinde Jesu. All das ist Ausdruck unbegreiflicher Suche Gottes nach seinen Menschen, einer Liebe, die alles Menschenmaß übersteigt.

Und er (Jesus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“

Durch Jesus Zugang zu Gott, weil Jesus Frieden gemacht, das Trennende überwunden hat. Das gilt für die Nahen und Fernen, damals Juden und Nichtjuden. Das gilt heute für den inneren Kreis der Gemeinde wie auch für die Distanzierten, das gilt für Einheimische wie auch für die Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Syrien oder dem Irak. Alle sollen die Friedensbotschaft hören. Durch die Botschaft des Evangeliums kommt ein neuer Geist in die Herzen, der Einheit ermöglicht. Alle stehen doch in gleicher Weise vor Gott; sie sind durch den Glauben Empfänger seines Friedens. Es ist nicht nötig, dass die Unterschiede glatt gebügelt werden; es ist aber erforderlich, dass der Geist des Evangeliums die Herzen erfüllt, dass wir nicht nur vom Zugang zu Gott hören, sondern auch hineingehen in die durch Jesus uns geschenkte Gemeinschaft mit Gott. Dann lernen wir Unterschiede zu ertragen. Unterschiede der Kultur: ich denke z. B. an die sehr unterschiedliche Gottesdienstkultur von Kirchen und Freikirchen. Schon bei den Liedern wird das überaus sichtbar. Und wir lernen, uns manchmal freundlich aus dem Weg zu gehen, wenn es zu sehr knirscht und trotzdem Schwestern und Brüder zu sein.

Wer Zugang zu Gott hat durch Jesus, der gehört zur Familie Gottes. Der ist nicht fremd im Haus Gottes, in seiner Gemeinde. Der ist nicht Zuschauer, Fan, distanzierter Beobachter; der ist dabei! Der freut sich, dazu zugehören! „Ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligem Volk gehören – Bürger des Himmels; ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie.“ (V. 19 NGÜ)

Die Freude darüber, zur Gemeinde Jesu zu gehören, Bürger des Himmels zu sein, ist bei uns heute eher mäßig ausgeprägt. Das Lamento über irgendwelche Unstimmigkeiten in der Gemeinde/ Kirche überwiegt oft die Freude. Oder sollte in unserem Vers 19 gar nicht die irdische Gemeinde Gottes gemeint sein, sondern eine himmlische und zukünftige Größe? So wie wir beim apostolischen Glaubensbekenntnis fragen, was denn gemeint ist, wenn wir sagen: „Ich glaube an die heilige, christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen…“? Unsichtbare oder sichtbare Kirche, himmlische oder irdische Gemeinde?

Dass die Gemeinde Jesu, die Kirche, keine statische Größe ist, ist klar. Sie lebt und verändert sich, sie wächst und manchmal scheint sie auch zu sterben. Sie ist eine irdische und sichtbare Gemeinde, zugleich aber eingebunden in Gottes unsichtbare Welt. Sie feiert ihre Gottesdienste ausgerichtet auf die unsichtbare Wirklichkeit Gottes. Sie arbeitet mit an Gottes Reich, beauftragt und gestärkt durch Jesus Christus selbst; sie arbeitet mit IHM. Ja, wir sind Bürger des Himmels und zugleich Teil dieser Welt, angefochten und schwach, aber doch getragen und erfüllt vom Geist Jesu. Das macht den Unterschied zwischen drinnen und draußen, dass Gott uns den Geist Jesu gegeben hat. Wir haben durch Jesus Zugang in dem einen Geist zum Vater. Manchmal ist unsere Freude über die Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu aber nicht deshalb so schwach, weil diese Gemeinde verstaubt und langweilig ist, sondern weil wir einen Spagat leben: Wir wollen zugleich drinnen wie draußen sein. Gott muss damit zufrieden sein, dass wir an ihn glauben, aber ihm unser Leben anzuvertrauen, das wollen wir nicht. Unsere Entscheidungen treffen wir nicht auf ihn vertrauend, sondern nach den Maßstäben unserer Umwelt. Wer so lebt, kann seines Glaubens und seiner Zugehörigkeit zur Gemeinde nicht froh werden.

Ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie! Das hat durchaus etwas Exklusives, Elitäres. Nicht, weil wir etwas Besseres wären, sondern weil wir teilhaben an dem einen Geist, dem Geist Jesu. Weil das Fundament unseres Glaubens gelegt wurde durch Apostel und Propheten und Jesus Christus der Eckstein ist. Zuverlässig und fest ist das Fundament der Kirche Jesu und unseres Glaubens. Das ist kein schwankender Grund, abhängig von den Veränderungen der Zeit, unterworfen dem Geist der Zeit. Die Orientierung auf dieses Fundament macht unabhängig vom Geist der Zeit. Wenn die Gemeinde auf diesem Fundament steht, ist sie nicht aus der Auseinandersetzung genommen, aber sie hat einen festen Stand und kann den Kampf bestehen.

Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst.“ (V. 20 NGÜ). Die Zuverlässigkeit des Evangeliums, ja der Schrift liegt nicht in einer von uns definierten Irrtumslosigkeit, sondern darin, dass Jesus Christus zuverlässig und wahrhaftig ist. Vom Christus Jesus her wird die Heilige Schrift als göttliche Wahrheit erkannt, nur von IHM her! Solange er in seiner Gemeinde lebt, hat sie Bestand. Solange er gegenwärtig ist, ist sie Haus Gottes, wächst und gestaltet sich als heiliger Tempel Gottes.

Das ist wieder so ein fremdes Bild, „heiliger Tempel“. So manches Bild, manche Vorstellung und mancher Begriff hat uns angestoßen in unserem Abschnitt. „Wohnung Gottes im Geist“ gehört auch dazu.

Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.“ (V. 21f NGÜ) Es ist aber klar, was gemeint ist: Jesus Christus ist der, der seine Gemeinde erhält und wachsen lässt. Durch ihn wohnt Gott unter uns, ja in uns. Alles ist auf ihn bezogen und empfängt von ihm seine Kraft. Es braucht keine anderen Quellen, ER ist die Quelle. Kreativ zu sein ist gut, Gottesdienst als besonderes Ereignis herauszustellen – in Ordnung. Aber achten wir darauf, dass unsere Bemühungen nicht die Quelle verdecken! Dass unsere gut gemeinten und schönen Worte nicht Jesus, die Quelle des Lebens verdecken. Amen.

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Pfarrer Winfried Klotz
Königsberger Str. 13
64732 Bad König

Perikope
05.06.2016
2,17-22

Gottes Wohngemeinschaft - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Mirko Peisert

Gottes Wohngemeinschaft - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Mirko Peisert
2,17-22

Liebe Gemeinde,

je mehr die ersten christlichen Gemeinden wachsen, desto mehr treten auch Unterschiede und Gegensätze zu Tage, desto mehr wachsen die Spannungen.
In den christlichen Gemeinden kommen Menschen aus jüdischer Tradition zusammen mit Menschen, die bislang nur römische Götter oder griechische Gottheiten kannten. Es kommen Sklaven und Freie zusammen, Mägde und Herren, Knechte und wohlhabende Frauen. Unterschiedliche Herkunftssprachen, unterschiedliche Familientraditionen. Lauter Unterschiede und auch Widersprüche, die in den christlichen Gemeinden für viel Streit und Diskussionen sorgen.

Auch der heutige Predigttext aus dem Epheserbrief versucht zu vermitteln zwischen unterschiedlichen Gruppen der Gemeinde. Es heißt, der Epheserbrief wurde von Paulus geschrieben, doch wir wissen heute, dass es wahrscheinlich eher einer seiner Schüler war, der im Sinne seines Lehrers den Brief verfasst hat. Doch egal, wer den Brief geschrieben hat, der heutige Predigttext kann helfen auch unsere Gemeindesituation besser zu verstehen.

Ich lese aus dem 2. Kapitel des Epheserbriefes:

(Christus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Paulus vergleicht die Gemeinde mit einem Haus. Das Leben in der Gemeinde entspricht einem Hausbau, an dem viele mitarbeiten und ein Haus in dem viele unterschiedliche Menschen miteinander wohnen.
In der Gemeinde sind wir alle zusammen eine große Wohngemeinschaft, Hausgenossen Gottes.
Der Grundstein für dieses Haus ist Jesus Christus, auf ihm ruht das ganze Haus.
Das Fundament haben bereits unsere Vorfahren im Glauben gelegt, wir bauen nicht neu, sondern wir bauen vielmehr weiter an dem, was wir geerbt haben.

Mir gefällt dieses Bild von Gemeinde sehr gut. Und ich lade Sie ein, einen Moment über dieses Bild und unsere Gemeinde nachzudenken. Ich glaube in den letzten Jahren haben wir viel gebaut, im ganz konkreten, aber auch im übertragenen Sinne.

Aber:
Wo müssen wir heute weiter bauen?
Wo sind wichtige Baustellen in unserer Gemeinde?

WennSie mit dieser Frage nichts anfangen können, dann denken Sie vielleicht vielmehr über die Frage nach:
Wofür bin ich dankbar in unserer Gemeinde?
Was ist gelungen in unserer Gemeinde?

Pfadfinder werden gleich Stifte und Zettel verteilen und ich bitte sie ein Stichwort ihrer Überlegungen aufzuschreiben und dann hierher nach vorne zu bringen, alle Zettel zusammen werden dann hier zu einem Haus zusammen gefügt.

Wir hören währenddessen Musik und bitte denken Sie einmal an unsere Gemeinde:
Woran müssen wir arbeiten?
Wofür bin ich dankbar?

+ MUSIK – Zettel und Stifte werden verteilt +

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Wir alle zusammen sind Gottes Hausgenossen, seine Wohngemeinschaft, ein Haus gebaut auf dem Grundstein Jesus Christus.
Ich glaube, wenn wir nachdenken, dann gibt es ganz vieles, über das wir in unserer Gemeinde dankbar sein können, viele Bauabschnitte, die gelungen sind, auch wenn unsere Gemeinde eine Baustelle bleibt!

Lassen Sie mich dazu noch zwei Anmerkungen machen:

1.
Gottes Gemeindehaus ist ein Haus mit vielen Räumen, ein Haus, das Platz lässt für vieles und viele! Da gibt es Räume für Kinder, für Jugendliche, für Männer und Frauen, für die, die zweifeln genauso wie für die, die tief verwurzelt sind im Glauben.
Vielfalt zuzulassen, anzunehmen und zu gestalten – ich  glaube, das ist eine Aufgabe, der wir uns immer wieder stellen müssen.
Von den einen höre ich: „Ach, am Sonntag, da ist Familiengottesdienst, da werde ich nicht kommen, das ist mir zu laut, wenn so viele Kinder da sind.“
Und von anderen höre ich: „Ich höre Sie ja ganz gerne predigen, aber ich komme nicht gerne in die Kirche, da sind doch immer nur alte Leute!“

Als Gottes Wohngemeinschaft zusammen zu leben, das heißt, einander anzunehmen und anzuerkennen. Unterschiedliche Formen, den Glauben auszudrücken und zu leben, nicht zu verurteilen oder angstvoll abzulehnen, sondern als Gottes Vielfalt anzuerkennen.

Was wären die Alten ohne die Kinder?
Was wären die Kinder ohne die Alten?
Was wären die, die fest verwurzelt sind im Glauben und in der Tradition, ohne die, die Fragen stellen, die Zweifel anmelden?
Was wären Jugendliche ohne starke Vorbilder im Glauben?
Was wären die Erwachsenen ohne den Veränderungswillen und die Aufbruchsfreude der Jugendlichen?
Was wären schließlich wir ohne unsere Mütter und Väter im Glauben, von denen wir unsere Traditionen, unsere Gebete und Gottesdienste geerbt haben?

Wir brauchen einander in aller Verschiedenheit! Es kommt nur darauf an, den anderen nicht als Fremden oder Unfrommen zu sehen, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.

2.
Und doch ist Gottes Haus keine „Villa kunterbunt“! Das ist das Zweite was ich heute Morgen sagen will!
Es geht nicht um ein verschiedenes Einerlei, um der Vielfalt willen.
Sondern wir bauen nicht nur auf einem vorgegebenen Fundament, wir folgen Gottes Bauplan. Es ist sein Haus, das er baut.

Wir müssen uns immer wieder fragen, im Kirchenvorstand, als Gemeinde, jeder für sich: woran baue ich?
Was ist Gottes Wille mit der Gemeinde?
Was ist sein Weg?
Verfolgen wir nur unser eigenes Projekt? Mache ich nur mein Ding für mein EGO, für meine Selbstdarstellung oder um einer Pflicht zu genügen - oder ist es sein Bauplan, um den es mir geht?
(Gerade Pastoren sind da sehr anfällig, mehr sich selbst als Gottes Architektur zu sehen.)

„Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen." So mahnt der 127. Psalm eindringlich.

„Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.“

Gottes Bauplänen zu folgen, das ist eine Herausforderung, denn seine Baupläne können manches Mal ganz anders aussehen als meine.
Der Theologe Michael Herbst hat es einmal zugespitzt: „Auch die Sparzwänge und die Kirchenaustritte sind eine Weise Gottes, mit uns zu reden!“
Gottes Bauplan heißt nicht immer: schöner, moderner, größer.
Sein Bau sieht anders aus!
In seiner Architektur, da hat wohl auch Unfertiges, Langsames, Schräges seinen Platz.
Manchmal ist es wohl auch sein Wille, dass abgerissen wird und abgebrochen, dass wir uns verabschieden.

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.

AMEN

P.S.: Die gesammelten Notizen können spontan in der Fürbitte aufgenommen werden, sie können auch an einer Wäscheleine aufgehängt und ausgestellt werden und können beim Kirchencafé als Gesprächsanregung dienen.

__________________
Pastor Mirko Peisert
Dorfstr. 7
31275 Lehrte-Steinwedel
05136/5565

Perikope
05.06.2016
2,17-22

Konfi-Impuls zu Epheser 2,17-22 von Christina Hirt

Konfi-Impuls zu Epheser 2,17-22 von Christina Hirt
2,17-22

Der 5. Juni ist für viele Konfirmandengruppen „Start-Sonntag“ des Konfirmandenjahres. Viele Gruppen haben sich in der Woche davor zum ersten Mal getroffen. In manchen Gemeinden ist am Sonntag auch schon Vorstellungsgottesdienst. Der Text aus Epheser 2 eignet sich sehr gut als Einstieg in das Konfirmandenjahr. Er könnte die Gruppe beinahe bis zu den Sommerferien oder darüber hinaus begleiten, bietet er doch sehr viele Anknüpfungspunkte für Themen wie: unsere Gemeinde, unsere Kirche, Geist Gottes, die Bibel …

Verse 17-18: Im Rückblick auf ihr Konfirmandenjahr berichten Jugendliche, dass sie in dieser Zeit Gott näher gekommen sind oder einen Zugang zum Glauben gefunden haben. Für manche „Neue“ ist das sicher auch die Motivation, am Unterricht teilzunehmen. Wenn sich die Gruppe am Mittwoch davor trifft, können die Erwartungen für das Konfi-Jahr zusammengetragen werden und im Gottesdienst vorgestellt werden. Zum Beispiel: Ich erwarte von diesem Konfi-Jahr … Ich wünsche mir, dass …

Vers 19: Die meisten Jugendlichen werden sich eher als Fremde, bestenfalls erst einmal als Gäste in der Gemeinde und im Gottesdienst verstehen.
Im Gottesdienst könnten Gemeindeglieder erzählen, wo und wie ihnen ihre Gemeinde, bzw. ihr Glaube Heimat bietet.
Ein Anknüpfungspunkt fürs Kennenlernen wäre, die Wohnsituation der Jugendlichen zu erkunden: Mit wie vielen Menschen wohnst du zusammen? Nenne eine Regel, die in eurer Hausgemeinschaft gilt. Konfirmanden ordnen sich im Raum so, dass sie schließlich eine Art Karte mit ihren Wohnorten abbilden ….

Eine weiterführende Frage könnte sein: Stell dir vor, du würdest mit Gott (bzw. Jesus) in einer WG leben. Wie wäre das? Was wäre anders? Geht das überhaupt, dass Gott mitten unter Menschen wohnt?

Verse 20-22: Hier wird Gott als „Architekt“ und Bauherr der Gemeinde vorgestellt. Ob sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden gerne als Bausteine einfügen lassen? Wichtig ist das Ziel: Gott soll mitten unter uns seine Wohnung haben.
Als Hinführung könnte man den Konfis am Mittwoch eine große Kiste Legosteine oder Playmobilsteine zur Verfügung stellen, damit sie sich erst einmal selber ein Haus zum Wohlfühlen bauen und so ganz nebenbei ihr erstes Gemeinschaftsprojekt erstellen. Die Ergebnisse einer anschließenden Reflektion zu den Bauarbeiten könnte sicher auch gut in den Gottesdienst eingebaut werden.

Perikope
05.06.2016
2,17-22

Predigt zu Epheser 2,17-22 von Karl Hardecker

Predigt zu Epheser 2,17-22 von Karl Hardecker
2,17-22

Liebe Gemeinde,

nach dem vorletzten Spiel des VfB Stuttgart stürmten wütende Fans auf den Platz und beschimpften die Spieler. Beeindruckend mutig stellten sich die Spieler den aufgebrachten Fans. Allerdings waren die wenigsten Vorwürfe sachlich und gut begründet; zum größten Teil handelte es sich um Beschimpfungen und Beleidigungen der übelsten Art.

Eine Bürgerversammlung vor zwei Monaten in Halle geriet außer Kontrolle und endete in Geschrei und üblen Beleidigungen. Bei der Versammlung war es um die Information über eine geplante Unterbringung von 16 allein reisenden jugendlichen Flüchtlingen gegangen. Mitarbeiter des Roten Kreuzes, das die Betreuung übernehmen wollte, wurden daran gehindert, das Vorhaben näher zu erklären.

Wo nichts mehr zusammengeht, wo alles auseinanderstrebt, wo kein kleinster gemeinsamer Nenner mehr möglich ist und Menschen sich nur noch anstarren, anschreien und niederbrüllen, ist alles verloren und droht größter Unfrieden, ja Hass und Gewalt.

Wo nichts mehr geht und kein gegenseitiges Verständnis mehr möglich ist, da wirkt auch kein Geist mehr; da regiert tiefste Geistlosigkeit. Und wo der Geist klein ist, wird das Geschrei, das Gebrüll groß. Da ist das Pfingstfest aus der Gemeinschaft verschwunden.

Aus dem: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen wird dann etwas ganz Anderes: Es soll nicht durch meinen Geist geschehen, sondern durch Heer und durch Kraft, durch Hetze und Pöbelei…

Das ist dann kein Evangelium mehr, da spricht dann die Straße und sie spricht verächtlich und dumpf. Und schafft kein Vertrauen. Aber ohne Vertrauen ist Frieden nicht möglich. Und Frieden, der nicht ganz verschiedenen Menschen gilt, hat keinen Wert. Denn das kostbare am Frieden ist dies, dass er der Frieden unterschiedlicher Menschen und unterschiedlicher Völker ist. Deshalb ist das Evangelium dort gute Nachricht, wo es Frieden denen, die nahe waren und denen, die ferne waren, also Juden und Heiden bringt. Darin ist unser Text eine frohe Botschaft. Jesus wirkt als ein Versöhner, der über die Grenzen ethnischer und religiöser Zugehörigkeit hinweg Menschen den Frieden bringt. Und diese Grenzüberschreitung ist Jesus nur möglich, weil er im Geist Gottes redet und handelt. In der Kraft dieses Geistes heilt er Besessene, Blinde und Lahme. In der Kraft dieses Geistes vergibt er Sünden und heilt er Gelähmte. In der Kraft dieses Geistes berührt er Aussätzige und sucht die Gemeinschaft der Zöllner und Huren.

Dieser Geist atmet den Schöpfungsmorgen und schreibt der Schöpfung das Wort in ihr Herz: Und siehe, es war gut.

Und dieses Wort trägt Jesus, der Christus nun hinüber zu den Blinden und zu den Lahmen: Du bist gut.

Sein Verhalten und sein Tun atmet dieses Wort: Du bist gut. Der Geist, der darin wirkt, der richtet auf und macht gesund. Verschlossene Gesichter öffnen sich und strahlen. Verkrampfte Gesichtszüge glätten und entspannen sich. Frieden Dir und Frieden mir und uns der Frieden dieses Gottes, der uns liebt.

So wäre es denn ganz einfach, wenn wir vertrauen könnten und wenn wir leben könnten ganz aus diesem Geist!

Wenn wir uns eingestünden: manchmal fehlt uns nicht nur das Vertrauen, manchmal fehlt uns auch der Geist. Dann wird die Sorge groß, dann wächst die Angst. Dann verschließt sich Herz und Mund und auch Gesicht; dann hören wir nicht mehr genau, dann drehen wir uns um uns selbst; dann haben wir keinen Zugang mehr zu uns und keinen Zugang mehr zu unserem Nächsten. Dann haben wir auch keinen Zugang mehr zu Gott; denn wie sollten wir den auch haben ohne dieses Vertrauen, das uns fehlt?

Ja, diese Zeiten gibt es und diese Tage, wo uns der Geist fehlt und das Vertrauen schwindet und Gott ganz fern zu sein scheint; diese Tage gibt es bei uns und diese gibt es auch für ganze Völker. Wenn ein Krieg beginnt; wenn die Diplomatie verliert; wenn Abgeordnete aus dem Parlament heraus verhaftet werden und Regime kritische Journalisten ins Gefängnis müssen. In solchen Momenten hat der Geist verloren und hat die Gewalt gesiegt. In solchen Momenten zieht das Misstrauen ein in eine Gesellschaft und mit dem Misstrauen der Hass.

Ein neuer Nationalismus ist in Europa erstarkt. Mir fällt es schwer, in diesem Nationalismus geistige Qualitäten zu erkennen. Ihn geistlos zu nennen, klingt überheblich. Aber wo ist seine Grenz überschreitende Macht? Wo nimmt er Menschen die Angst und wo ist seine Menschenfreundlichkeit, die über die Gleichgesinnten hinausgeht? Blanker Rassismus ist geistlos; blanker Rassismus atmet keine Weite und atmet nicht den weiten Horizont unseres Gottes.

Womöglich haben die vielen, die sich in diesen Parolen verstehen, ein Bedürfnis nach Orientierung und Angst, unter zu gehen in einem Europa der vielen, das dann auch noch unterschiedlichste Kulturen und Religionen beherbergt. Wer sich da seiner selbst nicht sicher ist und wer womöglich gar nicht seine kulturellen und religiösen Wurzeln kennt, der oder die fühlt sich überfordert, der sucht das kleine, überschaubare, ein Vereinsfest, - ja und der Stadtteil und die Stadt, vielleicht auch noch das Land, aber bitte nicht mehr. Grenzziehung statt Grenzüberschreitung. Deutsch statt Englisch, Französisch, Arabisch. Die Pfingstgeschichte brauchen wir nicht.

Dann aber siegt die Angst; dann siegt die Kleinstaaterei; dann verliert der Geist seinen Atem der Weite und Vielfalt.

Der Geist Gottes aber fängt an in der lebendigen Begegnung, von Angesicht zu Angesicht. Er fängt an beim anerkennenden Zuspruch, beim eindeutigen Ja zu einem anderen Menschen. Er fängt an bei der Freude am anderen, dass es ihn gibt, wie es ihn oder sie gibt, eben als diesen einmaligen Menschen. Er beginnt damit, dass eine einheimische Frau ihren Arm schützend um diese Frau aus Syrien legt, die trauert um ihre getöteten Verwandten. Der Geist Jesu wirkt da, wo ein junger geflüchteter Eritreer das offene Ohr eines einheimischen Mannes findet, der ihn versteht.

Wo beginnt der Geist? Wo das Evangelium wirkt und der Geist Gottes die Herzen von Menschen ergreift, da entsteht Vertrauen, Vertrauen zum anderen, allererst zu dem, der mir fremd und ganz fern zu sein scheint, Vertrauen zu Gott, zu dem ich Zugang habe durch Christus und Vertrauen zu mir selbst, dass ich mitwirken kann an etwas Größerem. Und dieses Größere ist der Frieden zwischen unterschiedlichen Menschen. Dieses Größere wird vorbereitet durch das Verständnis füreinander. Dieses Größere wird vorbereitet durch eine Menschenfreundlichkeit, die alles durchdringt und überall zu spüren ist. Dieses größere eines umfassenden Friedens wird vorbereitet durch einen menschenfreundlichen Gott, den uns Jesus nahegebracht hat. In seinem Geist, im Geist Jesu wird ein Haus vorbereitet, das Platz hat für alle, ein Menschenhaus, in dem jeder Zuflucht findet, Ansprache und Hilfe für seine Ängste, ein Menschenhaus, dessen Architektonik diesen Geist atmet und das ohne diesen Geist schnell zerfällt und zur Wüste wird. Deshalb lasst uns bitten um diesen größeren Geist Jesu, den Geist der Liebe und des Friedens, den Geist, der uns aufatmen und frei werden lässt. Amen

Perikope
05.06.2016
2,17-22

Predigt zu Epheser 2,17-22 von Inke Raabe

Predigt zu Epheser 2,17-22 von Inke Raabe
2,17-22

In Österreich ist sie zum Wort des Jahres 2015 gekürt worden. Und auch bei uns ist sie in aller Munde. Manche beklagen schon ihr Ende, andere sagen, es wäre Zeit, dass endlich mal ein Ende mit ihr sei. Die Arme ist gedehnt, verwaschen und missbraucht worden, und trotz allem hat sie nicht wirklich Schaden genommen. Die Rede ist von der Willkommenskultur. Sie ist, entgegen anderslautender Behauptungen, keine Erfindung der Neuzeit. Im Gegenteil. Hört mit mir den Predigttext für den heutigen Sonntag. Er steht im Epheserbrief, Kapitel 2.

Christus ist gekommen und hat Frieden verkündet: Euch, den Fernen - und Frieden den Nahen. Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also nicht mehr Fremde und Nicht-Bürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten - der Eckstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, durch ihn werdet auch ihr mit eingebaut in die Wohnung Gottes im Geist.

Ihr seid nicht mehr Fremde und Nichtbürger, oder wie es bei Martin Luther heißt „Gäste und Fremdlinge“ – das wird den Leserinnen und Lesern des Briefes zugesagt. Ihr gehört dazu, ihr seid absolut vollwertige Mitglieder. Ihr seid Mitbürger und Hausgenossen, zu 100 Prozent gleichberechtigt. Ihr seid herzlich willkommen in der Gemeinschaft der Glaubenden, ihr Neuchristen aus Kleinasien. So sieht Gottes Willkommenskultur aus, sagt der Epheserbrief.

Eigentlich schlimm, dass wir über Willkommenskultur überhaupt reden müssen. Es ist doch eigentlich ein Jammer, wie mühsam wir das lernen. Es gibt Konzepte für die Integration, es gibt Schulungen für die interkulturelle Öffnung, es gibt Papiere, Streitschriften und Beschlüsse – sie ist eben nicht selbstverständlich, die Willkommenskultur. Und manchmal scheint es, als wäre sie uns Menschen naturgegeben mühsam, als bedürfe es auch immer wieder neuer und noch qualifizierterer Lehrmeister, die uns auf die Notwendigkeit der Freundlichkeit und Offenheit hinweisen. Anscheinend ist es gar zu bequem und gemütlich im eigenen Saft ist. Und ja, ich weiß es selber: Das Fremde ist immer auch anstrengend und herausfordernd. Und die Beschäftigung mit dem Anderen wirft immer auch ein neues Licht auf mich und meine eingeübten Muster. Willkommenskultur ist nicht selbstverständlich. Leider.

Aber so ist es nun einmal. Und so war das schon immer. Schon das Alte Testament sieht sich gezwungen zu mahnen: Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst (Lev. 19, 34). Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten (Ex. 23,9). Gastfrei zu sein vergesset nicht; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt – so steht es im Hebräerbrief des Neuen Testaments (Hebr. 13,2) So hoch die Gastfreundschaft im Alten Orient angesehen ist, so wenig war sie auch dort selbstverständlich. Sie wurde immer als Kulturgut, als kulturelle Errungenschaft verstanden, als etwas, das Menschen lernen können und lernen müssen. Gastfreundschaft muss kultiviert werden – unkultiviert ist, wer auf Grenzen pocht. Und noch heute sind die arabischen Völker stolz auf ihre hochkultivierte Gastfreundschaft und beschämen damit nicht selten uns Europäer, die wir im Vergleich dazu manchmal kleinkariert wirken.

Der Epheserbrief ist an Christen in Kleinasien gerichtet, die vormals Heiden waren. Er entsteht im ausgehenden ersten Jahrhundert nach Christus. Da gibt es noch kaum kirchliche Strukturen. Das junge Christentum galt den Römern als jüdische Sekte, den Juden als Irrglauben und den Wohl-Wollenderen als kleine Schwester des Judentums, als ein neuer Spross am alten Baum. Die Christengemeinden wussten vielfach selber nicht, wer sie nun sein wollten und was sein würden. Sollten sie sich nun als Neubürger des Judentums verstehen und sich zum Beispiel an die althergebrachten Speise- und Bekleidungsvorschriften halten? Waren sie als Christen vielleicht sogar nur Juden zweiter Klasse, Proselyten, Zugezogenen im Glauben? Alles war im Umbruch, alles war neu. Sie waren im Grunde geistliche Migranten, die jungen Christen: Sie entflohen der römischen Einerlei-Kultur und der beliebigen Vielgötterei ihrer Umwelt, sie suchten eine neue geistliche Heimat im Glauben an den Auferstandenen Christus. Und mit der Willkommenskultur war das damals wie heute so eine Sache. Sie rechneten nicht unbedingt mit der Gastfreundschaft der Mutterreligion, und nicht wenige meinten, dass Anpassung der bessere Weg sei.

Christus ist gekommen und hat Frieden verkündet: Euch, den Fernen - und Frieden den Nahen. Denn durch ihn haben wir beide in einem Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also nicht mehr Fremde und Nicht-Bürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten - der Eckstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, durch ihn werdet auch ihr mit eingebaut in die Wohnung Gottes im Geist.

Ihr gehört dazu, meint das. Ihr müsst euch nicht anstrengen, ihr braucht euch nicht zu verbiegen. Und: Ihr braucht keine Angst zu haben. Mit Gott ist alles geklärt. Dieser Text - das ist so viel wie die Anerkennung eines Asylantrags durch das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge und klingt doch viel schöner. Hören Sie mal, wie unser Amt Flüchtlinge willkommen heißt: „Der Antragssteller hat vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration die Flüchtlingseigenschaft gemäß §3AsylVerfG zuerkannt bekommen. Ihm wird eine Aufenthaltserlaubnis gemäß §25, Abs. 2 AufenthG, gültig für drei Jahre, erteilt. Der Reiseausweis für Flüchtlinge und der elektronische Aufenthaltstitel werden bei der Bundesdruckerei bestellt. Erwerbstätigkeit gestattet. Im Auftrag. Und Punkt.

Na, denn herzlich willkommen.

Gottes Willkommenskultur klingt anders. Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Ihr seid willkommen, ihr Lieben, Gott freut sich, dass ihr da seid. Ihr seid willkommen, so wie ihr seid.

Warum ist uns das mit dem Willkommen denn so mühsam, wenn es Gott doch offensichtlich so leicht fällt? Bei uns in Dithmarschen hängt an jeder zweiten Haustür ein Schild. „Willkommen“ steht da drauf, oder auch ein einfaches „Moin“ – das meint im Grunde dasselbe. Also: Der Wille zur Gastfreundschaft ist da. Aber man kennt auch hier die fiesen Sprüche: „Besuch ist wie Fisch: Nach drei Tagen fängt er an zu stinken.“ „Ein ungebetener Gast ist eine schwere Last.“ Oder: „Besuch ist wie Regen: Er muss nicht zu lange dauern.“ Willkommen schon, aber schön in Grenzen. Mein Gartenzaun ist mir heilig. Und der Harkstreifen davor erst recht.

Auf der anderen Seite erleben wir – gerade wir Dithmarscher - zurzeit höchstes Glück mit unseren Migranten. Unzählige engagieren sich, geben Sprachkurse, organisieren Kleiderkammern, fahren mit ihren Schützlingen zu den Ämtern, übersetzen, hören zu, reparieren Heizungen, besorgen Decken. Und sie sind unendlich freundlich zu – nein, sie sind geradezu entzückt  von den kleinen Neubürgern, von den Kindern der Geflüchteten, die uns so vorbehaltlos und ganz ohne Angst und Vorurteile begegnen und uns behandeln wie die Ihren. Wir erleben Glück in diesen Begegnungen: Ahmad, der einen Lehrplatz gefunden hat, Donya, die sich hat taufen lassen, Saria, die ihr erstes Kind im neuen Land erwartet, Kevah, der die Level-C-Prüfung bestanden hat und nun studieren darf. Wir erleben das Glück mit den wenigen, deren Asylanträge bewilligt werden und wir stören uns keine Sekunde an der kalten Bürokratensprache des zitierten Amtsbriefes - das machen wir mit Herzlichkeit locker wett.

Willkommenskultur – ja, wir mussten das lernen. Und wir mussten das ein bisschen schneller lernen, als uns lieb gewesen wäre. Aber da, wo es gelungen ist, erleben wir voller Dankbarkeit die Bereicherung und überwinden miteinander alle Schranken unterschiedlicher Kultur, Sprache oder Religion. Wir sind reich beschenkt. Herzlich Willkommen.

Darum ist sie so wichtig, die Willkommenskultur Gottes. Darum lässt die Bibel nicht nach, die Gastfreundschaft einzufordern. Weil Gott weiß, dass sie uns gut tut. Weil Gott weiß, dass Menschen nur so miteinander leben können, wenn sie einander von Herzen begrüßen, einander von Herzen suchen und kennenlernen wollen. Weil sie nur im Respekt vor dem Fremden und in der Begegnung mit dem Anderen die Demut lernen, die vor Gott so wichtig ist. Gott weiß, wie viel wir lernen können und wie viel wir lernen müssen. Und er möchte, dass wir einander dienen, so wie er uns dient und so wie er es uns in Christus aufgegeben hat.

Ihr seid willkommen, sagt der Epheserbrief seinen Leserinnen und Lesern. Und er sagt es auch zu uns: Ihr seid Gott so herzlich willkommen, ihr Dithmarscher, ihr Niedersachsen, ihr Friesen und Bayern. Gott lässt euch sein, wie ihr seid: ihr Dänen, ihr Ukrainer, Spanier, ihr Amerikaner, ihr Moldawier, ihr Tschetschenen und Finnen. Ihr seid ihm so herzlich willkommen, ihr Menschenkinder, egal, ob ihr krause Haare oder glatte habt, ob ihr gut seid in Mathe oder Deutsch, ob ihr Fußball mögt oder lieber Facebook und selbst wenn ihr World-of-Warcraft liebt - ihr seid ihm von ganzem Herzen willkommen. Gott liebt euch ohne Maß, ihr Männer und Frauen, ihr Alte und Junge, euch alle, die ihr heute hier seid. Merkt ihr, wie wunderbar das ist, so herzlich willkommen zu sein? Wer kann da, wo er so herzlich geliebt wird, anderen die Willkommenskultur verwehren?

Geht gar nicht, liebe Leute. Ihr seid nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sagt der Epheserbrief. Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr wohnt in der wunderbaren Wohnung Gottes ganz umsonst. Ihr lebt in seinem heiligen Tempel absolut unverdient allein aus Gnade. Ihr lebt in Gottes Nähe – und hier ist Platz ist für viele. Für dich und für mich. Und natürlich für alle anderen auch.

Amen

 

Perikope
05.06.2016
2,17-22