Im Magnetfeld des Geistes: Unterscheiden lernen und weise werden - Predigt zu 1.Korinther 12,4–11 von Ulrich Kappes

Im Magnetfeld des Geistes: Unterscheiden lernen und weise werden - Predigt zu 1.Korinther 12,4–11 von Ulrich Kappes
12,4-11

Im Magnetfeld des Geistes: Unterscheiden lernen und weise werden

„Verschiedene Gaben – ein Geist.
Verschiedene Ämter – ein Herr.
Verschiedene Kräfte – ein Gott.“
Paulus spricht vom Geist Gottes so, als würde er die spätere Lehre der Kirche vorwegnehmen. Gott- Vater, Christus – der Herr und von ihnen geht der „Geist“ aus. „Ein Geist, ein Herr, ein Gott.“
Wir können uns die Wirklichkeit des Geistes im Bild von Magnet und Magnetfeld veranschaulichen. Ein Magnetfeld geht von einem Stern aus. Das All ist von Magnetfeldern durchzogen. Die Sonne, die Erde, den Mond umgeben Magnetfelder. Die Magnetfelder sind konstitutiv dafür, dass das All so ist, wie es ist.
Das Magnetfeld ist unsichtbar, aber vorhanden. Jeder Kompass beweist das. Die Kompassnadel wird vom Magnetfeld des Nordpols angezogen und in eine bestimmte Richtung gelenkt, auch wenn das alles unsichtbar geschieht.

Paulus spricht davon, dass der Geist mit seinem Kraftfeld das Leben einer Gemeinde prägt. Er ist es, der die eine und den einen zu etwas Besonderem macht. Wo menschliches Empfinden nur menschliches Handeln wahrnimmt, ist es in Wahrheit der Geist, der das bewirkt. Eine kühne These. Können wir das nachsprechen?

Ein grundlegendes Problem des Magnetfeldes ist seine Störanfälligkeit. Der Kompass von einst wird darum heute nur noch selten als Navigationsgerät verwandt. Man kann oft gar nicht sagen, woher die Störung des Magnetfeldes kommt. Sie ist unvermittelt da.
Das „Magnetfeld“ Gottes, die Gegenwart seiner Nähe im Geist, das Empfinden, im Gebet oder im Glauben gestärkt zu werden, ist nicht Tag für Tag in gleicher Weise erfahrbar. Das Kraftfeld des Geistes, in das wir eintauchen möchten, ist oft genug verschlossen. Zum Glauben gehört die bittere Erfahrung, nichts von Gott zu spüren und einfach nur dieselbe / derselbe zu sein und zu bleiben.

Demgegenüber wirkt die Schilderung der Gemeinde in Korinth wie der Bericht aus einer anderen Welt. Es ist so wie mit Pompeji, der antiken Stadt in Süditalien. Sie wurde im 2.Jahrhundert vom Vesuv verschüttet und systematisch erst im 19. Jahrhundert ausgegraben. Unter der Ascheschicht kam das blühende Leben der Mittelmeermetropole zum Vorschein, ihre Lebensfreude und Farbpracht. Wandmalereien, Geschäftsanzeigen, Handwerkerarbeiten wurden sichtbar. Man konnte sich die Farbenpracht und Buntheit dieser Stadt in dieser Lebendigkeit gar nicht vorstellen.

In dem Text, den wir hörten, ist über die Zeiten ein ungemein lebendiges, in seiner Vielfalt farbenprächtiges Gemeindeleben für die Nachwelt festgehalten. Es ist so, wie es der Oldenburger Bischof Stählin einst in Auslegung des Textes einmal sagte: „Das Ganze zeigt das Leben der Gemeinde noch so sehr in einem ‚feuerflüssigen’, noch nicht ausgeglühten und verfestigten Zustand, dass es unsinnig wäre, daraus eine Regel abzuleiten.“I1I Was in anderen Briefen des Paulus erkennbar ist und in seiner Struktur bis heute im Großen und Ganzen gleich geblieben ist, nämlich ein Gegenüber von Predigtamt und Gemeinde, fehlt.
Was war das für eine geistbewegte Gemeinde: „Dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden, dem anderen wird gegeben von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist, einem anderen der Glaube, in demselben Geist.“

Wie wohl wir mit einer solchen Gemeindeverfassung unsere Schwierigkeiten haben und natürlich das Rad einer zweitausendjährigen Kirchengeschichte nicht auf korinthisches Niveau zurückdrehen können, enthält der Bericht einige unverzichtbare Aussagen über Kirche und Glauben.

Grundlegend ist, die Besonderheit dieses Textes zu sehen.
Die neun verschiedenen Geistesgaben, die uns in den Versen 8–10 genannt werden I2I, stehen nicht für „natürliche“ Begabungen. Sie sind nicht vergleichbar mit Musikalität oder zeichnerischem Talent oder Redegewandtheit, wie wir sie in unterschiedlicher Weise als natürliche Veranlagungen besitzen. Die Gemeinde wird nicht mit einem Organismus verglichen, der sich aus gegensätzlichen Teilen zusammen setzt, die sich wunderbar ergänzen. so geht es hier, z. B. im Unterschied zum 12. Kapitel des Römerbriefes, nicht um die Frage der gegenseitigen Unterstützung durch unterschiedliche Begabungen. Festzuhalten ist, dass Paulus  nicht von unterschiedlichen Begabungen, sondern unterschiedlichen Eingebungen spricht. Das ist der Punkt, den es festzuhalten gilt und der Schlüssel zu diesem Text.

Die chaotisch wirkende Gemeinde im einstigen Korinth lebte mit allen Fasern das Priestertum aller Gläubigen, nach der jede und jeder zur Priesterin und zum Priester bestimmt ist. Ort dafür war die Versammlung der Gemeinde. Weil der Geist „jedem“ seine besondere Erkenntnis und Einsicht in den Glauben schenkte, ihm eingab, kann und soll jeder diese frank und frei äußern. So entsteht eine geistgewirkte, bunte und interessante Gemeinde.

Die erste, alles andere als beiläufige, unbequeme Frage, die der Text an uns stellt, lautet darum: „Was hat mir Gottes Geist gegeben, das „zum Nutzen aller dient“? Was habe ich erhalten, das ich zur Stärkung der Gemeinde beitragen kann? Wie weit auch die Wirklichkeit unserer Gemeinden von dem korinthischen Ideal entfernt ist, dringt er tief in uns ein. „Jeder hat eine Geistesgabe. Auch ich. Bringe ich sie in die Gemeinde ein?

Versuchen wir, der Spur der skizzierten Geistesgaben zu folgen, so möchte ich zwei heraus heben.
Einmal spricht Paulus von der „Gabe, die Geister zu unterscheiden“.
Das war angesichts der überquellenden Meinungsäußerungen in den Versammlungen eine Grundvoraussetzung, nicht in einer Flut von Darlegungen und Argumenten unterzugehen. Sie betraf, was an Worten der Schrift zitiert wurde ebenso wie deren Auslegung oder die angeführten praktischen Fälle als Veranschaulichung. Es galt in Korinth und es gilt für uns, „die Geister zu unterscheiden“. Das ist unvermeidlich subjektiv, aber gerade darum bereichernd.
Ich kann, um es kurz zu erläutern, im Rahmen der Unterscheidung der Geister in der Gemeinde erzählen, welche Worte der Schrift mir besonders wichtig sind. Es ist denkbar, dass ich über meine Vorbilder berichte, die mir Lehrer im Glauben geworden sind. Möglich ist es auch, über den Umgang mit der Zeit, wie Schriftlesung und Gebet ihren Platz im Alltag haben, zu reden.
Die „Gabe der Unterscheidung der Geister“ bedeutet, zu sagen, dass ich in diesem Wort, in diesem Menschen, in dieser Verhaltensform eine Lebenshilfe gefunden habe. Ich verleihe sozusagen manchem Schriftwort und  manchem Christen eine Art Adelstitel, der besagt, dass ich sie als Gott in mein Leben gesandt ansehe und darum hoch und heilig halte.

Zum anderen:
Paulus spricht gleich zu Beginn, und wohl nicht ohne Absicht gleich zu Beginn, davon, dass „durch den Geist Weisheitsrede gegeben“I3I wird. Das ist die erste der von ihm aufgeführten Geistesgaben.
„Weisheitsrede“ ist etwas anderes als eine bloß kluge Rede. Spricht ein Mensch zu uns „weise Worte“, sind das mehr als nur kluge Worte.
„Weisheit“ im biblischen Sinn zeichnet sich als eine Verschmelzung verschiedener Elemente aus. Wer „weise“ redet, beachtet die Verfassung des Menschen, zu dem er spricht. Mit einem niedergeschlagenen Menschen redet „der Weise“ anders als mit einem selbstbewussten und starken Menschen. Der „Weise“ bedenkt die gegenwärtige Situation und richtet sich nach ihr mit seinen Worten und Taten. „Weise“ zu sprechen, heißt zu wissen, dass es heute dieses und morgen jenes Standpunktes bedarf, dass das Leben nicht steht, sondern fließt.
Der Weise  belehrt und bereichert, aber sein Standpunkt und seine Belehrung sind nicht Selbstdarstellung. Keines seiner Worte dient erkennbar oder verborgen seinem Ruhm. Der „Weis“ spricht in dem Wissen, ein „Weiser“ zu sein, weil er weiß, wie wenig der Mensch ausrichten kann. So selbstbewusst er spricht, so klein weiß er sich. Die Weisheit, die er kennt, ist nur ein Bruchteil der Weisheit der Menschheit, erst recht Gottes.

Als der byzantinische Kaiser Justinian im Jahr 532 einen Aufstand, den Senatoren gegen ihn angezettelt hatten, niedergeschlagen hatte, ließ er in Konstantinopel eine Kirche bauen, die den Namen „Heilige Weisheit“, Hagia Sophia, trägt. Er beauftragte dazu die Architekten Athenemius von Tralles und Isidor von Milet. Beide waren vor allem Meister in der Mathematik.
Vorgegeben war, so gut es mit Mitteln der Baukunst möglich war, das Wesen der Weisheit abzubilden. Justinian wollte „einen Bau errichten, der seit den Zeiten Adams nicht seinesgleichen hatte und niemals haben wird“I4I
Die Hagia Sophia wird auf den ersten Blick von einer großen Kuppel dominiert, die von vier Säulen getragen wird. Diese Säulen vereinen sich ihrerseits so mit den Wänden, dass sie nicht als Säulen wahr genommen werden. So entsteht der Eindruck als würde die Kuppel an goldenen Ketten aufgehängt sein und über dem Gottesdienstraum schweben. Der Raum wird auf diese Weise optisch stark vergrößert.
Die meiste Last der zentralen Kuppel wird aber von zwei Halbkuppeln, im Altarbereich und Eingangsbereich getragen. Sie geben die Achse vor. Trotz dieses Zentralbaucharakters hat die Kirche eine klare Ausrichtung auf Kreuz und Altar.
Die Wände der Hagia Sophia bestehen aus Marmor und Mosaik. Hier herrscht Gold vor, weil Gold das hellste Metall ist und Licht auf die Wandgemälde aus Mosaik wirft. Das Goldmosaik gibt der Kirche nahezu stündlich ein anderes, flimmerndes Aussehen.
Diese Wände der heutigen Moschee sind verhängt.

„Durch den Geist wird euch Weisheit gegeben, sagt Paulus. Der „Geist“ ist nicht stetig erfahrbar. Er ist nicht abrufbar. Er ist wie im Mosaik der Hagia Sophia sehr wandelbar.
Weisheit ist als Gabe des Geistes nicht verfügbar.

Das Wesen der „Weisheit“ erklärt die Kuppel der Hagia Sophia. ‚Bedenke, dass du die Hagia Sophia von deinem Standpunkt aus erklärst, definierst und beschreibst. Neben deiner Sicht haben aber unter dem Himmelsgewölbe viele andere ihren Platz. So sei bescheiden.

Biblische Weisheit ist anders als menschliche Weisheit wie die Hagia Sophia auf Christus ausgerichtet. Sie sucht das Magnetfeld des Christus und damit das Magnetfeld der Liebe.
Der wesentliche Unterschied zur Klugheit ist bei der Weisheit, dass sie nie ohne die Liebe ist.
Liebe aber wird in der Ausrichtung auf Christus und das Neue Testament erworben.

„Durch den Geist Weisheitsrede“ zu erhalten, ist, wie die Hagia Sophia zu betreten, sich von ihrer Architektur überwältigen zu lassen und dann innerlich gewandelt nach draußen zurück zu kehren.
Der Geist führt uns weg von der Klugheit zur Weisheit, von einem Leben fern von der Gemeinde für die Gemeinde. Er macht uns mutig, zu bekennen: Hier und hier und hier habe ich den Geist erfahren und halte fest, was er mir offenbart hat und gebe es weiter.
                                                                                  
ANMERKUNGEN
I1I Wilhelm Stählin, Predigthilfen II. Episteln, Kassel 1959, S. 176.
I2I Wolfgang Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 3. Teilband, Zürich, Düsseldorf, Neukirchen-Vluyn 1999, S. 147.
I3I Übersetzung Schrage, a. a. O., S. 135.
I4I Christa Schug-Wille, Byzanz und seine Welt, München o. J., S. 111.
 

Perikope
16.05.2016
12,4-11

Predigt zu 1. Korinther 12,4-11 von Jasper Burmester

Predigt zu 1. Korinther 12,4-11 von Jasper Burmester
12,4-11

(Pfingstmontag findet in unseren Gemeinden traditionell einer von jährlich 4 ökumenischen Gottesdiensten zusammen mit der röm.-kath. Nachbargemeinde statt.)

Liebe Schwestern und Brüder aus der Ökumene, liebe pfingstliche Gemeinde,

Pfingsten gilt als das Geburtstagsfest der Kirche, als das vom göttlichen Geist inspirierte Startsignal für die Verbreitung des Evangeliums unter den Menschen. Aber was gibt es da zu feiern, könnten Sie fragen, ist die Kirche, sind die Kirchen nicht in unserer Gesellschaft gerade auf dem absteigenden Ast? Immer weniger groß ist der Anteil katholischer und evangelischer Christinnen und Christen an der Bevölkerung, auch hier im gut bürgerlichen Volksdorf. Immer schwieriger ist es, die Vielzahl an kirchlichen Bauten zu erhalten und zu unterhalten. Und Menschen zu gewinnen, die sich langfristig ehrenamtlich ein- und anbinden an unsere Gemeinden, das wird auch nicht leichter. Gut, wir könnten jetzt einfach mal zusammen ordentlich jammern und klagen.

Muss aber nicht sein – wenn wir uns vergegenwärtigen, welch reiche Fülle an Leben trotzdem in unseren Gemeinden blüht. Unser Gemeindebrief, der Pfarrbrief, das Internet offenbaren das viele, das immer noch und manchmal auch neu bei uns möglich ist.

Welche Fülle steckt dahinter: Welche Fülle von Ideen, von Phantasie, Fleiß, Lust am Tun. Wie viele Frauen und Männer sind nötig, damit alles dieses zu Stande kommen kann, was unsere Gemeinden, die katholische wie die evangelische den Volksdorferinnen und Volksdorfern anbieten! Wenn ich nur an unsere Gemeinden denke: Dann sind hier so viele verschiedene Begabungen und Fähigkeiten zusammen, dass man nur staunen kann. Diese Gemeinden sind keine „Priester-“ „Pastoren“ oder „Pastorinnen“ – Kirche, sondern: Kirche von vielen für viele. Da sind Menschen mit praktischem Verstand und geschickten Händen, ohne die wir kein Gemeindefest und keinen Seniorennachmittag zustande brächten. Da sind Menschen, die zuhören können und begleiten, die alte Menschen besuchen und ihnen Nähe vermitteln. Da sind Menschen, die gut mit Kindern umgehen können und die Gabe haben, ihnen im Spiel Wesentliches zu vermitteln. Da sind Menschen, die singen und musizieren und die Kirchenmusik blühen lassen. Da sind darüber hinaus viele Menschen im Stadtteil, die zwar nicht oder nicht mehr unseren Gemeinden angehören, und die trotzdem als Bündnispartnerinnen und Bündnispartner sich einsetzen für Flüchtlinge, für die Umwelzt, für Kulturfragen. Und da sind Menschen, die mit großer Selbstverständlichkeit und Selbstständigkeit Aufgaben übernehmen, für die ausgebildete und hauptamtliche Menschen aus den verschiedensten Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen – dem Priestermangel in der katholischen wird in den nächsten Jahren ein Pastorinnenmangel in der evangelischen Kirche folgen. Was für ein Reichtum, immer noch! 

Was aber ist es, das diese verschiedenen Begabungen dieser verschiedenen Menschen zusammenhält? Was hat die Begabung, die Verteilung des Gemeindebriefes zu organisieren mit der Begabung des geschickten Umgangs mit Blumen zu tun? Was die Gabe des Gesangs mit der Gabe des seelsorgerlichen Zuhörens? Was das Kuchenbacken für´s Gemeindefest mit dem Ausarbeiten eines Vortrags für den Seniorenkreis? Was haben diese Gaben und ihre Trägerinnen und Träger miteinander zu tun, was verbindet sie und: sind sie alle gleichwertig  und gleich wichtig? Und welche Stärken können unsere historisch getrennten und theologisch bis heute verschiedenen Kirchen, das katholische und das evangelische Glauben miteinander für die Menschen in dieser immer weltlicheren Stadt einbringen? Wenn wir unsere Gemeinden einmal so zu betrachten beginnen, dann sind wir genau bei der Frage, um die es im Predigttext für diesen Pfingstmontag geht. Paulus schrieb einst an seine geliebte und zugleich problematische Gemeinde in Korinth:

Es gibt verschiedene Gnadengaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Dienste; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen. In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller; dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen. Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.

So sehr sich möglicherweise die Gaben, die in der korinthischen Gemeinde vorhanden waren von denen unterscheiden, die bei uns in Volksdorf vorhanden sind und aktiv werden, so sehr bleibt doch das gültig - und heilsam zu hören und zu beherzigen, was Paulus über die Vielfalt der Gaben, ihre Wichtigkeit und Bewertung zu sagen hat. Schon in dem Wort, das er für die Gaben der Menschen verwendet, steckt eine wichtige Botschaft. Er nennt sie „Charismata“, Gnadengaben. Die ganz persönlichen Fähigkeiten, die jeder und jede von uns mitbringt, sind nicht unsere Leistung, unser Können, unsere Kraft, sondern zu aller erst Geschenk, Gnade: Unverfügbar, nicht einklagbar. Sie werden uns geschenkt von Gottes Geist und zwar so "wie er will". Dagegen könnte sich Widerspruch regen: Wieso, ich habe doch dieses oder jenes gelernt, Zeit und Grips investiert, um diese Fähigkeit zu entwickeln... Dennoch bleibe ich mit Paulus dabei: Es sind uns geschenkte Gaben in uns am Werk, und Gnade ist die Chance, diese weiterzuentwickeln und reifen zu lassen. Natürlich investieren wir Zeit und Kraft und auch Geld da hinein. Aber es bleiben geschenkte, unverfügbare Gaben des Geistes. Wenn wir das so für uns und für die Menschen um uns herum akzeptieren können, dann bleibt das nicht folgenlos für unseren Umgang mit uns selbst und anderen: Ich habe bestimmte Gaben und Fähigkeiten, andere Gaben und Fähigkeiten sind mir nicht gegeben und gerade darin bin ich anders als andere und andere sind anders als ich. Ich kann mich freuen an dem, was mir geschenkt wurde und kann aufhören, mich ständig an anderen zu messen und mich immer mit ihnen zu vergleichen oder gar neidisch zu sein. Ich kann frei werden davon, mir und anderen stets Zeugnisse ausstellen zu müssen und frei werden dazu, die Gaben der anderen wahrzunehmen als das was sie sind: Als Geschenk, das ihnen und mir gleichermaßen gilt. Eine solche Haltung könnte aus einer Gemeinde, die über einen solchen Reichtum an Begabungen verfügt mehr machen als eine Gemeinschaft von Konkurrenten: Eine Gemeinschaft der vom Geist Gottes Beschenkten, jenem Geist, von dem Paulus sagt: Er wirkt Alles in Allen.

Doch diese Gabe - Fähigkeiten und Begabungen sind kein Selbstzweck: „In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller“. Hier sagt Paulus deutlich, wann wir aus dem Geist Gottes handeln und wann nicht. Aus dem Geist Gottes handeln heißt, die eigenen Fähigkeiten nicht zu Selbstbestätigung, zur geistlichen Kraftmeierei zu benutzen auf Kosten anderer, sondern zum Nutzen aller. Alles Geistesgaben können zur persönlichen Profilierung missbraucht werden. Das galt in Korinth besonders für die sogenannte „Zungenrede“ ein ekstatisches Reden in unverständlichen Lauten, das erst der Auslegung bedurfte, um für andere verständlich zu werden. Das kann aber für jede einzelne Fähigkeit zur Gefahr werden. Auch ein karitativer oder seelsorgerlicher Betreuungseifer kann dazu pervertieren, den solchermaßen Versorgten klein und unmündig zu machen, damit man selber in umso hellerem Licht als unverzichtbarer Helfer dastehe. „Zum Nutzen aller“  - das ist das einzige wichtige Kriterium.

Der Katalog der Gaben, die Paulus im Korintherbrief nennt, ist nicht vollständig und abgeschlossen, wie könnte er es auch sein: Es gibt eine ebensolche Vielfalt an Gaben und Begabungen, wie es Menschen gibt. Das gilt auch für unsere beiden Kirchen und Gemeinden. Würden wir uns doch nur endlich einmal etwas zutrauen, unsere Gaben entdecken und entwickeln zum Nutzen aller: Diese Ökumene, unsere Gemeinden würde noch viel lebendiger leben als sie es ohnehin schon tun. Doch bitte: Keinen Krampf. Keine krampfhafte, verbohrte Suche. Die Gabe des heiligen Geistes kann auch darin bestehen, einmal loszulassen, das Fragen und die Suche nach Antworten Gott zu überlassen, nicht alles selber machen zu müssen.

Darum erzähle ich Ihnen zum Schluss eine kleine Anekdote aus vergangenen Zeiten. Es war einmal ein alter Mann, ein heiliger Mönch. Von dem erzählte man sich, daß er es fertigbrachte, 70 Wochen zu fasten und auch sonst nur einmal in der Woche zu essen. Der fastete, weil er von Gott etwas wissen wollte. Er fastete 70 Wochen, weil er von Gott Auskunft wollte über die Bedeutung eines ganz bestimmten Wortes aus der heiligen Schrift, doch Gott offenbarte ihm den Sinn nicht. Da sprach der alte Mann zu sich selbst: Siehe, ich habe so große Mühen auf mich genommen, und alles war vergebens. Ich werde zu meinem Bruder gehen und ihn fragen. So ging er hinaus und als er die Tür zu seiner Mönchszelle hinter sich verschloss, da trat ein Engel zu ihm und sagte: Die siebzig Wochen des Fastens brachten dich nicht nahe zu Gott. Aber nun, da du dich gedemütigt hast und bereit bist, deinen Bruder aufzusuchen und ihn um Rat zu fragen, bin ich gesandt, dir den Sinn zu offenbaren.

Ich wünsche Ihnen gesegnete Pfingsten. Amen

 

konsultierte Literatur: Predigtstudien verschiedener Jahrgänge

Die Herkunft der Legende? Das weiß ich nicht mehr, irgendwo aufgesammelt.

 

Perikope
16.05.2016
12,4-11

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb
15,12-20

Liebe Gemeinde,

jetzt, in den Ostertagen haben viele von uns Zeit, das zu tun, was im Alltag liegen geblieben ist. Es wird Frühling, wir haben Zeit, die Sonne scheint, man könnte Bäume ausreißen, so schön ist das Leben. Ich weiß nicht, was Sie sich vorgenommen in diesen Tagen. Ich für mein Teil mag viel lesen. Und ich verrate Ihnen auch, was: Ich liebe Romane mit historischem Bezug, vor allem, wenn sie voller Spannung sind. Ich nenne Ihnen „Das Markus-Komplott“, von Paul L. Maier. Kurz die Handlung: Ein Archäologe wird in den Vatikan gerufen, um eine uralte Handschrift zu untersuchen. Schnell wird klar, dass es sich um ein Original des Markusevangeliums handelt. Aber der Text weist zum biblischen einige Unterschiede auf, die Zweifel daran wecken, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist … Als dann in Israel noch eine Leiche gefunden wird, bei der es sich allem Anschein nach um die Überreste Jesu von Nazareth handelt, nimmt die Geschichte an Fahrt auf … Nun gut, das ist ein Roman, fantastisch zu lesen und höchstspannend, aber was, wenn Jesus tatsächlich nicht auferstanden wäre. Dieser Zweifel wird immer wieder in unsere Herzen gesät. Sie erinnern sich an die Bezweiflung der Auferstehung durch den Theologen Gert Lüdemann vor einigen Jahren und an den sensationellen Grabfund mit der Inschrift Jesus, Sohn des Josef. Steht unser Bekenntnis „Jesus von Nazareth, wahr Mensch und wahrer Gott, gekreuzigt, gestorben und begraben, auferstanden von den Toten“ womöglich auf tönernen Füßen?

Ich stelle die Frage noch einmal – diesmal aus ganz aktuellem Anlass. Nach den Ereignissen von Brüssel -- ist es angesichts der Grausamkeit der Welt, angesichts des Terrors in Europa, angesichts des Leidens überall realistisch, von einer Hoffnung zu reden, die über dieses Leben hinausreicht. Oder ist es töricht, solche Gedanken zu hegen, die letztlich von einer Erfahrung ausgehen, die jenseits aller menschlichen Wirklichkeit sind. Wäre es nicht gescheiter, sich ganz auf dieses Leben zu konzentrieren, wo wir doch sehen, wie gefährdet dieses Leben ist?

Hören Sie, was der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth schreibt, in der genau dieser Zweifel aufgekommen war:

—Predigttext: 1. Kor 15,12-20

Wir wissen ziemlich genau, was dahinter stand. In der kleinen Gemeinde in Korinth war die Auferstehung fraglich geworden und großer Streit erhob sich um die Fragen: Ist Christus tatsächlich auferstanden? Und wenn ja – nur er, oder die anderen Sterblichen auch? Verschiedene Positionen wurden vertreten:

Nüchterne, rationale Menschen argumentierten: Tot ist tot. Wenn Jesus von Nazareth gestorben ist, dann kann er nicht wieder lebendig geworden sein, das ist gegen alle Vernunft. Wir glauben, dass in Jesus Gott selbst auf die Welt gekommen ist, auch wenn das schwer genug ist. Er hat viel Gutes getan, das ist wahr, aber er ist nun einmal gestorben. Wir wollen ihn verehren als unseren Meister, den guten Menschen, der uns gezeigt hat, wie Leben gelingen kann.

Anderen war das zu wenig: Wenn Jesus nur ein guter Mensch war, was soll dann der christliche Glaube bewirken, gute Menschen gibt es genug in der Geschichte, denen wir nachfolgen können. Es muss die Auferstehung gegeben haben, aber es ist eben die Auferstehung des einen Menschen, das ist ein ganz besonderer Fall. Das ist auch nur deshalb geschehen, weil Jesus Gottes Sohn war, aber mit unserem Leben hat das nichts zu tun. Wir werden gleichwohl sterben, wie alle anderen auch. Es kommt darauf an, dieses Leben christlich zu füllen …

Und wieder andere hatten Freude an der philosophischen Auseinandersetzung: Ihr Argument richtete sich gegen allzu einfache Antworten. Es sei ja schließlich zu unterscheiden zwischen dem Leib Jesu, der wurde freilich begraben, aber seine unsterbliche Seele sei selbstverständlich auferstanden. Deshalb – so diese Denkrichtung – sei die Frage nicht angemessen, ob das Grab Jesu leer gewesen, im Gegenteil. Was aus dem Leib geworden sei, sei völlig belanglos, es kommt auf die Seele und die Seele Jesu, quasi seine göttliche Natur, sei nun bei Gott und wir können von Jesus lernen, als gute Menschen seinem leiblichen Wandel nachzufolgen und unsere unsterbliche Seele zu pflegen, damit sie dereinst sich mit der des Herrn vereine.

Und dann gab es noch Menschen – wir würden sie heute vielleicht Charismatiker nennen – die bestritten die Auferstehung Jesu vollends ganz, weil Gott Geist sei und deshalb eigentlich gar keinen Leib gehabt haben kann, sei er ja im Geist gegenwärtig und wirkt durch diesen seine Geist in uns. Damit sei auch der Mensch aller Weltlichkeit enthoben, dann ist es auch egal, was wir in dieser Welt tun, wir sind ja schon gerettet durch den Geist.

Ich erlaube mir an dieser Stelle die Zwischenfrage, ob das alles nur die Denkweise der Korinther ist, oder ob uns vielleicht der Glaubenssatz von der Auferstehung der Toten genauso fremd geworden wie diesen frühen Christen.

Jedenfalls sagt Paulus, „Stop. Hier geht ja alles wild durcheinander“. Was ihr treibt, sind hoch interessante Gedankenspiele, philosophisch von höchstem Niveau und gut begründet, aber es hat nichts mit der Heiligen Schrift zu tun und mit der Erfahrung der ersten Zeugen. Hunderten von Menschen hat sich der Auferstandene bezeugt, das kann man nicht mit irgendwelchen Denkspielen hinwegdiskutieren. Und sowieso: hier ist mit Erklärungen von Details nichts geholfen, hier geht es um Ganze. Hier geht es darum, was der Mensch ist, und was der Sinn seines Lebens ist. Ist Christus nicht auferstanden und wenn es keine leibliche Auferstehung gibt, dann ist alles andere sinnlos, was wir verkündigen und was wir glauben. Ja, dann wäre es alles erstunken und erlogen, unsere Verkündigung, unser Leben, unser Glaube. Das ist freilich ein Glaubenssatz, beweisen lässt er sich nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft …

Lassen Sie uns also an der Stelle neu ansetzen. Der Tod ist eine finstere Realität in unserem Leben, auch wenn wir ihn heutzutage gerne verdrängen. Ein durchschnittlicher Jugendlicher hat in seiner Medienbiographie bis zu seinem 18. Geburtstag ungefähr 16.000 Morde gesehen, aber er kann sich nicht vorstellen, dass er selbst, seine Familie, seine Freunde … auch sterblich sind und irgendwann einmal mit dem Tod konfrontiert sein werden. Um so schlimmer, wenn das dann doch geschieht, völlig unvermutet der Tod eines lieben Menschen in die Wirklichkeit einbricht, alle alltägliche Gewohnheit mit einem Mal zunichte wird. Wir erleben das in diesen Tagen, wo plötzlich mitten in Europa der Terror sich Bahn bricht und Menschen von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben gerissen werden. Wie damit umgehen?

Frühere Zeiten hatten einen einfachen Umgang mit dem Tod. Für sie war das Sterben eine alltägliche Erfahrung. Die Verstorbenen wurden im Haus aufgebahrt und die Hinterbliebenen hatten Zeit, Abschied zu nehmen. Es gab die sogenannten Totentänze, die allen klar machten: Niemand kann sich dem Tod entziehen. Vielleicht haben ja auch wir genau deswegen solche Schwierigkeiten mit der Auferstehung, weil wir den Tod aus dem Leben verdrängt haben.

Christ ist erstanden, so das feste Bekenntnis des Paulus. Er ist nicht im Tod geblieben, sondern er hat den Tod besiegt. Das ist das Ereignis von Ostern, die Zeitenwende. Vor Ostern gab es das Leben, das zum Tode führt. Seit Ostern ist uns eine neue Erkenntnis offenbart. Der Tod hat nicht das letzte Wort, die letzte Deutungshoheit über unser Leben. Wäre Christus nicht auferstanden, so wäre nicht nur der Tod eine düstere Realität, sondern unser ganzes Leben. Unsere Verkündigung, unser Glaube, unser ganzes Leben quasi eine Lüge, eine falsche Prophetie, ein Selbstbetrug. Wir könnten uns zwar an Christi guten Taten auferbauen, aber es wäre alles sinnlos. Unsere Vergänglichkeit, unsere Sünden würden am Ende obsiegen, und es gäbe auch keine Hoffnung für die, die uns vorausgegangen sind. Wir müssten uns an vagen Gedanken Genüge sein lassen, womöglich gar nach dem Motto, nur aus dem Tode kann das Leben entstehen, das sehen wir, wenn nach einem langen Winter wieder der Frühling kommt und die dürren Äste zu neuem Leben erwachen. Dann aber wird es wirklich wichtig, wie ein Mensch begraben wird, aber was ist das für ein Menschenbild, wenn alles, was vom Menschen bleibt, darin besteht, dass nach seinem Tod ein Baum aus seinem Körper neue Nahrung zur Blatt- und Blütenbildung saugen kann.

Ostern, liebe Gemeinde, ist demgegenüber ein Signal der Hoffnung. Jesus ist auferstanden, nicht nur der Seele nach, sondern nach seiner ganzen Person, mit Geist, Leib und Seele. Und er ist der Erstling der Auferstehung. Im antiken Judentum wurden am 16. Nisan die Erstlinge der Ernte dargebracht, in der Vorfreude, dass den ersten Früchten eine reiche Ernte folgt. So versteht Paulus das Ostergeschehen: es ist ein Anfang, aus dem das Leben die Fülle kommt, auf diesem Urereignis ruht die Verheißung, dass es eine wunderbare Ernte geben, dass alle Anteil haben, an dem Überfluß des Lebens, das Gott schenkt – und Gott gibt reichlich.

Christ ist erstanden. Seine Auferstehung ist ein Sog des Lebens, der uns hineinzieht in das pralle Leben. Der Totentanz wird ersetzt durch den Freudentanz des Lebens. Wir sind eben nicht mehr die elendsten unter allen Menschen, weil wir die Hoffnung haben, dass das Leben sich Bahn bricht – über den Tod hinaus. Das nimmt dem Tode nicht die Macht. Er bleibt eine schreckliche Realität. Aber er hat eben nicht das letzte Wort. Das hat Jesus Christus und es heißt. „Ich lebe – und ihr sollt auch leben“. Das ist in diesen Tagen besonders denen gesagt, die Trauer tragen um die Opfer von Krieg und Gewalt, von Terror und Verblendung. Niemand darf die Trauer zerreden, aber die Botschaft von der Auferstehung, vom Sieg über den Tod darf auch lautwerden, sie muss laut werden, vielleicht erst ganz leise, wie ein leises Frühlingssignal -- aber sie ist ein mächtiges Wort, das in die Trauer hineinspricht. Und uns anderen ist sie gesagt als eine Botin gegen Angst und Unsicherheit. Fanatiker, die den Tod lieber haben als das Leben und alles daran setzen, uns in Sorge zu versetzen, um ihre eigene Agenda durchzusetzen – die werden mit ihren finsteren Plänen scheitern. Wir lassen uns nicht in den Strudel des Todes und der Finsternis hineinziehen, denn wir sind ergriffen vom Sog des Lebens – egal was passiert und welche Mächte Gottes Willen entgegenstehen. Christus ist Sieger – er ist erstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Bert Hitzegrad

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Bert Hitzegrad
15,12-20

Liebe Gemeinde am Ostermontag!

Als Predigttext hören wir einen Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief im 15. Kapitel! Paulus schreibt, warum der Glaube an die Auferstehung von so grundlegender Bedeutung ist! (1. Kor 15, 12-20):

12 Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?
13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
15 Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
16 Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
17 Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
18 so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.
Und Gott segne dieses sein Wort an uns und lass es auch durch uns zu einem Segen werden. Amen

Liebe Ostergemeinde! Gab es Situationen in Ihrem Leben, da haben Sie gesagt: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!”? Nichts wird mehr so sein wie es einmal war! Ich denke an so schöne Ereignisse wie die Hochzeit oder die Geburt eines Kindes: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!” Die Zeit der Einsamkeit ist vorbei, die Zeit des Wartens, die Zeit der Vorbereitung. Gerade die Familien, die heute Ihre Kinder zur Taufe gebracht haben, werden das wissen: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!” Das Leben richtet sich nun nach den Kindern aus, man kann abends nicht mehr so einfach weg, der Schlaf fehlt, wenn die Zähne kommen, oder wenn nachts der Hunger quält und die Kleinen rebellieren. Aber es gibt, Gott sei dank, ja auch die andere Seite: Das Lächeln, das einen langen gestressten Tag vergessen lässt; die Kinderhand, die sich in die große Hand des Erwachsenen schiebt, und wir erleben, dass wir Geborgenheit schenken, aber viel Liebe und Vertrauen zurückbekommen. Das Leben hat sich total verändert - nichts wird mehr so sein wie es war. Auch wenn die Kleinen groß sind - das Leben wird durch sie verändert: kleine Kinder, kleine Sorgen ...

Nichts wird mehr so sein wie es einmal war! Auch Großeltern können davon ein Lied singen, wenn das erste Enkelkind endlich das ist. Plötzlich verschieben sich die Werte. Was vorher wichtig war, die Arbeit, das Bankkonto, die Lebensversicherung, wird zweitrangig. Ein ganz anderer Schatz des Lebens wird da entdeckt und bereichert den Alltag. „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!”

Doch nicht nur am Anfang des Lebens hören wir diese Worte, auch am Ende, dann wenn ein lieber Mensch gehen musste, dann, wenn der Tod das Leben verändert hat. Oder auch eine Krankheit: Bei einer Talkshow erzählte eine Frau von ihrem Krebsleiden, Brustkrebs, eine Brust musste ihr5 abgenommen werden: „Nichts war so wie es vorher einmal war!” Oder ich denke an die Ehefrau, die plötzlich entdeckt, dass ihr Mann sie jahrelang betrogen hat. Eine andere, eine jüngere, eine, nur so zum Spaß ... Er hat ihr geschworen: „Alles ist vorbei, ich liebe nur Dich!” Doch für sie ist das Vertrauen dahin - nichts wird mehr so sein wie es früher einmal war.

Im letzten Jahr fiel dieser Satz öfter - angesichts der Terroranschläge in Frankreich, angesichts der Terrorwarnung vor einem Fußballspiel in Hannover. Und nun schon wieder – das Herz Europas wurde getroffen. Schrecklich die Bilder aus Brüssel in der vergangenen Woche. Die Karwoche wurde zur Leidenswoche von so vielen Menschen! Die Unbefangenheit ist dahin, wenn man nun auf Bahnhöfen, Flugplätzen oder in Stadien ist. Nichts ist so wie es früher einmal war. Ein Satz, den wir auch schon nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 immer wieder gehört haben – eine Kehrtwende in der Weltgeschichte.

Ein Satz, der aber in ganz besonderer Weise für das Ereignis zutrifft, das wir heute feiern. Das Ereignis, das nicht von Angst und Unsicherheit geprägt ist, sondern von Freiheit und Aufbruch ins Leben. Das Ereignis, das Menschen seit Jahrtausenden bewegt und Hoffnung gibt und das der Kirche ihren Grund und ihre Kraft für ihr Dasein schenkt.

Nichts ist so wie es einmal war! Hier haben diese Worte ihre tiefste und radikalste Bedeutung. Denn das Ereignis der Auferstehung hat alles umgekrempelt, hat dem Leben eine ganz neue und entscheidende Richtung gegeben! „Christus ist auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unten denen, die da schlafen.” (V.20) Das ist die Veränderung, das ist der Neuanfang, das ist der Aufbruch nach vorn. Nichts ist so wie es einmal war. Das haben schon die gedacht, die den Karfreitag erlebten, die mit dem Christus am Kreuz nicht nur einen Freund und Bruder dahinsterben sahen, sondern auch all ihre Hoffnungen – die Hoffnung auf ein Leben an seiner Seite, die Hoffnung auf seine Umkehrung aller Werte, die Hoffnung auf den Anbruch des neuen Reiches …. Und nun: Alles am Ende.

Ihr Denken kreiste zu sehr um Tod und Ende, um Verlust und Verzweiflung als dass sie den Gedanken mitgehen konnten, den Jesus ihnen schon geschenkt hatte: Dass wie bei einem Weizenkorn, das in die Erde gelegt wird, sein Tod Frucht und Leben und Aufbruch in Gottes Ewigkeit bedeutet.

Aus dem Tod entsteht Leben, aus dem Grab kommt einer zurück, und nicht nur einer, er ist der erste. Es braucht seine Zeit, bis dieser Gedanken reifen kann - vielleicht auch so wie bei dem Weizenkorn, das nicht von heute auf morgen seine grünen Blätter durch den kalten Boden schiebt. Aber dann - diejenigen, die das erleben brechen in einen Jubel aus: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!”

Eine Erfahrung, die nicht nur den Tod verändert, sondern auch die Menschen, die dies wahrhaftig erleben - nichts ist so wie es vorher war. Abgelegt die Furcht vor dem Tod, dahin die Verzweiflung an seinem Kreuz, fortgeweht der Zweifel, der alle Hoffnungen genommen hatte.

Wie ein Kraftfeld, von der eine ungeheure Energie ausgeht. Diesem Kraftfeld kann sich niemand entziehen, dieses Kraftfeld verströmt, vergießt, ja vergeudet fast seine Energie - Gottes Energie: Leben, auch dort, wo alles am Ende erscheint; Liebe, auch wenn wir nur das Leiden am Kreuz sehen; Aufbruch mit den Farben der Zukunft, auch wenn uns der graue Alltag festhalten will.

Das muss alles verändern, danach kann nichts mehr sein wie es war!

Stimmt das denn überhaupt?

Was hat sich seit den Anschlägen des letzten Jahres in Europa verändert? Was hat der Terror in Brüssel am letzten Dienstag mit uns gemacht?

Wie verändern die Fluchtlingsströme das Leben und Denken in unserem Land?

Was hat sich seit dieser Auferstehung verändert, seit Gott seine Lebensenergien verströmt hat?

Nicht einmal 50 Prozent aller Christen glauben heute noch an die Auferstehung und die eigene Zukunft nach dem Tod. „Woran denken Sie bei Ostern?”, fragte eine große EKD-Kampagne. Die Antworten waren ernüchternd: Ostereier, freie Tage und Cholesterin sind mehr in den Köpfen und Bäuchen verankert als Jesu Auferstehung. Hat die Reduzierung der Osterkraft auf Triviales und die Skepsis gegenüber der Auferstehung genau in dieser Frage ihren Grund: „Bitteschön - was hat sich denn verändert mit dem Ostermorgen, wo ist denn der österliche Aufbruch zu spüren, wo ist die Lebensenergie Gottes wahrzunehmen?”

Auch Paulus scheint es nötig zu haben, gegen die Skeptiker der Auferstehung zu argumentieren. Paulus versucht es mit einer Beweiskette:

„Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (VV 13f)

Hat das die Korinther überzeugt? Überzeugt das heute die Skeptiker?

Man könnte, der Logik des Paulus folgend, heute die Frage stellen: Was wäre gewesen wenn der christliche Glaube nicht da gewesen wäre? Was wäre gewesen, wenn die Auferstehung nicht der Anfangspunkt einer weltweiten Kirche gewesen wäre? Sicherlich: Vieles ist verkehrt gelaufen, wo auch Christen, wo auch die Kirchen schuldig geworden sind. Aber haben die frühchristlichen Gemeinden ihre Welt nicht verändert, als sie sich weigerten den römischen Kaiser als Gottheit zu verehren? Oder als Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert n.Chr. der erste Christ in einer Staatsmacht wurde. Er hat den Sonntag, den Tag nach dem Sabbat, als den freien Tag der Christen eingeführt – in Erinnerung an den ersten Ostertag, den Tag der Auferstehung. Welch eine Veränderung, dass sich der Lauf der Woche im römischen Reich nach dem Auferstehungstag richtete. Und all die Klöster, die unser Land seit dem früher Mittelalter übersäten, die so gute Früchte gebracht haben - nicht nur durch ihre Gottesdienste, sondern auch durch ihre Schulen, die Apotheken, ihre Werkstätten ... Sie haben das Land und das Leben positiv verändert. Und die herausragenden Menschen, die Vorbilder im Glauben für viele geworden sind: Franz von Assisi, der gegen die reiche Kirche protestierte; Martin Luther, der in seiner Kirche nicht mehr den befreienden Glauben des Ostermorgens fand; Dietrich Bonhoeffer, der seiner Kirche vormachte, dass sie sich auch in weltliche Dinge einmischen muss, wenn eine Diktator den Staat in eine Katastrophe führt .... Sie alle haben die Lebensenergie der Auferstehung nachhaltig weitergegeben. Was wäre gewesen ohne sie. Und all die Mütter und Väter, die Großmütter und Großvater, die Abend für Abend am Bett ihrer Kinder sitzen, mit ihnen ein Abendgebet sprechen und den vergehenden Tag noch einmal mit den Augen des Glaubens betrachten - sollen die nicht die Welt verändert haben? Wie viel Hoffnung, wie viel Lebensmut, wie viel Freude breitet sich dort aus. Und all die Eheleute, die den Trend der Zeit nicht nachgehen, sich nicht scheiden lassen, sondern in Treue beieinander bleiben, vorleben, was Versöhnung heißt, und zeigen, dass es auch anders geht - sollen die die Welt nicht verändert haben?

Das sind alles keine Beweise, für die Kraft und die Energie der Auferstehung. Und vielleicht will auch Paulus mit seiner Argumentation nichts beweisen, sondern einfach zeigen, wie sehr wir den Glauben an die Auferstehung in diesem Leben und in dem kommenden brauchen. Aber es sind deutliche Hinweise auf das Leben, leuchtend und schön, wie die Osterglocken, die wie ein Protest gegen die noch anhaltende Kälte ihre leuchtend gelben Blüte zum Himmel erheben.

Wir wissen ja nicht, wie die Welt ohne sie aussähe, ohne all die Menschen im Glauben, ohne diejenigen, die sich von der Kraft der Auferstehung anstecken ließen, ohne diejenigen, die spürten, dass nach diesem Ereignis nichts mehr so ist, wie es vorher war.

Das Osterlied, das wir am Ende singen - „Christ ist er erstanden” - sagt es ganz deutlich, was wäre, wenn die Auferstehung nicht gewesen wäre. Es zeichnet ein Bild von dieser Welt, wie sie aussähe ohne die Lebenskraft Gottes, die oftmals nur im Verborgenen wirkt: „Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen ...!”

Nichts ist so wie es vorher war! Dieser Tag hat die Welt wirklich verändert!

Und wir? Lassen wir uns verändern! Amen!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, der auferstanden ist, um diese Welt zu verändern. Amen.

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh
15,1-11

1 Ich erinnere euch, Geschwister, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt und mit dem ihr auf festem Boden steht.
2 Durch die frohe Botschaft werdet ihr selig, wenn ihr sie festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; ohne sie verliert euer Vertrauen seinen Grund.
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt;
4 Er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift;
5 Er erschien Kephas und dann den Zwölfen.
6 Danach wurde er von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal gesehen, von denen die meisten noch heute leben; einige aber sind schon tot.
7 Danach erschien er noch Jakobus und allen Aposteln.
8 Zuletzt ist er auch mir erschienen als einer unzeitigen Geburt.
9 Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel genannt werde, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde,

an Ostern geht die Tür zum Himmel einen Spalt breit auf: Wir erkennen Jesus, den Gekreuzigten: Der war doch gestorben und begraben? Lag nicht ein großer Fels vor dem Grab? Da kommt doch keiner raus!? Doch: „Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Wir blicken in eine neue Welt. Die Furcht ist vertrieben. Der Tod hat seine Macht verloren. Wir sehen ein neues Leben vor uns: ein Leben ohne Angst, ohne Gewalt, ohne Trauer, wie sie nach dem Terror in Belgien nun wieder so viele Menschen tragen müssen.

I

Am Ostermorgen verändert sich die Welt! Jesus, der tot war, ist gesehen worden. Zuerst von Kephas, dann von den Zwölfen, dann von 500 Brüdern auf einmal, und die Schwestern, die ihn dabei gesehen haben, sind wahrscheinlich gar nicht mitgezählt. Auch Jakobus und allen Apostel ist er erschienen. Schließlich auch Paulus, der es am wenigsten verdient hat, weil er doch früher die christlichen Gemeinden verfolgt hat. Auch ihm ist Jesus erschienen. Und Paulus hat all diese Erscheinung für uns aufgeschrieben: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt; er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift.

Einer, der tot war, Jesus, ist auferweckt worden und erschienen. Der Tod hat seine Macht verloren, das Leben siegt. Eine lange Kette von Menschen bezeugt das, bis zu uns heute: Von wem haben Sie diese unglaubliche Nachricht über Jesus zum ersten Mal gehört? Von Ihrer Mutter oder Großmutter, vom Pfarrer oder der Lehrerin? Wann hat Ihnen das eingeleuchtet, wann haben Sie von ganzem Herzen einstimmen können in das Halleluja, wann hat Sie das getröstet: Christus ist auferstanden und führt uns ins ewige Leben? War es vielleicht auf dem Friedhof, so wie heute Morgen?

Wir sind Glieder in einer Kette, die einander die Osterbotschaft vom Sieg des Lebens weiter geben. Die Kette geht weit zurück durch die Zeiten. Mal sind die Glieder in der Kette kräftig und stark, mal sind sie ganz zerbrechlich, voller Zweifel und Unsicherheit. Am Ende knüpfen sie wieder an Paulus an und an all die anderen, von denen er erzählt, dass Jesus, der Gekreuzigte, ihnen erschienen ist.

II

„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das ist ein Kern unseres Glaubens - er lebt davon, dass wir ihn einander weitersagen, einander Einblicke gewähren in diese neue Wirklichkeit, die mit Jesus in die Welt gekommen ist. Heute Morgen feiern wir das gemeinsam, laut und deutlich mit kräftigen Lieder, mit der Wegzehrung des Abendmahls, mit einem stärkenden Frühstück. Manchmal sagen wir es einander aber auch leise und vorsichtig weiter, am Krankenbett vielleicht: Ja, ich bin auch nicht sicher, aber ich hoffe es, für mich und für dich. Gerade im Angesicht von Krankheit, Sterben und Todes ist es so wichtig, dass wir einander Zeuginnen und Zeugen sind. Dass andere für mich glauben und mich trösten und für andere glaube: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ 

Die Kette des Osterglaubens funktioniert nicht wie ein unwiderlegbarer Beweis: Siehst du hier, so war es! Wir teilen unsere Erfahrungen, wie Gottes Kraft uns getragen und bewahrt hat, aber auch unsere Zweifel und Fragen. Der Osterglaube bildet sich immer wieder neu, im Gespräch, im Anvertrauen und im Zutrauen. Niemand glaubt für sich allein, wir brauchen einander – gerade im Glauben.

III

Unser Predigttext zeigt uns, dass der Geist Gottes viele Möglichkeiten hat, den Osterglauben zu stärken. Wenn sie so wollen, öffnet er jedem und jeder von uns einen eigenen Türspalt, durch den wir in die neue Osterwelt sehen.

Da ist der Spalt, durch den Petrus, auch Kephas, Felsen, genannt, schaut: Vor der Ermordung von Jesus ist er vollmundig: „Ich, ich werde dich nie verraten.“ Doch dann läuft er weg, hat Angst und verleugnet Jesus. Das ist vielleicht so, wie wenn heute bei einem Menschen ein Lebenstraum zerbricht, der ihn lange getragen hat. Wenn die Not und der Schrecken so groß werden, dass es keinen Trost mehr gibt. Aber Jesus ruft ihn wieder zu sich und stärkt ihn. Er macht Petrus gewiss: „Du bist ein Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will.“

Auch Paulus schaut in eine neue Wirklichkeit, als er den Auferstandenen sieht: Er hat die Gemeinde verfolgt und will sie ausrotten. Da tritt ihm Jesus entgegen und stoppt ihn. Aus dem Verfolger wird einer, der andere zum Glauben ermutigt.

An Ostern öffnen sich Türen, durch die wir in die neue Welt sehen: in der Menschen Trost finden, in der sie auf die Würde der anderen achten, in der Vertrauen wächst, in der wir frei sind, füreinander Verantwortung zu übernehmen.

IV

An Ostern öffnet sich ein Türspalt. Yago stammt aus Nigeria und lebt heute in Karlsruhe. Seine Eltern waren beide Polizisten und sind getötet worden, als er sieben war. Zwei Jahre hat er allein auf der Straße gelebt. Er musste damals schnell erwachsen werden. Wer überleben will, muss kämpfen können. Nur die Starken haben eine Chance; sonst droht der Tod. Yago hat sich durchgebissen.

Dann hat seine Großmutter ihn eingefangen. Und hat ihn in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt, zu seiner Tante. Erst findet er sich in Karlsruhe schwer zu Recht. In Nigeria hatte er auf der Straße gelernt, misstrauisch zu sein, sich durchzusetzen, zur Not auch mit Gewalt. Das passt nicht in der neuen Umgebung. Er muss die Grundschule verlassen und wechselt in eine integrative Schule für Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf: da gibt es Kinder mit spastischen Lähmungen, die im Rollstuhl sitzen, Kinder, deren geistige Fähigkeiten eingeschränkt sind, Kinder, die nicht gut mit anderen zurechtkommen.

Yago kann dieses Miteinander das kaum verstehen. Behinderte Menschen galten bei ihm zu Hause wenig; viele wurden von ihren Familien verstoßen, ausgesetzt, starben schnell. Eine neue Welt tut sich für ihn in dieser Schule auf. Die Lehrerinnen und Lehrer haben die Kinder gerne, ihn und die anderen. Sie schauen nach ihnen. Sie fragen, wie es jedem einzelnen geht. Sie interessieren sich. Sie freuen sich, wenn einer etwas lernt, wenn eine andere sich mehr traut, wenn eine dritte, sich überhaupt äußert – und vor allem, wenn sie sich gegenseitig unterstützen.

Inzwischen kann Yago gut deutsch. Er lernt schnell. Manchmal muss er nicht mehr kämpfen. Dann tut sich –wie in der Ostergeschichte - ein Spalt auf und ein neues Leben wird erkennbar, in dem Menschen einander vertrauen, indem sie für sich, für andere, für diese Welt hoffen.

V

Am Ostermorgen öffnen sich viele Spalten in ein neues Leben. Der Tod verliert seine Macht. Das Osterlicht vertreibt die Dunkelheit. Wir stimmen ein in das Halleluja der himmlischen Chöre: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Leben ohne Jesu Auferstehung?! - Predigt zu 1 Korinther 15,1-20 von Agnes Schmidt-Köber

Leben ohne Jesu Auferstehung?! - Predigt zu 1 Korinther 15,1-20 von Agnes Schmidt-Köber
15,1-20

Leben ohne Jesu Auferstehung?!

Das Zeugnis von der Auferstehung Christi
15 1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,
2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.
6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.
9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.
(12 Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?
13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
15 Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
16 Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
17 Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
18 so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten.)

Liebe Schwestern, liebe Brüder, liebe Festgemeinde!

aus diesen Worten des Apostels Paulus an die Korinther hören wir eindeutig heraus, dass sie mit der Auferstehung ihre Schwierigkeiten haben. Irgendwie tröstliche, dass schon die ersten Christen, die Jesus nicht persönlich begegnet waren, mit der unglaublichen Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi kämpfen. Paulus versucht seine Korinther zu überzeugen und schreibt ihnen, was er von Augenzeugen und Wegbegleitern Jesu erfahren hat. Die Leidenschaft, mit der er schreibt, zeigt an, wie wichtig für ihn die Botschaft von der Auferstehung ist. An der Auferstehung, so kann man ihn verstehen, hängt alles, sie ist der Schlüssel. Mit ihr steht und fällt der christliche Glaube.

Während meines Studiums fragte mich eine Freundin:

Glaubst du eigentlich, was du an Ostern predigen musst?
Was meinst du?
Na, dass Jesus auferstanden ist?!

Lassen Sie uns mal ein wenig phantasieren, wie es sein könnte, wenn Jesus nicht auferstanden wäre:

Wir leben auf ehemals germanisch-römischem Gebiet. Fangen wir beim Datum an: wir haben heute Sonntag, den 27. März 2016. Die Römer begannen die Jahre nach der Gründung Roms zu zählen, dann wären wir also heute bereits im Jahr 2769 ab urbe condita. Wir hätten eine ganz andere zeitliche Struktur. Die Römer hatten die 7-Tage-Woche nicht (die ist jüdischen Ursprungs) sondern das Nundinum: ein Zyklus von 9 Tagen. (Erst durch den christlichen Kaiser Konstantin wurde die 7-Tage-Woche, verbindlich eingeführt.) Ich bezweifle, dass wir so schön beieinandersäßen und feiern.

Die Römer versuchten dem Leben möglichst viel abzugewinnen, nichts anbrennen zu lassen. Der eigene Nutzen und Genuss stehen im Vordergrund. An ein Leben nach dem Tod glaubten sie nicht.

Wir könnten einem abgewandelten germanischen Kult angehören: Zauber, Hexerei, Glaube an Weissagung, an Wesen, die in Hügeln und Wasserfällen hausen. Enge Bindung an die Natur. Wir trügen Amulette und opferten den Gottheiten, um sie gut zu stimmen und ein gutes Leben zu haben. Ein starker Fokus läge auf der Gemeinschaft. Ein „Volk“ gäbe es nicht, sondern Stämme und Sippen, die zwar miteinander immer wieder im Clinch liegen, sich aber dennoch nach und nach vermischen. Die eigenen Leute sind okay, die anderen sind Feinde, die bekämpft werden müssten. Der Feind hätte keine Würde, Erbarmen würden wir nicht kennen. Verantwortungsbewusstsein auch nicht, es würde uns nicht kümmern, was mit den anderen ist. Unsere Obrigkeit ließe sich huldigen und gottgleich verehren, dürfe nicht in Frage gestellt werden, willkürliches Handeln zeichnete sie aus. Viele Götter hätten wir, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, denen wir Opfer darbringen müssten. Selektion, das Recht des Stärkeren, keine Schonung für die Schwächeren der Gesellschaft sind an der Tagesordnung. Drakonische Strafen für jene, die ausscheren.

Aber wie bei allen „was wäre wenn….“ - Überlegungen bleibt es bei Mutmaßungen, die sehr individuell ausfallen werden und über die wir uns gehörig in die Haare bekommen können. Dennoch macht es richtig Spaß, diesen Gedanken noch weiterzuführen, für andere Bereiche des Lebens:  Ich vermute, dass wir beispielsweise vom Stand der Wissenschaft und Technik her ähnlich gut dastehen könnten, vielleicht wären wir sogar weiter. Denn: wenn nur die Starken und Tüchtigen sich durchsetzen, wenn man jene sich selbst überlässt, die auf Hilfe angewiesen sind, um zu überleben, hat man mehr Kraft und materielle Mittel, die man in den Fortschritt investieren kann.

Möglicherweise hätten wir bereits jeder sein privates Flugzeug, mit dem wir uns fortbewegen. Möglicherweise bräuchten wir die auch, weil wir mit den Nachbarländern/Völkern nicht friedlich zusammenlebten und nicht unbehelligt durchziehen dürften.

Wenn ich mir das Leben als Individuum betrachte: ich als Einzelner zählte nichts. Wer anders ist, lebte gefährlich, müsste sich permanent unterordnen. Für alles, was ich täte oder falsch machte, bekäme ich die Quittung. Wenn ich eine Chance verpasst hätte, bekäme ich keine zweite. Alles was ich tue oder lasse, zöge Strafe hinter sich, für alles müsste ich „bezahlen“ und könnte dennoch nicht „sicher“, getröstet sein.

Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben. Revanchieren und rächen. Ständig unter Druck stehen, ob ich denn der zuständigen Gottheit auch die notwendigen Opfer gebracht habe, dass ich ein gutes Leben habe.

Wenn ich mir das mal so plastisch ausmale, wird mir flau im Magen, es schaudert mich und läuft mir eiskalt den Rücken hinunter. Nein! Bitte nicht.

Die Antwort auf die Frage meiner Freundin: Ja. Ich glaube von ganzem Herzen: Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden!

Christentum ohne Auferstehung Jesu ist nicht mehr Christentum. Denn:  Es gab und gibt viele unheimlich kluge und begabte Menschen auf der Welt, die (von Gott) geniale Ideen, Philosophien, Vorschläge zur Weltverbesserung hatten. Viele haben auch eine Zeitlang guten Erfolg, ihre Ideen werden umgesetzt – und dennoch verschwinden sie irgendwann wieder in der Geschichte.

Eines Tages tritt Jesus auf, ein bis dato eher unscheinbarer Zeitgenosse und Rabbi.

Er heilt Kranke, er tut Wunder – hat es schon gegeben.

Er predigt und ruft zur Buße und Umkehr auf – hat es auch schon gegeben. Er legt die Heiligen Schriften so aus, dass es den Menschen möglich wird, Gottes Willen zu erkennen und auch zu tun – hat es ebenfalls schon gegeben. Langsam werden seine Zeitgenossen aufmerksam: da ist einer, der Gott ganz anders kennt und sieht und von ihm redet. Einer der sich auch mal was traut, Dinge zu tun, die „man eigentlich nicht macht“, der Konventionen, auch die religiösen, übertritt. Es wird den Menschen um ihn herum immer deutlicher, dass da Gott selbst aktiv wird. Aber sie missverstehen ihn grundlegend, indem sie von ihm politische Veränderung erwarten. Auch damals waren die Menschen nicht anders als heute: die Veränderung soll außen geschehen, innen drin soll alles bleiben, wie es ist.

Es kommt zu Unruhen, Jesus wird als Ursache für diese Unruhen verantwortlich gemacht und trägt die blutigen, schmerzhaften Konsequenzen. Das hat es auch schon gegeben: dass Revolutionäre für ihre „Vergehen“ bestraft worden sind.

Aber dieses Mal ist es anders: der schändlich hingerichtete Jesus kommt erneut ins Leben. Es wird deutlich, hier ist Gott am Werk. Er steht über allem und kann alles wenden.

Nun steht das Werk Jesu und seine Verkündigung in einem ganz anderen Licht da. Seine göttlich-liebevolle Sicht auf die Menschen und ihre (selbstgemachten) Probleme und die Lösungen, die Jesus parat hat. Er weitet den Blick, er bewegt Menschen dazu, sich bewegen zu lassen um eine andere Perspektive wahrzunehmen.

Einer, den Tod, erlebt und überwunden hat, dessen Wort und Tat zählt mehr. Dass er den Tod besiegt hat, macht Menschen Mut. Hoffnung breitet sich aus.

Hoffnung auf Besserung, bereits im irdischen Leben:

Gott erwartete von seinem auserwählten Volk Vertrauen und Zuneigung, wie es im jüdischen Glaubensbekenntnis heißt: du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Zuneigung, die eigentlich dazu geführt hätte, mit ihren Mitmenschen liebevoll und gütig umzugehen.  

Nach Jesu Auferstehung wird seine Botschaft von der Nächstenliebe verstanden und auch gelebt:

Was ihr einem von diesen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Oder: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Es wird deutlich: durch diesen Jesus ist eine neue Zeit angebrochen, eine Zeit, in der Gesetze, z.B. vom Recht des Stärkeren, relativiert werden.

Jesus hat eine Wende unvorstellbaren Ausmaßes herbeigeführt, das steht fest. Auch wenn seine Botschaft immer wieder missverstanden, missbraucht und missdeutet wurde, weil wir Menschen im Grund genommen dieselben geblieben sind. Aber durch Jesu Auferstehung haben wir die Möglichkeit nicht nur zu bereuen, sondern durch Vergebung neu zu beginnen.

Ich komme nochmal auf das Neue zurück: Feinden gegenüber verhält sich Jesus anders als üblich. Der Auferstandene macht sich seine Gegner zu Werkzeugen, wie zum Beispiel den Paulus. Der hatte seine Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, als er noch zu den Verfolgern gehörte und danach trachtete, wieder Ruhe in die aufgewühlte Stimmung in seinem jüdischen Volk zu bringen. Dann die Kehrtwende: der, den er bekämpft, der nimmt ihn in seinen Dienst. Unvorstellbar. So absurd – es hatte Paulus in jeder Hinsicht umgehauen. Er hatte keine Zweifel an der Lebendigkeit und Göttlichkeit Jesu. Paulus hat selbst erfahren, dass alles neu wird, wenn Jesus in das Leben eines Menschen tritt.

Aber es ist noch ein langer Weg. Nicht nur „einfache“ Menschen werden von Jesus und seiner Botschaft berührt und verändert, sondern auch Menschen, denen politische Macht gegeben ist, werden berührt und bereichert. Z.B Kaiser Konstantin, der ganz entscheidend zur Ausbreitung des Christentums beigetragen hat.

Und so weitet sie sich aus, die frohe Botschaft. Manchmal missverstanden, missdeutet und leider auch missbraucht.

Lebendig und voller Kraft bewirkt sie Neues, bewirkt sie Unvorstellbares:

z.B., dass jeder einzelne Mensch vor Gott einen Wert hat, dass Menschen einander beistehen. Dass sie sich vergeben und versöhnen. Dass sie befreit sind von Angst, dass sie voll Vertrauen ihr Leben leben und Gott vertrauen, der uns allen in Jesus entgegenkommt.

Das einzige „Opfer“, das wir Gott regelmäßig darbringen sollten, ist unsere Angst. Angst, die uns einengt, die uns den Atem raubt. Im Gegenzug erfahren wir tiefen, inneren Frieden und große Freude.

Leben ohne Auferstehung – wäre wahrscheinlich möglich, aber für mich nicht lebenswert.

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden.

Halleluja!

 AMEN

Perikope
27.03.2016
15,1-20

(Nach den Anschlägen in Brüssel:) Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Christoph Dinkel

(Nach den Anschlägen in Brüssel:) Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Christoph Dinkel
15,1-11

Unser Predigttext heute ist der älteste Osterbericht, den wir überhaupt haben. Er stammt vom Apostel Paulus und dürfte etwa um das Jahr 50 nach Christus zu datieren sein, also knapp 20 Jahre nach den ersten Ostererscheinungen. Die Evangelienberichte sind mindestens 20 Jahre später entstanden. Der Apostel Paulus schreibt:

Ich erinnere euch aber, liebe Geschwister, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.

Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde!

1. Seelenvergiftung

Tödliche Mächte haben Jesus das Leben gekostet. Am Karfreitag mussten die Jüngerinnen und Jünger Jesu miterleben, wie ihre große Hoffnung, ihr Freund und Anführer grausam zu Tode gemartert wurde. So viel Gewalt, so viel Schmerz, so viel sinnloses Leid? Wie soll man da noch weiterleben? Welchen Sinn hat es noch, auf eine Veränderung der Welt zu hoffen? Warum Gutes tun, wenn doch überall Tod und Verderben lauern?

Tödliche Mächte erleben wir rings um uns. Am Dienstag haben in Brüssel islamistische Terroristen zugeschlagen. 34 Menschen haben sie in den Tod gerissen (Stand Dienstagabend), viele sind verletzt und fürs Leben an Leib und Seele verwundet. Viele trauern und wissen nicht, wohin mit ihrem Schmerz. Die Grausamkeit des Terrors wirkt selbst auf uns, die wir hunderte Kilometer entfernt leben, beklemmend. Das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen berührt uns.

Eine Welt voller Gewalt, eine Welt voller Tod und Schmerz – diese Erfahrung teilen wir mit den Menschen in Brüssel, in Paris, in den Kriegsgebieten des nahen Ostens, wir teilen sie auch mit den Jüngerinnen und Jüngern Jesu. Wir spüren wie sie die Vergiftung der Seelen, die sich ausbreitende Lähmung, das Gefühl, nichts tun zu können, hilflos ausgeliefert zu sein.

2. Strategien im Umgang mit dem Leid

Wie geht man mit solchen Erfahrungen um? – Die neutestamentlichen Berichte liefern uns dafür zwei Modelle. Das eine Modell liefern die Jünger Jesu: Sie fliehen, als Jesus verhaftet wird. Die Flucht vor schrecklichen Erfahrungen treten auch heute manche an. Man schottet sich ab gegen das Leid anderer Menschen, man meidet die grausamen Nachrichten und zerstreut sich: Es geht mich nichts an, was in Brüssel, Paris, in Homs passiert. Sollen sich doch andere darum kümmern. Hauptsache mein eigenes, kleines Lebensumfeld ist in Ordnung. Das andere Modell liefern die Frauen um Jesus. Sie fliehen nicht. Sie stehen unter Jesu Kreuz, halten dem Leid, dem Schmerz, dem Entsetzen stand. Die Frauen um Jesus werden von den Evangelisten als besonders standfest beschrieben. Es ist bemerkenswert, dass gerade diese Frauen auch zu den ersten Osterzeugen werden.

Die Flucht vor dem Leid kann man niemandem empfehlen. Aber natürlich muss man sich schon überlegen, wie viel Unglücksnachrichten man verkraften kann. Die Massenmedien liefern einem ja Terror, Unfälle und alle Schrecklichkeiten des Lebens Tag und Nacht live auf den Bildschirm. Ein solches Dauerfeuer an grausamen Nachrichten halten nur besonders robuste Naturen aus. So mancher und manche wird sich nur dosiert den schlechten Nachrichten aussetzen, um nicht von einem Übermaß an Leid überwältigt zu werden. Dazu muss man sich klarmachen, dass noch vor wenigen hundert Jahren die meisten Menschen in ihrem Leben nur zwei- oder dreihundert anderen Menschen begegnet sind. Man lebte im Dorf und aus dem Dorf kam man normalerweise auch nicht heraus. Die meisten Menschen erreichten nur ganz wenige Nachrichten von außerhalb. So musste man nur das Glück und Unglück weniger anderer teilen. Heute nehmen wir an Glück und Unglück einer fast unbegrenzten Menge an Menschen Anteil. Dass das manchen überlastet, liegt auf der Hand. Man darf daher schon dosieren, was man sich zumuten kann und was nicht.

Man muss sich also nicht jedes Leid der Welt zu eigen machen. Und außerdem schwankt das Maß an Leid, das Menschen verkraften können, von Person zu Person stark. Daher darf und man muss wohl auch dosieren, was die eigene Seele bewältigt und was nicht. Aber vor dem Leid insgesamt zu fliehen, ist in jedem Fall keine christliche Möglichkeit. Der Nächste geht uns immer an – und wenn er leidet, dann geht uns auch das an. Im Mittelpunkt unseres Glaubens steht Nächste, exemplarisch erkennbar im Gekreuzigtem, dem leidenden Menschen schlechthin. In seinem Angesicht begegnet uns Gott, denn der christliche Gott identifiziert sich mit dem Leidenden. Er will in der Niedrigkeit erkannt werden. Dem Leid auszuweichen würde bedeuten Gott auszuweichen.

3. Es braucht Zeit, bis es Ostern wird

Wer sich dem Nächsten zuwendet und dessen Leid standhält, der wird Gott erkennen. Das gehört zu den Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens. Die Frauen um Jesus haben das verstanden. Am Ostermorgen machen sie sich auf, um nach den Sitten der Zeit den Leichnam zu salben, ein letzter Dienst der Liebe. Dass sie den Leichnam nicht finden, erfüllt sie mit Schrecken. Zittern und Entsetzen packt sie, so berichtet der Evangelist Markus in seinem Osterbericht, dem nach Paulus zweitältesten Osterbricht, den wir kennen. Die Frauen sagen den anderen erst einmal nichts von der Begegnung mit dem Engel am Grab. Sie trauen der Botschaft von der Auferstehung nicht. Und das ist dann auch ein Grundzug aller Osterberichte: Ostern hat es schwer sich durchzusetzen. Unablässig wird davon erzählt, dass die Jünger zweifeln, unsicher sind, sich nicht nach draußen trauen und in ihrer Trauer festgehalten werden. Besonders krass ist die Erzählung von den Emmausjüngern. Ihnen begegnet der Auferstandene, sie erzählen ihm, was vorgefallen ist und erkennen ihn nicht. Ihre Augen werden gehalten, so beschreibt das Lukas. Der Auferstandene selbst muss die Emmausjünger trösten und ihnen erklären, was es mit Karfreitag und Ostern auf sich hat. Und auch das hilft nur ein wenig weiter. Immerhin lassen die beiden Jünger den Auferstandenen nicht weiterziehen. Sie laden ihn zum Essen ein, üben also Gastfreundschaft und erfüllen so das Gebot Christi. Erst in dem Augenblick, da der Auferstanden ihnen das Brot bricht, erkennen sie ihn. Die Geste des geteilten Brotes dringt durch die Mauer der Traurigkeit hindurch und sie erkennen, dass der Auferstandene die ganze Zeit bei ihnen war.

Es braucht Zeit, bis es Ostern wird. Die Schatten des Todes lassen sich nicht schnell vertreiben. Vierzig Tage dauern der Überlieferung nach die Ostererscheinungen an. So lange braucht es, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Gekreuzigte den Tod überwunden hat, dass er lebendig ist und unter den Menschen wirkt – wenn auch anders und geheimnisvoller als vor seiner Hinrichtung. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu erleben die Macht seiner Gegenwart in ihrer Gemeinschaft, sie erleben sie im Brotbrechen, in der Hinwendung zum Nächsten, im gemeinsamen Feiern, Singen und Bekennen. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden – mit diesen Worten geben sie weiter, was sie erlebt haben. Noch in diesen Worten merkt man das ungläubige Staunen darüber, dass mit Jesu Tod doch nicht alles aus ist.

4. Paulus, die Spätgeburt

Es braucht Zeit, bis es Ostern wird. Noch viel länger braucht der Apostel Paulus bis es auch für ihn Ostern wird. Er selbst zählt sich zu den authentischen Osterzeugen und reiht sich ein in die Reihe derer, denen Christus als Lebendiger erschienen ist: Er wurde gesehen „von Kephas [das ist Petrus], danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden“.

Paulus hat Jesus nicht persönlich gekannt. Er war ein Feind der ersten Christen und suchte sie zu verfolgen. Dass gerade er einer Ostererscheinung gewürdigt wurde, nimmt Paulus noch fünfzehn Jahre später als großes Wunder und als besondere Gnade wahr. Ostern ist auch für ihn bleibend etwas Unwahrscheinliches, Überraschendes, nicht fest Einzukalkulierendes. Und auch für die Korinther, denen er seinen Brief schreibt, scheint Ostern immer wieder verloren zu gehen. Die Macht des Bösen, die viel zu vielen schlechten Nachrichten, zerstörerische Erlebnisse und immer wieder der Tod nagen beständig an der Hoffnung der Menschen. Ostern bleibt gefährdet, man muss es sich immer wieder neu aneignen. Immer wieder muss man sich gegenseitig an die Botschaft erinnern, dass der Tod seine Macht verloren hat, dass das Leben siegt und die bösen Mächte zum Untergang verdammt sind.

5. Die Macht des Lebens

Ostern feiern wir nicht, weil wir jederzeit sicher sind, dass unser Leben gelingt und alles immer gut geht. Ostern feiern wir vielmehr deshalb, weil unsere Hoffnung gefährdet und unser Glauben an das Gute und die Macht der Liebe brüchig sind. Wir lassen uns leicht erschüttern und in der vergangenen Woche hat die Macht des Terrors uns wieder aufs Neue unsicher gemacht. Diese Erschütterung teilen wir mit den Frauen und Männern um Jesus. Sein Tod am Kreuz traf sie mit fundamentaler Macht. Sein Leiden zerstörte ihren Glauben. Der Zweifel am Sinn des Lebens und an der Güte von Gottes Schöpfung brub sich tief in ihre Seelen. Doch dann kam unerwartet, kam von außen, kam gegen alle Wahrscheinlichkeit vom Himmel das Zeichen: Der Gekreuzigte blieb nicht im Tode. Gott hat zu ihm gehalten. Jesus ging nicht verloren. Er ist ein Teil von Gottes Leben geworden. Gottes Macht reicht weiter als die Macht des Todes. Gottes Licht ist stärker als die Finsternis. Gottes Kraft erneuert die Welt und überwindet das Böse.

Wir heutigen müssen nicht glaubensvoller sein als die Jüngerinnen und Jünger Jesu damals. Auch wir in unserer Erschütterung brauchen das Signal von außen, die helfende Hand, das tröstende Wort, die Kraft der Auferstehung, um neu Vertrauen ins Leben zu gewinnen. An Ostern rufen und singen wir es uns gegenseitig zu: Der Herr ist auferstanden! – Damit unsere Seele sich daran festhalten kann und wir begreifen, was wir uns selbst nicht sagen können: Die Macht des Lebens siegt. Sie überwindet das Böse. Sie schafft Frieden und heilt Wunden. Gott erneuert die Welt. – Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Leben blüht aus totem Stein

Leben blüht aus totem Stein
15, 50-58

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde,

Christ ist erstanden! So haben wir eben gemeinsam gesungen. Und haben damit eingestimmt in die große Gemeinde derer, die seit nun fast 2000 Jahren an Ostern diesen Ruf anstimmen. Und damit die tiefe Freude in der Seele zum Ausdruck bringen, die mit Ostern verbunden ist. Eine Freude, die auch durch die Gewalt, die uns gerade in dieser Woche das Herz so schwer gemacht hat, nicht erstickt werden kann, auch wenn es sich im Moment vielleicht so anfühlt.

Schon den Frauen, die an Jesu Grab gekommen sind, ist es so gegangen.

Maria steht am Gab und weint. Nur ihr Schluchzen ist zu hören. Mit dem Tod Jesu ist ihre Hoffnung verloren gegangen. Sie sieht das leere Grab. Meint, dass der Leichnam weggebracht worden ist. Spricht mit diesem Mann, den sie für den Gärtner hält.

Und dann sagt er ihren Namen: „Maria!“

Und sie erkennt Jesus.

Und ruft – vielleicht erschrocken, aber vor allem mit großer Freude, aus: Rabbuni! Mein Meister!

Jesus lebt!

Mit einem Mal ist alles anders. Das Leben ist wieder offen. Maria geht zu den Jüngern und sagt: Ich habe den Herrn gesehen!

Kann das sein? Können wir als moderne Menschen das noch glauben, dass einer vom Tod auferstanden ist? Können wir wagen, uns darauf einzulassen, dass dieser Sieg des Lebens auch das Ziel unserer eigenen Biographie ist? Dass unsere Lieben und auch wir selbst nicht im ewigen Dunkel landen, sondern ein neues, ein anderes Leben haben nach dem irdischen?

Maria will Jesus ergreifen, anfassen, wie sie es früher, vor seinem Tod, oft genug getan hat. Aber Jesus ist nicht mehr wie früher. Er ist verwandelt. Der Gleiche und doch ganz anders. Was da mit Jesus geschieht, was mit uns geschieht, wenn wir sterben, ist ein Geheimnis, das man mit dem Verstand nicht erfassen kann. Aber Bilder können uns helfen, es jedenfalls zu erahnen.

Es ist - sagt der Apostel Paulus - wie mit einem Weizenkorn. Aus ihm kann nur etwas Neues kommen, wenn es stirbt.

Und dann spricht Paulus von dem neuen Leib, den wir wie ein Kleid anziehen. Doch hören wir ihn selbst:

 

Stefan Porzner, Lesung Teil 1:

50Eins muss ich euch aber sagen,

Brüder und Schwestern:

Menschen aus Fleisch und Blut

können das Reich Gottes nicht erben.

Was vergänglich ist,

kann nicht unsterblich werden.

51Seht doch,

ich weihe euch hier wirklich in ein

Geheimnis ein:

Wir werden nicht alle sterben,

wir werden aber alle verwandelt werden.

52Das geschieht ganz plötzlich,

in einem Augenblick,

beim letzten Trompetenstoß:

Die Trompete wird erschallen -

da werden die Toten zu unvergänglichem Leben erweckt.

Und gleichzeitig werden wir verwandelt.

53Denn was vergänglich ist,

muss die Unvergänglichkeit anziehen -

wie ein neues Kleid.

Und was sterblich ist,

muss sich in Unsterblichkeit kleiden.

54So hüllt sich das Vergängliche in Unvergänglichkeit und das Sterbliche in Unsterblichkeit.

(1 Korinther 15,50-54, Basisbibel)

 

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm:

Ja, es ist wirklich ein Geheimnis, von dem Paulus hier spricht.

Aber ein Geheimnis mit Posaunenklängen. Kraftvoll. Triumphierend. Als Fanfaren des Lebens. Sie kündigen einen Zeitenwechsel an. Denn für Paulus ist Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi eingezeichnet in eine große Erwartung für uns alle: Die alte, irdische Zeit wird überwunden. Jesu Auferstehung eröffnet uns einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Aber was ist bis dahin? Werden wir nach dem Tod erst einmal in einen tiefen Schlaf fallen, bis der jüngste Tag anbricht? Oder gibt es diesen Zwischenzustand nicht und es wird so sein, wie Jesus es dem Verbrecher am Kreuz verspricht: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ (Lk 23.43) ?

Martin Luther stellt es sich wie bei einem Menschen vor, der in der Nacht plötzlich aufwacht und nicht weiß, ob er Sekunden oder Stunden geschlafen hat. Für einen kleinen Augenblick verschwimmt die Zeit: „Sobald die Augen sich schließen, wirst du auferweckt werden. Tausend Jahre werden sein gleich als du ein halbes Stündlein geschlafen hast. Gleich wie wir nachts … nicht wissen, wie lange wir geschlafen haben, so sind noch vielmehr im Tod tausend Jahre schnell weg. Ehe sich einer umsieht, ist er schon ein schöner Engel.“

Wann genau das Ende der Zeiten kommt, liebe Gemeinde, das wissen wir heute genauso wenig wie es Paulus damals gewusst hat. Aber wir dürfen heute wie damals in der österlichen Gewissheit leben, dass wir keine Angst mehr vor dem Sterben zu haben brauchen. Weil Gott uns begleitet, auf uns wartet und uns ansieht und wir mit dem Kleid der Unvergänglichkeit umhüllt werden. Dieses Kleid der Unvergänglichkeit ist wie ein Brautkleid des ewigen Lebens. Es ist hell. Es strahlt Liebe aus. Es ist ein Festkleid.

 

Stefan Porzner, Lesung Teil 2:

Wenn das geschieht, geht das Wort in Erfüllung, das in der Heiligen Schrift steht:

"Der Tod ist vernichtet! Der Sieg ist vollkommen!

55Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?"

56Der Stachel des Todes ist die Schuld. Aber die Schuld hat ihre Macht durch das Gesetz.

57Dank sei Gott! Durch unseren Herrn Jesus Christus

schenkt er uns den Sieg! 58Meine lieben Brüder und Schwestern, haltet am Glauben fest!

Seid unerschütterlich! Setzt euch mit aller Kraft für die Sache des Herrn ein!

Ihr wisst ja: Was ihr für den Herrn tut, ist nicht vergeblich!

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Predigt I

Liebe Gemeinde, ich kann verstehen, dass Paulus so überschwänglich „Danke“ sagt. Es ist so wunderbar, ohne Angst leben zu dürfen. Sagen, singen, rufen, vielleicht auch leise flüstern zu dürfen: „Tod, wo ist dein Sieg, wo ist dein Stachel?“

Wer in der Seele krank ist, bedrängt von dem Gefühl, nichts wert zu sein, nichts zu können, anderen nur zur Last zu fallen. Wer sich am Abend schon vor der Schwere des nächsten Tages fürchtet, kann hoffnungsvoll sagen: „Tod, wo ist dein Stachel?“

Wer ein langes Leben geteilt hat, das mit dem Tod der Frau, des Mannes jetzt dunkel und schwer geworden ist, kann Trost finden und zuversichtlich fragen: „Tod, wo ist dein Stachel?“

Wer die Bilder von terroristischen Angriffen und den zerbombten syrischen Städten nicht mehr aushält, das Leid der Flüchtlinge nicht mehr anschauen kann, wem darüber die Hoffnung entgleitet, dass sich je irgendetwas ändern wird, der kann in das Bekenntnis einstimmen: Christus ist auferstanden! Die Macht des Todes ist gebrochen!

Die österliche Freude aus der Kraft des Auferstandenen verändert die Welt. Sie macht das Leben im Hier und Jetzt neu. Darum singt davon, sagt es weiter!

Vielleicht als trotzige Freude, die sich erst langsam aus der Umklammerung eines Schmerzes löst. Vielleicht als zweifelnde Freude, ob es wirklich stimmt, dass der Tod bezwungen ist.

Sei es fröhlich, trotzig oder zweifelnd: In welchem Ton die Osterfreude auch gestimmt ist, immer ist sie Ausdruck unserer tiefen Leidenschaft für das Leben. Sie ist ein kraftvoller Protest gegen den Tod. Sie ist eine große Hymne der Hoffnung!

Mit ihren Tönen im Herzen und auf den Lippen können wir entdecken, wie Ostern schon heute in unserem Leben anbricht: durch liebe Menschen, die Gott uns schenkt, die uns nahe sind und uns begleiten. In all dem Guten an Leib und Seele, das wir erfahren und das uns neue Lebenskraft gibt. In einem zwar immer wieder bedrohten, aber doch neue Hoffnung schaffenden Waffenstillstand in Syrien, den keiner für möglich gehalten hat, in einer Klimakonferenz in Paris, deren Ergebnisse kaum einer erwartet hat, in einer Hilfsbereitschaft und Empathie in unserem Land, die wir Deutschen uns bis vor kurzem nie zugetraut hätten.

Überseht die Zeichen der Hoffnung nicht! Gebt dem Tod nicht die Macht, Euer Leben zu bestimmen! Vertraut euer Leben dem auferstandenen Christus an! Öffnet eure Augen, Eure Ohren, eure Herzen und Sinne für die österlichen Zeichen des neuen Lebens!

Die Kinder werden gleich das Kreuz mit Blumen schmücken. Wenn wir ihnen dabei zuschauen, dann lasst uns diese Bilder aufnehmen und mit nach Hause in den Alltag nehmen: aus dem Kreuz ist Leben gekommen, der Same hat sich in Blüten verwandelt. Das Leben hat gesiegt. Es ist Ostern geworden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen in Christus Jesus. Amen.

Perikope
27.03.2016
15, 50-58

Gott sehen - Predigt zu 1 Korinther 15,1-11 von Maximilian Heßlein

Gott sehen - Predigt zu 1 Korinther 15,1-11 von Maximilian Heßlein
15,1-11

Gott sehen

1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, 2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. 3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; 5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. 9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. 10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. 11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde,

der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Jubelt laut, Ihr Lieben. Es ist der große Freudentag unseres Glaubens. Es ist Ostern. Der Tag, an dem alles begann. Das Grab leer. Der Tod bezwungen. Das Leben wird bleiben. Der auferstandene Herr sichtbar vor den Augen der Menschen. Die sichtbare Gemeinschaft des Glaubens an den auferstandenen Christus hier in diesem Raum. Unser Glaube.

Wie schön ist das!

Dass der Glaube etwas Besonderes ist, wird an den großen Festen immer sehr deutlich. Die sind offensichtlich so prägend und herausfordernd, dass sich Menschen immer wieder daran abarbeiten und dabei manchmal durchaus skurrile Ergebnisse zu Tage fördern.

So erging es mir, als ich neulich für meinen Schulunterricht nach dem Grab Jesu im Internet googelte, um dessen genauen Standort in Jerusalem zu erkunden. Was aber fand ich? – Sie können es sich vielleicht denken. Ich fand nicht einen, nicht zwei oder drei, nein, ich fand mindestens acht oder neun Standorte, von denen ich die meisten schon wieder vergessen habe. Ein Artikel sprach gar von eintausend Möglichkeiten.

Aber klar wurde mir: Da gibt es wirklich merkwürdige Vorstellungen über dieses Grab Jesu, die weit außerhalb meiner Vorstellungs- und Ideenwelt liegen.

Dass das Grab Jesu nicht leer war, ist ja selbst unter christlichen Theologen immer wieder eine eingehende Diskussion wert. Das war mir nichts Neues. Neu aber war mir ein Grab in Kaschmir, ein Familiengrab in Jerusalem, neu waren Mutmaßungen über ein Grab in England und besonders eine Überschrift namens „das Grab Jesu in New York“. Diese Überschrift aber berichtete eigentlich von einem Film und nicht von dem echten Grab Jesu. Ich war erleichtert. Mein Weltbild blieb intakt.

Verbunden sind diese Schlagzeilen alle mit Geschichten, die mit unseren Geschichten der Bibel sehr wenig zu tun haben. Das Grab Jesu hat bisher noch niemand gefunden. Jedenfalls nicht wissenschaftlich belastbar.

Vielleicht, Ihr Lieben, liegt das an dem Ruf, der heute seit dem frühen Morgen erschallt. Genau genommen, geht er ja seit nunmehr fast 2000 Jahren durch die ganze Welt und in die Herzen der Menschen. Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Da braucht es kein Grab mehr.  Das kann ruhig verschwinden. Denn der Herr ist auferstanden.

Die Frauen, Ihr Lieben, haben das zuerst so gesehen und dann nach anfänglichem erschrecktem, ehrfürchtigem Verstummen in die Welt getragen. Sonst säßen wir heute nicht hier. Irgendwann haben es wohl auch die Männer verstanden. [Soll keiner sagen, das sei doch immer so.] Der Glaube nahm seinen Lauf. Die Menschen sahen Gott, sahen Jesus Christus mit anderen Augen.

Mit dem Sehen aber ist das ja so eine Sache. So ganz eindeutig ist das nicht, oder? Selbst die Frauen sind sich ja offensichtlich erst einmal unschlüssig. Haben Sie nun das leere Grab gesehen, oder war das alles nur ein Traum? Und was das alles bedeutet, bleibt ihnen noch verborgen.

Mir fällt in diesem Zusammenhang das alte Kinderspiel: „Weg bin ich!“ ein. Das kennen Sie bestimmt!?

Es lässt sich vor allem mit den ganz kleinen wunderbar spielen. Ein Versteckspiel ist es, und es ist sehr einfach. Wir sitzen uns gegenüber. Dann geht es ans Verstecken. Sie wissen, was jetzt kommt: Für die Kinder reicht es, sich einfach die Augen zuzuhalten. „Ich bin weg!“. Es quietscht vor Vergnügen, dann wird es still.

Als Erwachsener sitze ich daneben, freue mich an dem kindlichen Spaß und dem so einfachen Herangehen an die Dinge. Zugleich aber wundere ich mich: die Kinder verstehen gar nicht, dass es zwar bei Ihnen funktioniert, bei mir aber nicht. Halte ich mir nämlich die Augen zu, dann bleibe ich da. Sichtbar vor ihren Augen. Ich werde jedenfalls immer sofort gefunden von ihnen.

Die Kinder, liebe Gemeinde, haben offensichtlich ein sehr individuelles, sehr subjektives Herangehen an das Spiel. Das ist auch nicht weiter verwunderlich; denn wer das auch als Erwachsener schon einmal ausprobiert hat, der wird merken, wie sehr die verschlossenen Augen über mein Leben entscheiden können.

Vielleicht mögen Sie das einfach mal für einen kleinen Moment ausprobieren. Halten Sie sich doch einmal mit der flachen Hand die Augen zu und spüren Sie zugleich Ihrem Leben nach. Sie betreten eine andere Welt. Eine Zwischenwelt ist das. [Pause!]

Unbekanntes Terrain in der Stille. Zugleich weiß ich und spüre ich, da neben mir atmet noch jemand. Ich bin nicht allein, aber ich bin der Welt ein wenig enthoben wie in einem parallelen Raum des Lebens.

Das Sehen entscheidet also für die meisten Menschen, für Kinder und Erwachsenen, über die Anwesenheit im Raum. Das haben die Kinder nicht exklusiv.

Wie klar und wie deutlich das ist, erleben Menschen sicher sehr genau, denen das Augenlicht schwindet. Wenn die Augen matt werden, wird das Leben schwieriger und beschwerlicher. Ich bin stärker auf Hilfe angewiesen oder laufe Gefahr, betrogen zu werden. Wie gut ist es dann, wenn es wirklich Helfer gibt und Menschen, die sich eines oder einer anderen liebevoll annehmen.

Das kindliche Spiel hat dabei einen großen Vorteil: Es kann die Blindheit abstellen. Wenn es genug ist mit dem Verstecken, dann werden die Händen von den Augen abgezogen und dann ist alles klar und deutlich zu sehen. „Hier bin ich!“

Wenn das mal, liebe Gemeinde, im Glauben auch so wäre. Das hat der Paulus sicher auch gedacht. Ach, könnte ich doch einfach die Hände von den Augen der Menschen nehmen, damit sie sehen und glauben und verstehen, was da an diesem Morgen in der Frühe am Grab geschehen ist. Dann bräuchte es nicht die vielen Worten.

Denn dieser Tag, dieser Oster- und Auferstehungstag hat offensichtlich sehr unterschiedliche Reaktionen bei den Menschen ausgelöst. Ganz anders übrigens als der Karfreitag, der eindeutig und klar war, wie der Tod immer eindeutig ist. Das Leben ist das nicht.

Von den Schwierigkeiten der Auferstehung geben die biblischen Schriften nämlich ein eindeutiges Zeugnis. Erschreckte Frauen, ungläubige Jünger, spät erkennende Freundinnen und Freunde, sogar wütende Feinde des neuen Glaubens, wie Paulus einer war.

Das hat sich auch über die Zeiten wenig geändert. Es reicht ein Blick in die Zeitungen und Kommentarspalten der sozialen Netzwerke, um das zu erkennen. Von wegen: Wir haben gepredigt, so habt Ihr geglaubt. Fertig. Der Paulus beschwört das wohl, aber gelingen will es so nicht.

Das weiß der Paulus auch. Das Geschehen rund um Jesus Christus und die Menschen, die sich zu ihm halten, ist und bleibt eine Herausforderung.

Gerade aber weil der Paulus das weiß, legt er sich hier unheimlich ins Zeug, um die Korinther noch einmal deutlich auf seine Seite zu ziehen. Er gibt dem Glauben einen neuen und beständigen Grund.

Entscheidend ist dabei, und das ist das eigentlich Erstaunliche daran, entscheidend ist für ihn das Sehen. Dahin legt er seinen Schwerpunkt. Und er tut das, obwohl er doch weiß, dass das Sehen so ambivalent ist, dass wir Menschen glauben, was wir sehen, und wir nicht glauben und auch nicht adäquat dazu verhalten, was wir nicht sehen.

Vielleich ist das übrigens auch der Grund, liebe Gemeinde, warum sich die Europäer als Ganzes und nun ja auch die Deutschen so schwer tun damit, den Menschen auf der Flucht, die jetzt in Griechenland und in der Türkei gestrandet sind, wirklich zu helfen. Wer das Leid und das Elend nicht gesehen hat, der kann eben die Augen davor zumachen und kann sich alles andere schön reden, in eine andere Welt fliehen. Und je weiter die Menschen aus dem eigenen Land ferngehalten werden, desto leichter ist dieses Verschließen der Augen auch.

Aus den Augen aus dem Sinn aber ist keine Lösung. Das ist vielmehr das Verharren in den Schrecken des Karfreitags und leider nicht der Aufbruch in eine neue Zeit, wie Ostern das verspricht. Dabei hätten das nicht nur die Menschen auf dem Weg so dringend nötig, sondern Europa als Ganzes eben auch. Und wenn ich auf die Ereignisse aus Brüssel in der letzten Woche schaue, dann weiß ich auch, wie sehr neue Wege für das Miteinander der Menschen insgesamt nötig sind. Der Terror, der jeden Tag in der Welt geschieht, rückt gerade noch einmal sehr nah. Und er stellt die neue Zeit massiv infrage.  Nur werden Zäune auch da kaum Abhilfe schaffen.

Aber auch wenn das Sehen so schwierig ist, macht der Apostel Paulus das so stark. Und er tut das, weil er es selbst als heilend und lebensverändernd wahrgenommen und erfahren hat. „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin!“, schreibt er im Blick auf seine Bekehrung und seine Begegnung mit Christus vor Damaskus. Und das heißt ja nichts anderes, als dass er diese Gnade gesehen hat.

Wie? – Davon berichtet er auch. In der Zuwendung zu seinem Leben, die er damals erfahren hat. In der Liebe, die er spürte, obwohl er nur die Verfolgung der Menschen im Sinn hatte, in der Vergebung für alles, was in der Vergangenheit geschehen war und im Öffnen einer neuen leuchtenden Zukunft. Das alles aber ist geschehen in der Gemeinschaft der Menschen, die sich um den Auferstandenen gesammelt haben. Für Paulus war es damals in Damaskus. Für uns ist das heute an jedem Ort der Erde möglich.

Für dieses Miteinander aber ist das Sehen entscheidend und damit auch die Nähe. Nicht zufällig führt der Paulus die vielen verschiedenen Zeugen an, lässt die Frauen dabei ungehöriger Weise außen vor und hängt die Zeugenschaft ausgerechnet an Petrus auf, den er hier mit seinem hebräischen Namen Kephas nennt.

Der hat den Auferstandenen zuerst gesehen und dann auch die Zwölf. Und dann noch 500 und noch Jakobus. Und endlich eben auch er selbst.

Paulus sieht das neue Leben, die neue Welt und die unendliche Liebe, die Gott mit diesem Tag über die Menschen ausgeschüttet hat. Durch Jesus Christus setzt sich das durch. Und es setzt sich durch gegen alles Leid und alles Geschrei, gegen die Schmerzen des Todes und die Verlorenheit der Armut, gegen die Einsamkeit der Flucht und das Weinen der Verlassenen. Gott ist da. Jesus Christus ist da. Das bleibt.

Das ist nicht immer offensichtlich. Gar nicht. Das ist manchmal meinen Augen verborgen. Aber dafür braucht es eben die vielen Zeugen. Es ist, Ihr Lieben, wie das Sehen mit verschlossenen Augen. Wenn ich spüre, dass Menschen um mich sind und über alles, was mir nicht gelingt, mein Leben mittragen, wenn ich merke, dass ich nicht allein bin, wenn ich erfahre, dass so alles Leben von Gott aufgefangen ist und aufgefangen bleibt, dann ist Ostern wirklich vollkommen. So haben wir auch eine Verantwortung füreinander, hier in Heidelberg, in Deutschland, in ganz Europa. Ja, wir tragen Verantwortung für die Welt.

Gemeinsam erleben wir, wie die Katastrophen dieser Welt das Leben nicht beenden, sondern wir weiter mutig unsere Wege in die Zukunft suchen. Gemeinsam erfahren wir, dass wir stärker sind als Armut und Verlorenheit, als Gewalt und Terror. Gemeinsam erwirken wir eine neue Zukunft, die uns verheißen ist, weil Gott sie uns im Miteinander schenkt.

Wo wir beisammen sind, zu zweit, zu dritt oder zu ganz vielen, da ist das Leben Jesu gegenwärtig. Da ist Christus selbst gegenwärtig. Da lebt Gott und wir in ihm. Und wo Gott lebt, da ist in Ewigkeit kein Tod und kein Verderben, sondern allein das Versprechen auf eine leuchtende Zukunft.

Und da können die verschiedenen Menschen und Möchtegernforscher behaupten, was sie wollen, da können sie das Grab in Kaschmir oder in New York wiederfinden, da können sie es auch in Jerusalem verorten und behaupten, es ist voll:

Die Taten und Worte Jesu bleiben bestehen und vergehen nicht. Gottes Anwesenheit vergeht nicht. Stattdessen ist der Durchgang Gottes durch den Tod sogar der Garant dafür, dass Gott auch in allen Phasen eines Lebens, seien es gute, seien es böse, da ist. Das gilt für Sie und das gilt ebenso für mich.

Diese Auferstehung Jesu ist nur gemeinschaftlich erfahrbar, Ihr Lieben. Kommen Sie, wir probieren das noch einmal aus!

Schließen Sie doch noch einmal die Augen, spüren Sie das Pochen Ihres Herzens und merken Sie, wie Gottes Herzschlag Ihrer ist und wie Sie mit verschlossenen Augen in diesem Raum nicht allein sind. Wir sind viele. Und der Auferstandene ist mitten unter uns. Er hütet. Er trägt. Er nimmt sanft auf den Arm. Sein Leben ist auch Ihres. Denn Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 15, 1-11 von Ralph Hochschild

Predigt zu 1. Korinther 15, 1-11 von Ralph Hochschild
15,1-11

Der Predigttext für den heutigen Ostersonntag steht im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther im 15. Kapitel die Verse 1-11:

Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene; so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Herr segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde,

aufscheinen soll heute die österliche Freude in unserem Leben. Ans Licht soll heute kommen, was allzu oft im Grau des Alltags verschwindet: dass Gott sich mit unserem Leben unverbrüchlich verbunden hat. Erscheinen soll heute, was unser Leben über alle Grenzen hinaus trägt: Gottes Liebe. Heute lassen wir uns von Paulus daran erinnern: Der Auferstandene hat sich auf den Weg gemacht und sich dem gezeigt, der ihn verleugnet hatte - Petrus. Er hat sich denen gezeigt, die in der tiefsten Nacht am Kreuz Abstand zu ihm gehalten hatten, seinen Jüngern. Er hat sich dem gezeigt, der seine Bedeutung zu Lebzeiten nicht ermessen konnte, seinem leiblichen Bruder Jakobus. Und er hat sich sogar dem gezeigt, der seine Gemeinde verfolgt hat, dem Paulus.

Keine Zeugenreihe könnte besser illustrieren, was es heißt: “Christus ist gestorben für unsere Sünden”. Der Auferstandene zeigt sich nicht nur denen, die ihm treu geblieben sind: Den Frauen, die bis ans Grab ihre Liebe und ihren Glauben unbeirrt gezeigt haben. Er tritt selbst in das Leben dessen, der ihn verleugnet hatte, er erscheint selbst denen, die ihn in der Gefahr verlassen hatten, er öffnet selbst dem die Augen, der ihn nicht verstanden hatte, er macht selbst aus einem verbissenen Verfolger einen großartigen Zeugen, der sagen kann: “Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin”. Keine Zeugenreihe könnte uns besser ermutigen, auch in unserem Leben die Spuren des Auferstandenen zu suchen. Denn wenn der gestorbene, der begrabene, der auferstandene Christus sich denen gezeigt hat, die mit ihrem Glauben derartig gescheitert sind, warum sollten wir seine Spuren nicht in unserem Leben finden können - so verletzlich, so vage, so gebrochen unser Glaube auch sein mag?

“Er wurde gesehen.” Oder besser übersetzt: “Er ist erschienen. Er hat sich gezeigt”. Paulus erinnert uns daran. Ostern ist eine “Augensache”. Wir lieben die Bilder, die uns schon als Kinder das Ostergeschehen veranschaulicht haben. Das Bild von der neu erwachenden Natur im Frühling, die Geschichte von der Raupe, die sich in einen wunderbaren Schmetterling verwandelt, das Gleichnis vom Samenkorn, das in die Erde fällt und viel Frucht trägt. Ostern ist eine optische Erfahrung. “Er ist erschienen. Er hat sich gezeigt”. Paulus führt uns mit seiner Augenzeugenliste an diese Erkenntnisquelle des Osterglaubens zurück. Nur - dort ist ein anderes Sehen. Es ist nicht gleichnishaft wie bei uns. Für die ersten Zeugen ist Ostern eine sinnliche Erfahrung. Was sie erleben, ist eine Begegnung mit dem Auferstandenen, der zu ihnen kommt. Sie erkennen ihn nicht durch die genaue Beobachtung von Welt und Natur, nicht, weil sie sich aktiv anstrengen, nicht weil sie kreative Wissenschaftler sind. So wenig wie wir etwas dafür können, wenn das Sonnenlicht auf unsere Netzhaut fällt und in unserem Gehirn ein Bild unserer Welt entstehen lässt, so wenig können Petrus, Paulus und all die anderen Zeugen etwas dafür, dass Jesus Christus ihnen erscheint und ihnen eine neue Welt aufleuchtet.

Ob sie ihren Augen getraut haben? Noch gebunden in der Trauer um den gekreuzigten Jesus. Noch gefangen in der Scham über ihr Versagen. Noch ganz in ihrer alten Welt, wo gilt: “Wer tot ist, ist tot. Was vergangen ist, ist vergangen. Wer versagt hat, hat verloren.” Noch heute spüren wir ihre Irritation durch die Begegnung mit dem Auferstanden und hören ihre Fragen: “Sollte meine mit Jesus begrabene Hoffnung wieder lebendig werden können? Sollte sich die Wunde meiner Verleugnung, meiner Flucht, meines Versagens, meines Unglaubens wieder schließen? Was sehe ich? Ein Traumbild? Ein Wunschbild? Meinen verlorenen Herrn?”

“Gestorben nach der Schrift” und “auferstanden am dritten Tage nach der Schrift”. “Nach der Schrift.” Ich glaube, es ist kein Zufall, dass Paulus hier zwei Mal an den kritischen Stellen, auch für uns kritischen und schweren Stellen, Tod und Auferstehung, die Schrift erwähnt. Es ist die biblische Überlieferung, die dem Schweren seinen Sinn gibt, die das Widersprüchliche verbindet, die keinen unserer Zeugen in seiner Irritation verharren lässt. So wie manches Bibelwort, sei der Tauf- oder Konfirmandenspruch, Trauspruch oder Tageslosung auch uns unsere Existenz und unser Leben erhellt hat. Die Schrift verbindet Licht der Auferstehung und Nacht des Todes, das Dunkel des Versagens und den helle Schein eines neuen, befreiten Lebens. Mit der Schrift entdecken sie: Der Gerechte erleidet keinen sinnlosen Tod. Sie finden in der Schrift und in den Gleichnisses Jesu: Gott nimmt sich des Verlorenen an und entdecken: Gott nimmt sich sogar des über die Maßen verlorenen Jesus an. Aus der Schrift wissen sie: Gott liebt das Leben so sehr, dass er auch die Toten wieder lebendig machen wird. Und sie spüren: Das haben wir gesehen. Jesus Christus ist der Erste, an dem sich diese Hoffnung erfüllt hat. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte.

Was die Einzelnen erlebt haben. Was sich die Einzelnen gedacht haben. Was die einzelnen in der Schrift gefunden haben. Wie aus vielen Quellbächen fließt es zusammen. Sie spüren, wie sie unter Ähnlichem gelitten und Ähnliches erlebt haben. Sie entdecken, dass sie die Erfahrung des lebendigen Christus teilen. Sie haben einen gemeinsamen Erfahrungsschatz. Der richtet sie wieder auf, stabilisiert ihren Glauben, stärkt ihre Zuversicht. Aus vielen Quellbächen fließt es zusammen und bildet nun für uns den großen Strom des Glaubens, der bei den ersten Zeugen begann, den Paulus bezeugt, der die Korinther bewegt, der uns heute trägt. Wir spüren seine Kraft im Singen unserer Osterlieder. Wir werden von ihm bewegt in unseren Gottesdiensten und in unserer Gemeinschaft. Wir spüren durch ihn, wie wir selbst von Gottes Liebe getragen und beschenkt werden. Keiner unter uns, der nicht schon um einen Menschen gebangt hat und gespürt hat, wie sehr er von Gott mit diesem Menschen beschenkt wurde. Niemand, der um einen Menschen getrauert hat, der nicht gespürt hat, wie sehr die gemeinsame Zeit ein Geschenk Gottes war und daraus Kraft für sein neues Leben geschöpft hat. Keiner, der in einer Phase des Übergangs, in einem Moment, an dem das Leben still zu stehen schien und Atem holte, nicht spüren konnte, wie Gottes Liebe ihn durch sein Leben bisher getragen hat. Spuren des Auferstandenen in unserem Leben. Momente, in denen mitten in unserer oft so deprimierenden Welt eine neue Welt aufleuchtet. Die Welt Gottes, die Jesus von Nazareth verkündet hat. Die Wirklichkeit Gottes, die uns der Auferstandene eröffnet, um uns aufzurichten, uns zu stärken, um in uns die Auferstehungshoffnung lebendig zu halten. Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11