Predigt zu Matthäus 22, 23-33 von Angelika Überrück

Predigt zu Matthäus 22, 23-33 von Angelika Überrück
22,23-33

Liebe Gemeinde,
Am Anfang dieses Gottesdienstes haben wir die Namen aller derer, die im vergangenen Kirchenjahr aus unserer Gemeinde gestorben sind, vorgelesen. Dazu haben wir jeweils eine Kerze angezündet als Erinnerungszeichen. Wir erinnern uns an die vielen Menschen, die nun nicht mehr unter uns leben. Wir erleben an diesem Sonntag in Gedanken noch einmal die schwersten Stunden des vergangenen Jahres. Alte Wunden brechen wieder auf. Gemeinsame Erlebnisse und Begebenheiten tauchen vor unserem inneren Auge auf und auch der Tag der Beerdigung.
Viele von Ihnen sind in den letzten Tagen oder heute noch mal am Grab des Verstorbenen. Tränen werden geweint. Schon überwunden geglaubte Trauer wird noch einmal wach. Denn der Tod hat viele Pläne zunichte gemacht. Er hat Gemeinsamkeiten zerstört. Der Tod ist und bleibt ein Angriff auf unser Leben. Und jeder Tod eines Menschen stellt uns vor die Frage: Was kommt danach? Gibt es ein Leben nach dem Tod - für die Verstorbenen und für uns? Und wie kann das aussehen?
In unserem Predigttext heute kommen Sadduzäer, eine religiöse jüdische Gruppe, zu Jesus und stellen auch diese Fragen. Sie konfrontieren ihn mit der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt und wie es aussieht. Der Predigttext steht im Matthäusevangelium im 22. Kapitel, die Verse 23-33.

(Text lesen!)

Liebe Gemeinde,
was kommt nach dem Tod? Und wie sieht das Leben nach dem Tod aus? An diese Fragen scheiden sich seit jeher die Geister.
Eine Meinung repräsentieren die Sadduzäer. Sie glaubten nicht an eine Auferstehung von den Toten. Sie gingen davon aus, dass mit dem Tod alles zu Ende ist. Tot ist tot. Das ist eine Vorstellung, die uns auch oft begegnet. Ihre Anhänger haben in den letzten Jahren zugenommen. Diese Haltung führt dazu, dass immer häufiger Beisetzungen ohne Trauerfeiern stattfinden. Auch die Zahl der namenlos Beigesetzten, wo die Angehörigen keinen Ort mehr für die Trauer haben, nimmt zu und immer mehr  Menschen ohne Angehörige werden irgendwo beerdigt und nicht einmal die Kirchengemeinde erfährt davon. Tot ist tot.
Die Sadduzäer wollen Jesus deutlich machen, dass es keine Auferstehung geben kann, indem sie ein sehr ungewöhnliches Beispiel wählen: eine Frau, die nacheinander mit sieben Brüdern verheiratet war. Und sie fragen Jesus nun, wem die Frau bei der Auferstehung der Toten gehört. Man merkt der Frage deutlich an, dass sie voraussetzen, dass Jesus darauf keine überzeugende Antwort geben kann. Man merkt der Frage auch an, dass keiner der Fragenden persönlich durch den Tod betroffen ist. Denn wer persönlich betroffen ist, der stellt die Frage anders. Der fragt: Ist der Verstorbene ganz weg? Oder wird es ein Wiedersehen mit den Verstorbenen geben?
Auf die Frage der Sadduzäer und auch auf unsere Fragen antwortet Jesus: Das Leben nach dem Tod ist nicht die Fortsetzung des irdischen Lebens sondern etwas ganz anderes. Die Sadduzäer versuchen ja nur das irdische Leben über den Tod hinauszudenken. Etwas ganz anderes Neues wollen sie sich nicht vorstellen.
So ein Denken ist uns auch nicht fremd. Wir wünschen uns ja auch manchmal, dass der oder die Verstorbene im Himmel weiter mit den bereits verstorbenen Verwandten, Freunden  und Nachbarn zusammen sitzt, dort z.B. Doppelkopf spielt und fröhlich ist, wenn wir das schon nicht mehr mit ihm können. Ist das denn so falsch?
Jesus sagt: In der Welt der Auferstandenen ist alles anders, da braucht man nicht mehr zu heiraten, da braucht man all das, was unser menschliches Leben hier bestimmt, nicht mehr. Auferstehung hat mit Verwandlung zu tun. Es ist eine neue Lebensweise.
Es wird also ganz anders im Himmel. So die Antwort Jesu gegen die Sadduzäer und unsere Vorstellungen, dass es im Himmel so weitergehen müsste wie auf der Erde.

Aber wie sieht das Leben dann aus im Himmel, wenn es nicht so aussieht wie unser menschliches Leben? Ein paar Hinweise gibt unser Predigttext da schon noch.
Im Himmel, so Jesus,  leben die Menschen wie Engel.
Die Vorstellung, dass wir im Himmel als Engel leben, begegnet mir in vielen Gesprächen immer wieder. Nach dem Tod ist der Verstorbene ein Engel im Himmel und schaut auf uns herunter. So erzählen es viele ihren Kindern oder Enkeln.
Aber was tun die Verstorbenen eigentlich als Engel im Himmel? Die Aufgabe von Engeln ist es vor allem Gott zu loben. Aber diese Vorstellung wird von vielen eher als Karikatur gesehen. Da werden dann die Verstorbenen als Engel auf einer Wolke mit einer Harfe in der Hand dargestellt. Sie dürfen nichts anderes tun als da sitzen und jubilieren. Ob es noch andere Aufgaben für Engel gibt, z.B. ob sie als Boten Gottes tätig werden, oder Menschen beschützen, wissen wir allerdings tatsächlich nicht. Darüber sagt Jesus auch nichts, wenn er sagt: wir werden wie Engel sein. Sondern er meint damit nur: wir werden ein verwandeltes Äußeres haben und ganz nah bei Gott sein. Wie das genau aussieht, weiß keiner. Aber es wird sicherlich schön sein, denn sonst würde Jesus nicht sagen, dass es ganz anders ist als unser irdisches Leben mit all seinen Problemen und all dem, was uns belastet.

Und weil eben keiner weiß, wie das Leben bei Gott aussieht, haben sich Menschen zu allen Zeiten Gedanken gemacht und haben es sich ausgemalt, wie denn dieses Leben bei Gott sein kann. Denn Phantasien und eigene Bilder dürfen wir uns machen. Die brauchen wir, um dem Tod etwas entgegen setzen zu können.
Da finden wir in der Bibel, u.a. auch in den Texten für den heutigen Sonntag oder in den Lesungen, die wir bei den Beerdigungen immer wieder hören, die Vorstellung von einer Welt ohne Leid, ohne Tränen, ohne Krankheit, ohne Geschrei und ohne Tod. Da gibt es das Bild von einem unsterblichen Leib, mit dem wir alle ausgestattet werden. Da heißt es, dass man im Himmel Gott begegnen und seine Stimme hören kann und dass da eine ganz spezielle Wohnung für einen jeden von uns vorhanden ist.
Und weil schon die Bibel das Sein bei Gott so unterschiedlich beschreibt, haben sich Menschen auch zu allen Zeiten weiter ihre Bilder vom Himmel gemacht. Sie kennen vielleicht einige.
Der Maler Matthias Grünewald hat z.B. ein Bild von der Auferstehung gemalt, die das Sein hier auf der Erde in dunklen kalten Farben und die Auferstehung in den Himmel hinein, hinein in warme helle Farben darstellt.
Das Lied: „Geh aus, mein Herz“ von Paul Gerhardt hofft, dass Gottes Welt viel schöner ist als unsere schönsten Gärten, dass es dort ein goldenes Schloss gibt und man fröhlich miteinander singt.
Auch Liedermacher haben sich das Leben nach dem Tod vorgestellt. Mir fallen Lieder von Reinhard Mey und Eric Clapton ein, die je eine Vorstellung vom Leben nach dem Tod enthalten.
Der Sänger Reinhard Mey hat das Leben nach dem Tod in dem Lied: „Du hast mir schon Fragen gestellt“ folgendermaßen beschrieben:
„Ich stelle mir das Sterben vor so wie ein großes, helles Tor, durch das wir einmal gehen werden. Dahinter liegt der Quell des Lichts, oder das Meer, vielleicht auch nichts, vielleicht ein Park mit grünen Bänken. Doch eh‘ nicht jemand wiederkehrt und mich eines Bess‘ren belehrt, möcht‘ ich mir dort den Himmel denken. Höher als Wolkentürme steh‘n, höher noch als Luftstraßen geh‘n, Jets ihre weißen Bahnen schreiben, jenseits der Grenzen unsrer Zeit, ein Raum der Schwerelosigkeit, ein guter Platz, um dort zu bleiben. Fernab von Zwietracht, Angst und Leid, in Frieden und Gelassenheit, weil wir nichts brauchen, nichts vermissen. Und es ist tröstlich, wie ich find‘, die uns vorangegangen sind, und die wir lieben, dort zu wissen. Und der Gedanke, irgendwann auch durch dies Tor zu geh‘n, hat dann Nichts Drohendes, er mahnt uns eben, jede Minute bis dahin, wie ein Geschenk, mit wachem Sinn, in tiefen Zügen zu erleben.“
Der Sänger Eric Clapton betrauert im Lied „Tears in Heaven“ den Tod seines Sohnes und stellt Fragen, wie es wohl sein wird, wenn man sich im Himmel wiedersieht.
„Wirst du meinen Namen kennen, wenn ich dich im Himmel sehen werde?
Wird es dasselbe sein, wenn ich dich im Himmel sehen werde?
Wirst du meine Hand halten, wenn ich dich im Himmel sehen werde?“
Und dann setzt er seiner tiefen Trauer und seinen vielen Fragen seine Hoffnung vom Leben nach dem Tod entgegen:
„Jenseits der Tür ist Frieden, da bin ich mir sicher und ich weiß, im Himmel wird es keine Tränen mehr geben.“
Ich denke, es gibt noch viel mehr Bilder - persönliche Bilder -, die alle ihr Recht haben und die getragen sind von der Hoffnung, dass es nach dem Tod ein Leben bei Gott gibt.

Auch wenn viele Fragen offen bleiben, auch wenn wir wenig konkret wissen über die Auferstehung und das Leben bei Gott, ist Jesus in unserem Predigttext ein Gedanke noch ganz wichtig. Für Jesus ist unbezweifelbar, dass Gott die Toten auferwecken wird, weil er ein Gott ist, der die Menschen von jeher immer und überall begleitet hat. Jesus zitiert Worte aus dem 2. Buch Mose: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Und als Kommentar dazu sagt er: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“  Die Betonung, liebe Gemeinde, liegt auf dem kleinen Wort: „bin“. Es heißt nicht: „Ich war der Gott Abrahams, sondern ich bin“. D.h. doch: Gott bleibt. Gott ist lebendig. Gott macht lebendig. Er bleibt über die Generationen hinweg. Tote sind für ihn nicht vergessen und die Lebenden können auf ihn vertrauen. Gott bleibt bei denen, die gestorben sind, er bleibt aber auch bei uns.

Was kommt nach dem Tod? Und wie sieht das Leben nach dem Tod aus? Diese beiden Fragen versucht der Predigttext zu beantworten, allerdings nicht so, dass wir nun genau sagen könnten, wie unsere Verstorbenen leben. Ob sie Engel sind, wie sie als solche aussehen, was sie tun, wie der Himmel aussieht. Das wissen wir als Menschen nicht, wir können es uns nur in Bildern immer wieder vorstellen. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so wichtig, wenn wir darauf vertrauen, dass auf jeden Fall Gott auf uns wartet, der uns auch schon hier auf dieser Erde führt und leitet, der unsere Tränen sieht und uns Kraft und Hoffnung geben will. Amen
 

Perikope
24.11.2013
22,23-33

Der Glaube hilft - Predigt zu Matthäus 22, 23-33 von Jens Junginger

Der Glaube hilft - Predigt zu Matthäus 22, 23-33 von Jens Junginger
22,23-33

„Der Glaube hilft“

„Blick in die Ewigkeit...“ lautet der Titel eines mehrere hundert Seiten starken Buches. Geschrieben hat es ein Medizinprofessor an der renommierten amerikanischen Havard- Universität. Er hat darin seine Erfahrungen während eines 7-Tage dauernden Komas festgehalten.[1] Er ist nicht der erste, der über seine Nahtoderfahrungen schreibt.

Die Wissbegierde darüber, worüber wir nichts wissen, über den Tod, ist enorm. Noch viel mehr in einer Zeit wie der unsrigen, in der Zahlen, Daten, Fakten nahezu lebensentscheidend zu sein scheinen. Wir wollen wissen, messen, planen und Risiken und Nebenwirkungen im Griff haben.

Also auch den Tod. Und das, was danach kommt.

Der Mediziner gibt sich in seinem Buch als jemand aus, der nach seiner Nahtoderfahrung als bekehrter, frommer gläubiger Mensch detailgenau beantworten kann, wie es ein wird.

Er hat einen Blick ins Jenseits geworfen.

Sein Werk verkauft sich gut. Ein fantastischer Ausflug in ein mitunter etwas schlichtes kitschiges Wunderland hinter dem Horizont, sagen Leute, die das Buch gelesen haben.

Die Sadduzäer, eine Gruppe gut situierter Gelehrter zurzeit Jesu, hatten ihren – wie sie meinen - begründeten Zweifel an der Auferstehung. Und damit sind sie auch heute nicht die einzigen. Ich lese einen Abschnitt aus dem 22. Kapitel des Matthäusevangeliums (nach der Übersetzung der Basisbibel):

An demselben Tag kamen Sadduzäer zu Jesus. Diese Leute behaupten, dass es keine Auferstehung der Toten gibt. Sie fragten Jesus: 24"Lehrer, Mose hat gesagt: 'Wenn ein Mann stirbt, der keine Kinder hat, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und so dem Verstorbenen Nachkommen verschaffen.' 25Nun gab es bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb kinderlos. Deshalb heiratete sein Bruder die Witwe. 26Ihm erging es genauso. Auch dem dritten bis hin zum siebten. 27Als Letzte von allen starb auch die Frau. 28Bei der Auferstehung der Toten nun: Mit wem von den Sieben wird die Frau dann verheiratet sein? Alle haben sie ja zur Frau gehabt." 29Jesus antwortete ihnen: "Ihr irrt euch! Ihr kennt weder die Heiligen Schriften, noch wisst ihr, wie groß Gottes Macht ist. 30Wenn die Menschen vom Tod auferstehen, werden sie nicht mehr heiraten und nicht mehr geheiratet werden, sondern sie werden leben wie die Engel im Himmel. 31Was aber die Auferstehung der Toten angeht – wisst ihr nicht, was Gott euch gesagt hat: 32'Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.' Gott ist doch nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden." 33Die Volksmenge hatte Jesus zugehört. Sie war von seiner Lehre tief beeindruckt.

Die Frage nach der Auferstehung der Toten begegnet uns am unmittelbarsten, wenn wir unsere Toten begraben. Auf dem Friedhof.

Im Laufe des heute zu Ende gehenden Kirchenjahres waren einige von ihnen bei Begräbnissen und Beisetzungen auf dem Friedhof. Trauernd, Abschied nehmend.

Langsam geht man von der Trauerhalle in Richtung Grab. Alle schweigen. Der Tod eines Menschen ist bedrückend und stimmt nachdenklich. Er, sie, ist nicht mehr unter uns, ist nicht mehr ansprechbar. Braucht auch einen nicht mehr. Und es wird einem selbst bewusst: „wir alle müssen sterben“, unser eigenes Leben ist begrenzt.

Die Grabsteine sind stille Zeugen. Sie tragen Namen, Jahreszahlen. Sie erinnern an Menschen, die vor uns gelebt haben. Sie säumen den Weg der eigenen Trauer. Viele sind es, unzählige. Vielfach gelebtes Leben.

Es ist beschwerlich dem Tod so unmittelbar nahe zu sein. Jüngere Menschen halten es kaum aus.

Ich erinnere mich an einen solchen Gang zum Grab. Wenige Wochen ist es her: Vereinzelt fallen Blätter von den Bäumen. Auch sie haben ihre Zeit des Grünens und Entfaltens hinter sich. Ihre Lebenskraft ist dahin.

Goldgelbe Blätter winken noch von den Bäumen. Sonnendurchleuchtet schwingen sie an den Ästen. Und die, die zu Boden schweben, die fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten.[2]

Wärmende Herbstsonne, die goldenen Blätter, ein leiser Windhauch – um uns. Die Dunkelheit des Todes, das Schwarz der Trauernden, die Schwere des Augenblicks – in uns. Zwei gegensätzliche Stimmungen: Tod und Leben, Trauer und Licht in einem. oder: Leuchtet da „Die güld‘ne Sonne, voll Freud und Wonne“? Dem Tod zum Trotz ? Der Liederdichter Paul Gerhardt empfindet in der letzten Strophe zu diesem Lied die güld‘ne Sonne auch als Ausdruck für: Freude die Fülle und selige Stille wird mich erwarten im himmlischen Garten, dahin sind meine Gedanken gericht‘.

Die Sadduzäer – wir haben es gehört - halten jeglichen Gedanken, jegliches Bild, jegliche Vorstellung darüber, was nach dem Tod ist, für gänzlich abwegig. Das illustrieren sie an einem – wie ich finde - etwas bewusst konstruiertes, geradezu absurdes Szenario: An der Beispielgeschichte einer mehrfach verwitweten, wieder verheiratete und dann verstorbene Frau. Die Wiederheirat mit den jeweils Verwandten der verstorbenen Männer diente in der damaligen patriarchalen Welt dazu, dass Frauen existentiell, materiell und sozial geschützt und gesichert bleiben sollten.

Dass man auch alleine auf eigenen Füßen stehen kann, war unvorstellbar und tatsächlich so gut wie nicht möglich.

Wenn alle auferstehen, die Frau und die verstorbenen Ex-ehemänner? Wessen Ehefrau ist sie dann? fragen die Sadduzäer. Jesus zeigt gegenüber solchen Vorstellungen klare Kante: „Ihr irrt“. Ihr habt ein völlig irrige Vorstellung, denn wenn die Menschen vom Tod auferstehen, werden sie nicht mehr heiraten und nicht mehr geheiratet werden. Eine Fortsetzung des gelebten Lebens, einfach eine Weiterführung der Beziehungen, von Partnerschaften, Familienleben von Freundschaften oder Feindschaften, so wie sie gepflegt wurden von Kungeleien und Rivalitäten, von Vetterleswirtschaft und Korruption, von Zoff und Spannungen, von Menschenhandel und Rassismus von Ausbeutung und Erniedrigung einfach unter ein bisschen anderen Bedingungen  – das wird nicht sein.  Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen Sie werden leben wie die Engel im Himmel sagt Jesus. Er öffnet einen weiten Raum für schönes, heiteres, verrücktes auch, für einen beflügelnden Glauben für ein gelassenes Vertrauen darauf, dass danach eben nicht alles aus ist. Vielmehr werden da neue Freiräume eröffnet, für Selbsterkenntnisse und Fremderkenntnisse, für Gespräche, für Geselligkeit, für viel Zeit und für ein besseres Verstehen.  

Der Theologe Karl Barth hoffte als Wissenschaftler ganz darauf im Himmel Kollegen treffen zu können, die vor ihm gelehrt hatten, gegen die er sich deutlich abgegrenzt hatte.

Er stellte sich vor, sich mit demjenigen Kollegen ein paar Jahrhunderte lang ausgiebig unterhalten zu können, dessen Ansichten er am meisten widersprach. Und er meinte: „das wird eine sehr ernste Sache, aber wir werden uns aber auch gegenseitig sehr festlich anlachen.“[3]

Mit einer solchen bildhaften Beschreibung füllt Karl Barth den weiten himmlischen Raum für das Leben der Engel, seien es, Theologen, Wissenschaftler und für ganz normale, wie Du und ich.

Entspannt, entschleunigt wirkt so die Begegnung der beiden Gelehrten, die sich im realen Leben nie kennenlernen und nie miteinander reden konnten. Weil der eine 1834 gestorben ist und der Andere 1886 geboren wurde.

Jetzt endlich soll es möglich werden.

Eine schöne Aussicht, auf die Ewigkeit, in die wir keinen Einblick haben, worüber wir einfach nichts wissen. Woran wir nur glauben, worauf wir hoffen können.

Lassen wir es damit genug sein. Wir wollen nämlich unser Herz, unseren Verstand unseren Glauben nicht an einen Gott der Toten verlieren.

Wir, Sie, als diejenigen, die jetzt hier und heute leben, weiter leben, sich erinnern, der Verstorbenen gedenken, sich zugleich sorgen, bangen, um das was sie persönlich umtreibt, was kommt, was auf uns zukommt, was sich ändert, was nicht absehbar ist, wir, Sie, liebe Gemeinde wir sind hier und jetzt auf Gott angewiesen, für unser Leben, für unser Zusammenleben.

Wenn wir unsere Wirklichkeit vor Augen geführt bekommen, dann wollen wir am liebsten oft wegschauen, die unerträglichen Bilder und Zahlen wegklicken.

Weil der herbeigeführte, menschlich verursachte Tod so sehr alltägliche Realität geworden ist. Aber diese unangenehmen Tatsachen werfen unweigerlich die Frage auf:

Haben wir uns willentlich, unwillentlich nicht doch in den Gott der Toten verliebt? Genießen wir nicht auf groteske Weise den tödlichen Eingriff in die göttliche Architektur ?

Der begeisterte Bergsteiger und Fotograph James Balog stellt in einer Szene des Dokumentarfilms „Chasing Ice“ (d.h. „Gejagtes Eis“)bestürzt fest: [4]

Da, wo bei seiner letzten Exkursion noch gigantische Eiszungen in die Landschaft ragten, ist nur noch ein wenig schmuddeliger Matsch und Geröll zu sehen.

Das erinnert mich – so sagt er „… an einen Menschen, der im Sterben liegt.“ Sind die unerhörten, unverschämten rücksichtslos zerstörerischen Eingriffe in die göttliche Architektur nicht doch mehr ein Ausdruck eines Glaubens an den Gott der Toten? So hat es offenbar den Anschein, nicht nur für ihn.

Und doch wollen wir intuitiv diesem Eindruck widersprechen. Aus unserer tiefen Sehnsucht heraus, dass wir alle das Leben in Fülle haben und miteinander teilen können. Dass „nicht aufhör‘n soll Saat und Ernte Frost und Hitze“, im festen Glauben was noch möglich ist. Dass Gott, ein Gott der Lebenden sein möge. Lehre uns, bedenken, Gott, dass wir sterben müssen auf dass wir klug werden. „(Psalm 90)

Auf dem Sterbebett sagte der Vater einer guten Freundin zur Überraschung der Familienangehörigen, die um ihn waren: „Es ist der Glaube, der hilft“.

Liebe Gemeinde,

Es ist mein fester Glaube, dass jener gute Freund, den ich vor 38 Jahren durch einen tödlichen Verkehrsunfall verloren habe, lebt, auch wenn er gestorben ist. Ja, lebt, im himmlischen Garten bei Freude die Fülle. Lebt, in dem was ihm wichtig war und uns verbunden hat: Der Glaube und die Hoffnung, die Sehnsucht dass das Leben auf diesem kleinen blauen Planet gelingen möge, dass es friedlicher und versöhnter zugeht dass wir alle zusammen klüger werden, aus der Freude am Schönen, aus der Freude am Wechsel des Grünens und Verwelkens der Blätter, und am Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit.

Gott – so bezeugen es uns die Heiligen Schriften vom Anfang bis Ende - ist ein Gott der Lebenden, aller Arten und vor allem der Unarten des Todes zum Trotz.

Es sind nicht die Nahttoderfahrungen.

Es ist der Glaube, der hilft.

Amen

 

[1] Vgl. DIE ZEIT 29.Mai 2013, Kurzer Trip ins Jenseits

[2] Vgl: Rainer M. Rilke: Herbst

[3] Zit. Nach. Isolde Karle “Erzählen sie mir vom Jenseits“ Ev.Theologie 5/2005, S.346

[4] Süddeutsche Zeitung vom 9./10.November 2013, S.13

 

Perikope
24.11.2013
22,23-33