Predigt zu Epheser 3,14-21 von Claudia Trauthig
Fürbitte des Apostels für die Gemeinde –
so lautet die Überschrift des heutigen Predigttextes in der Lutherbibel:
Paulus, oder vermutlich ein sich auf ihn beziehender Schüler, geht in die Knie - und betet: für die Christen in Ephesus.
Er tut das nicht im stillen Kämmerlein oder in einer der Hauskirchen jener Zeit.
Nein – er betet im Gefängnis: „in Ketten“ (Eph 6, 20).
Weder Schmerzen noch Angst lassen den Todeskandidaten seine fernen Brüder und Schwestern vergessen:
Fürbitte des Apostels für die Gemeinde –
Die acht Verse dieses Sonntags gewähren uns einen Blick in das Herz des Absenders: Lebendig, warm, durchblutet ganz von der Liebe Gottes, klammert es sich nicht an das eigene Leben, sondern betet für seine Geschwister im Herrn: im auferstandenen Herrn.
Hören wir die Verse aus dem Epheserbrief, Kapitel 3:
14Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,
15der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden,
16dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.
18So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,
19auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.
20Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt,
21dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Ist das nicht ein wunderschönes Gebet, mit Worten, die funkeln und leuchten?
Ein Gebet, das Gott überschwänglich feiert und zugleich seiner Gemeinde selbstlos dient?
Wollen wir „mit allen Heiligen“, der Bewegung dieses Betens jetzt nachgehen?
Vielleicht geschieht, was auch dem Gefangenen geschah: die Ketten können uns nicht abhalten: von der Freude an Gott und dem Blick auf die anderen.
I. Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater…
Als Theresia an diesem Sonntag von der Kirche nach Hause kommt, kann sie es noch immer nicht fassen. So durcheinander ist sie, dass ihre berühmten Semmelknödel, von denen der Max immer drei nimmt, heute irgendwie nach Pappe schmecken.
Ist auch egal, denkt sie und überlässt die Tischgespräche der anderen sich selbst. Nur Emma, der Jüngsten, fällt etwas auf: „MamaOmi“ – wie man irgendwann beschloss, die Urgroßmutter zu nennen- „MamaOmi, bist du traurig?“
Die Gespräche verstummen, die Blicke richten sich auf Theresia: Traurig? - Kann ja nicht sein - die Bäuerin vom Peternhof ist doch nicht „traurig“. Die hat ihre gottgeschenkte Fröhlichkeit und ihren Glauben: „Ich bin dann mal weg“, so sagt sie gelegentlich (wie bei diesem Buch vom Kerkeling). Dann pilgert sie nicht nach Santiago, sondern nur herüber in die St.-Annen-Kapelle - und ist nach einer halben Stunde schon wieder da.
„Die Kapelle wird zu gemacht.“, sagt sie jetzt, „Gottesdienste nur noch an Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Wir von heroben sollen sonntags „einfach“ in die moderne St.-Stephanus-Kirche im Tal. Da gibt es nämlich „Fußboden-Heizung“... Aber noch nicht einmal Kniebänke! In einer katholischen Kirche!! - Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll.“
Während Emma Mamaomi besorgt streichelt, ist Max schon wieder praktisch: „Ist doch kein Problem- ich fahr dich runter und hol Dich hernach wieder ab.“ Auch Lisa, Emmas Mama, meint´s sicher gut: „Omi, das Knien, des is eh nix mehr für dich. Man kann auch im Sitzen beten!“
Aber überhaupt nicht dasselbe ist das, seufzt Theresia inwendig und schiebt den Teller weg. Im Sonntagsblatt war sogar ein Spruch vom Papst Johannes dem XXIII:
„Nie ist der Mensch größer – als wenn er kniet.“
II. …der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden…
„Greifen Sie spontan zu!“ - hatte die Therapeutin mit aufmunterndem Lächeln gesagt und die farbenfrohen Karten einfach in die Mitte gelegt.
„Das sind LEBENSKARTEN… Suchen Sie sich Ihre Botschaft aus, bei der Sie spüren: Dieser Satz ist wichtig für mich. Der stärkt mein inneres Kind.“
Helmut hatte sich die REHA überhaupt nicht so vorgestellt.
Vieles von dem, was Frau Berg hier in der Gruppe erzählt, ist ihm fremd, eine ganz andere Welt: Mein “inneres Kind“?
Und doch spürt Helmut: Das tut mir gut. Dass ich mir Zeit nehme, über mich nachdenken kann.
Allmählich glaubt er sogar, dass er aus der Tretmühle aussteigen kann, die zu diesem furchtbaren Zusammenbruch, „Burn-Out“, geführt hat.
Im Einzelgespräch hat Helmut lang mit Frau Berg über seine Eltern gesprochen. Über die großen Erwartungen, die er als einziger Sohn und Ältester erfüllen sollte: „Junge, sei stark!“
Das war so eine (gutgemeinte) Parole. „Streng dich an… - dann kannst du alles erreichen!“
Eigentlich - hat Helmut auch alles erreicht. Nur die Ehe mit Petra… Petra hatte irgendwann kein Verständnis mehr für seine Verpflichtungen. Und obwohl ihm Petra das Allerwichtigste war, konnte er den Alltag nicht ändern…
In der Andacht am letzten Freitag hat die evangelische Pfarrerin hier, über eine „Jahreslosung“ gesprochen und darüber, dass die Bibel Gott immer wieder als Vater, Mutter beschreibt – ähnlich und doch ganz anders als die menschlichen Eltern. "Bedingungslose Liebe“ - das war Helmut hängen geblieben… „Gottes Söhne und Töchter müssen nicht stark sein. Bei unserem Vater im Himmel dürfen wir uns zeigen, wie wir sind: schwach und bedürftig.“
Mit den anderen 5 aus der Gruppe steht Helmut jetzt auf und greift sich die Karte, die ihn sofort angelacht hat: „Ich bin wertvoll“ steht darauf „…weil ich wertvoll bin.“
III.
16dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.
18So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,
19auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.
„Das hätt´s früher net gebe!“
Verschmitzt lächelt die zierliche Frau mich an - und nimmt einen kräftigen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Während auch ich Kaffee und den leckeren Aprikosenkuchen genieße, freue ich mich, dass heute so viele beim Seniorennachmittag sind und frage nach:
„Was, bitte, hätte es früher nicht gegeben?“
Ob sie den heutigen Programmpunkt, die Aprikosen im März oder gar eine Frau als Pfarrerin meint?
„Na - das man so einfach nahockt, am hellichte Mittag, unter der Woch`und Kaffee trinkt…!
Da hätt´s gleich g´heißen: hatt die nix zum Schaffe?.... Und heut´ gibt´s sowas - für mich! Noch dazu von der Kirch…!!“
IV.
Liebe Gemeinde!
Die alte Frau bei einem Stück Aprikosenkuchen am Seniorennachmittag.
Helmut, der eigentlich so erfolgreiche Bauingenieur
und die alte Bäuerin Theresia, deren Spur ich über das Internet fand…
Sie standen mir vor Augen, als ich jene Worte aus dem Herzen des Apostels, zu Herzen nahm…
Theresia - die nicht nur die Hände falten, sondern vor Gott in die Knie gehen will:
Beten betrifft den ganzen Menschen. Nicht nur Seele und Geist, sondern meinen Körper. Vielleicht betet es sich im Knien besser? Zumindest anders? Vielleicht sollte man es einfach mal herausfinden?
Nicht zufällig ist, dass an den letzten zwei Sonntagen 24 junge Menschen aus unserer Gemeinde hier vor Gott in die Knie gingen.
Helmut – hat erst durch einen Zusammenbruch erkannt („mit allen Heiligen begriffen“), was es bedeutet, Kind Gottes zu sein…
Eltern geben meist das Beste – und machen doch Fehler. Gutgemeinte Parolen werden zu inneren Antreibern. Streng dich an, benimm dich, sei lieb, beeil dich… Mitunter bleibt der eigene Mensch da auf der Strecke. Der Mensch, den Gott gemeint hat – in dir und mir. Einmalig, unverwechselbar, zum Leben befreit. Spielräume des Himmels werden dann nicht mehr erkannt. Das darf nicht sein: Du bist wertvoll, weil Du (Gott) wertvoll bist.
Die ältere Frau beim Seniorennachmittag.
Dass sie immer hart gearbeitet hat, wusste ich. Die alten Eltinger mussten ja meist von klein auf anpacken: Haus und Hof, Mensch und Tier(e)…
Ich staune, wie der Seniorennachmittag ein kleines Wunder für sie ist: Ein Wunder für die Sinne:
Musik und Gesang,
Kaffee und Kuchen (manchmal Wein!), Worte für Seele und Geist,
freundliche Gesten
und ein Gott, der einen einfach so beschenkt…:
20Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt,
21dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Darum will auch ich schließen mit einem Lobpreis für ihn, nach einem Gebet von Anton Rotzetter…
Wie munteres Vogelzwitschern am Morgen
ist deine Liebe, Gott
Wie Kirchenglocken am Sonntag
ist deine Liebe, Gott
Wie gelöstes Singen bei einem Glas Wein
ist deine Liebe, Gott
Wie frisches Wasser an einem heißen Tag
ist deine Liebe, Gott
Wie ein Brief in einsamer Stunde
ist deine Liebe, Gott
Wie gutes Bauernbrot für leeren Magen
ist deine Liebe, Gott
Wie Freundlichkeit unter Fremden
ist deine Liebe Gott.
(…)
Wie ein Spaziergang in den ersten Frühlingstagen
ist deine Liebe, Gott
Wie eine zarte Hand nach schwerer Arbeit
ist deine Liebe, Gott
(…)
Wie Musik von Mozart
ist deine Liebe Gott
Wie Flügel des Himmels
ist deine Liebe Gott.
Amen.
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Moral - Predigt zu Epheser 5,1-8 von Jens Junginger
Moral
Ohne Moral kann Zusammenleben nicht gelingen.
Wir sind derzeit Zeugen dafür,
wie die Moral schwindet
innerhalb Deutschlands
innerhalb Europas.
An uns selbst können wir das vielleicht nicht .
Als Einzelne handeln wir nämlich intuitiv nach einem moralischen Code.
Wir helfen, wenn jemand in Not ist.
Wir verurteilen sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung.
Wir verurteilen Habgier und Unterdrückung.
Wir lehnen dummes Geschwätz und eine herabsetzende und menschenverachtende Sprache ab.
Woher haben wir unsere moralische Haltung?
Was beeinflusst unsere Moralvorstellungen, wodurch werden sie geprägt?
Es ist nicht allein die Vernunft, die unser moralisches Handeln steuert.
Da ist weit mehr Unbewusstes im Spiel, Erfahrung, Erziehung und Bildung.
Die zunächst intuitive moralische Verantwortung zu helfen, zu beschützen kann sich mit einem Mal ändern. Dann, wenn wir uns selbst gefährdet sehen, wenn wir Verzicht oder persönliche Nachteile befürchten.
Stimmungen, Meinungen, Medien haben ihre Wirkungen und lassen uns abwägen ob sich unsere moralische Einstellung für uns selbst lohnt.
Wurden wir mit Liebe beschenkt und haben ein starkes Selbstwertgefühl, Selbstachtung. Können wir uneigennützig Liebe weitergeben.
Das sind Aspekte und Prägungen, die unsere Wert- und Moralvorstellungen wesentlich beeinflusst haben.[1]
Und genau da spielt die christliche Religion und ihre Werte und wie wir sie vermittelt bekamen eine nicht unwesentliche Rolle.
Moralapostel haben da ihre ganz eigenen auch n Dienste geleistet.
Wie glücklich und zielführend die waren, darüber kann man streiten. Sie haben auf jeden Fall nachhaltig gewirkt - positiv und negativ.
Auch deshalb hat der Titel „Moralapostel“ keinen sonderlich guten Klang.
Er steht für kleinkariertes mahnendes Belehren bei Fragen des individuellen Verhaltens.
In Teilen des folgenden Briefabschnitt wird ein solcher Tonfall angeschlagen:
Im Brief an Glaubensgenossen in der Stadt Ephesus liest ein Moralapostel seinen Adressaten die moralischen Leviten:
Hören Sie selbst die Zeilen aus dem 5. Kapitel des Epheserbriefs:
Nehmt euch also Gott zum Vorbild!
Ihr seid doch seine Kinder,
denen er seine Liebe schenkt.
2Und führt euer Leben so,
dass es ganz von der Liebe bestimmt ist.
Genauso hat auch Christus uns geliebt
und sein Leben für uns gegeben –
als Gabe und als Opfer,
das Gott gefällt wie wohlriechender Duft.
3Über Unzucht,
jede Art Unsittlichkeit
oder Habgier
sollt ihr nicht einmal reden.
Denn das gehört sich nicht für Heilige.
4Ihr sollt nichts sagen,
das andere herabsetzt,
nicht dumm daherreden
und keine zweideutigen Witze machen.
Das ist nicht angemessen!
Bringt vielmehr euren Dank zum Ausdruck.
5Denn eines müsst ihr wissen.
Jede Art von Unzucht,
Unsittlichkeit und Habgier
– die ist ja nichts anderes als Götzendienst –
verhindert,
dass jemand seinen Anteil am Erbe erhält:
dem Erbe in dem Reich,
wo Christus zusammen mit Gott herrscht.
6Niemand soll euch mit leeren Behauptungen täuschen.
Denn wegen solcher Dinge
bricht der Zorn Gottes über die Menschen herein,
die ihm nicht gehorchen.
7Mit solchen Leuten dürft ihr nichts zu tun haben!
8Denn früher wart ihr Teil der Dunkelheit.
Aber jetzt seid ihr Teil des Lichts,
denn ihr gehört zum Herrn.
Führt also euer Leben wie Menschen,
die zum Licht gehören!
„Führt eure Leben so, dass es ganz von Liebe bestimmt ist, mit Hingabe“. Das ist ein Teil der Botschaft.
Der wohlklingende Teil. Und dass den Gott wie einen feinen wohlriechenden Duft wahrnimmt.
Dann jedoch folgen Zeilen, die sich als eine Zitatenfundgrube für puritanische Redenschreiber eignen.
Eine kleinteilig mahnende Aufzählung, die ein körper- und genussfeindlich, verbiestertes Leben propagieren und Moral auf individuelle Sexualmoral reduzieren.
Man sieht zugeknöpfte, enthaltsame, leicht verbiesterte aber dafür umso tüchtigere und fleißigen Arbeiter im Weinberg des Herrn vor sich. Den Prototyp, der das protestantische Arbeitsethos verkörpert.
Lassen wir aber zunächst die Wirkungsgeschichte beiseite und blicken auf die Umstände, auf die diese Briefzeilen ursprünglich getroffen sind.
Da haben wir vor uns die quirrlige Kulturhochburg Ephesus:
Mit 200.000 Einwohner war sie eine der größten und bedeutendsten und reichsten Städte des Römischen Reiches in der Provinz Asia. Eine für ihre Zeit gewaltige, aufblühende Weltstadt, mit großen öffentliche Prachtbauten und Prachtstraßen, einer einmaligen Bibliothek, mit Theater und einer namhaften Marktbasilika, sowie Tempel für einen aktiven Kaiserkult und mit dem Weltwunder des Tempels für die viel-brüstige Artemis. [2]
Vieles davon kann man heute noch besichtigen.
Hier – wie überhaupt in der nicht-jüdisch und nicht- christlichen Antike – war die griechisch-römische Religion und Kultur bestimmend. Religion und Glaube beschränkte sich auf eine rein kultische Verehrung von Göttern und Herrschaften.
Opfer- und Festriten waren, ohne jeglichen Bezug zum sonstigen Lebensalltag.
Geopfert wurde der Vorstellung entsprechend:
Ich gebe – damit du Göttin Artemis gibst.
Ich hofiere dich, damit du mir wohlgefällig bleibst.
Anders war es für die Gläubigen in der jüdischen und dann auch in der christlichen Religion. Und ist es eigentlich bis heute.
Glaube und Werte. Glaube und Haltung. Glaube und Handeln hängen da aufs engste miteinander zusammen.
Gottesliebe ist zeigt sich in der Nächstenliebe.
Das ist die Kernaussage von Jesu Bergpredigt.
Der Gottesdienst setzt sich im Alltag der Welt fort.
Christlicher Glaube wirkt sich aus in der Übernahme moralischer Verantwortung.
Und die will Gültigkeit erlangen, relevant werden.
„gehet hin und tuet desgleichen“ ruft Jesus.
„Wir können es nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20) bricht es aus Petrus und Johannes gegenüber den Bürgern in Jerusalem heraus.
Die Mehrheitsgesellschaft jedoch, in Kleinasien und im römischen Reich, die tickte damals so völlig anders.
Moral spielte keine Rolle, der einzelne einfache Mesnch nicht , schon gar nicht der, der Hilfe brauchte, ungerecht behandelt oder versklavt wurde.
Es galt zu schuften, zu gehorchen, irgendwie durchzukommen den Göttern und Herrschern zu opfern.
Man musste sich als Mensch schlicht prostituieren.
Wer es nicht tat, gar einen anderen Glauben vertrat, eine andere Haltung zeigte und eine moralische Verantwortung zeigte, die jeden Menschen als Ebenbild Gottes verstand, sich hingab, der landete wie Paulus, immer mal wieder im Kerker.
In dieser Situation sagten sich manche unter den Christen:
Was solls!
Ich kümmere ich mich lieber um mich selbst, um mein persönliches Leben, mein persönliches Seelenheil,
meine Glaubensfestigkeit und meine inneren Glaubensgehorsam.
Durchhalten in der Zurückgezogenheit. Leben in der Distanz zur Gesellschaft. Konzentration auf Selbstdisziplin und eine asketische Lebensweise,[3] das war angesagt.
Diese individuelle Distanzierung und Abgrenzung spiegelt sich in den Zeilen des Briefschreibers wider, wenn er die verbreitete Unzucht, Unsittlichkeit und Habgier anspricht und die entwürdigende menschverachtende Sprache.
Wo wir derartiges heute wahrnehmen distanzieren wir uns.
Sie bleibt jedoch vielfach unaufgedeckt, weil es weniger auf öffentlichen Plätzen als im engsten familiären Umfeld passiert. Die biblische Moral ist hat jedoch mehr im Blick als nur die Sexualmoral.
Der züchtigend mahnende Tonfall, das ist das Markenzeichen eines kleinteiligen Moralisten. Der wohlriechende Duft den die Moral der Hingabe verbreitet hat sich verflüchtigt.
Der Briefabschnitt ist Zeugnis für eine Phase des Umbruchs in der Zeit der ersten Christenheit.
Die jesuanisch geprägte moralische Verantwortung für die Mitmenschen reduzierte auf die individualistische Askese, auf eine enge Körper- und Sexualmoral.
Wenn in diesen Tagen der Film Spotlight in die deutschen Kinos kommt, dann erinnert der an die bis heute gerne verdrängten Auswirkungen einer verdrängten Sexualität in christlichen Heimen, in Knabenchören, unter den zölibatär lebenden männlichen Mitchristen.
Sie erinnern an die nachhaltige Wirkung gestörter körperfeindlicher Moralpredigten, die in einer konkreten Phase ihren Sitz im Leben hatten.
Daraus hat sich eine lieblose Morallehre und eine dunkle Pädagogik entwickelt, die gerade den sexuellen Missbrauch mit hervorgerufen hat und viele Menschen in beschämender Weise nachhaltig verstört, entwürdigt, verkorkst und auch kaputt gemacht hat.
Der Film „Das weiße Band“ aus dem Jahr 2009 gibt einen unerfreulichen Einblick in jene Epoche speziell protestantisch- pietistisch geprägter Kultur. In die ausgewiesene und erschreckende Sittenstrenge des 19 und beginnenden 20 Jahrhunderts.
Dargestellt wird, wie ein Pfarrer seine Kinder mit äußerster Härte erzieht, auch kleine Vergehen gnadenlos mit Prügeln bestraft und streng auf tugendhaftes Verhalten achtet. Des Nachts werden dem Jungen die Hände straff am Bettgestell festgebunden, damit er nicht länger seinen Körper erkundet.[4] Zur stetigen Ermahnung lässt er seine Kinder ein weißes Band als Symbol der Unschuld an der Kleidung tragen.
„Nehmt euch also Gott zum Vorbild!
Ihr seid doch seine Kinder,
denen er seine Liebe schenkt.
Und führt euer Leben so
dass es ganz von der Liebe bestimmt ist“
Das ist die Richtung und das Ziel, auf das der christliche Kompass ausgerichtet ist. Nicht die kleinteilige Landkarte, die alle Wege, Abkürzungen und Umwege zu diesem Ziel schon enthält“[5] (F.W.Steinmeier)
Gleichzeitig sind und bleiben wir als Menschen fehlerhaft, aber eben auch begnadet. D.h wir sind Teil des Lichts.
Wir können gar nicht anders als am Anspruch einer moralischen Perfektion zu scheitern.[6]
M. Luther wusste warum er für die Abschaffung von Klöstern und zölibatärer Geistlichkeit eintrat.
Wenn der jetzige Papst ein zölibatäres Leben mancher Amtsträger in Lateinamerika nicht mehr als ganz so verpflichtend verstehen will, dann scheint sich auch dort ein bisschen reformatorische Erkenntnis durchzusetzen.
Die Moralpredigt unseres Briefabschnitts gibt einen Kompass vor: Die liebevolle Hingabe Jesu.
Sie schärft den Blick,
Anzeichen sexuellen Missbrauchs aufmerksamer wahrzunehmen
Männern jedweder Herkunft und jedweden Alters klare Grenzen aufzuzeigen
Sexualität in der Erziehung und Schule gerade nicht zu tabuisieren
Sprachlichen Entgleisungen klar und deutlich zu Einhalt zu gebieten
Habgier nicht nur als individuelle Untugend sondern als Motor eines ungerechten Wirtschaftens zu identifizieren, das Fluchtursachen hervorruft
Christliche Moral ist geprägt von Respekt und Solidarität!
Dem wohlriechen Duft, der Gott gefällt.
Amen
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Gottloses Geschwätz und leichtfertig Worte – Clausnitz ist nicht nur in Sachsen, Predigt zu Epheser 5,1-8 von Christoph Maier
Gottloses Geschwätz und leichtfertig Worte – Clausnitz ist nicht nur in Sachsen
[Anmerkung: Der Predigttext wird nach der Neuen Genfer Übersetzung [NGÜ] verlesen. Stellenweise wird auf die Bibel in gerechter Sprache [BigS] verwiesen.]
Noch tun sie es in der Dunkelheit, aber lange schon nicht mehr heimlich. Ein kleines Dorf, man kennt sich. Viele sind schon weggezogen. Und die, die jetzt dort hinziehen, will man dort nicht haben. Ein Kleinwagen stellt sich quer und der Bus mit den 25 Neu-Clausnitzern kann nicht weiter. Es werden immer mehr Menschen erst 50, später sollen es um die 100 Menschen gewesen sein, die sich grölend den verängstigten Menschen in den Weg stellen. Sachsen wird wieder einmal zum Synonym und Symbol für ausländerfeindliche Übergriffe.
„Konkret heißt das: Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein, denn auch Christus hat uns seine Liebe erwiesen und hat sein Leben für uns hingegeben.“ (Eph 5,2 NGÜ)
Der Polizeipräsident: Verhältnismäßig und absolut notwendig, die Anwendung von einfachem und unmittelbarem Zwang: "Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Kollegen richtig gehandelt haben."
Der Bürgermeister: Ein Großteil der Menge an diesem Abend war "nicht auf Krawall gebürstet […] Es ging um die große Politik und nicht um die Menschen an sich."
PEGIDA: „Ich schäme mich nicht für die Clausnitzer. Im Gegenteil: Ich habe Verständnis und respektiere den Mut der Bürger.“
Die Leute: “Unser Land, unsere Regeln, Heimat, Freiheit, Tradition.“
Und dann grölen sie wieder – nicht nur in Clausnitz: „Wir sind das Volk.“
Wir sind das Volk? - „Und das Volk schrie abermals: ,kreuzige ihn´ “(nach Mk 15,13).
„Lasst euch von niemand mit leeren Behauptungen täuschen! (Eph 5,6 NGÜ) […] üble Nachrede, leichtfertige Worte oder Stichelei. Das alles gehört sich nicht. (Eph 5,4 BigS) Darum hütet euch, mit solchen Menschen gemeinsame Sache zu machen!“ (Eph 4.7 NGÜ)
„Es ist nicht weit bis nach Rechenberg-Bienenmühle, der Ortschaft zu der Clausnitz gehört. Von Dresden aus fährt man [eine] ungefähr eine Stunde über Bannewitz, Welschhuf, Possendorf, Oberhäslich, Sadisdorf, Reichstädt ... Mitten hindurch durch die osterzgebirgische Provinz, wo das Handynetz immer schwächer wird und wo der Deutschlandfunk im Autoradio, der über das brennende Heim in Bautzen berichtet, sich irgendwann den tschechischen Frequenzen beugt. Die Gegend ist einsam, autoleer, menschenleer an diesem verhangenen Sonntag. Der Weg führt vorbei an Erdstoffdeponien, KFZ-Barankaufstellen, einem alten Sägewerk, Baustoffhöfen und Baumaschinendepots. Und immer wieder an Leerstand. Von Dippoldiswalde bis Nassau kann man überall die aufgelassenen Gasthöfe und blinden Mietshausfensterhöhlen sehen, die leer und kalt im Regen stehen. Dies ist offensichtlich eine Gegend mit zweifelhafter Zukunft, ein Landstrich, der von den Menschen verlassen wird. Sächsische Wirtschaftsflüchtlinge. Dazwischen der krasse Gegensatz der Einfamilienhäuser, deren frisch gestrichene Fassaden vom festen Willen künden, es sich schön zu machen hier im feuchten Tal. Dazu benutzen sie wie überall in der Provinz diese groteske Fassadenfarbe, deren Tönung weder in der Natur noch in irgendeinem Farbfächer vorkommt. Falbes Mint und getrübtes Orangebraun, gräuliches Gelb und Neonbeige – plötzlich wirkt der Nebel gnädig.“
(Facebook Seite von Karlo Tobler, Post vom 21.01.2016, 16.07 Uhr https://www.facebook.com/karlo.tobler?__nodl)
„Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“ (Eph 5,4 NGÜ)
„Was sie denn bräuchten, fragen wir die Menschen im Haus, wie man ihnen am besten helfen könne. Und da sagt Frau Khatum tatsächlich: „Wir haben alles, was wir brauchen: Frieden und Sicherheit. Wir sind sehr dankbar.“ (Quelle s.o.)
Liebe Gemeinde,
ein sperriger Text aus dem Epheserbrief. Mahnungen zum richtigen Verhalten als Christ. In der Collage mit der aktuellen Berichterstattung aus den Medien der letzten Tage gewinnen die alten Zeilen eine bedrückende Aktualität.
Entschiedene Positionen, eindeutiges Verhalten, moralische Integrität. Das kennzeichnet diejenigen, die Christus nachfolgen, oder wie es unser Predigttext heute sagt, „solche, die Gott nachahmen.“
Sexuelle Unmoral, Schamlosigkeit jeder Art und Habgier – das mögen die drängendsten Herausforderungen aus der Sicht des Schreibers dieses frühchristlichen theologischen Traktates gewesen sein. Das ist es, was für den Autor des Epheserbriefes einfach völlig unvereinbar war, mit dem Status eines von Gott geliebten Kindes. „Seid also solche, die Gott als geliebte Kinder nachahmen. Lebt als Kinder des Lichts“ (Eph 5,1.8b BigS)
Eine Mahnung; entschiedene Position; eindeutiges Verhalten; klare Distanz zu den Dingen, die unsere Gottebenbildlichkeit verdunkeln.
Was ist es heute, das uns als Christenmenschen zur Entschiedenheit und Eindeutigkeit zur Klarheit und Distanz herausfordert? Die Collage zu Beginn der Predigt ist meine Antwort. Der Epheserbrief fordert ein entschiedenes moralisches Handeln im Alltag eines jeden Christenmenschen. Das Aufzeigen von Grenzen im Alltag, die moralische Entschiedenheit der Christenmenschen, ist auch hier und heute wieder mehr den je gefordert.
Und lasst euch von niemandem täuschen: Clausnitz ist nicht weit weg! Wo ziehen Sie die Grenze, im Gespräch mit Freunden, Kollegen, unter den Eltern im Kindergarten oder an der Schule? Wo läuft die Grenze zwischen einer angeregten, größtenteils auch aufgeregten politischen Debatte über Zuwanderung, Flüchtlingspolitik und Solidarität in Europa auf der einen Seite und gottlosem Geschwätz und Hetze, die immer schamloser vorgetragen wird?
Ab wann sagen Sie: „Hier kann ich nicht mitgehen! Da bin ich anderer Meinung! Das kann ich so nicht stehen lassen!
Immer wieder höre ich das, vor allem auch von älteren Menschen: „Uns hat damals auch niemand geholfen“ „Ich muss mit meiner kleinen Rente auskommen und die dürfen mit der Taxe zum Arzt fahren.“
Die Kirche hat sich für alle, die in soziale Not geraten sind einzusetzen, ohne Ansehen der Person. Aber im Bezug auf die Frage der Bürgerkriegsflüchtlinge sind diese Argumente nichts anderes als eine scheinheilige Neiddebatte und deshalb unmoralisch.
Am Heiligen Abend 2015 wurde vor unserem Gemeindehaus ein Flugblatt verteilt mit dem Titel „Jedes Asylheim ist ein Verbrechen gegen unsere Obdachlosen.“ Auch das, eine scheinheilige Neiddebatte. Es war schon immer ein beliebtes Spiel die Not des Einen gegen die Not des Anderen auszuspielen. Auch das ist eine Spielart der Habgier, die unser Predigttext streng brandmarkt. Stattdessen:
„Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“ (Eph 5,4 NGÜ)
Kennen Sie eigentlich andere Staaten, die ein ähnlich ausgeprägtes Netz an sozialen Leistungen haben wie wir? Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, Elterngeld, Kindergeld...
Gerne wird auch der zumeist muslimische Glaube ins Feld geführt, um gezielt Ängste vor Fremden zu schüren, so auch in jenem Flugblatt: "Hunderttausende der Einwanderer kommen aus Ländern, in denen Hass auf Christen und Andersgläubige zum Alltag gehört. [...] Und überhaupt: Ist Ihnen das eigene Volk und Land, das Grundlage Ihrer eigenen Kultur und Ihrer eigenen Werte ist, so wenig wert, dass sie das Fremde derart überhöhen?“
Grundlage meiner Kultur ist ein pluralistisches Staatsgebilde aus Schwaben und Sachsen, aus Franken und Friesen, Reinländern, Hessen ... aus Einheimischen, Zugezogenen und Gästen, die sich auf ein gemeinsames Grundgesetz verständigt haben.
Grundlage meiner Werte sind meine Prägung durch mein Elternhaus, mein Glaube an Gott und ein wacher Verstand, den Gott mir geschenkt hat. Land und Volk, also Blut und Boden, spielen für meine Kultur und für meine Werte keine Rolle.
Haben nicht gerade Dichter und Denker aus unserer Kultur einen großen Anteil an der Überwindung von Zollschranken und Feindbildern, an dem Projekt der europäischen Idee, dem Verständnis von Toleranz und Menschenrechten?
Wer die Menschen, die zu uns kommen, auf ein bestimmtes Merkmal reduziert, z. B. ihre Hautfarbe, ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder auch auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion argumentiert rassistisch.
Ein drittes Argument, das gerne genutzt wird, ist das der Meinungsfreiheit. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ „Wir leben schließlich in einem freien Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf.“ – Ja, jeder und jede darf hier sagen, was er oder sie denkt. Jeder und jede muss allerdings auch damit leben, dass diese Meinung auch nach moralischen Maßstäben bewertet wird und deshalb unter Umständen auf Widerspruch stößt.
„Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten.“ (Eph 5,8b NGÜ)
Als Kirchgemeinde sind wir mit verantwortlich dafür, dass die moralische Bewertung von Aussagen und Handlungen klar bleibt. Auch das lehrt uns der heutige Predigttext. Deshalb bin ich dankbar, für die Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 15. November 2015, die diese Klarheit für unsere Situation hergestellt hat:
„Als Christen sind wir entsetzt über Gewalt und die Infragestellung der Gleichwertigkeit aller Menschen egal welcher Herkunft und Religion. Organisationen und Bewegungen, die dies dulden oder fördern, rufen unseren entschiedenen Widerspruch hervor. Wir erklären, dass Fremdenhass und Rassismus in jeder Form sowie Gewalt in Worten und Taten nicht mit dem Evangelium Jesu Christi vereinbar sind. [...]
Wir bitten insbesondere alle Gemeindeglieder, nach ihren Möglichkeiten Flüchtlingen zu helfen, Gewalt in Wort und Tat entschieden entgegenzutreten und vom Dialog nicht abzulassen.“ (http://www.evlks.de/doc/Erklaerung_der_Landeskirche_zur_aktuellen_Lage_…)
Oder, um es noch einmal in Anlehnung an unseren heutigen Predigttext zu sagen:
„Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein. Auf unmoralische Verschwörungstheorien, rassistisches Geschwätz und Neiddebatten sollt ihr euch nicht einmal in privaten Gesprächen einlassen, denn es gehört sich nicht für Gottes heiliges Volk, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Genauso wenig haben üble Nachrede, leichtfertige Worte oder Sticheleien etwas bei euch zu suchen. Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“
Amen
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Kinder-Glaube und Glaubens-Kinder, Predigt zu Epheser 5,1-8 von Wolfgang Vögele
Kinder-Glaube und Glaubens-Kinder
„So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.“
Liebe Gemeinde,
pubertierende Jugendliche streben danach, so schnell wie möglich erwachsen werden. Erbarmungslos entlarven sie jeden Ratschlag und jede Anweisung als den Versuch der Eltern, sie zu bevormunden, in ihrer Freiheit zu beschränken und am Erwachsenwerden zu hindern. Vierzehnjährige rebellieren gegen alle Arten von Grenzen, die sie nicht selbst gesetzt haben. Zehn Jahre davor war das noch ganz anders: Vierjährige leben selbstverständlich und unhinterfragt im großzügigen Schutz der Eltern, die sich liebevoll kümmern und den Weg ihrer Kleinsten aufmerksam begleiten, mit Legobaukästen und Pokemonkarten, Kinderkino und Jahrmarkt, Babyschwimmen und Ausflügen zum Abenteuerspielplatz. Für die Vierjährigen kommt es auf Geborgenheit an, auf einen geschützten Raum, der dem eigenen Kind Möglichkeiten bietet, sich zu entwickeln.
Überbesorgte Eltern können das auch übertreiben: Vor den fürsorglichen Helikoptermüttern fürchten sich Kinderärzte, Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen. Sie beschützen ihre Kleinen vor jeder Art von Kontakt mit der vermeintlich so schlimmen Wirklichkeit.
Kinder brauchen, um erwachsen werden zu können, einen Schutzraum der Geborgenheit. Aber je älter Kinder werden, desto mehr verändert sich der Schutzraum. Spätestens in der Pubertät muß sich der bergende und wärmende Raum der Sicherheit in einen Raum der Freiheit und des Ausprobierens verwandeln. Wer wie eine Helikoptermutter trotzdem versucht, diesen jugendlichen Bildungsraum mit Watte auszustaffieren und Sicherheitsvorkehrungen und Frühwarnanlagen zu installieren, der schadet dem Kind, weil es nicht erwachsen werden kann. Und dieses übertriebene Schutzbedürfnis schadet den Eltern, weil Vater und Mutter sich an ihre Rolle klammern und nicht loslassen können.
Die Liebe zu einem Kind verwandelt sich von Tag zu Tag. Sensible Eltern erspüren jeden Tag neu, was ihre Kinder nötig haben, Schützen oder Loslassen, Fürsorge oder Freiheit, Kuscheln oder Distanz. Das, was die eigenen Kinder nötig haben, muß emotional täglich neu ausgemessen werden. Empathie und Bildung, Wärme und planende Erziehung halten sich im Idealfall die Waage.
Für die Glaubenden, die in den Bereich der Barmherzigkeit Gottes treten, verhält sich das genauso. Nichts ist schöner als wieder ein Kind Gottes zu werden! Aber Vorsicht ist geboten. Denn auch Erwachsene sehnen sich oft danach zurück, wieder wie Kinder zu werden. Damit meine ich nicht den Vater, der heimlich mit der Modelleisenbahn seiner Söhne spielt. Ich meine Menschen, die wieder zu Kindern werden, weil sie die Verantwortung des Erwachsenenlebens scheuen.
Wer als erwachsener Mensch zum Glauben findet und sich zu Recht und zur Freude der Gemeinde als Gottes Kind bezeichnet, der flüchtet sich nicht nostalgisch in eine verklärte Kindheit des Glaubens.
Wer darauf vertraut, daß er zum Kind Gottes geworden ist, der bleibt erwachsen und frei, voller Selbständigkeit, Würde und Verantwortung. Aber mit dieser Bezeichnung begibt er sich trotzdem in einen Schutz- und Segensraum, in dem er sich nie allein gelassen fühlen wird. Wer zum Kind Gottes wird, der stellt sich in eine Beziehung zu dem, der ihn geschaffen, erlöst hat und der ihn über den Tod hinaus in die Ewigkeit und in Gottes Reich bringen will. Das ist keine pauschale, einseitige, feststehende, berechenbare Beziehung. Eher läßt sie sich als ein Abenteuer des Glaubens beschreiben, das Höhen und Tiefen, Chancen und Gefahren, Trauer und Freude umfassen kann. Gott als Vater engt keines seiner Kinder ein; vielmehr eröffnet er Räume der Freiheit.
Zweimal spricht der Predigttext von den Kindern des Glaubens, am Anfang von den geliebten Kindern, am Ende von den Kindern des Lichts. Die alte traditionelle Auslegung unterschied nun stets die guten Kinder des Lichts in der Gemeinde und – diesen gegenübergestellt – die bösen Anderen, die, die sich draußen befinden, die Menschen unter dem Zorn Gottes, die Menschen der Finsternis. Aber dieser Dualismus hilft uns heute nicht viel weiter.
Wer versucht zu glauben, weiß selbst ganz genau, wieviel Finsternis und Zweifel noch in ihm steckt. Der Glaube läßt sich nicht mit Hilfe der Schwarz-Weiß-Malerei beschreiben, obwohl verschiedene Formulierungen des urchristlichen Theologen, der den Epheserbrief geschrieben hat, das nahelegen. Deswegen will ich versuchen, in dieser Predigt den Text so auszulegen, daß ich unter die Oberfläche des schwarz-weißen Weltbildes komme. Schwarz-weiße Vereinfachungen helfen uns weder im Glauben, in der Politik noch im Alltag weiter. Der Wirklichkeit Gottes, den Tatsachen der Gesellschaft und der Kommunikation läßt sich mit simplen Gegenüberstellungen nicht beikommen.
Der Epheserbrief mutet den Glaubenden zu, Gottes geliebte Kinder zu sein. Glaubende verstehen sich aus einer Beziehung zu Gott heraus. Aus dieser Beziehung entsteht ein Raum der Liebe und der Hoffnung, den es auszumessen gilt. Die Beziehung zu Gott ist nicht fixiert, definiert und eingegrenzt; vielmehr ist sie wandelbar und verschieden, bei jedem Menschen. Gott kümmert sich auf seine besondere Weise um jeden Menschen.
Dieser Raum der Beziehung zu Gott ist nicht stabil und sicher, sondern zerbrechlich und gefährdet. Er ist – wie alles im Leben – in Bewegung und Veränderung begriffen. Trotzdem erscheinen bei näherer Betrachtung eine Reihe von Konstanten. Der Autor des Epheserbriefs, der wahrscheinlich nicht Paulus selbst war, schreibt von Jesus Christus, der sich zum Opfer gebracht hat. Viele Menschen haben mit dieser Vorstellung Schwierigkeiten – als ob Gott den Tod eines Menschen benötigt, damit er allen anderen vergeben kann. Ich möchte versuchen, das anders zu verstehen. Kinder des Glaubens brauchen Schutz. Jesus von Nazareth nimmt Leiden auf sich. Er erträgt Schmerzen, die ihm andere zufügen, weil er nicht unbedingt Recht haben und seine Macht durchsetzen muß. In der Auferstehung bekennt sich Gott zu diesem Menschen, der gelitten hat, der gedemütigt und gefoltert wurde, den man dem Tod am Kreuz ausgesetzt hat.
Und das hat Folgen für die Menschen heute, die der Epheserbrief Gottes Kinder nennt. Auf der Oberfläche lebt die Passage von Zweiteillungen: Die Glaubenden tun nichts Böses, und die Bösen müssen leiden, weil ihnen der Glaube fehlt. Aber das Grau der Wirklichkeit läßt sich nicht in das kontrastreiche Schwarzweiß einer fehlgeleiteten Überzeugung auflösen. Es gibt glaubende Menschen, die Schlechtes tun und zu Sündern werden. Es gibt Menschen, denen niemand etwas zutraut und trotzdem Gutes tun. Außerdem: Die Gegenwart des Leidens läßt sich nicht so auf Glaubende und Nicht-Glaubende abbilden, daß Glaubende nicht mehr leiden und Nicht-Glaubende nur noch leiden. Vielmehr gilt: Es ist gerade kein Kennzeichen der Anwesenheit oder Gegenwart Gottes, daß ein Mensch glaubt und darum nicht leiden kann. Das billige spirituelle Vorurteil lautet: Wer glaubt, kann nicht leiden. Wer nicht glaubt, muß leiden. Wenn jemand leidet, ist das ein Zeichen dafür, daß mit seinem Glauben etwas nicht stimmen kann.
Die Leidensgeschichte Jesu von Nazareth, über die wir jetzt in der Passionszeit meditieren, ist der Grund dafür, daß diese simple Gleichung einfach nicht stimmt, ganz im Gegenteil. Das Kreuz Jesu, sein Leiden, sein Schmerz zeigen, daß Gott gerade den Leidenden, Schwachen und Kranken beisteht
Genau das haben die Kinder Gottes verstanden: Wer leidet, der weiß genau, das kommt nicht von der Abwesenheit Gottes. In Christus weiß jeder: Gott ist kein Triumphator. Er schlägt sich auf die Seite der Verlorenen, der Benachteiligten, der Flüchtlinge, der Vereinsamten, der Vernachlässigten. Verdienst, Erfolg und finanzielles Glück sind kein Zeichen von Gottes Gegenwart.
Die zweite Einsicht der Kinder Gottes besteht darin: Ich glaube gerne, aber ich bin nie eindeutig Licht – und genauso wenig eindeutig Schatten. Ich bin nicht schwarz. Ich bin nicht weiß. Ich bin irgendwo dazwischen. Ich weiß um meine Fehler. Und ich weiß um meine Gefährdung.
Aber ich halte auch bei an meiner Sehnsucht fest, in dieser Gegenwart Gottes zu bleiben, darin geborgen und geschützt zu sein. Ich setze mich auseinander mit meinen Fehlern, mit dem, was die Bibel Sünde nennt. Und ich merke, daß ich mich aus eigener Kraft nicht dagegen wehren kann.
Deswegen wettert der urchristliche Theologe des Epheserbriefs gegen Unzucht, Unreinheit und Habsucht, gegen alle Formen von Sexualität, die auf ungleicher Verteilung von Macht beruht, gegen Pädophilie, gegen sexuell kontaminierte Gewaltausübung, gegen alles „schandbare und närrische oder lose Reden“. Ausdrücklich möchte ich sagen, daß ich nicht überzeugt bin, daß damit gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Homosexualität gemeint sind.[1] Aber das ist ein großes, anderes Thema, für das in dieser Predigt der Platz nicht reicht. Liebe Gemeinde, sprechen Sie mich nach dem Gottesdienst darauf an, wenn Sie mehr wissen und diskutieren wollen.
Ihr seid Licht, heißt es am Ende der Passage aus dem Epheserbrief. Aber jeder, der glaubt, weiß auch, wie zerbrechlich dieser Glaube ist. Es stehen nicht die Mächte des Guten in der Gemeinde gegen die Mächte des Bösen in der Finsternis. So einfach ist es nur im Kino, im „Herrn der Ringe“, in „Starwars“ und bei James Bond.
Glaube ist das Vertrauen, daß Gott jedem Menschen, auch mir selbst, in Liebe entgegenkommt und mich zu seinem Kind macht. Darum ist Glaube, wenn er denn entsteht, so kostbar und darum zu achten und zu respektieren. Gott läßt mich vertrauen, daß die Zusage seiner Liebe gilt, egal was mir geschieht. Amen.
[1] Vgl. dazu Wolfgang Vögele, Homosexualität und Theologie. Ein Gutachten zu Homosexualität, zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und zum Leben gleichgeschlechtlicher Paare im Pfarrhaus, Karlsruhe April 2014, https://wolfgangvoegele.files.wordpress.com/2016/02/homosexualitc3a4t-endgc3bcltig-april-2014.pdf.
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Weihnachten ist für alle da - Predigt zu Epheser 3,2-3a.5-6 von Martin M. Penzoldt
Weihnachten ist für alle da
Liebe Gemeinde!
Und schon wieder ist Weihnachten.
Sie haben recht gehört!
In vielen orthodoxen Kirchen des Ostens wird heute Weihnachten gefeiert.
Weihnachten kann man natürlich gar nicht oft genug feiern,
schon weil man sich dann gegenseitig besuchen kann.
Die Weihnachtsgeschichte ist zum Glück noch in vollem Gange.
Es gibt aber nicht nur verschiedenen Weihnachtstermine,
sondern in der Christenheit von Anfang an
auch unterschiedliche Vorstellungen darüber,
wie Gott zur Welt kommt.
In der bekannten Weihnachtsgeschichte nach dem Evangelisten Lukas,
kommt Gott zur Welt - im wahren Sinne des Wortes -
als Christkind in der Krippe:
"Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und Stroh...“
Im biblischen Originalton ist diese Weihnachtsgeschichte
die schönste Geschichte der Welt.
Und seit der christliche Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert
den Geburtstag Jesu auf den 25. Dezember festlegte,
hat sich die Feier des göttlichen Kindergeburtstages
an diesem Tag in der westlichen Welt durchgesetzt.
Bei Christen und bei Heiden.
In Tokyo und Jerusalem. In Sidney und Toronto.
Und Weihnachtsbäume sah man heuer vermehrt selbst in Istanbul!
Doch wenn alle Erwartungen und alle Phantasien auf das Christusfest -
mehr noch auf den Heiligen Abend davor - fixiert sind,
dann ist das für viele Menschen ein Problem.
Viele Menschen können mit der weihnachtlichen Idylle
von der heiligen Familie nichts mehr anfangen.
Sie sind ohne Familienkontakt, ohne Gäste, allein.
Eine alleinstehende alte Dame sagte
nach dem Familiengottesdienst am Heilig Abend:
"Es war wieder wunderschön,
aber bei mir gibt es kein Weihnachten.
Mein Mann liegt auf dem Friedhof,
und die Tochter ist in Amerika;
was mir bleibt, ist Sehnsucht und Erinnerung,
das ist meine Realität."
Ich bin davon überzeugt,
dass es gerade in solchen Situationen weiterhilft,
das es auch andere Vorstellungen davon gibt,
wie Gott zur Welt kommt.
Deshalb sind die Adventszeit und die Epiphaniaszeit so kostbar.
In diesen Zeiten ereignet sich auch Gottes Kommen in die Welt und
sie helfen das Christfest als Erscheinungsfest zu verstehen und zu erleben.
Am Erscheinungsfest, an „Epiphanias“, feiern wir
die Geburt des ewigen Lichtes, das den ganzen Kosmos erhellt.
Christus erscheint nicht als Kind,
sondern das Licht der Welt, als Stern in der Finsternis,
als Herr über Krankheit und Tod –
allen Menschen, allen Tieren auch: dem ganzen Kosmos.
Das heißt: Weihnachten ist für alle da,
nicht nur für die intakten Familien
und für die sentimental berührten Erwachsenen
und auch nicht nur für die kirchlichen Insider.
Solange sich auch nur ein Mensch
vom zeitlichen und ewigen Glück ausgeschlossen fühlt,
ist diese Geburt noch nicht zu Ende.
An Weihnachten 2015 hieß es in den Predigen:
„Denn es ist erschienen
die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.“ (Titus 2,11)
Ein Satz. Nur ein Satz.
Ein Satz, der in einer großen, atemberaubenden Bewegung
die ganze Geschichte erzählt.
Die Geschichte vom Kindlein in der Krippe - aber ohne Krippe
die Geschichte vom großen Gott - aber ohne Pathos
der das Kleine nicht scheut - aber ohne Verniedlichung
von den Menschen aus allen Völkern,
die diesem Kinde glauben – aber ohne Kniefall.
Menschen, die sich geborgen wissen bei Gott – ohne den Kopf zu verlieren.
Weihnachten ist für alle da.
Das klingt so einfach, fast billig.
Und doch könnte es sein,
das über diesen Satz ein Mann Jahre lang gebrütet hat,
von dem wir vorher wissen, dass er die Christen verfolgt hat
und der später ihr glühendster Prediger wurde: Paulus.
Nach seiner Christuserscheinung in Damaskus
zieht sich Paulus für Jahre nach Antiochien zurück
- und kein Mensch weiß, was er dort tat.
Bis heute meinte man,
er hätte dort eine christliche Gemeinde geleitet,
aber es gibt dafür nicht den leisesten Hinweis.
Den unermüdlich Predigenden, den reisenden, den Kirchenlehrer,
man konnte sich nicht vorstellen, was er dort tat.
Er tat nichts. Er dachte nach.
Ich vermute er dachte über den Satz nach:
Weihnachten ist für alle da.
Vermutlich hätte er gesagt: Christus ist für alle da.
„Für alle“ bedeutete damals:
nicht nur für das auserwählte Volk, die Juden,
sondern auch für die Heiden, also alle anderen.
Wenn man rückblickend die Konsequenzen bedenkt,
die aus dieser Öffnung einer jüdischen Sekte zur Weltreligion folgte,
dann ist sehr gut zu verstehen,
dass sich Paulus lange aus sein Geheimnis besann,
dann aber gab er es kund.
Paulus schreibt an seine Gemeinde in Ephesus:
"Ihr habt ja gehört,
welches Amt die Gnade Gottes mir für Euch gegeben hat:
Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kund gemacht worden.
Dies war in früheren Zeiten
den Menschenkindern nicht kundgemacht,
wie es jetzt offenbart ist,
seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist;
nämlich dass die Heiden Miterben sind
und mit zu seinem Leib gehören
und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind
durch das Evangelium." (Eph 3,2-3a.5-6)
Christus ist für alle da.
Weihnachten ist für alle da.
Die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland illustriert das.
Es geht um das Sehen und Erleben der Herrlichkeit Gottes
bei den Menschen aller Religionen, Rassen und Klassen.
„Das Geheimnis“ ist dabei immer wieder neu:
Ausgestoßene, Aussiedler, Außenstehende,
Ausländer, Aussätzige, Ausgehungerte,
Ausgebeutete, Ausgebootete, Ausgefallene,
Ausgegliederte, Ausgenutzte,
Ausgezehrte und Auseinandergehende:
alles was „aus“ war, ist wieder „in“:
alle sind eingeschlossen in die Liebe Gottes in Jesus Christus.
Der Kirchenvater Augustinus preist Epiphanias
als "den letzten großen Schöpfungstag" und sagt:
"Nicht untergehen wird die Sonne seines gnädigen Erscheinens,
ehe fröhlich aufleben alle gebrochenen Menschenherzen
samt der seufzenden Kreatur."
So beginnt auch die Litanei der Mönche auf dem Berg Athos
bis zum heutigen Tag mit den Worten:
"Gottes schöne neue Welt,
heute wird sie geboren,
heute ist der Tag des Lichts,
neu werden alle Menschen und die Welt heil,
denn Gott erscheint,
und weltweit will er entzünden
das innere Licht geliebten Lebens."
So weit, so schön.
Paulus der Völkerapostel hat die Völker
im Laufe vieler Jahrhunderte zu Menschenrechtsaposteln gemacht.
Die Idee universaler Wertegemeinschaft, Leib Christi,
ist über die Heiden in die säkulare Weltgemeinschaft übergegangen
und hat sich dort verwirklicht.
Wenn wir fragen welche Werte es denn sind,
für die sich die moderne westliche Welt neuerdings auf Kriegsfuß begibt,
dann sind es individuellen Freiheitsrechte, Religionsfreiheit,
Meinungsfreiheit, Schutz der Verfolgten und Medizin für alle.
Wenn die jeunesse doré in Paris allabendlich flaniert und feiert,
dann mag das anstößig wirken,
für die wirtschaftlich und mental Ausgeschlossenen,
aber trotzdem ist dieses Feiern ein Vorschein eines Lebensgefühls
das für alle Menschen bestimmt ist.
Wenn das Leben der reichen Länder aber diese Perspektive für alle verliert
und der Reichtum selbst zum höchsten Wert aufsteigt,
dann ist das innere Licht vom Evangelium her erloschen
und der abendliche Trubel wird zur Maske von Zynismus und Gleichgültigkeit.
Der Weihnachtsstern darf nicht mit dem Wohlstand weniger
verwechselt werden und der Heiland nicht zur Lichterreligion
nächtlicher Lumineszens depraviert werden!
Da ist dann doch die Weihnachtsgeschichte wichtig.
Sie birgt das kritischer Potential. Sie erdet. Inkarniert.
In ihr werden die schmutzigen Windeln, die Banlieues, nicht übergangen.
Die Sternsinger halten die Erinnerung an das himmlische Licht,
das der Welt ihr Leben gibt, wach.
Wenn sie ihr "C+M+B" über die Haustüren schreiben,
so bedeutet das vermutlich nicht ursprünglich:
Caspar, Melchior, Balthasar -
wie die Legende die sogenannten Könige benannt hat - ,
sondern Christus Mansionem Benedicat - Christus segne dieses Haus.
Im winterlichen Tirol können sie einem begegnen,
die Kinder-Könige mit ihrem Stern
und einer schönen silbernen Sammelbüchse aus der Barockzeit.
Darauf steht die Inschrift:
"Christus König - Leben der Welt".
Auch der Anfang ihres schlichten Gesanges
ist noch von echter Epiphanias-Ausstrahlung:
"Licht strahlt aus jedem Haus.
Lasst uns nach den Kindern sehn,
überall ist Bethlehem,
überall scheint Gottes Stern,
kein Mensch ist der Liebe fern."
Ebenso angemessen sind die Missionsfeste,
die sich in unserer evangelischen Kirche mit dem Erscheinungsfest verbinden.
Der Missionsgedanke freilich, der zu Epiphanias gehört,
heißt nicht: "Gehet hin und belehret alle Völker", sondern:
"Gehet hin und lernet, nehmt auf bei euch und lehrt.“
Ob wir schon verstanden haben,
was Paulus so universell verbreitet sehen will: das Evangelium der Völker?
Wenn der Westen der Welt denkt, er hat's
und er braucht nur noch zum anderen zu gehen,
um auszupacken, dann ist das genau das Gegenteil von dem,
was am Erscheinungsfest geschieht:
Damals kamen die Leute von sich aus,
weil sie spürten, dass da etwas Erhellendes sein könnte.
Dieser Glaube leuchtet schon im Alten Testament auf,
wenn davon gesprochen wird,
dass die Völker dereinst zum Zion ziehen werden,
die Völkerscharen angezogen werden von dem Licht der Erkenntnis,
um sich miteinander zu versöhnen und Frieden zu finden.
Ich wünschte mir, dass es mit unserer Kirche ebenso wäre,
dass sie aus sich heraus leuchtet in ihren Gottesdiensten,
Trauungen, Taufen und auch bei Beerdigungen.
Dass die Menschen kommen, von sich aus,
um vielleicht etwas zu entdecken, Frieden zu finden,
um Vergebung zu bitten, das Herz zu durchwärmen - zu beten.
Nur wenn alle Handlungen der Kirche
aus diesem einen Gesichtspunkt heraus geschehen,
wird sie attraktiv, wird sie anziehend.
Ich denke an den Besuch des Bischofs
der evangelisch-lutherischen Kirche Boliviens
in Schwäbisch Gmünd vor vielen Jahren.
Mich hat gefesselt, wie er von den Missionaren berichtet hat:
wie sie gekommen sind und gepredigt haben,
und die Menschen haben gespürt,
dass da etwas enthalten ist,
was sie berührt und angeht,
und sie haben sich ihnen angeschlossen.
Dann aber sind andere Kirchen gekommen,
die anders gepredigt und anders gelehrt haben
und die bolivianischen Christen waren verwirrt.
Da haben sich - von sich aus - drei junge Männer
aufgemacht zur allergrößten Stadt ihrer Kontinents
und sie sind nach Mexiko-City gegangen,
um dort Theologie zu studieren
und um nun selber nach den Quellen
und dem Ursprung dieser Lehre zu forschen und zu fragen,
und sie haben ihrem Volk dann Christus gebracht in einer Weise,
wie das ihr eigenes Volk verstehen und aufnehmen konnte.
Da sehe ich eine wirkliche Epiphanias-Erfahrung,
wie trotz der verschiedenen Verkündigungen
etwas von einem Licht sichtbar und deutlich wird,
das Menschen dazu bewegt, selber danach vertieft zu suchen.
Während heute viele über den Rückgang
traditioneller Frömmigkeit klagen,
beobachte ich einen erstaunlichen Anbruch der Epiphanien-Zeit.
Schon seit Jahren wurde ein Großteil unserer Amtshandlungen
von Leuten in Anspruch genommen,
die den Kirchen mindestens so ferne stehen,
wie die Astrologen aus dem Morgenland -
wahrhaft urchristliche Zustände.
Wenn zum Beispiel Eltern, die keiner Kirche angehören,
ihre Kinder zur Taufe bringen, kann ich nur staunen.
Ich frage nicht mehr "warum", seit mir einmal erklärt wurde:
"Gottes Liebe ist doch wohl für alle da."
Oder da kommt ein Brautpaar - er war früher einmal katholisch,
und sie, eine Muslima, eröffnet das Traugespräch mit der Frage:
"Kann Ihr Gott auch segnen?"
Ja, es gibt doch wohl nur einen Gott, der segnet,
und alle Religionen sind wohl etwas zu klein für seinen Segen -
und können ihn nicht allein für sich beanspruchen.
Ja, im Lichte des hellen Morgensterns kommen Menschen zusammen.
Und was mich immer wieder am meisten überrascht:
Dieses Licht scheint tatsächlich auch mitten in der Finsternis.
Eine sterbende junge Frau sagte:
"Bleiben Sie da und bleiben Sie ehrlich,
und ersparen Sie sich und mir alle frommen Worte,
es ist bereits hell genug,
und die Kraft kommt von da, wo sie herkommt."
Das alles sind für mich echte Erscheinungsfeste.
Es gibt so viele davon, berufliche und ganz private.
Ich wünsche auch Ihnen, liebe Gemeinde,
viele Erscheinungsfeste,
bei denen Ihnen ein Licht aufgeht.
Und viel eigene Ausstrahlung von da.
Ich wünsche allen wirkliche Erleuchtung,
die auch die Schatten der Ängste und des Todes überstrahlt.
Menschwerdung Gottes bedeutet
Lichtwerdung der Menschen und Heilwerden der Menschen.
Die Weihnachtsgeschichte ist zum Glück noch in vollem Gange. Amen
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Paulus oder Pegida? - Predigt zu Epheser 3,2-3a.5-6 von Martina Janßen
Paulus oder Pegida?
I. Unter welchem Stern dieses Jahr wohl steht? Viele sind skeptisch. Zu viele Bilder von Krieg, Terror und Flucht aus dem letzten Jahr geistern noch in unseren Köpfen herum. Welche Neuigkeiten werden wir dieses Jahr in den Schlagzeilen lesen? Welche Wahrheiten für unser Leben erkennen? Was wird sich verändern? Am Anfang eines neuen Jahres drängen sich solche Fragen besonders auf. Doch sie werden und wurden zu jeder Zeit überall auf der Welt gestellt. Auch in der frühen Kirche. Der Apostel Paulus spricht von einer Neuigkeit, die damals die Kirche und das Bild von Gott verändert hat und die bis heute nicht verjährt ist.
„Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist, nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.“ Mit den Heiden sind wir gemeint. Das mag schon lange vergessen und ganz selbstverständlich sein, weil in Deutschland, in Europa, überall auf der Welt Christen leben. Damals war das neu. Dass Heiden, also Nicht-Juden, zum auserwählten Volk Gottes gehören, war nicht selbstverständlich. Unumstritten war es in der frühen Christenheit auch nicht. Viele meinten, nur Juden können Christen werden. „Die Heiden sind doch anders als wir, sie gehören nicht zu unserem Gott, zu uns. Sie sind unrein und haben ihre eigenen Götter. Das macht Probleme. Wir bleiben lieber unter uns. Wenn wir zu tolerant sind, verraten wir die Wahrheit und Gott. Besser wir lassen es so wie es ist, dann sind wir auf der sicheren Seite.“
Paulus war mutiger. Das war sicher nicht immer leicht. Wenn man für andere Türen öffnet, kann es sein, dass sich für einen selbst Türen schließen. Das hat Paulus riskiert und Anfeindungen ertragen. Was ihn wohl dazu gebracht hat? Man könnte sich viele Gründe ausdenken. „Wenn wir die Heiden in unsere Kirche lassen, dann wir werden größer, mächtiger, reicher, wichtiger, das fördert unser Wachstum und macht uns zukunftsfähig. Das kann für alle eine Win-Win-Situation werden. Wenn wir die Heiden in unsere Kirche lassen, wird sie vielleicht bunter, spannender und lebendiger.“ In all diesen Überlegungen liegt Wahrheit und Überzeugungskraft, gewiss. Aber damit argumentiert Paulus hier nicht. Sondern er sagt: „Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat. Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden.“ Durch Offenbarung also ist er drauf gekommen. Die glaubt man, der vertraut man, der folgt man wie einem Stern, der einen ins Licht führt. Der Rest bleibt Geheimnis.
II. Schon in der Geburtsgeschichte suchen die Heiden Gott. Die heiligen drei Könige kommen aus der Ferne. Aus dem Morgenland. Sie folgen dem Stern und der Offenbarung in ihrem Herzen, sie vertrauen sich dem Geheimnis an. Als solche, die nicht zum heiligen Volk Gottes Israel gehörten, sind sie nach Bethlehem gekommen und haben bei Gott Heimat gefunden. Damals waren sie fremd. Heute gehören sie dazu, sind ein vertrautes Bild und aus unseren Weihnachtskrippen kaum wegzudenken.
Auch zu uns kommen heute Menschen aus der Fremde, die nicht dazu gehören. Keine Könige, sondern Flüchtlinge. Sie haben andere Traditionen, oft einen anderen Glauben und doch treten sie in unsere Gesellschaft und in unser Leben. Sind wir dafür offen? Wenn man sich die Spaltung in unserem Land vor Augen führt, können einem schon Zweifel kommen. Im Internet habe ich einen Cartoon entdeckt. Da ist die Krippe mit der heiligen Familie zu sehen. Und die heiligen drei Könige mit ihren Geschenken auf dem Weg dahin. Dazwischen steht eine Gruppe von Menschen, einer trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Pegida“, und sie sagen zu den heiligen drei Königen mit abweisender Geste. „Eine Delegation aus dem Morgenland kommt überhaupt nicht in Frage.“ Paulus hätte anders gehandelt. Er hätte sich nicht zwischen das Kind, zwischen Gott, und die Fremden gestellt, sondern sie an die Hand genommen und ihnen den Weg gezeigt. „Unser Gott ist auch für euch da. Ihr seid Miterben und gehört zu ihm und seid Mitgenossen der Verheißung.“ So hat er es damals zu den Heiden gesagt.
Das ist nicht nur Toleranz. Sondern Mut zu einer neuen Wahrheit. Paulus mutet den anderen und dem gängigen Gottesbild durchaus etwas zu. Denn es ist nicht bequem, wenn sicher Geglaubtes aufgebrochen und zu einem Neuen hin geöffnet wird. Paulus sagt: Gott ist anders, weiter und größer als wir bisher zu fassen glaubten. Woher nimmt er diesen Mut? Woher nimmt er sich das Recht, anderen diese Wahrheit zuzumuten? Durch theologische Studien, durch interreligiöse Diskurse, durch persönliche Begegnungen? Nein, das alles spielt kaum eine Rolle. „Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat. Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden.“ Aus der Offenbarung also hat er den Mut genommen. Die glaubt man, der vertraut man, der folgt man wie einem Stern, der einen ins Licht führt. Der Rest bleibt Geheimnis.
III. Paulus oder Pegida? Wo stehen wir? Halten wir es mit Paulus und öffnen wir unsere Gesellschaft, unsere Herzen, unseren Gott? „Unsere Welt ist auch für euch da. Ihr seid Miterben und gehört dazu und seid Mitgenossen unserer Hoffnung auf eine friedliche Welt.“ Das erfordert Mut, das geht nicht ohne Konflikte und das verändert alle. Aber es kann alle bereichern. Paulus hat damals die Kirche für andere Vorstellungen geöffnet und diese haben die Kirche nicht nur verändert, sondern ihr geholfen zu wachsen, nicht unterzugehen, sondern sich auszubreiten in alle Welt. Wenn wir wie Paulus den Mut haben, uns für andere zu öffnen und sie einzuladen in unsere Welt, unser Leben, unsere Hoffnung, dann kann das auch unsere Gesellschaft bereichern. Dabei muss niemand seine Identität oder seinen Glauben aufgeben. Jeder kann nach seiner Façon selig werden. Gott ist weiter und größer als wir zu fassen glauben. Das zu wissen kann tolerant machen. Das hat schon Friedrich II damals gesehen. „Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie bekennen, ehrliche Leute sind, und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen.“
Machen wir es wie Paulus oder halten wir es mit Pegida und weisen andere ab? „Die sind doch anders als wir, sie gehören nicht zu uns. Die haben ihre eigenen Traditionen und einen anderen Gott. Das macht Probleme. Wir bleiben lieber unter uns. Wenn wir zu tolerant sind, verraten wir unsere Identität. Besser wir lassen es so wie es ist, dann sind wir auf der sicheren Seite.“ Hinter solchen Worten steckt oft Angst. Mit solchen Standpunkten wähnt man sich frei von Problemen. Aber genau das kann riskant sein. Genau das kann eine Sackgasse sein. Wer nur unter sich bleibt, bleibt stehen und am Ende vielleicht allein.
IV. Das neue Jahr stellt uns vor Herausforderungen. Das gilt für die großen Fragen in unserer Gesellschaft und für das Zusammenleben in unserer kleinen Welt. Wie halte ich es im neuen Jahr? Paulus oder Pediga oder etwas dazwischen? Bleibe ich bei mir, bei meiner eigenen Wahrheit und meiner Sicherheit? Oder habe ich den Mut, mir und anderen etwas Neues zuzumuten? Ich weiß, dass mich das fordert, vielleicht manchmal überfordert, dass mich das verletzbar macht und Kraft kostet. Aber ich weiß auch, dass es sich lohnt, mich für andere zu öffnen, auch ihre Wahrheit zu sehen und mich gemeinsam mit ihnen auf den Weg zu einer ganz neuen Wahrheit zu machen. Und die ist anders, weiter und größer als das was wir bisher zu fassen glaubten. Davon bin ich überzeugt. Ich könnte soziologische Studien zitieren oder wirkmächtige Bilder bemühen, ich könnte Beispiele nennen oder logisch argumentieren und ich könnte die Geschichte zu meinem Zeugen aufrufen. Das alles könnte ich, ohne Frage. Aber all das ist nicht entscheidend für meine Überzeugung, dass wir Menschen in Toleranz und Frieden zusammen leben können und dass eine neue, bessere Welt möglich ist. Diese Überzeugung kommt nicht aus meinem Kopf oder meiner Erfahrung, sondern tief aus meinem Herzen. „Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden.“ An die glaube ich, der vertraue ich, der folge ich wie einem Stern, der mich ins Licht führt. Der Rest bleibt Sehnsucht. Mit ihr beginnt alles, jedes Jahr, jeden Tag, jede Stunde, hier und jetzt.
Amen
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Die Eine Welt im Licht Gottes - Predigt zu Epheserbrief 3,2-3a.5-6 von Friedrich Hauschildt
Die Eine Welt im Licht Gottes
Liebe Gemeinde,
(1) das Jahr 2016 steht in den evangelischen Kirchen in unserem Lande unter dem Motto „Reformation und die Eine Welt“. Dabei wird das schlichte Zahlwort „eine“ in diesem Motto programmatisch mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. Dass alle Völker auf dieser Erde zu der Einen Welt gehören, einen – hoffentlich friedlichen - Gesamtzusammenhang bilden, ist eine schöne und faszinierende Vorstellung, ein erstrebenswertes Ziel - auch wenn wir einräumen müssen, dass wir in der Realität davon noch weit entfernt sind.
Dass wir Menschen auf diesem gefährdeten blauen Planeten an einem Strang ziehen sollen, ist in der Gegenwart nicht nur eine schöne Vorstellung, ein wünschenswertes Ideal, sondern eine Notwendigkeit, ja eine Überlebens-Notwendigkeit.
Früher ahnten wir nicht, was auf der anderen Seite des Globus geschah, es hatte für uns im Alltag auch kaum eine Bedeutung. Heute ist das anders. Die wirtschaftliche und politische Lage im Sudan oder in Äthiopien hat für uns in Europa spürbare Auswirkungen. Menschen von dort wissen sich keinen anderen Ausweg, als bei uns Zuflucht zu suchen. Unser aufwändiger Lebensstil hat Konsequenzen anderswo. Ob in Afrika oder Südamerika Kleinbauernfamilien überleben können, hängt auch von unserem Verhalten ab. Die Welt braucht es, dass wir an einem Strang ziehen. Dass wir Erdbewohner ohne Unterschied und gemeinsam Kinder Gottes sind, denen diese Erde gemeinsam auf Zeit anvertraut ist: diese Sicht des Lebens erweist sich auf überraschende Weise als immer bedeutsamer. Die herkömmliche Aufteilung in eine erste, eine zweite, eine dritte und gar eine vierte Welt, die sich gegeneinander abgrenzen, wird der Realität immer weniger gerecht. Aber: Wir sind noch ziemlich weit davon entfernt, die Eine Welt Gottes auch wirklich in der Praxis zu leben.
(2) Das Festhalten an Unterschieden und sich daraus ergebende Konflikte kennzeichnen diese Erde schon von Anfang an. Schon Adam – noch im Paradies - schiebt, als er von Gott gefragt wird, die Schuld auf seine Frau Eva, grenzt sich gegen sie ab, weil er meint, dass ihm das einen Vorteil bei Gott verschaffen könnte (vgl. 1. Mose 3, 9-12). Und bei ihren Kindern Kain und Abel kommt es bereits zum ersten Mord in der Menschheitsgeschichte (1. Mose 4). Die beiden sind zwar Brüder, aber sie sind trotzdem sehr verschieden, und aus Verschiedenheit und Vergleichen entstehen schnell Neid, Haß und Aggression. Unterschiede und Abgrenzungen begleiten anscheinend unvermeidlich die Geschichte der Menschheit im Privaten wie zwischen Gruppen und Nationen. Der Andere, der Fremde löst Ängste, löst das Bedürfnis sich abzugrenzen, ja Aggression aus. In unserem Land werden immer wieder Unterkünfte für Asylanten angezündet. Unterschiede werden für unvereinbare Interessensgegensätze gehalten. Die, denen es gut geht, fühlen sich bedroht. Dabei könnten die Unterschiede doch auch eine ungeheure Bereicherung sein – auch das erleben Menschen in unserm Land. Aber häufig werden die Unterschiede wie Waffen gegeneinander missbraucht.
Was Fremdheit bedeutet und welche Folgen sie mit sich bringt, kann man sich am Schicksal des Volkes Israel klar machen. Es war in seiner Geschichte ständig von schweren Konflikten bedroht. Die Zeiträume, in denen es in Freiheit und im Frieden mit seinen Nachbarn leben konnte, waren nur kurz. Noch heute lebt Israel in einer schier unlösbaren Konfliktsituation. Wie steht es bei uns mit der Einen Welt?
Gewiss: Es gibt heute viele gute Bemühungen, z.B. in der UNO, zu gemeinschaftlichen Absprachen, zur Rücksichtnahme und zu tragfähigen Konfliktregelungen zu kommen. So hofften wir in den letzten Jahrzehnten, Krieg und Terror könnten endlich überwunden werden. Aber die geradezu teuflische Macht des Hasses zeigt zu unserem Erstaunen in letzter Zeit immer wieder ihr hässliches Gesicht. Sie hat nach wie vor und scheinbar neu einen überraschend starken Einfluss auf menschliche Herzen sowohl bei Tätern wie bei Opfern. Wir scheinen von der Einen Welt weit entfernt zu sein.
Warum haben die Bemühungen um Frieden und Entwicklung in Freiheit so wenig Erfolg? Warum bewirkt der Hinweis auf die Menschenrechte so wenig? Warum erweist es sich als so schwierig, so ein bescheidenes Ziel wie das eines Interessenausgleiches zu erreichen? Die Argumente für friedliche Regelungen liegen auf dem Tisch. Aber von woher kommt die Kraft, das, was wir im Kleinen wie im Großen als richtig und notwendig erkannt haben, auch zu tun, in die Wirklichkeit umzusetzen?
(3) „Die Heiden, die Ungläubigen sind Miterben, sie gehören mit zum Leib Christi, sie sind Mitgenossen der Verheißung“: mit diesem erstaunlichen, provokativen Satz bezieht der Verfasser der Epheserbriefes, wahrscheinlich ein Schüler des Apostels Paulus, eine klare Position. Gleich dreimal fällt das kurze und unscheinbare Wörtchen „mit“: die Heiden sie sind Miterben, sie gehören mit zum Leib Christi, sie sind Mitgenossen. Ein solcher Satz ist brisant, kann Ärger und Empörung bei denen auslösen, die sich in ihren Vorrechten eingerichtet haben. Man denke nur an die Debatte, die sich an dem Satz „der Islam gehört zu Deutschland“ entzündet hat.
Wie sind solche Sätze richtig zu verstehen? Wie lässt sich solche Zusammengehörigkeit begründen, so plausibel machen, dass sie nicht mehr Angst und Abwehr auslöst? In der Politik gibt es immer wieder zwei typische Begründungen. Die eine beruft sich auf die Vernunft: „Wir müssen schon aus eigenem Interesse um des Friedens willen zu einem Ausgleich der Interessen kommen, zu einem Kompromiss. Beide Seiten müssen zurückstecken, es muss ein mittlerer Weg gefunden werden. Das nützt allen Beteiligten.“ Niemand verachte die Bereitschaft zum Kompromiss. Kompromisse stehen zwar oft im Geruch, Ausdruck von Schwäche zu sein. Aber nicht selten erfordert es eher Mut, Kompromisse einzugehen.
Eine andere Spielart der Begründung lautet so: „Keinem Menschen darf die angeborene Würde des Menschseins abgesprochen oder verweigert werden. Es gibt über alle Unterschiede hinweg eine tiefe Gemeinsamkeit aller menschlicher Wesen.“ Und wer sich von einem Fremden dessen ganz persönliches Schicksal erzählen lässt, der kann von solcher Gemeinsamkeit ganz konkret auf herzbewegende Weise ergriffen werden.
(4) Worin sieht der Verfasser diese tiefe Zusammengehörigkeit aller Menschen begründet? Er widerspricht den vernünftigen Begründungen nicht. Aber er geht über die Gedanken des Interessensausgleichs oder der angeborenen Menschenwürde noch hinaus. Der Grund unserer Zusammengehörigkeit liegt noch tiefer als in der Natur des Menschen, seiner Vernunft oder in Nützlichkeitserwägungen. Der Grund liegt im Geheimnis aller Wirklichkeit selbst, in Gott.
Gott hat schon von altersher durch seinen Propheten angekündigt, dass am Ende der Zeiten „alle Heiden“ zum Berg Gottes „herzulaufen“ werden (Jesaja 2,2). Die Heiden, so heißt es beim Propheten Jesaja, werden zu Gottes Licht ziehen (Jesaja 60,3). Das ist mehr als eine Überzeugung aus menschlicher Vernunft. Gott selbst hat dieses Geheimnis uns „in einer Offenbarung kundgemacht“ (Eph. 3, 3). Es ist eine Überzeugung, die sich uns nicht aus uns selbst erschließt, sondern durch den Geist offenbart werden muss (V. 5.), so drückt sich Paulus aus.
Warum ist das so? Wir sind dazu aufgerufen, auf Blindheit, auf Überlegenheitsgefühle, auf Hartherzigkeit zu verzichten, sie abzutun. Dass Gott allen Menschen nahe sein will, muss sich erst gegen unseren menschlichen Egoismus durchsetzen. Wir sollen uns dazu innerlich überwinden lassen. Wir müssen lernen, uns in die Anderen hineinzuversetzen, weil sie genauso Kinder Gottes sind wie wir. Wir sollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst.
(5) Der Apostel Paulus und seine Schüler sind – wie kann es anders sein - Kinder ihrer Zeit mit deren Herausforderungen. Sie stehen vor der Aufgabe zu zeigen, dass innerhalb der christlichen Gemeinde ehemalige Juden und frühere Heiden über die alten tiefgreifenden Unterschiede hinweg nun eine Gemeinde, den einen Leib Christi bilden. Das war für die damalige Zeit unerhört. Unsere Zeit steht vor einer neuen Herausforderung. Gibt es eine Gemeinsamkeit über alle religiösen Grenzen und Unterschiede hinweg? In der Gegenwart gibt es anscheinend unlösbare Konflikte zwischen ethnisch und religiös unterschiedlichen Gruppen. Wie sollen Juden und Palästinenser in Palästina friedlich zusammenleben können – niemand weiß eine praktikable Antwort.
Wo ist die Kraft, die Verfeindete zu Mitgenossen, ja zu Sympathisanten macht, also zu Menschen, die miteinander fühlen, bereit sind, sich in den anderen einzufühlen. Das ist uns offensichtlich aus eigener Kraft verborgen, ein Geheimnis. „Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“ (Jesaja 60, 2). Wir brauchen das Licht, das über uns aufgeht, und unsere Blindheit überwindet.
Gott wurde Mensch in dem kleinen Städtchen Bethlehem. Die dort verkündigte Botschaft gilt nicht nur den Hirten von Bethlehem. Das dort aufgegangene Licht lässt sich nicht auf einen verborgenen Winkel der großen Welt begrenzen. Die Menschenfreundlichkeit Gottes will die ganze Welt erleuchten, das Leben aller Menschen soll in diesen hellen Schein geraten. Gottes Menschenfreundlichkeit strahlt heller als menschliche Vorzüge, menschliche Macht und Vernunft. Sie erscheint über aller Welt. Nun liegt dieser Glanz auf aller Welt, auf der Einen Welt Gottes. Amen.
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Predigt zu Epheser 5,15-21 von Karl Hardecker
Liebe Gemeinde,
wer sich so richtig in der Tretmühle fühlt, der wünscht sich doch nur eines: einmal richtig frei zu sein und ohne Termine, ohne Verpflichtungen, einfach in den Tag hineinzuleben. Und wer dann einmal richtig frei hat und nicht nur ein, zwei Tage, sondern drei, vier Wochen oder Monate, der sehnt sich schnell nach einer Ordnung und Struktur, nach einem Tagesablauf, der ihm Halt gibt.
Feste Gewohnheiten helfen uns, unseren Alltag zu bestehen, zu wissen, was wir tun, nachdem wir aufgestanden sind, was nach dem Frühstück folgt, was unsere Ziele sind an diesem Tag. Wenn wir unseren Alltag jeden Tag neu erfinden müssten, fiele uns das schwer.
Wer in den Ruhestand geht oder dort schon eine Weile ist, kennt das. Anfangs mag alles wie Urlaub sein, aber spätestens nach zwei Monaten braucht es neue Ziele und verlangen unser Tage nach einer Einteilung und Struktur.
Denn ohne eine solche Strukturierung unserer Tage fehlt uns die Orientierung und der Halt. Diese Gefahr sieht der Schreiber des Ephesusbriefes. Es geht ihm also nicht darum, den Alkohol oder andere Genüsse zu verbieten. Es geht ihm um die fehlende Orientierung, um eine drohende Haltlosigkeit. Denn das können wir aus eigener Beobachtung bestätigen: Menschen, die ganz abhängig sind von Alkohol, Tabletten, vielleicht auch von ihrer Arbeit, sind nur noch mit sich selbst beschäftigt. Ihre Tagesstruktur wird ihnen von ihrer Sucht diktiert. Ihre Freiheit haben sie verloren.
Diese Freiheit gilt es wiederzugewinnen.
Nur wie soll das gehen? Wo können wir lernen unseren Alltag zu strukturieren? Hier können wir die Schöpfungsgeschichte als ein Lernprogramm verstehen. Sie beschreibt einen Strukturierungsprozess und bekennt Gott als dessen steuernde Kraft. In sechs Tagen erschafft Gott seine Schöpfung und ordnet sie und verleiht ihr eine Struktur. Und im Übrigen verordnet er sich selbst den siebten Tag als Ruhetag, als Auszeit.
Wenn wir Menschen nach einer Ordnung unseres Alltags suchen, so machen wir etwas ganz ähnliches: wir strukturieren unsere Zeit, wir ordnen unsere Tage. Unsere Orientierungslosigkeit, unsere Tatenlosigkeit, unsere Einsamkeit würden uns sonst zerstören. Deshalb brauchen wir den Geist Gottes, der uns hilft unser Leben zu ordnen und es so vor der Zerstörung zu bewahren.
Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf, der seinem Leben nach einer unheilbaren Tumorerkrankung ein Ende setzte, beschreibt die letzte Zeit, die ihm die Krankheit noch ließ. Seine Texte tragen den Titel: Arbeit und Struktur. Arbeit und Struktur halfen ihm zwar nicht seine Krankheit zu besiegen, aber über seine schweren Tage hinweg zu kommen.
Unser Leben braucht Struktur. Jesus hat so Kranke geheilt, auch psychisch Kranke, dass er den Dämonen und bösen Geistern ihren Platz zuwies und so ihrem Leben eine Struktur und Ordnung gab. In Jesu Geist hat sich dann eine Kirche gebildet, die mit ihren Strukturen den Menschen zum Leben verhelfen möchte. Das Fest, das wir heute feiern, ist ein schönes Beispiel dafür: es bietet eine Struktur, einen Rahmen, in dem wir uns bewegen und einander begegnen können. Nun können wir den Rahmen füllen und miteinander reden und uns miteinander freuen. Beides muss zusammen kommen: eine sinnvolle Ordnung und Begegnungen, die diese Ordnung mit Leben erfüllen. Doch wie soll diese Ordnung und Struktur denn aussehen? Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen, lesen wir im Epheserbrief, macht euch Mut zum Leben und helft einander dazu, im Gegenüber zu Gott und eurem Mitmenschen zu leben. Verkriecht euch nicht, tretet aus euch heraus und aufeinander zu. Lasst euch vom Geist Gottes erfüllen!
Sucht also nach Ordnungen, die euer Leben sinnvoll machen, Ordnungen, die euch erlauben, eure Zeit zu gestalten und das Leben miteinander zu teilen.
An dem Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe haben wir dabei einen Anhalt. Diese Gebote helfen uns unser Leben zu ordnen. Diese Ordnung wird uns gut tun.
Wir werden uns dann nicht länger nur mit uns selbst beschäftigen. Wir werden frei sein und wir werden aufschauen können und hinschauen zu unserem Nächsten. Dann wird unser Lebensraum groß genug sein, damit andere neben uns und mit uns leben können und von unserer Zeit und unseren Gaben profitieren. Eine Ordnung und Struktur im Geiste Jesu wird so aussehen, dass der Schwache und Bedürftige neben uns seinen Platz erhält und findet.
Die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Tage zerstören Ordnungen und Ordnungsstrukturen in gewaltigem Ausmaß. Zehntausende von Menschen hatten noch vor einigen Jahren eine sinnvolle Ordnung, in der sie lebten und ihren Alltag gestalten konnten: in Homs, in Aleppo und bis vor kurzem auch in Kobane.
Diese sinnvollen Strukturen hat der Krieg zerstört. Zu Zehntausenden sind diese Menschen geflohen und leben jetzt in Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon oder an der türkischen Grenze. Eine ganze Reihe von ihnen wird zu uns kommen. Dann sind wir gefragt, ob wir unsere Strukturen, unsere sinnvollen Ordnungen, die wir uns geschaffen haben, Alltagsstrukturen, aber auch gesellschaftliche Strukturen wie Rechtssicherheit oder unser Gesundheitswesen, teilen wollen, ob wir bereit sind, diesen Menschen zu helfen wieder eine Struktur für ihr Leben zu finden. Wir können dazu beitragen, dass diese Welt nicht im Chaos und in der Zerstörung versinkt, sondern dass Gottes gute Schöpfung weiter bestehen kann und in Gottes Geist jeden Tag neu erschaffen und erhalten werden kann. Amen
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Von Einheit und Vielfalt - Predigt zu Epheser 4,1-6 von Katja Dubiski
„Von Einheit und Vielfalt“
keine Einigung in Sicht
Vor ein paar Wochen wurde in der Paulskirche in Frankfurt eine Ausstellung mit dem Titel „Frieden geht anders!“ eröffnet. Organisiert von der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau.
Frieden geht anders! Ausrufezeichen.
Vor allem dieses Ausrufezeichen hat mich neugierig gemacht. Was für ein Selbstbewusstsein hinter diesem Ausrufezeichen steckt! Drückt es doch einen Anspruch aus, es besser zu machen. Eine konkrete Vorstellung davon zu haben, was zu tun ist. Und das zu einem so komplexen Thema!
„Frieden geht anders!“ Aber – anders als was eigentlich? Und besser als wer? Und – wie soll das genau gehen?
Bei der Ausstellungseröffnung gab es Orangensaft und Sekt, ein Streichquartett hat gespielt. Das Publikum bestand größtenteils aus engagierten Kirchenmitgliedern. Es gab mehrere Grußworte und einen Vortrag.
Während des Vortrags wurde mein Sitznachbar, ein älterer Herr, immer unruhiger. Erst brummelte er vor sich hin, dann tuschelte und raunte er halblaut seiner Begleitung seinen Widerspruch zu. Der Redner vorne erläuterte unter anderem die verfassungsrechtlichen Bedingungen für militärische Einsätze der Bundeswehr und erwähnte auch Fragen, die sich daraus im Zusammenhang mit Waffenlieferungen ergeben. Neben mir grummelte es immer lauter und schließlich unterbrach mein Sitznachbar lautstark den Vortrag: „Frieden geht anders!“ Einige Anwesende murmelten beifällig, andere machten deutlich, dass sie keine Störung wünschten, sondern den Ausführungen des Redners weiter folgen wollten. Nach einigen Minuten allgemeiner Unruhe fuhr der Redner in seinem Vortrag fort.
Beim anschließenden Empfang und beim ersten Rundgang durch die Ausstellung war die Atmosphäre weiterhin emotional, die Diskussionen angeregt. War die Wahl des Redners die richtige? War es angemessen, den Vortrag auf diese Weise zu stören? Hatten sich die Veranstalter mit dem Titel der Ausstellung übernommen? Und – Waffenlieferungen ja oder nein?
Eine Einigung war an diesem Abend nicht in Sicht.
… sodass aus vielen eine Einheit wird
Liebe Gemeinde,
heute Abend feiern wir gemeinsam den Semesteranfangsgottesdienst. Nach Wochen des vor-sich-hin-arbeitens, mehr oder weniger ohne Sitzungen und Lehrveranstaltungen, mit weniger Kontakt untereinander, kommen wir aus allen Himmelsrichtungen wieder hier zusammen – zum Gottesdienst an der Universität.
Für manche von uns ist dies seit Jahren der wohl-bekannte Rhythmus. Manche kommen schon seit langem hier in den Uni-Gottesdienst und sind schon lange in Bochum und an der Ruhr-Universität zuhause. Ist in diesen Tagen wohl etwas neu für sie – oder ist alles so wie immer? Mit welchen Gefühlen starten sie in das neue Semester?
Für andere ist heute und in diesen Tagen alles neu. Neue Gesichter, neue Wege und Räume, vielleicht ein ganz neuer Lebensabschnitt. Empfinden sie das wohl als aufregend und spannend? Oder eher als beängstigend?
Wir alle sind die evangelische Universitätsgemeinde.
Wir sind Kirche an der Universität.
Und uns zusammengewürfelten Haufen erreichen heute Abend Worte zu Ein-heit der Kirche.
Ich lese aus dem Epheserbrief, Kap. 4, die Verse 1-6:
1 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, daß ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, 2 in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe 3 und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: 4 ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; 5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; 6 ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
auseinander-setzen statt ver-einheit-lichen
Siebenmal „Ein-heit“.
Und dazu Demut, Sanftmut, Geduld und Liebe.
Die Ersten winken vielleicht innerlich schon ab.
Siebenmal „Ein-heit“?
Das klingt doch nach etwas viel Harmonie.
Das klingt fast nach Einheitlichkeit.
Dabei schätzen wir an der Universität doch gerade, dass verschiedene Argumente vorgebracht werden. Dass es hier Raum gibt für unterschiedliche Sichtweisen, für angeregte Diskussionen. Einheitliches Denken würde den wissenschaftlichen Austausch verhindern. Es ist die Un-einheitlich-keit, die für die Wissenschaft geradezu lebensnotwendig ist. Von Uneinheitlichkeit und neuen Ideen lebt die Wissenschaft! Hier muss am Ende der Diskussion nicht eine Meinung stehen. Kein sanfter Konsens. Kein Kompromiss. Hier kann vielmehr die Aussicht stehen – ja, eine durchaus freudige Aussicht – , dass morgen weiter diskutiert wird. Und übermorgen…
Ich gehe davon aus, dass, wer an der Universität unterwegs ist – egal ob als Studierende oder Lehrende –geradezu Lust hat an der engagierten Auseinandersetzung.
Und Einheitlichkeit ablehnt.
Und vor Einigkeit vielleicht eher zurückschreckt.
Das macht es umso reizvoller, die Worte aus dem Epheserbrief zu bedenken.
Denn neben der Diskussionslust gibt es ja auch die andere Seite: das Leiden daran, dass man sich nicht einig wird. Auch nicht in der Kirche. Gerade nicht in der Kirche.
Ich vermute, den meisten von Ihnen fällt sofort das eine oder andere Thema ein, bei dem Sie selbst emotional werden und hitzig diskutieren. Die ein oder andere Person, mit der sie sich immer wieder un-einig sind. Und immer wieder auch genau daran leiden: Dass die Auseinandersetzung verletzt und beide Seiten mit Blessuren auseinander gehen. Oder dass ein Gespräch vorschnell abgebrochen wird, um eine Harmonie zu wahren, die eigentlich gar nicht besteht.
Diskussionslust und Streitfrust existieren nebeneinander. Der Grat zwischen ihnen ist manchmal schmal.
Gottes „zuerst“
Was bedeutet also die Ermahnung, „Einigkeit im Geist“ zu wahren, für uns diskussionsfreudige und manchmal auch konfliktfrustrierte Mitglieder der Universitätsgemeinde?
Dietrich Bonhoeffer formuliert eine Beschreibung der „Einheit der Gemeinde“, die diese Ambivalenz nicht beschönigt. Freudvolle Auseinandersetzungen sind genauso innergemeindliche Realität wie leidvolle. So zu tun, als wären wir uns alle einig, ist da nicht sinnvoll. Aber gerade deshalb ist die Einheit so schwer zu fassen. Bonhoeffer schreibt, sie bleibe „im Unanschaulichen“. Ich verstehe das so: Diese Einheit kann wider unseren Verstand sein. Wider unser Gefühl. Und sie ist dennoch real. An ganz unerwarteter Stelle ist sie zu erahnen. Aber hören Sie Bonhoeffer selbst:
„Die Geist-Einheit der Gemeinde […] ist nicht durch […] Gleichartigkeit [oder] Seelenverwandschaft ermöglicht oder mit Stimmungseinheit zu verwechseln, sie ist vielmehr gerade dort wirklich, wo die scheinbar härtesten äußeren Gegensätze walten, wo jeder sein ganz individuelles Leben führt, sonst sie ist vielleicht gerade dort nicht, wo sie am meisten zu walten scheint. Sie kann aus dem Kampfe der Willen viel heller leuchten als aus der Einigkeit. Da, wo der eine sich am anderen stößt, könnte es leicht dahin kommen, daß sie an den erinnert werden, der über ihnen beiden Einer ist, und in dem sie beide einer sind. Dort, wo Jude und Grieche streiten in der völligen Verschiedenartigkeit ihrer psychologischen Struktur, ihrer Empfindung und Erkenntnis, gerade dort ist durch Gottes Willen die Einheit gesetzt (Gal 3,28).“[1]
So weit Bonhoeffer.
In aller Uneinigkeit sind wir Ein-heit.
Im Epheserbrief ist diese Ein-heit in dem Einen in Bildern beschrieben:
Die Gemeinde ist der Leib, dessen Haupt Christus ist.
Die Gemeinde ist der lebendige Bau, dessen Schlussstein Christus ist.
Und sie wird in sieben Facetten beschrieben.
ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung
ein Herr, ein Glaube, eine Taufe
ein Gott und Vater aller
Das ist die von Gott zuerst gesetzte Einheit.
zuerst:
Ein-heit
dann:
bewahrt die Ein-heit
wenn das so einfach wäre
Bewahrt die Einheit. Wenn das so einfach wäre!
Es sind große Worte, mit denen im Epheserbrief beschrieben wird, wie das geschehen soll:
Demut, Sanftmut, Geduld.
Ertragt einander. In Liebe.
Das sind große Worte.
Ich möchte keines davon klein reden. Ich glaube, dass sie tatsächlich ein Hinweis darauf sind, wie
wir Ein-heit der Kirche in unserer ganzen Unterschiedlichkeit verkörpern können. Wie wir Ein-heit trotz aller Un-Einheitlichkeit verwirklichen können.
Das sind große Worte.
Was könnten sie hier und heute bedeuten?
Demut – trotz allem danach suchen, ob es vom anderen etwas zu lernen gibt?
Sanftmut – eindeutig bei der Sache bleiben? Und dabei friedfertig sein? Friedfertig bei der Sache bleiben?
Geduld – immer und immer wieder das Gespräch suchen? In Kontakt bleiben?
Ertragt einander in Liebe – an die Grenze dessen gehen, was man noch ertragen kann? Daran zweifeln, ob man diese Meinung überhaupt noch ertragen kann?
Und sich dann erinnern.
An Gottes zuerst:
ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung
ein Herr, ein Glaube, eine Taufe
ein Gott und Vater aller
Wenn das so einfach wäre.
setzt euch in Liebe aus-einander
Die Ausstellung in Frankfurt „Frieden geht anders!“ wird übrigens ihrem Ausrufezeichen gerecht. Sie zeigt anhand verschiedener Stationen der jüngeren Geschichte, wie durch kreative Ideen und durch Ausdauer sich hier und da neue Lösungswege fanden und der Friede sich durchsetzte. Und ich gehe davon aus, dass viele dieser Ideen und Aktionen in hitzigen Debatten entstanden sind.
Das und die Auseinandersetzungen am Eröffnungsabend selbst haben mir Mut gemacht. Es war an diesem Abend keine Einigung in Sicht, das nicht. Aber die Diskussionen waren eingebettet in eine gemeinsame Hoffnung. Das Gespräch brach nicht ab. Das Ringen um den richtigen Weg war ein gemeinsames. Und ich meine, darin etwas geahnt zu haben von der Einigkeit im Geist.
Also:
Lasst uns in diesem Semester wieder herzhaft diskutieren – die verschiedensten Argumente und die unterschiedlichsten Positionen. Und lasst uns darum ringen, was es heute bedeutet, der „Leib Christi“ zu sein. Was es für Kirche heute heißt, die „Einigkeit im Geist“ zu wahren.
Und uns dabei immer wieder in Erinnerung rufen: Wir sind zu einer gemeinsamen Hoffnung berufen.
Und es ist Gottes Friede, der uns zusammenhält.
Amen.
[1] Dietrich Bonhoeffer, Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche, hg. v. Joachim von Soosten, Berlin 1986, 128f zit. n. Ursula Kannenberg, Einheit in Vielfalt, in: Studium in Israel e.V. (Hg.), Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext VI, Wernsbach 2013, 356-359, hier: 356.
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Predigt zu Epheser 5,15–21 von Bernd Vogel
„So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit.
Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen
und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.“
(Lutherbibel 1984)
Ja, ja – der Lebenswandel guter Christen:
die Zeit nutzen für Sinnvolles
nach Gottes Willen fragen
Alkohol nur in Maßen
fromme Lieder singen äußerlich und innerlich „im Herzen“
dankbar sein
und sich einander (!) unterordnen …
Die Weisheit der Perikopenschneider (derer, die festgelegt haben, wo ein Predigttext anfängt und aufhört) hat es gefügt, dass weggelassen wurde, was jetzt erst folgt und so richtig interessant klingt:
„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn.
Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat.
Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen.
Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben, um sie zu heiligen.“ (VV 22 – 26).
An diesem Tonfall erkennt die Mehrheit der Bibelwissenschaftler, dass der Brief des ‚Paulus‘ an die Epheser in der Tradition des Paulus steht (oder stehen soll), keinesfalls aber von Paulus stammen kann. Es sei denn, derselbe Mann wäre im 1. Korinther- und im Römerbrief ein theologischer Revolutionär: „In Christus“ sind Frauen und Männer grundsätzlich gleichen Rechts! - und im Epheser- und Kolosserbrief ein konservativer Gemeindeleiter, ein patriarchales Kind seiner Zeit: Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter …!“
Nun ist diese Fortsetzung des Predigttextes ausgespart. Predigerin und Gemeinde brauchen sich nicht abzumühen mit schwierigen Ausführungen über das Patriarchat zur Zeit des Apostels und die kulturell und politisch bedingten Veränderungen im Geschlechterverhältnis in Deutschland seit ca. 50 Jahren.
Sollen wir stattdessen lieber über den Alkoholgebrauch und – missbrauch nachdenken? Immerhin ein schönes Wortspiel: Berauscht euch nicht am Weingeist, lasst euch lieber mit heiligem Geist abfüllen!
Liebe Gemeinde, ihr habt den Text des Apostels gehört, wie auch immer er heißt.
--
Was wäre noch zu sagen?
Vielleicht eine Frage: Was ist für dich oder euch oder Sie ein guter Ratschlag?
Ist es ein guter Ratschlag, wenn ein Mann zu seiner Frau sagt: „Nun nimm es dir doch nicht so zu Herzen!“ ?
Was sagt ein Mensch zu einem anderen eigentlich mit diesem Ratschlag? Er sagt: Dass du so betrübt bist, liegt ganz an dir selber. Du selber bist verantwortlich dafür. Nimm es dir einfach nicht so zu Herzen. Das darf doch nicht zu schwer sein!
Und lass mich mit dir und deiner Betrübnis in Ruhe.
Kein guter Ratschlag.
Was wäre für dich ein guter Ratschlag?
Haben Sie schon einmal in Ihrem Leben einen richtig guten, einen wichtigen, einen wegweisenden Ratschlag gehört?
Wenn ja: Von wem kam dieser Ratschlag? Wer war dieser Mensch für Sie? Und wie war er oder sie für dich?
Was war denn das Gute an dem Ratschlag?
Steckte viel Wissen in dem Ratschlag?
Oder war es viel Lebenserfahrung?
Oder lag die Qualität dieses Ratschlages gar nicht so sehr in dem, was dieser Mensch dir gesagt hat?
War es eher die Art und Weise, in der er dir einen Rat gab?
Wenn ja: Wie war denn die Art und Weise?
Eine Predigt ist leider ein Monolog … Darum kann ich meine Fragen jetzt nur selber beantworten. Und hoffe, dass du etwas damit anfangen kannst.
Ich habe selten gute Ratschläge in meinem Leben gehört. Sicher: Kleinere Tipps für kleine Alltagsfragen – das schon. Fahr doch nächstes Mal nicht unbedingt morgens um 8 Richtung Hamburger Elbtunnel. Da ist immer Verkehrsstau. So was in der Richtung. Ich bin selber ein Tipp – Geber. Fürchterlich. Ein Problemlöser. Männer denken: Probleme müssen gelöst werden. Frauen wissen: Die wichtigeren Probleme sind meistens nicht lösbar. Menschen müssen sie aushalten. Das Beste aus der Situation machen. Mit anderen darüber sprechen. Darum sprechen Frauen stundenlang über Probleme, während Männer das Handy zücken oder den Schraubenschlüssel holen. Aber das Leben ist anders.
Ich habe selten gute Ratschläge in meinem Leben gehört.
Führe dein Leben weise! sagt der Briefschreiber. Bitte, was heißt denn das? Das griechische Wort für „weise“ ist „sophos“. Philosophie kommt daher: Die Liebe zur Weisheit.
Führe dein Leben weise! Wenn mir das jemand sagte, käme es nur bei mir an, wenn der- oder diejenige glaubwürdig für mich wäre. Lebenserfahrung müsste er haben. Ich müsste an ihm oder ihr absehen können, was es bedeutet, das Leben nicht zu vermeiden, sondern wirklich zu leben!
Dann könnte vielleicht .. bei mir die Frage entstehen: Wie macht der das? Kann ich das auch?
Und dann könnte mir der Ratschlag zu Herzen gehen. Vielleicht.
Nutze die Zeit (kaufe die Zeit aus!). Carpe diem! Eine alte römische Lebensweisheit. Für sich genommen noch kein guter Ratschlag. Mit was soll ich denn den Tag verbringen, für welche Ziele die Zeit nutzen? „Kaufe die Zeit aus!“ könnte in Frankfurt auf dem Schreibtisch eines Bankenchefs stehen … aber das ist sicher nicht gemeint. Was aber dann?
Eine Warnung vor Müßiggang? Eine indirekte Ermunterung zur Erwerbsarbeit? Wer keine Arbeit hat, könnte sich darüber ärgern. .. Und wer eine hat – auch. Denn vielleicht wäre dieser Rat viel angemessener: Gönne dir Zeit für Müßiggang. Lass doch einmal Zeit vergehen. Übe damit die Gelassenheit. Das Leben ist kurz. Ja. Aber warum sollte man darum in Stress geraten? So wird das Leben auch nicht länger, nicht intensiver, nicht schöner, nicht hoffnungsfroher..
Sauft euch nicht voll Wein … Wer Alkoholiker ist, weiß, dass solche Appelle wenig nützen. Abhängigkeit ist nicht mit Maßhalten zu lösen, sondern mit begleitetem Entzug.
Und wer kein Alkoholiker ist oder gerade wird … was soll der anfangen mit diesem Rat? Meine Empfehlung – aber ich bin ja kein Apostel – ist an alle Nicht – Alkoholiker eher: Ein guter Single Malt Whisky verleitet nicht zum „Saufen“ und rundet herrlich den Tag ab. Gott sei’s gedankt!
Ja, Gott danken mit Liedern im Herzen. Sich erfüllen lassen vom Heiligen Spiritus. Das ist ein guter Rat. Ich nehme ihn gern von einem, der mit mir nach dem Abendgebet noch einen Whisky teilt …
Im Laufe von 2000 Jahren Christentum haben die moralischen Tipps und Regeln der Bibel nicht immer zum Besten gedient. Leider oft eher im Gegenteil. Ein Heer von Philosophen und Psychologen hat Argumente gesammelt gegen ein lebensverkümmertes Christentum. Die Leute haben einfach keine Lust mehr auf dieses Mittelmaß – Christentum.
Und alles war ein Missverständnis. Wir sollen Paulus und alle die anderen nämlich nicht als Ratschläge für unser Leben lesen. Wir können aber mit ihnen in ein ernsthaftes Gespräch eintreten. Wir sollen nicht wiederholen und gebetsmühlenartig und unbedacht an andere weitergeben, was wir selbst kaum leben. Wir sollen aber fragen und mit einander darüber streiten, was denn zum vollen Menschsein im Sinne Jesu dazugehört. Vom Alkohol und der Sexualität bis zum Umgang mit Geld. Vom Gebetsleben bis zum politisch wirksamen Engagement.
Wir sprechen nicht – mit dem echten Paulus – vom Gott am Kreuz, vom gekreuzigten Christus, um dann etwas Lebensmoralin daraus zu saugen.
Und wer fähig sein soll, sich einander unterzuordnen, der muss erst einmal selbstbewusst wissen, wer er oder sie selber ist!
Auf einer Fortbildung hörte ich den Unterschied von englisch „importance“ – deutsch: wichtig sein (wollen) – und „to be essential“ – deutsch mit Goethe: „Mensch, werde wesentlich!“. Die Frage war dann: Wissen wir, wie wesentlich wir sind?
Für andere. Für Gott. Für uns selbst. Einfach so.
Ich hielt diese Frage für einen guten Ratschlag und nahm sie mir zu Herzen. Amen.