Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Frank Zeeb
15,12-20

Liebe Gemeinde,

jetzt, in den Ostertagen haben viele von uns Zeit, das zu tun, was im Alltag liegen geblieben ist. Es wird Frühling, wir haben Zeit, die Sonne scheint, man könnte Bäume ausreißen, so schön ist das Leben. Ich weiß nicht, was Sie sich vorgenommen in diesen Tagen. Ich für mein Teil mag viel lesen. Und ich verrate Ihnen auch, was: Ich liebe Romane mit historischem Bezug, vor allem, wenn sie voller Spannung sind. Ich nenne Ihnen „Das Markus-Komplott“, von Paul L. Maier. Kurz die Handlung: Ein Archäologe wird in den Vatikan gerufen, um eine uralte Handschrift zu untersuchen. Schnell wird klar, dass es sich um ein Original des Markusevangeliums handelt. Aber der Text weist zum biblischen einige Unterschiede auf, die Zweifel daran wecken, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist … Als dann in Israel noch eine Leiche gefunden wird, bei der es sich allem Anschein nach um die Überreste Jesu von Nazareth handelt, nimmt die Geschichte an Fahrt auf … Nun gut, das ist ein Roman, fantastisch zu lesen und höchstspannend, aber was, wenn Jesus tatsächlich nicht auferstanden wäre. Dieser Zweifel wird immer wieder in unsere Herzen gesät. Sie erinnern sich an die Bezweiflung der Auferstehung durch den Theologen Gert Lüdemann vor einigen Jahren und an den sensationellen Grabfund mit der Inschrift Jesus, Sohn des Josef. Steht unser Bekenntnis „Jesus von Nazareth, wahr Mensch und wahrer Gott, gekreuzigt, gestorben und begraben, auferstanden von den Toten“ womöglich auf tönernen Füßen?

Ich stelle die Frage noch einmal – diesmal aus ganz aktuellem Anlass. Nach den Ereignissen von Brüssel -- ist es angesichts der Grausamkeit der Welt, angesichts des Terrors in Europa, angesichts des Leidens überall realistisch, von einer Hoffnung zu reden, die über dieses Leben hinausreicht. Oder ist es töricht, solche Gedanken zu hegen, die letztlich von einer Erfahrung ausgehen, die jenseits aller menschlichen Wirklichkeit sind. Wäre es nicht gescheiter, sich ganz auf dieses Leben zu konzentrieren, wo wir doch sehen, wie gefährdet dieses Leben ist?

Hören Sie, was der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth schreibt, in der genau dieser Zweifel aufgekommen war:

—Predigttext: 1. Kor 15,12-20

Wir wissen ziemlich genau, was dahinter stand. In der kleinen Gemeinde in Korinth war die Auferstehung fraglich geworden und großer Streit erhob sich um die Fragen: Ist Christus tatsächlich auferstanden? Und wenn ja – nur er, oder die anderen Sterblichen auch? Verschiedene Positionen wurden vertreten:

Nüchterne, rationale Menschen argumentierten: Tot ist tot. Wenn Jesus von Nazareth gestorben ist, dann kann er nicht wieder lebendig geworden sein, das ist gegen alle Vernunft. Wir glauben, dass in Jesus Gott selbst auf die Welt gekommen ist, auch wenn das schwer genug ist. Er hat viel Gutes getan, das ist wahr, aber er ist nun einmal gestorben. Wir wollen ihn verehren als unseren Meister, den guten Menschen, der uns gezeigt hat, wie Leben gelingen kann.

Anderen war das zu wenig: Wenn Jesus nur ein guter Mensch war, was soll dann der christliche Glaube bewirken, gute Menschen gibt es genug in der Geschichte, denen wir nachfolgen können. Es muss die Auferstehung gegeben haben, aber es ist eben die Auferstehung des einen Menschen, das ist ein ganz besonderer Fall. Das ist auch nur deshalb geschehen, weil Jesus Gottes Sohn war, aber mit unserem Leben hat das nichts zu tun. Wir werden gleichwohl sterben, wie alle anderen auch. Es kommt darauf an, dieses Leben christlich zu füllen …

Und wieder andere hatten Freude an der philosophischen Auseinandersetzung: Ihr Argument richtete sich gegen allzu einfache Antworten. Es sei ja schließlich zu unterscheiden zwischen dem Leib Jesu, der wurde freilich begraben, aber seine unsterbliche Seele sei selbstverständlich auferstanden. Deshalb – so diese Denkrichtung – sei die Frage nicht angemessen, ob das Grab Jesu leer gewesen, im Gegenteil. Was aus dem Leib geworden sei, sei völlig belanglos, es kommt auf die Seele und die Seele Jesu, quasi seine göttliche Natur, sei nun bei Gott und wir können von Jesus lernen, als gute Menschen seinem leiblichen Wandel nachzufolgen und unsere unsterbliche Seele zu pflegen, damit sie dereinst sich mit der des Herrn vereine.

Und dann gab es noch Menschen – wir würden sie heute vielleicht Charismatiker nennen – die bestritten die Auferstehung Jesu vollends ganz, weil Gott Geist sei und deshalb eigentlich gar keinen Leib gehabt haben kann, sei er ja im Geist gegenwärtig und wirkt durch diesen seine Geist in uns. Damit sei auch der Mensch aller Weltlichkeit enthoben, dann ist es auch egal, was wir in dieser Welt tun, wir sind ja schon gerettet durch den Geist.

Ich erlaube mir an dieser Stelle die Zwischenfrage, ob das alles nur die Denkweise der Korinther ist, oder ob uns vielleicht der Glaubenssatz von der Auferstehung der Toten genauso fremd geworden wie diesen frühen Christen.

Jedenfalls sagt Paulus, „Stop. Hier geht ja alles wild durcheinander“. Was ihr treibt, sind hoch interessante Gedankenspiele, philosophisch von höchstem Niveau und gut begründet, aber es hat nichts mit der Heiligen Schrift zu tun und mit der Erfahrung der ersten Zeugen. Hunderten von Menschen hat sich der Auferstandene bezeugt, das kann man nicht mit irgendwelchen Denkspielen hinwegdiskutieren. Und sowieso: hier ist mit Erklärungen von Details nichts geholfen, hier geht es um Ganze. Hier geht es darum, was der Mensch ist, und was der Sinn seines Lebens ist. Ist Christus nicht auferstanden und wenn es keine leibliche Auferstehung gibt, dann ist alles andere sinnlos, was wir verkündigen und was wir glauben. Ja, dann wäre es alles erstunken und erlogen, unsere Verkündigung, unser Leben, unser Glaube. Das ist freilich ein Glaubenssatz, beweisen lässt er sich nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaft …

Lassen Sie uns also an der Stelle neu ansetzen. Der Tod ist eine finstere Realität in unserem Leben, auch wenn wir ihn heutzutage gerne verdrängen. Ein durchschnittlicher Jugendlicher hat in seiner Medienbiographie bis zu seinem 18. Geburtstag ungefähr 16.000 Morde gesehen, aber er kann sich nicht vorstellen, dass er selbst, seine Familie, seine Freunde … auch sterblich sind und irgendwann einmal mit dem Tod konfrontiert sein werden. Um so schlimmer, wenn das dann doch geschieht, völlig unvermutet der Tod eines lieben Menschen in die Wirklichkeit einbricht, alle alltägliche Gewohnheit mit einem Mal zunichte wird. Wir erleben das in diesen Tagen, wo plötzlich mitten in Europa der Terror sich Bahn bricht und Menschen von einer Sekunde auf die andere aus dem Leben gerissen werden. Wie damit umgehen?

Frühere Zeiten hatten einen einfachen Umgang mit dem Tod. Für sie war das Sterben eine alltägliche Erfahrung. Die Verstorbenen wurden im Haus aufgebahrt und die Hinterbliebenen hatten Zeit, Abschied zu nehmen. Es gab die sogenannten Totentänze, die allen klar machten: Niemand kann sich dem Tod entziehen. Vielleicht haben ja auch wir genau deswegen solche Schwierigkeiten mit der Auferstehung, weil wir den Tod aus dem Leben verdrängt haben.

Christ ist erstanden, so das feste Bekenntnis des Paulus. Er ist nicht im Tod geblieben, sondern er hat den Tod besiegt. Das ist das Ereignis von Ostern, die Zeitenwende. Vor Ostern gab es das Leben, das zum Tode führt. Seit Ostern ist uns eine neue Erkenntnis offenbart. Der Tod hat nicht das letzte Wort, die letzte Deutungshoheit über unser Leben. Wäre Christus nicht auferstanden, so wäre nicht nur der Tod eine düstere Realität, sondern unser ganzes Leben. Unsere Verkündigung, unser Glaube, unser ganzes Leben quasi eine Lüge, eine falsche Prophetie, ein Selbstbetrug. Wir könnten uns zwar an Christi guten Taten auferbauen, aber es wäre alles sinnlos. Unsere Vergänglichkeit, unsere Sünden würden am Ende obsiegen, und es gäbe auch keine Hoffnung für die, die uns vorausgegangen sind. Wir müssten uns an vagen Gedanken Genüge sein lassen, womöglich gar nach dem Motto, nur aus dem Tode kann das Leben entstehen, das sehen wir, wenn nach einem langen Winter wieder der Frühling kommt und die dürren Äste zu neuem Leben erwachen. Dann aber wird es wirklich wichtig, wie ein Mensch begraben wird, aber was ist das für ein Menschenbild, wenn alles, was vom Menschen bleibt, darin besteht, dass nach seinem Tod ein Baum aus seinem Körper neue Nahrung zur Blatt- und Blütenbildung saugen kann.

Ostern, liebe Gemeinde, ist demgegenüber ein Signal der Hoffnung. Jesus ist auferstanden, nicht nur der Seele nach, sondern nach seiner ganzen Person, mit Geist, Leib und Seele. Und er ist der Erstling der Auferstehung. Im antiken Judentum wurden am 16. Nisan die Erstlinge der Ernte dargebracht, in der Vorfreude, dass den ersten Früchten eine reiche Ernte folgt. So versteht Paulus das Ostergeschehen: es ist ein Anfang, aus dem das Leben die Fülle kommt, auf diesem Urereignis ruht die Verheißung, dass es eine wunderbare Ernte geben, dass alle Anteil haben, an dem Überfluß des Lebens, das Gott schenkt – und Gott gibt reichlich.

Christ ist erstanden. Seine Auferstehung ist ein Sog des Lebens, der uns hineinzieht in das pralle Leben. Der Totentanz wird ersetzt durch den Freudentanz des Lebens. Wir sind eben nicht mehr die elendsten unter allen Menschen, weil wir die Hoffnung haben, dass das Leben sich Bahn bricht – über den Tod hinaus. Das nimmt dem Tode nicht die Macht. Er bleibt eine schreckliche Realität. Aber er hat eben nicht das letzte Wort. Das hat Jesus Christus und es heißt. „Ich lebe – und ihr sollt auch leben“. Das ist in diesen Tagen besonders denen gesagt, die Trauer tragen um die Opfer von Krieg und Gewalt, von Terror und Verblendung. Niemand darf die Trauer zerreden, aber die Botschaft von der Auferstehung, vom Sieg über den Tod darf auch lautwerden, sie muss laut werden, vielleicht erst ganz leise, wie ein leises Frühlingssignal -- aber sie ist ein mächtiges Wort, das in die Trauer hineinspricht. Und uns anderen ist sie gesagt als eine Botin gegen Angst und Unsicherheit. Fanatiker, die den Tod lieber haben als das Leben und alles daran setzen, uns in Sorge zu versetzen, um ihre eigene Agenda durchzusetzen – die werden mit ihren finsteren Plänen scheitern. Wir lassen uns nicht in den Strudel des Todes und der Finsternis hineinziehen, denn wir sind ergriffen vom Sog des Lebens – egal was passiert und welche Mächte Gottes Willen entgegenstehen. Christus ist Sieger – er ist erstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Bert Hitzegrad

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Bert Hitzegrad
15,12-20

Liebe Gemeinde am Ostermontag!

Als Predigttext hören wir einen Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief im 15. Kapitel! Paulus schreibt, warum der Glaube an die Auferstehung von so grundlegender Bedeutung ist! (1. Kor 15, 12-20):

12 Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?
13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
15 Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
16 Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
17 Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
18 so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.
Und Gott segne dieses sein Wort an uns und lass es auch durch uns zu einem Segen werden. Amen

Liebe Ostergemeinde! Gab es Situationen in Ihrem Leben, da haben Sie gesagt: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!”? Nichts wird mehr so sein wie es einmal war! Ich denke an so schöne Ereignisse wie die Hochzeit oder die Geburt eines Kindes: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!” Die Zeit der Einsamkeit ist vorbei, die Zeit des Wartens, die Zeit der Vorbereitung. Gerade die Familien, die heute Ihre Kinder zur Taufe gebracht haben, werden das wissen: „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!” Das Leben richtet sich nun nach den Kindern aus, man kann abends nicht mehr so einfach weg, der Schlaf fehlt, wenn die Zähne kommen, oder wenn nachts der Hunger quält und die Kleinen rebellieren. Aber es gibt, Gott sei dank, ja auch die andere Seite: Das Lächeln, das einen langen gestressten Tag vergessen lässt; die Kinderhand, die sich in die große Hand des Erwachsenen schiebt, und wir erleben, dass wir Geborgenheit schenken, aber viel Liebe und Vertrauen zurückbekommen. Das Leben hat sich total verändert - nichts wird mehr so sein wie es war. Auch wenn die Kleinen groß sind - das Leben wird durch sie verändert: kleine Kinder, kleine Sorgen ...

Nichts wird mehr so sein wie es einmal war! Auch Großeltern können davon ein Lied singen, wenn das erste Enkelkind endlich das ist. Plötzlich verschieben sich die Werte. Was vorher wichtig war, die Arbeit, das Bankkonto, die Lebensversicherung, wird zweitrangig. Ein ganz anderer Schatz des Lebens wird da entdeckt und bereichert den Alltag. „Nichts wird mehr so sein wie es einmal war!”

Doch nicht nur am Anfang des Lebens hören wir diese Worte, auch am Ende, dann wenn ein lieber Mensch gehen musste, dann, wenn der Tod das Leben verändert hat. Oder auch eine Krankheit: Bei einer Talkshow erzählte eine Frau von ihrem Krebsleiden, Brustkrebs, eine Brust musste ihr5 abgenommen werden: „Nichts war so wie es vorher einmal war!” Oder ich denke an die Ehefrau, die plötzlich entdeckt, dass ihr Mann sie jahrelang betrogen hat. Eine andere, eine jüngere, eine, nur so zum Spaß ... Er hat ihr geschworen: „Alles ist vorbei, ich liebe nur Dich!” Doch für sie ist das Vertrauen dahin - nichts wird mehr so sein wie es früher einmal war.

Im letzten Jahr fiel dieser Satz öfter - angesichts der Terroranschläge in Frankreich, angesichts der Terrorwarnung vor einem Fußballspiel in Hannover. Und nun schon wieder – das Herz Europas wurde getroffen. Schrecklich die Bilder aus Brüssel in der vergangenen Woche. Die Karwoche wurde zur Leidenswoche von so vielen Menschen! Die Unbefangenheit ist dahin, wenn man nun auf Bahnhöfen, Flugplätzen oder in Stadien ist. Nichts ist so wie es früher einmal war. Ein Satz, den wir auch schon nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 immer wieder gehört haben – eine Kehrtwende in der Weltgeschichte.

Ein Satz, der aber in ganz besonderer Weise für das Ereignis zutrifft, das wir heute feiern. Das Ereignis, das nicht von Angst und Unsicherheit geprägt ist, sondern von Freiheit und Aufbruch ins Leben. Das Ereignis, das Menschen seit Jahrtausenden bewegt und Hoffnung gibt und das der Kirche ihren Grund und ihre Kraft für ihr Dasein schenkt.

Nichts ist so wie es einmal war! Hier haben diese Worte ihre tiefste und radikalste Bedeutung. Denn das Ereignis der Auferstehung hat alles umgekrempelt, hat dem Leben eine ganz neue und entscheidende Richtung gegeben! „Christus ist auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unten denen, die da schlafen.” (V.20) Das ist die Veränderung, das ist der Neuanfang, das ist der Aufbruch nach vorn. Nichts ist so wie es einmal war. Das haben schon die gedacht, die den Karfreitag erlebten, die mit dem Christus am Kreuz nicht nur einen Freund und Bruder dahinsterben sahen, sondern auch all ihre Hoffnungen – die Hoffnung auf ein Leben an seiner Seite, die Hoffnung auf seine Umkehrung aller Werte, die Hoffnung auf den Anbruch des neuen Reiches …. Und nun: Alles am Ende.

Ihr Denken kreiste zu sehr um Tod und Ende, um Verlust und Verzweiflung als dass sie den Gedanken mitgehen konnten, den Jesus ihnen schon geschenkt hatte: Dass wie bei einem Weizenkorn, das in die Erde gelegt wird, sein Tod Frucht und Leben und Aufbruch in Gottes Ewigkeit bedeutet.

Aus dem Tod entsteht Leben, aus dem Grab kommt einer zurück, und nicht nur einer, er ist der erste. Es braucht seine Zeit, bis dieser Gedanken reifen kann - vielleicht auch so wie bei dem Weizenkorn, das nicht von heute auf morgen seine grünen Blätter durch den kalten Boden schiebt. Aber dann - diejenigen, die das erleben brechen in einen Jubel aus: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!”

Eine Erfahrung, die nicht nur den Tod verändert, sondern auch die Menschen, die dies wahrhaftig erleben - nichts ist so wie es vorher war. Abgelegt die Furcht vor dem Tod, dahin die Verzweiflung an seinem Kreuz, fortgeweht der Zweifel, der alle Hoffnungen genommen hatte.

Wie ein Kraftfeld, von der eine ungeheure Energie ausgeht. Diesem Kraftfeld kann sich niemand entziehen, dieses Kraftfeld verströmt, vergießt, ja vergeudet fast seine Energie - Gottes Energie: Leben, auch dort, wo alles am Ende erscheint; Liebe, auch wenn wir nur das Leiden am Kreuz sehen; Aufbruch mit den Farben der Zukunft, auch wenn uns der graue Alltag festhalten will.

Das muss alles verändern, danach kann nichts mehr sein wie es war!

Stimmt das denn überhaupt?

Was hat sich seit den Anschlägen des letzten Jahres in Europa verändert? Was hat der Terror in Brüssel am letzten Dienstag mit uns gemacht?

Wie verändern die Fluchtlingsströme das Leben und Denken in unserem Land?

Was hat sich seit dieser Auferstehung verändert, seit Gott seine Lebensenergien verströmt hat?

Nicht einmal 50 Prozent aller Christen glauben heute noch an die Auferstehung und die eigene Zukunft nach dem Tod. „Woran denken Sie bei Ostern?”, fragte eine große EKD-Kampagne. Die Antworten waren ernüchternd: Ostereier, freie Tage und Cholesterin sind mehr in den Köpfen und Bäuchen verankert als Jesu Auferstehung. Hat die Reduzierung der Osterkraft auf Triviales und die Skepsis gegenüber der Auferstehung genau in dieser Frage ihren Grund: „Bitteschön - was hat sich denn verändert mit dem Ostermorgen, wo ist denn der österliche Aufbruch zu spüren, wo ist die Lebensenergie Gottes wahrzunehmen?”

Auch Paulus scheint es nötig zu haben, gegen die Skeptiker der Auferstehung zu argumentieren. Paulus versucht es mit einer Beweiskette:

„Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (VV 13f)

Hat das die Korinther überzeugt? Überzeugt das heute die Skeptiker?

Man könnte, der Logik des Paulus folgend, heute die Frage stellen: Was wäre gewesen wenn der christliche Glaube nicht da gewesen wäre? Was wäre gewesen, wenn die Auferstehung nicht der Anfangspunkt einer weltweiten Kirche gewesen wäre? Sicherlich: Vieles ist verkehrt gelaufen, wo auch Christen, wo auch die Kirchen schuldig geworden sind. Aber haben die frühchristlichen Gemeinden ihre Welt nicht verändert, als sie sich weigerten den römischen Kaiser als Gottheit zu verehren? Oder als Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert n.Chr. der erste Christ in einer Staatsmacht wurde. Er hat den Sonntag, den Tag nach dem Sabbat, als den freien Tag der Christen eingeführt – in Erinnerung an den ersten Ostertag, den Tag der Auferstehung. Welch eine Veränderung, dass sich der Lauf der Woche im römischen Reich nach dem Auferstehungstag richtete. Und all die Klöster, die unser Land seit dem früher Mittelalter übersäten, die so gute Früchte gebracht haben - nicht nur durch ihre Gottesdienste, sondern auch durch ihre Schulen, die Apotheken, ihre Werkstätten ... Sie haben das Land und das Leben positiv verändert. Und die herausragenden Menschen, die Vorbilder im Glauben für viele geworden sind: Franz von Assisi, der gegen die reiche Kirche protestierte; Martin Luther, der in seiner Kirche nicht mehr den befreienden Glauben des Ostermorgens fand; Dietrich Bonhoeffer, der seiner Kirche vormachte, dass sie sich auch in weltliche Dinge einmischen muss, wenn eine Diktator den Staat in eine Katastrophe führt .... Sie alle haben die Lebensenergie der Auferstehung nachhaltig weitergegeben. Was wäre gewesen ohne sie. Und all die Mütter und Väter, die Großmütter und Großvater, die Abend für Abend am Bett ihrer Kinder sitzen, mit ihnen ein Abendgebet sprechen und den vergehenden Tag noch einmal mit den Augen des Glaubens betrachten - sollen die nicht die Welt verändert haben? Wie viel Hoffnung, wie viel Lebensmut, wie viel Freude breitet sich dort aus. Und all die Eheleute, die den Trend der Zeit nicht nachgehen, sich nicht scheiden lassen, sondern in Treue beieinander bleiben, vorleben, was Versöhnung heißt, und zeigen, dass es auch anders geht - sollen die die Welt nicht verändert haben?

Das sind alles keine Beweise, für die Kraft und die Energie der Auferstehung. Und vielleicht will auch Paulus mit seiner Argumentation nichts beweisen, sondern einfach zeigen, wie sehr wir den Glauben an die Auferstehung in diesem Leben und in dem kommenden brauchen. Aber es sind deutliche Hinweise auf das Leben, leuchtend und schön, wie die Osterglocken, die wie ein Protest gegen die noch anhaltende Kälte ihre leuchtend gelben Blüte zum Himmel erheben.

Wir wissen ja nicht, wie die Welt ohne sie aussähe, ohne all die Menschen im Glauben, ohne diejenigen, die sich von der Kraft der Auferstehung anstecken ließen, ohne diejenigen, die spürten, dass nach diesem Ereignis nichts mehr so ist, wie es vorher war.

Das Osterlied, das wir am Ende singen - „Christ ist er erstanden” - sagt es ganz deutlich, was wäre, wenn die Auferstehung nicht gewesen wäre. Es zeichnet ein Bild von dieser Welt, wie sie aussähe ohne die Lebenskraft Gottes, die oftmals nur im Verborgenen wirkt: „Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen ...!”

Nichts ist so wie es vorher war! Dieser Tag hat die Welt wirklich verändert!

Und wir? Lassen wir uns verändern! Amen!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, der auferstanden ist, um diese Welt zu verändern. Amen.

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Jochen Cornelius-Bundschuh
15,1-11

1 Ich erinnere euch, Geschwister, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt und mit dem ihr auf festem Boden steht.
2 Durch die frohe Botschaft werdet ihr selig, wenn ihr sie festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; ohne sie verliert euer Vertrauen seinen Grund.
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt;
4 Er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift;
5 Er erschien Kephas und dann den Zwölfen.
6 Danach wurde er von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal gesehen, von denen die meisten noch heute leben; einige aber sind schon tot.
7 Danach erschien er noch Jakobus und allen Aposteln.
8 Zuletzt ist er auch mir erschienen als einer unzeitigen Geburt.
9 Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel genannt werde, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde,

an Ostern geht die Tür zum Himmel einen Spalt breit auf: Wir erkennen Jesus, den Gekreuzigten: Der war doch gestorben und begraben? Lag nicht ein großer Fels vor dem Grab? Da kommt doch keiner raus!? Doch: „Er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Wir blicken in eine neue Welt. Die Furcht ist vertrieben. Der Tod hat seine Macht verloren. Wir sehen ein neues Leben vor uns: ein Leben ohne Angst, ohne Gewalt, ohne Trauer, wie sie nach dem Terror in Belgien nun wieder so viele Menschen tragen müssen.

I

Am Ostermorgen verändert sich die Welt! Jesus, der tot war, ist gesehen worden. Zuerst von Kephas, dann von den Zwölfen, dann von 500 Brüdern auf einmal, und die Schwestern, die ihn dabei gesehen haben, sind wahrscheinlich gar nicht mitgezählt. Auch Jakobus und allen Apostel ist er erschienen. Schließlich auch Paulus, der es am wenigsten verdient hat, weil er doch früher die christlichen Gemeinden verfolgt hat. Auch ihm ist Jesus erschienen. Und Paulus hat all diese Erscheinung für uns aufgeschrieben: Christus ist für unsre Sünden gestorben, wie es die Schrift sagt; er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt nach der Schrift.

Einer, der tot war, Jesus, ist auferweckt worden und erschienen. Der Tod hat seine Macht verloren, das Leben siegt. Eine lange Kette von Menschen bezeugt das, bis zu uns heute: Von wem haben Sie diese unglaubliche Nachricht über Jesus zum ersten Mal gehört? Von Ihrer Mutter oder Großmutter, vom Pfarrer oder der Lehrerin? Wann hat Ihnen das eingeleuchtet, wann haben Sie von ganzem Herzen einstimmen können in das Halleluja, wann hat Sie das getröstet: Christus ist auferstanden und führt uns ins ewige Leben? War es vielleicht auf dem Friedhof, so wie heute Morgen?

Wir sind Glieder in einer Kette, die einander die Osterbotschaft vom Sieg des Lebens weiter geben. Die Kette geht weit zurück durch die Zeiten. Mal sind die Glieder in der Kette kräftig und stark, mal sind sie ganz zerbrechlich, voller Zweifel und Unsicherheit. Am Ende knüpfen sie wieder an Paulus an und an all die anderen, von denen er erzählt, dass Jesus, der Gekreuzigte, ihnen erschienen ist.

II

„Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das ist ein Kern unseres Glaubens - er lebt davon, dass wir ihn einander weitersagen, einander Einblicke gewähren in diese neue Wirklichkeit, die mit Jesus in die Welt gekommen ist. Heute Morgen feiern wir das gemeinsam, laut und deutlich mit kräftigen Lieder, mit der Wegzehrung des Abendmahls, mit einem stärkenden Frühstück. Manchmal sagen wir es einander aber auch leise und vorsichtig weiter, am Krankenbett vielleicht: Ja, ich bin auch nicht sicher, aber ich hoffe es, für mich und für dich. Gerade im Angesicht von Krankheit, Sterben und Todes ist es so wichtig, dass wir einander Zeuginnen und Zeugen sind. Dass andere für mich glauben und mich trösten und für andere glaube: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ 

Die Kette des Osterglaubens funktioniert nicht wie ein unwiderlegbarer Beweis: Siehst du hier, so war es! Wir teilen unsere Erfahrungen, wie Gottes Kraft uns getragen und bewahrt hat, aber auch unsere Zweifel und Fragen. Der Osterglaube bildet sich immer wieder neu, im Gespräch, im Anvertrauen und im Zutrauen. Niemand glaubt für sich allein, wir brauchen einander – gerade im Glauben.

III

Unser Predigttext zeigt uns, dass der Geist Gottes viele Möglichkeiten hat, den Osterglauben zu stärken. Wenn sie so wollen, öffnet er jedem und jeder von uns einen eigenen Türspalt, durch den wir in die neue Osterwelt sehen.

Da ist der Spalt, durch den Petrus, auch Kephas, Felsen, genannt, schaut: Vor der Ermordung von Jesus ist er vollmundig: „Ich, ich werde dich nie verraten.“ Doch dann läuft er weg, hat Angst und verleugnet Jesus. Das ist vielleicht so, wie wenn heute bei einem Menschen ein Lebenstraum zerbricht, der ihn lange getragen hat. Wenn die Not und der Schrecken so groß werden, dass es keinen Trost mehr gibt. Aber Jesus ruft ihn wieder zu sich und stärkt ihn. Er macht Petrus gewiss: „Du bist ein Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will.“

Auch Paulus schaut in eine neue Wirklichkeit, als er den Auferstandenen sieht: Er hat die Gemeinde verfolgt und will sie ausrotten. Da tritt ihm Jesus entgegen und stoppt ihn. Aus dem Verfolger wird einer, der andere zum Glauben ermutigt.

An Ostern öffnen sich Türen, durch die wir in die neue Welt sehen: in der Menschen Trost finden, in der sie auf die Würde der anderen achten, in der Vertrauen wächst, in der wir frei sind, füreinander Verantwortung zu übernehmen.

IV

An Ostern öffnet sich ein Türspalt. Yago stammt aus Nigeria und lebt heute in Karlsruhe. Seine Eltern waren beide Polizisten und sind getötet worden, als er sieben war. Zwei Jahre hat er allein auf der Straße gelebt. Er musste damals schnell erwachsen werden. Wer überleben will, muss kämpfen können. Nur die Starken haben eine Chance; sonst droht der Tod. Yago hat sich durchgebissen.

Dann hat seine Großmutter ihn eingefangen. Und hat ihn in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt, zu seiner Tante. Erst findet er sich in Karlsruhe schwer zu Recht. In Nigeria hatte er auf der Straße gelernt, misstrauisch zu sein, sich durchzusetzen, zur Not auch mit Gewalt. Das passt nicht in der neuen Umgebung. Er muss die Grundschule verlassen und wechselt in eine integrative Schule für Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf: da gibt es Kinder mit spastischen Lähmungen, die im Rollstuhl sitzen, Kinder, deren geistige Fähigkeiten eingeschränkt sind, Kinder, die nicht gut mit anderen zurechtkommen.

Yago kann dieses Miteinander das kaum verstehen. Behinderte Menschen galten bei ihm zu Hause wenig; viele wurden von ihren Familien verstoßen, ausgesetzt, starben schnell. Eine neue Welt tut sich für ihn in dieser Schule auf. Die Lehrerinnen und Lehrer haben die Kinder gerne, ihn und die anderen. Sie schauen nach ihnen. Sie fragen, wie es jedem einzelnen geht. Sie interessieren sich. Sie freuen sich, wenn einer etwas lernt, wenn eine andere sich mehr traut, wenn eine dritte, sich überhaupt äußert – und vor allem, wenn sie sich gegenseitig unterstützen.

Inzwischen kann Yago gut deutsch. Er lernt schnell. Manchmal muss er nicht mehr kämpfen. Dann tut sich –wie in der Ostergeschichte - ein Spalt auf und ein neues Leben wird erkennbar, in dem Menschen einander vertrauen, indem sie für sich, für andere, für diese Welt hoffen.

V

Am Ostermorgen öffnen sich viele Spalten in ein neues Leben. Der Tod verliert seine Macht. Das Osterlicht vertreibt die Dunkelheit. Wir stimmen ein in das Halleluja der himmlischen Chöre: „Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Leben ohne Jesu Auferstehung?! - Predigt zu 1 Korinther 15,1-20 von Agnes Schmidt-Köber

Leben ohne Jesu Auferstehung?! - Predigt zu 1 Korinther 15,1-20 von Agnes Schmidt-Köber
15,1-20

Leben ohne Jesu Auferstehung?!

Das Zeugnis von der Auferstehung Christi
15 1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,
2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.
6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.
9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.
(12 Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?
13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
15 Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
16 Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
17 Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
18 so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten.)

Liebe Schwestern, liebe Brüder, liebe Festgemeinde!

aus diesen Worten des Apostels Paulus an die Korinther hören wir eindeutig heraus, dass sie mit der Auferstehung ihre Schwierigkeiten haben. Irgendwie tröstliche, dass schon die ersten Christen, die Jesus nicht persönlich begegnet waren, mit der unglaublichen Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi kämpfen. Paulus versucht seine Korinther zu überzeugen und schreibt ihnen, was er von Augenzeugen und Wegbegleitern Jesu erfahren hat. Die Leidenschaft, mit der er schreibt, zeigt an, wie wichtig für ihn die Botschaft von der Auferstehung ist. An der Auferstehung, so kann man ihn verstehen, hängt alles, sie ist der Schlüssel. Mit ihr steht und fällt der christliche Glaube.

Während meines Studiums fragte mich eine Freundin:

Glaubst du eigentlich, was du an Ostern predigen musst?
Was meinst du?
Na, dass Jesus auferstanden ist?!

Lassen Sie uns mal ein wenig phantasieren, wie es sein könnte, wenn Jesus nicht auferstanden wäre:

Wir leben auf ehemals germanisch-römischem Gebiet. Fangen wir beim Datum an: wir haben heute Sonntag, den 27. März 2016. Die Römer begannen die Jahre nach der Gründung Roms zu zählen, dann wären wir also heute bereits im Jahr 2769 ab urbe condita. Wir hätten eine ganz andere zeitliche Struktur. Die Römer hatten die 7-Tage-Woche nicht (die ist jüdischen Ursprungs) sondern das Nundinum: ein Zyklus von 9 Tagen. (Erst durch den christlichen Kaiser Konstantin wurde die 7-Tage-Woche, verbindlich eingeführt.) Ich bezweifle, dass wir so schön beieinandersäßen und feiern.

Die Römer versuchten dem Leben möglichst viel abzugewinnen, nichts anbrennen zu lassen. Der eigene Nutzen und Genuss stehen im Vordergrund. An ein Leben nach dem Tod glaubten sie nicht.

Wir könnten einem abgewandelten germanischen Kult angehören: Zauber, Hexerei, Glaube an Weissagung, an Wesen, die in Hügeln und Wasserfällen hausen. Enge Bindung an die Natur. Wir trügen Amulette und opferten den Gottheiten, um sie gut zu stimmen und ein gutes Leben zu haben. Ein starker Fokus läge auf der Gemeinschaft. Ein „Volk“ gäbe es nicht, sondern Stämme und Sippen, die zwar miteinander immer wieder im Clinch liegen, sich aber dennoch nach und nach vermischen. Die eigenen Leute sind okay, die anderen sind Feinde, die bekämpft werden müssten. Der Feind hätte keine Würde, Erbarmen würden wir nicht kennen. Verantwortungsbewusstsein auch nicht, es würde uns nicht kümmern, was mit den anderen ist. Unsere Obrigkeit ließe sich huldigen und gottgleich verehren, dürfe nicht in Frage gestellt werden, willkürliches Handeln zeichnete sie aus. Viele Götter hätten wir, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, denen wir Opfer darbringen müssten. Selektion, das Recht des Stärkeren, keine Schonung für die Schwächeren der Gesellschaft sind an der Tagesordnung. Drakonische Strafen für jene, die ausscheren.

Aber wie bei allen „was wäre wenn….“ - Überlegungen bleibt es bei Mutmaßungen, die sehr individuell ausfallen werden und über die wir uns gehörig in die Haare bekommen können. Dennoch macht es richtig Spaß, diesen Gedanken noch weiterzuführen, für andere Bereiche des Lebens:  Ich vermute, dass wir beispielsweise vom Stand der Wissenschaft und Technik her ähnlich gut dastehen könnten, vielleicht wären wir sogar weiter. Denn: wenn nur die Starken und Tüchtigen sich durchsetzen, wenn man jene sich selbst überlässt, die auf Hilfe angewiesen sind, um zu überleben, hat man mehr Kraft und materielle Mittel, die man in den Fortschritt investieren kann.

Möglicherweise hätten wir bereits jeder sein privates Flugzeug, mit dem wir uns fortbewegen. Möglicherweise bräuchten wir die auch, weil wir mit den Nachbarländern/Völkern nicht friedlich zusammenlebten und nicht unbehelligt durchziehen dürften.

Wenn ich mir das Leben als Individuum betrachte: ich als Einzelner zählte nichts. Wer anders ist, lebte gefährlich, müsste sich permanent unterordnen. Für alles, was ich täte oder falsch machte, bekäme ich die Quittung. Wenn ich eine Chance verpasst hätte, bekäme ich keine zweite. Alles was ich tue oder lasse, zöge Strafe hinter sich, für alles müsste ich „bezahlen“ und könnte dennoch nicht „sicher“, getröstet sein.

Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben. Revanchieren und rächen. Ständig unter Druck stehen, ob ich denn der zuständigen Gottheit auch die notwendigen Opfer gebracht habe, dass ich ein gutes Leben habe.

Wenn ich mir das mal so plastisch ausmale, wird mir flau im Magen, es schaudert mich und läuft mir eiskalt den Rücken hinunter. Nein! Bitte nicht.

Die Antwort auf die Frage meiner Freundin: Ja. Ich glaube von ganzem Herzen: Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden!

Christentum ohne Auferstehung Jesu ist nicht mehr Christentum. Denn:  Es gab und gibt viele unheimlich kluge und begabte Menschen auf der Welt, die (von Gott) geniale Ideen, Philosophien, Vorschläge zur Weltverbesserung hatten. Viele haben auch eine Zeitlang guten Erfolg, ihre Ideen werden umgesetzt – und dennoch verschwinden sie irgendwann wieder in der Geschichte.

Eines Tages tritt Jesus auf, ein bis dato eher unscheinbarer Zeitgenosse und Rabbi.

Er heilt Kranke, er tut Wunder – hat es schon gegeben.

Er predigt und ruft zur Buße und Umkehr auf – hat es auch schon gegeben. Er legt die Heiligen Schriften so aus, dass es den Menschen möglich wird, Gottes Willen zu erkennen und auch zu tun – hat es ebenfalls schon gegeben. Langsam werden seine Zeitgenossen aufmerksam: da ist einer, der Gott ganz anders kennt und sieht und von ihm redet. Einer der sich auch mal was traut, Dinge zu tun, die „man eigentlich nicht macht“, der Konventionen, auch die religiösen, übertritt. Es wird den Menschen um ihn herum immer deutlicher, dass da Gott selbst aktiv wird. Aber sie missverstehen ihn grundlegend, indem sie von ihm politische Veränderung erwarten. Auch damals waren die Menschen nicht anders als heute: die Veränderung soll außen geschehen, innen drin soll alles bleiben, wie es ist.

Es kommt zu Unruhen, Jesus wird als Ursache für diese Unruhen verantwortlich gemacht und trägt die blutigen, schmerzhaften Konsequenzen. Das hat es auch schon gegeben: dass Revolutionäre für ihre „Vergehen“ bestraft worden sind.

Aber dieses Mal ist es anders: der schändlich hingerichtete Jesus kommt erneut ins Leben. Es wird deutlich, hier ist Gott am Werk. Er steht über allem und kann alles wenden.

Nun steht das Werk Jesu und seine Verkündigung in einem ganz anderen Licht da. Seine göttlich-liebevolle Sicht auf die Menschen und ihre (selbstgemachten) Probleme und die Lösungen, die Jesus parat hat. Er weitet den Blick, er bewegt Menschen dazu, sich bewegen zu lassen um eine andere Perspektive wahrzunehmen.

Einer, den Tod, erlebt und überwunden hat, dessen Wort und Tat zählt mehr. Dass er den Tod besiegt hat, macht Menschen Mut. Hoffnung breitet sich aus.

Hoffnung auf Besserung, bereits im irdischen Leben:

Gott erwartete von seinem auserwählten Volk Vertrauen und Zuneigung, wie es im jüdischen Glaubensbekenntnis heißt: du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Zuneigung, die eigentlich dazu geführt hätte, mit ihren Mitmenschen liebevoll und gütig umzugehen.  

Nach Jesu Auferstehung wird seine Botschaft von der Nächstenliebe verstanden und auch gelebt:

Was ihr einem von diesen Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Oder: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Es wird deutlich: durch diesen Jesus ist eine neue Zeit angebrochen, eine Zeit, in der Gesetze, z.B. vom Recht des Stärkeren, relativiert werden.

Jesus hat eine Wende unvorstellbaren Ausmaßes herbeigeführt, das steht fest. Auch wenn seine Botschaft immer wieder missverstanden, missbraucht und missdeutet wurde, weil wir Menschen im Grund genommen dieselben geblieben sind. Aber durch Jesu Auferstehung haben wir die Möglichkeit nicht nur zu bereuen, sondern durch Vergebung neu zu beginnen.

Ich komme nochmal auf das Neue zurück: Feinden gegenüber verhält sich Jesus anders als üblich. Der Auferstandene macht sich seine Gegner zu Werkzeugen, wie zum Beispiel den Paulus. Der hatte seine Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, als er noch zu den Verfolgern gehörte und danach trachtete, wieder Ruhe in die aufgewühlte Stimmung in seinem jüdischen Volk zu bringen. Dann die Kehrtwende: der, den er bekämpft, der nimmt ihn in seinen Dienst. Unvorstellbar. So absurd – es hatte Paulus in jeder Hinsicht umgehauen. Er hatte keine Zweifel an der Lebendigkeit und Göttlichkeit Jesu. Paulus hat selbst erfahren, dass alles neu wird, wenn Jesus in das Leben eines Menschen tritt.

Aber es ist noch ein langer Weg. Nicht nur „einfache“ Menschen werden von Jesus und seiner Botschaft berührt und verändert, sondern auch Menschen, denen politische Macht gegeben ist, werden berührt und bereichert. Z.B Kaiser Konstantin, der ganz entscheidend zur Ausbreitung des Christentums beigetragen hat.

Und so weitet sie sich aus, die frohe Botschaft. Manchmal missverstanden, missdeutet und leider auch missbraucht.

Lebendig und voller Kraft bewirkt sie Neues, bewirkt sie Unvorstellbares:

z.B., dass jeder einzelne Mensch vor Gott einen Wert hat, dass Menschen einander beistehen. Dass sie sich vergeben und versöhnen. Dass sie befreit sind von Angst, dass sie voll Vertrauen ihr Leben leben und Gott vertrauen, der uns allen in Jesus entgegenkommt.

Das einzige „Opfer“, das wir Gott regelmäßig darbringen sollten, ist unsere Angst. Angst, die uns einengt, die uns den Atem raubt. Im Gegenzug erfahren wir tiefen, inneren Frieden und große Freude.

Leben ohne Auferstehung – wäre wahrscheinlich möglich, aber für mich nicht lebenswert.

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden.

Halleluja!

 AMEN

Perikope
27.03.2016
15,1-20

(Nach den Anschlägen in Brüssel:) Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Christoph Dinkel

(Nach den Anschlägen in Brüssel:) Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Christoph Dinkel
15,1-11

Unser Predigttext heute ist der älteste Osterbericht, den wir überhaupt haben. Er stammt vom Apostel Paulus und dürfte etwa um das Jahr 50 nach Christus zu datieren sein, also knapp 20 Jahre nach den ersten Ostererscheinungen. Die Evangelienberichte sind mindestens 20 Jahre später entstanden. Der Apostel Paulus schreibt:

Ich erinnere euch aber, liebe Geschwister, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.

Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde!

1. Seelenvergiftung

Tödliche Mächte haben Jesus das Leben gekostet. Am Karfreitag mussten die Jüngerinnen und Jünger Jesu miterleben, wie ihre große Hoffnung, ihr Freund und Anführer grausam zu Tode gemartert wurde. So viel Gewalt, so viel Schmerz, so viel sinnloses Leid? Wie soll man da noch weiterleben? Welchen Sinn hat es noch, auf eine Veränderung der Welt zu hoffen? Warum Gutes tun, wenn doch überall Tod und Verderben lauern?

Tödliche Mächte erleben wir rings um uns. Am Dienstag haben in Brüssel islamistische Terroristen zugeschlagen. 34 Menschen haben sie in den Tod gerissen (Stand Dienstagabend), viele sind verletzt und fürs Leben an Leib und Seele verwundet. Viele trauern und wissen nicht, wohin mit ihrem Schmerz. Die Grausamkeit des Terrors wirkt selbst auf uns, die wir hunderte Kilometer entfernt leben, beklemmend. Das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen berührt uns.

Eine Welt voller Gewalt, eine Welt voller Tod und Schmerz – diese Erfahrung teilen wir mit den Menschen in Brüssel, in Paris, in den Kriegsgebieten des nahen Ostens, wir teilen sie auch mit den Jüngerinnen und Jüngern Jesu. Wir spüren wie sie die Vergiftung der Seelen, die sich ausbreitende Lähmung, das Gefühl, nichts tun zu können, hilflos ausgeliefert zu sein.

2. Strategien im Umgang mit dem Leid

Wie geht man mit solchen Erfahrungen um? – Die neutestamentlichen Berichte liefern uns dafür zwei Modelle. Das eine Modell liefern die Jünger Jesu: Sie fliehen, als Jesus verhaftet wird. Die Flucht vor schrecklichen Erfahrungen treten auch heute manche an. Man schottet sich ab gegen das Leid anderer Menschen, man meidet die grausamen Nachrichten und zerstreut sich: Es geht mich nichts an, was in Brüssel, Paris, in Homs passiert. Sollen sich doch andere darum kümmern. Hauptsache mein eigenes, kleines Lebensumfeld ist in Ordnung. Das andere Modell liefern die Frauen um Jesus. Sie fliehen nicht. Sie stehen unter Jesu Kreuz, halten dem Leid, dem Schmerz, dem Entsetzen stand. Die Frauen um Jesus werden von den Evangelisten als besonders standfest beschrieben. Es ist bemerkenswert, dass gerade diese Frauen auch zu den ersten Osterzeugen werden.

Die Flucht vor dem Leid kann man niemandem empfehlen. Aber natürlich muss man sich schon überlegen, wie viel Unglücksnachrichten man verkraften kann. Die Massenmedien liefern einem ja Terror, Unfälle und alle Schrecklichkeiten des Lebens Tag und Nacht live auf den Bildschirm. Ein solches Dauerfeuer an grausamen Nachrichten halten nur besonders robuste Naturen aus. So mancher und manche wird sich nur dosiert den schlechten Nachrichten aussetzen, um nicht von einem Übermaß an Leid überwältigt zu werden. Dazu muss man sich klarmachen, dass noch vor wenigen hundert Jahren die meisten Menschen in ihrem Leben nur zwei- oder dreihundert anderen Menschen begegnet sind. Man lebte im Dorf und aus dem Dorf kam man normalerweise auch nicht heraus. Die meisten Menschen erreichten nur ganz wenige Nachrichten von außerhalb. So musste man nur das Glück und Unglück weniger anderer teilen. Heute nehmen wir an Glück und Unglück einer fast unbegrenzten Menge an Menschen Anteil. Dass das manchen überlastet, liegt auf der Hand. Man darf daher schon dosieren, was man sich zumuten kann und was nicht.

Man muss sich also nicht jedes Leid der Welt zu eigen machen. Und außerdem schwankt das Maß an Leid, das Menschen verkraften können, von Person zu Person stark. Daher darf und man muss wohl auch dosieren, was die eigene Seele bewältigt und was nicht. Aber vor dem Leid insgesamt zu fliehen, ist in jedem Fall keine christliche Möglichkeit. Der Nächste geht uns immer an – und wenn er leidet, dann geht uns auch das an. Im Mittelpunkt unseres Glaubens steht Nächste, exemplarisch erkennbar im Gekreuzigtem, dem leidenden Menschen schlechthin. In seinem Angesicht begegnet uns Gott, denn der christliche Gott identifiziert sich mit dem Leidenden. Er will in der Niedrigkeit erkannt werden. Dem Leid auszuweichen würde bedeuten Gott auszuweichen.

3. Es braucht Zeit, bis es Ostern wird

Wer sich dem Nächsten zuwendet und dessen Leid standhält, der wird Gott erkennen. Das gehört zu den Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens. Die Frauen um Jesus haben das verstanden. Am Ostermorgen machen sie sich auf, um nach den Sitten der Zeit den Leichnam zu salben, ein letzter Dienst der Liebe. Dass sie den Leichnam nicht finden, erfüllt sie mit Schrecken. Zittern und Entsetzen packt sie, so berichtet der Evangelist Markus in seinem Osterbericht, dem nach Paulus zweitältesten Osterbricht, den wir kennen. Die Frauen sagen den anderen erst einmal nichts von der Begegnung mit dem Engel am Grab. Sie trauen der Botschaft von der Auferstehung nicht. Und das ist dann auch ein Grundzug aller Osterberichte: Ostern hat es schwer sich durchzusetzen. Unablässig wird davon erzählt, dass die Jünger zweifeln, unsicher sind, sich nicht nach draußen trauen und in ihrer Trauer festgehalten werden. Besonders krass ist die Erzählung von den Emmausjüngern. Ihnen begegnet der Auferstandene, sie erzählen ihm, was vorgefallen ist und erkennen ihn nicht. Ihre Augen werden gehalten, so beschreibt das Lukas. Der Auferstandene selbst muss die Emmausjünger trösten und ihnen erklären, was es mit Karfreitag und Ostern auf sich hat. Und auch das hilft nur ein wenig weiter. Immerhin lassen die beiden Jünger den Auferstandenen nicht weiterziehen. Sie laden ihn zum Essen ein, üben also Gastfreundschaft und erfüllen so das Gebot Christi. Erst in dem Augenblick, da der Auferstanden ihnen das Brot bricht, erkennen sie ihn. Die Geste des geteilten Brotes dringt durch die Mauer der Traurigkeit hindurch und sie erkennen, dass der Auferstandene die ganze Zeit bei ihnen war.

Es braucht Zeit, bis es Ostern wird. Die Schatten des Todes lassen sich nicht schnell vertreiben. Vierzig Tage dauern der Überlieferung nach die Ostererscheinungen an. So lange braucht es, bis sich die Erkenntnis durchsetzt, dass der Gekreuzigte den Tod überwunden hat, dass er lebendig ist und unter den Menschen wirkt – wenn auch anders und geheimnisvoller als vor seiner Hinrichtung. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu erleben die Macht seiner Gegenwart in ihrer Gemeinschaft, sie erleben sie im Brotbrechen, in der Hinwendung zum Nächsten, im gemeinsamen Feiern, Singen und Bekennen. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden – mit diesen Worten geben sie weiter, was sie erlebt haben. Noch in diesen Worten merkt man das ungläubige Staunen darüber, dass mit Jesu Tod doch nicht alles aus ist.

4. Paulus, die Spätgeburt

Es braucht Zeit, bis es Ostern wird. Noch viel länger braucht der Apostel Paulus bis es auch für ihn Ostern wird. Er selbst zählt sich zu den authentischen Osterzeugen und reiht sich ein in die Reihe derer, denen Christus als Lebendiger erschienen ist: Er wurde gesehen „von Kephas [das ist Petrus], danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden“.

Paulus hat Jesus nicht persönlich gekannt. Er war ein Feind der ersten Christen und suchte sie zu verfolgen. Dass gerade er einer Ostererscheinung gewürdigt wurde, nimmt Paulus noch fünfzehn Jahre später als großes Wunder und als besondere Gnade wahr. Ostern ist auch für ihn bleibend etwas Unwahrscheinliches, Überraschendes, nicht fest Einzukalkulierendes. Und auch für die Korinther, denen er seinen Brief schreibt, scheint Ostern immer wieder verloren zu gehen. Die Macht des Bösen, die viel zu vielen schlechten Nachrichten, zerstörerische Erlebnisse und immer wieder der Tod nagen beständig an der Hoffnung der Menschen. Ostern bleibt gefährdet, man muss es sich immer wieder neu aneignen. Immer wieder muss man sich gegenseitig an die Botschaft erinnern, dass der Tod seine Macht verloren hat, dass das Leben siegt und die bösen Mächte zum Untergang verdammt sind.

5. Die Macht des Lebens

Ostern feiern wir nicht, weil wir jederzeit sicher sind, dass unser Leben gelingt und alles immer gut geht. Ostern feiern wir vielmehr deshalb, weil unsere Hoffnung gefährdet und unser Glauben an das Gute und die Macht der Liebe brüchig sind. Wir lassen uns leicht erschüttern und in der vergangenen Woche hat die Macht des Terrors uns wieder aufs Neue unsicher gemacht. Diese Erschütterung teilen wir mit den Frauen und Männern um Jesus. Sein Tod am Kreuz traf sie mit fundamentaler Macht. Sein Leiden zerstörte ihren Glauben. Der Zweifel am Sinn des Lebens und an der Güte von Gottes Schöpfung brub sich tief in ihre Seelen. Doch dann kam unerwartet, kam von außen, kam gegen alle Wahrscheinlichkeit vom Himmel das Zeichen: Der Gekreuzigte blieb nicht im Tode. Gott hat zu ihm gehalten. Jesus ging nicht verloren. Er ist ein Teil von Gottes Leben geworden. Gottes Macht reicht weiter als die Macht des Todes. Gottes Licht ist stärker als die Finsternis. Gottes Kraft erneuert die Welt und überwindet das Böse.

Wir heutigen müssen nicht glaubensvoller sein als die Jüngerinnen und Jünger Jesu damals. Auch wir in unserer Erschütterung brauchen das Signal von außen, die helfende Hand, das tröstende Wort, die Kraft der Auferstehung, um neu Vertrauen ins Leben zu gewinnen. An Ostern rufen und singen wir es uns gegenseitig zu: Der Herr ist auferstanden! – Damit unsere Seele sich daran festhalten kann und wir begreifen, was wir uns selbst nicht sagen können: Die Macht des Lebens siegt. Sie überwindet das Böse. Sie schafft Frieden und heilt Wunden. Gott erneuert die Welt. – Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Leben blüht aus totem Stein

Leben blüht aus totem Stein
15, 50-58

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde,

Christ ist erstanden! So haben wir eben gemeinsam gesungen. Und haben damit eingestimmt in die große Gemeinde derer, die seit nun fast 2000 Jahren an Ostern diesen Ruf anstimmen. Und damit die tiefe Freude in der Seele zum Ausdruck bringen, die mit Ostern verbunden ist. Eine Freude, die auch durch die Gewalt, die uns gerade in dieser Woche das Herz so schwer gemacht hat, nicht erstickt werden kann, auch wenn es sich im Moment vielleicht so anfühlt.

Schon den Frauen, die an Jesu Grab gekommen sind, ist es so gegangen.

Maria steht am Gab und weint. Nur ihr Schluchzen ist zu hören. Mit dem Tod Jesu ist ihre Hoffnung verloren gegangen. Sie sieht das leere Grab. Meint, dass der Leichnam weggebracht worden ist. Spricht mit diesem Mann, den sie für den Gärtner hält.

Und dann sagt er ihren Namen: „Maria!“

Und sie erkennt Jesus.

Und ruft – vielleicht erschrocken, aber vor allem mit großer Freude, aus: Rabbuni! Mein Meister!

Jesus lebt!

Mit einem Mal ist alles anders. Das Leben ist wieder offen. Maria geht zu den Jüngern und sagt: Ich habe den Herrn gesehen!

Kann das sein? Können wir als moderne Menschen das noch glauben, dass einer vom Tod auferstanden ist? Können wir wagen, uns darauf einzulassen, dass dieser Sieg des Lebens auch das Ziel unserer eigenen Biographie ist? Dass unsere Lieben und auch wir selbst nicht im ewigen Dunkel landen, sondern ein neues, ein anderes Leben haben nach dem irdischen?

Maria will Jesus ergreifen, anfassen, wie sie es früher, vor seinem Tod, oft genug getan hat. Aber Jesus ist nicht mehr wie früher. Er ist verwandelt. Der Gleiche und doch ganz anders. Was da mit Jesus geschieht, was mit uns geschieht, wenn wir sterben, ist ein Geheimnis, das man mit dem Verstand nicht erfassen kann. Aber Bilder können uns helfen, es jedenfalls zu erahnen.

Es ist - sagt der Apostel Paulus - wie mit einem Weizenkorn. Aus ihm kann nur etwas Neues kommen, wenn es stirbt.

Und dann spricht Paulus von dem neuen Leib, den wir wie ein Kleid anziehen. Doch hören wir ihn selbst:

 

Stefan Porzner, Lesung Teil 1:

50Eins muss ich euch aber sagen,

Brüder und Schwestern:

Menschen aus Fleisch und Blut

können das Reich Gottes nicht erben.

Was vergänglich ist,

kann nicht unsterblich werden.

51Seht doch,

ich weihe euch hier wirklich in ein

Geheimnis ein:

Wir werden nicht alle sterben,

wir werden aber alle verwandelt werden.

52Das geschieht ganz plötzlich,

in einem Augenblick,

beim letzten Trompetenstoß:

Die Trompete wird erschallen -

da werden die Toten zu unvergänglichem Leben erweckt.

Und gleichzeitig werden wir verwandelt.

53Denn was vergänglich ist,

muss die Unvergänglichkeit anziehen -

wie ein neues Kleid.

Und was sterblich ist,

muss sich in Unsterblichkeit kleiden.

54So hüllt sich das Vergängliche in Unvergänglichkeit und das Sterbliche in Unsterblichkeit.

(1 Korinther 15,50-54, Basisbibel)

 

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm:

Ja, es ist wirklich ein Geheimnis, von dem Paulus hier spricht.

Aber ein Geheimnis mit Posaunenklängen. Kraftvoll. Triumphierend. Als Fanfaren des Lebens. Sie kündigen einen Zeitenwechsel an. Denn für Paulus ist Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi eingezeichnet in eine große Erwartung für uns alle: Die alte, irdische Zeit wird überwunden. Jesu Auferstehung eröffnet uns einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Aber was ist bis dahin? Werden wir nach dem Tod erst einmal in einen tiefen Schlaf fallen, bis der jüngste Tag anbricht? Oder gibt es diesen Zwischenzustand nicht und es wird so sein, wie Jesus es dem Verbrecher am Kreuz verspricht: „Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ (Lk 23.43) ?

Martin Luther stellt es sich wie bei einem Menschen vor, der in der Nacht plötzlich aufwacht und nicht weiß, ob er Sekunden oder Stunden geschlafen hat. Für einen kleinen Augenblick verschwimmt die Zeit: „Sobald die Augen sich schließen, wirst du auferweckt werden. Tausend Jahre werden sein gleich als du ein halbes Stündlein geschlafen hast. Gleich wie wir nachts … nicht wissen, wie lange wir geschlafen haben, so sind noch vielmehr im Tod tausend Jahre schnell weg. Ehe sich einer umsieht, ist er schon ein schöner Engel.“

Wann genau das Ende der Zeiten kommt, liebe Gemeinde, das wissen wir heute genauso wenig wie es Paulus damals gewusst hat. Aber wir dürfen heute wie damals in der österlichen Gewissheit leben, dass wir keine Angst mehr vor dem Sterben zu haben brauchen. Weil Gott uns begleitet, auf uns wartet und uns ansieht und wir mit dem Kleid der Unvergänglichkeit umhüllt werden. Dieses Kleid der Unvergänglichkeit ist wie ein Brautkleid des ewigen Lebens. Es ist hell. Es strahlt Liebe aus. Es ist ein Festkleid.

 

Stefan Porzner, Lesung Teil 2:

Wenn das geschieht, geht das Wort in Erfüllung, das in der Heiligen Schrift steht:

"Der Tod ist vernichtet! Der Sieg ist vollkommen!

55Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?"

56Der Stachel des Todes ist die Schuld. Aber die Schuld hat ihre Macht durch das Gesetz.

57Dank sei Gott! Durch unseren Herrn Jesus Christus

schenkt er uns den Sieg! 58Meine lieben Brüder und Schwestern, haltet am Glauben fest!

Seid unerschütterlich! Setzt euch mit aller Kraft für die Sache des Herrn ein!

Ihr wisst ja: Was ihr für den Herrn tut, ist nicht vergeblich!

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Predigt I

Liebe Gemeinde, ich kann verstehen, dass Paulus so überschwänglich „Danke“ sagt. Es ist so wunderbar, ohne Angst leben zu dürfen. Sagen, singen, rufen, vielleicht auch leise flüstern zu dürfen: „Tod, wo ist dein Sieg, wo ist dein Stachel?“

Wer in der Seele krank ist, bedrängt von dem Gefühl, nichts wert zu sein, nichts zu können, anderen nur zur Last zu fallen. Wer sich am Abend schon vor der Schwere des nächsten Tages fürchtet, kann hoffnungsvoll sagen: „Tod, wo ist dein Stachel?“

Wer ein langes Leben geteilt hat, das mit dem Tod der Frau, des Mannes jetzt dunkel und schwer geworden ist, kann Trost finden und zuversichtlich fragen: „Tod, wo ist dein Stachel?“

Wer die Bilder von terroristischen Angriffen und den zerbombten syrischen Städten nicht mehr aushält, das Leid der Flüchtlinge nicht mehr anschauen kann, wem darüber die Hoffnung entgleitet, dass sich je irgendetwas ändern wird, der kann in das Bekenntnis einstimmen: Christus ist auferstanden! Die Macht des Todes ist gebrochen!

Die österliche Freude aus der Kraft des Auferstandenen verändert die Welt. Sie macht das Leben im Hier und Jetzt neu. Darum singt davon, sagt es weiter!

Vielleicht als trotzige Freude, die sich erst langsam aus der Umklammerung eines Schmerzes löst. Vielleicht als zweifelnde Freude, ob es wirklich stimmt, dass der Tod bezwungen ist.

Sei es fröhlich, trotzig oder zweifelnd: In welchem Ton die Osterfreude auch gestimmt ist, immer ist sie Ausdruck unserer tiefen Leidenschaft für das Leben. Sie ist ein kraftvoller Protest gegen den Tod. Sie ist eine große Hymne der Hoffnung!

Mit ihren Tönen im Herzen und auf den Lippen können wir entdecken, wie Ostern schon heute in unserem Leben anbricht: durch liebe Menschen, die Gott uns schenkt, die uns nahe sind und uns begleiten. In all dem Guten an Leib und Seele, das wir erfahren und das uns neue Lebenskraft gibt. In einem zwar immer wieder bedrohten, aber doch neue Hoffnung schaffenden Waffenstillstand in Syrien, den keiner für möglich gehalten hat, in einer Klimakonferenz in Paris, deren Ergebnisse kaum einer erwartet hat, in einer Hilfsbereitschaft und Empathie in unserem Land, die wir Deutschen uns bis vor kurzem nie zugetraut hätten.

Überseht die Zeichen der Hoffnung nicht! Gebt dem Tod nicht die Macht, Euer Leben zu bestimmen! Vertraut euer Leben dem auferstandenen Christus an! Öffnet eure Augen, Eure Ohren, eure Herzen und Sinne für die österlichen Zeichen des neuen Lebens!

Die Kinder werden gleich das Kreuz mit Blumen schmücken. Wenn wir ihnen dabei zuschauen, dann lasst uns diese Bilder aufnehmen und mit nach Hause in den Alltag nehmen: aus dem Kreuz ist Leben gekommen, der Same hat sich in Blüten verwandelt. Das Leben hat gesiegt. Es ist Ostern geworden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen in Christus Jesus. Amen.

Perikope
27.03.2016
15, 50-58

Gott sehen - Predigt zu 1 Korinther 15,1-11 von Maximilian Heßlein

Gott sehen - Predigt zu 1 Korinther 15,1-11 von Maximilian Heßlein
15,1-11

Gott sehen

1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, 2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. 3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; 5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. 9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. 10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. 11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde,

der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Jubelt laut, Ihr Lieben. Es ist der große Freudentag unseres Glaubens. Es ist Ostern. Der Tag, an dem alles begann. Das Grab leer. Der Tod bezwungen. Das Leben wird bleiben. Der auferstandene Herr sichtbar vor den Augen der Menschen. Die sichtbare Gemeinschaft des Glaubens an den auferstandenen Christus hier in diesem Raum. Unser Glaube.

Wie schön ist das!

Dass der Glaube etwas Besonderes ist, wird an den großen Festen immer sehr deutlich. Die sind offensichtlich so prägend und herausfordernd, dass sich Menschen immer wieder daran abarbeiten und dabei manchmal durchaus skurrile Ergebnisse zu Tage fördern.

So erging es mir, als ich neulich für meinen Schulunterricht nach dem Grab Jesu im Internet googelte, um dessen genauen Standort in Jerusalem zu erkunden. Was aber fand ich? – Sie können es sich vielleicht denken. Ich fand nicht einen, nicht zwei oder drei, nein, ich fand mindestens acht oder neun Standorte, von denen ich die meisten schon wieder vergessen habe. Ein Artikel sprach gar von eintausend Möglichkeiten.

Aber klar wurde mir: Da gibt es wirklich merkwürdige Vorstellungen über dieses Grab Jesu, die weit außerhalb meiner Vorstellungs- und Ideenwelt liegen.

Dass das Grab Jesu nicht leer war, ist ja selbst unter christlichen Theologen immer wieder eine eingehende Diskussion wert. Das war mir nichts Neues. Neu aber war mir ein Grab in Kaschmir, ein Familiengrab in Jerusalem, neu waren Mutmaßungen über ein Grab in England und besonders eine Überschrift namens „das Grab Jesu in New York“. Diese Überschrift aber berichtete eigentlich von einem Film und nicht von dem echten Grab Jesu. Ich war erleichtert. Mein Weltbild blieb intakt.

Verbunden sind diese Schlagzeilen alle mit Geschichten, die mit unseren Geschichten der Bibel sehr wenig zu tun haben. Das Grab Jesu hat bisher noch niemand gefunden. Jedenfalls nicht wissenschaftlich belastbar.

Vielleicht, Ihr Lieben, liegt das an dem Ruf, der heute seit dem frühen Morgen erschallt. Genau genommen, geht er ja seit nunmehr fast 2000 Jahren durch die ganze Welt und in die Herzen der Menschen. Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Da braucht es kein Grab mehr.  Das kann ruhig verschwinden. Denn der Herr ist auferstanden.

Die Frauen, Ihr Lieben, haben das zuerst so gesehen und dann nach anfänglichem erschrecktem, ehrfürchtigem Verstummen in die Welt getragen. Sonst säßen wir heute nicht hier. Irgendwann haben es wohl auch die Männer verstanden. [Soll keiner sagen, das sei doch immer so.] Der Glaube nahm seinen Lauf. Die Menschen sahen Gott, sahen Jesus Christus mit anderen Augen.

Mit dem Sehen aber ist das ja so eine Sache. So ganz eindeutig ist das nicht, oder? Selbst die Frauen sind sich ja offensichtlich erst einmal unschlüssig. Haben Sie nun das leere Grab gesehen, oder war das alles nur ein Traum? Und was das alles bedeutet, bleibt ihnen noch verborgen.

Mir fällt in diesem Zusammenhang das alte Kinderspiel: „Weg bin ich!“ ein. Das kennen Sie bestimmt!?

Es lässt sich vor allem mit den ganz kleinen wunderbar spielen. Ein Versteckspiel ist es, und es ist sehr einfach. Wir sitzen uns gegenüber. Dann geht es ans Verstecken. Sie wissen, was jetzt kommt: Für die Kinder reicht es, sich einfach die Augen zuzuhalten. „Ich bin weg!“. Es quietscht vor Vergnügen, dann wird es still.

Als Erwachsener sitze ich daneben, freue mich an dem kindlichen Spaß und dem so einfachen Herangehen an die Dinge. Zugleich aber wundere ich mich: die Kinder verstehen gar nicht, dass es zwar bei Ihnen funktioniert, bei mir aber nicht. Halte ich mir nämlich die Augen zu, dann bleibe ich da. Sichtbar vor ihren Augen. Ich werde jedenfalls immer sofort gefunden von ihnen.

Die Kinder, liebe Gemeinde, haben offensichtlich ein sehr individuelles, sehr subjektives Herangehen an das Spiel. Das ist auch nicht weiter verwunderlich; denn wer das auch als Erwachsener schon einmal ausprobiert hat, der wird merken, wie sehr die verschlossenen Augen über mein Leben entscheiden können.

Vielleicht mögen Sie das einfach mal für einen kleinen Moment ausprobieren. Halten Sie sich doch einmal mit der flachen Hand die Augen zu und spüren Sie zugleich Ihrem Leben nach. Sie betreten eine andere Welt. Eine Zwischenwelt ist das. [Pause!]

Unbekanntes Terrain in der Stille. Zugleich weiß ich und spüre ich, da neben mir atmet noch jemand. Ich bin nicht allein, aber ich bin der Welt ein wenig enthoben wie in einem parallelen Raum des Lebens.

Das Sehen entscheidet also für die meisten Menschen, für Kinder und Erwachsenen, über die Anwesenheit im Raum. Das haben die Kinder nicht exklusiv.

Wie klar und wie deutlich das ist, erleben Menschen sicher sehr genau, denen das Augenlicht schwindet. Wenn die Augen matt werden, wird das Leben schwieriger und beschwerlicher. Ich bin stärker auf Hilfe angewiesen oder laufe Gefahr, betrogen zu werden. Wie gut ist es dann, wenn es wirklich Helfer gibt und Menschen, die sich eines oder einer anderen liebevoll annehmen.

Das kindliche Spiel hat dabei einen großen Vorteil: Es kann die Blindheit abstellen. Wenn es genug ist mit dem Verstecken, dann werden die Händen von den Augen abgezogen und dann ist alles klar und deutlich zu sehen. „Hier bin ich!“

Wenn das mal, liebe Gemeinde, im Glauben auch so wäre. Das hat der Paulus sicher auch gedacht. Ach, könnte ich doch einfach die Hände von den Augen der Menschen nehmen, damit sie sehen und glauben und verstehen, was da an diesem Morgen in der Frühe am Grab geschehen ist. Dann bräuchte es nicht die vielen Worten.

Denn dieser Tag, dieser Oster- und Auferstehungstag hat offensichtlich sehr unterschiedliche Reaktionen bei den Menschen ausgelöst. Ganz anders übrigens als der Karfreitag, der eindeutig und klar war, wie der Tod immer eindeutig ist. Das Leben ist das nicht.

Von den Schwierigkeiten der Auferstehung geben die biblischen Schriften nämlich ein eindeutiges Zeugnis. Erschreckte Frauen, ungläubige Jünger, spät erkennende Freundinnen und Freunde, sogar wütende Feinde des neuen Glaubens, wie Paulus einer war.

Das hat sich auch über die Zeiten wenig geändert. Es reicht ein Blick in die Zeitungen und Kommentarspalten der sozialen Netzwerke, um das zu erkennen. Von wegen: Wir haben gepredigt, so habt Ihr geglaubt. Fertig. Der Paulus beschwört das wohl, aber gelingen will es so nicht.

Das weiß der Paulus auch. Das Geschehen rund um Jesus Christus und die Menschen, die sich zu ihm halten, ist und bleibt eine Herausforderung.

Gerade aber weil der Paulus das weiß, legt er sich hier unheimlich ins Zeug, um die Korinther noch einmal deutlich auf seine Seite zu ziehen. Er gibt dem Glauben einen neuen und beständigen Grund.

Entscheidend ist dabei, und das ist das eigentlich Erstaunliche daran, entscheidend ist für ihn das Sehen. Dahin legt er seinen Schwerpunkt. Und er tut das, obwohl er doch weiß, dass das Sehen so ambivalent ist, dass wir Menschen glauben, was wir sehen, und wir nicht glauben und auch nicht adäquat dazu verhalten, was wir nicht sehen.

Vielleich ist das übrigens auch der Grund, liebe Gemeinde, warum sich die Europäer als Ganzes und nun ja auch die Deutschen so schwer tun damit, den Menschen auf der Flucht, die jetzt in Griechenland und in der Türkei gestrandet sind, wirklich zu helfen. Wer das Leid und das Elend nicht gesehen hat, der kann eben die Augen davor zumachen und kann sich alles andere schön reden, in eine andere Welt fliehen. Und je weiter die Menschen aus dem eigenen Land ferngehalten werden, desto leichter ist dieses Verschließen der Augen auch.

Aus den Augen aus dem Sinn aber ist keine Lösung. Das ist vielmehr das Verharren in den Schrecken des Karfreitags und leider nicht der Aufbruch in eine neue Zeit, wie Ostern das verspricht. Dabei hätten das nicht nur die Menschen auf dem Weg so dringend nötig, sondern Europa als Ganzes eben auch. Und wenn ich auf die Ereignisse aus Brüssel in der letzten Woche schaue, dann weiß ich auch, wie sehr neue Wege für das Miteinander der Menschen insgesamt nötig sind. Der Terror, der jeden Tag in der Welt geschieht, rückt gerade noch einmal sehr nah. Und er stellt die neue Zeit massiv infrage.  Nur werden Zäune auch da kaum Abhilfe schaffen.

Aber auch wenn das Sehen so schwierig ist, macht der Apostel Paulus das so stark. Und er tut das, weil er es selbst als heilend und lebensverändernd wahrgenommen und erfahren hat. „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin!“, schreibt er im Blick auf seine Bekehrung und seine Begegnung mit Christus vor Damaskus. Und das heißt ja nichts anderes, als dass er diese Gnade gesehen hat.

Wie? – Davon berichtet er auch. In der Zuwendung zu seinem Leben, die er damals erfahren hat. In der Liebe, die er spürte, obwohl er nur die Verfolgung der Menschen im Sinn hatte, in der Vergebung für alles, was in der Vergangenheit geschehen war und im Öffnen einer neuen leuchtenden Zukunft. Das alles aber ist geschehen in der Gemeinschaft der Menschen, die sich um den Auferstandenen gesammelt haben. Für Paulus war es damals in Damaskus. Für uns ist das heute an jedem Ort der Erde möglich.

Für dieses Miteinander aber ist das Sehen entscheidend und damit auch die Nähe. Nicht zufällig führt der Paulus die vielen verschiedenen Zeugen an, lässt die Frauen dabei ungehöriger Weise außen vor und hängt die Zeugenschaft ausgerechnet an Petrus auf, den er hier mit seinem hebräischen Namen Kephas nennt.

Der hat den Auferstandenen zuerst gesehen und dann auch die Zwölf. Und dann noch 500 und noch Jakobus. Und endlich eben auch er selbst.

Paulus sieht das neue Leben, die neue Welt und die unendliche Liebe, die Gott mit diesem Tag über die Menschen ausgeschüttet hat. Durch Jesus Christus setzt sich das durch. Und es setzt sich durch gegen alles Leid und alles Geschrei, gegen die Schmerzen des Todes und die Verlorenheit der Armut, gegen die Einsamkeit der Flucht und das Weinen der Verlassenen. Gott ist da. Jesus Christus ist da. Das bleibt.

Das ist nicht immer offensichtlich. Gar nicht. Das ist manchmal meinen Augen verborgen. Aber dafür braucht es eben die vielen Zeugen. Es ist, Ihr Lieben, wie das Sehen mit verschlossenen Augen. Wenn ich spüre, dass Menschen um mich sind und über alles, was mir nicht gelingt, mein Leben mittragen, wenn ich merke, dass ich nicht allein bin, wenn ich erfahre, dass so alles Leben von Gott aufgefangen ist und aufgefangen bleibt, dann ist Ostern wirklich vollkommen. So haben wir auch eine Verantwortung füreinander, hier in Heidelberg, in Deutschland, in ganz Europa. Ja, wir tragen Verantwortung für die Welt.

Gemeinsam erleben wir, wie die Katastrophen dieser Welt das Leben nicht beenden, sondern wir weiter mutig unsere Wege in die Zukunft suchen. Gemeinsam erfahren wir, dass wir stärker sind als Armut und Verlorenheit, als Gewalt und Terror. Gemeinsam erwirken wir eine neue Zukunft, die uns verheißen ist, weil Gott sie uns im Miteinander schenkt.

Wo wir beisammen sind, zu zweit, zu dritt oder zu ganz vielen, da ist das Leben Jesu gegenwärtig. Da ist Christus selbst gegenwärtig. Da lebt Gott und wir in ihm. Und wo Gott lebt, da ist in Ewigkeit kein Tod und kein Verderben, sondern allein das Versprechen auf eine leuchtende Zukunft.

Und da können die verschiedenen Menschen und Möchtegernforscher behaupten, was sie wollen, da können sie das Grab in Kaschmir oder in New York wiederfinden, da können sie es auch in Jerusalem verorten und behaupten, es ist voll:

Die Taten und Worte Jesu bleiben bestehen und vergehen nicht. Gottes Anwesenheit vergeht nicht. Stattdessen ist der Durchgang Gottes durch den Tod sogar der Garant dafür, dass Gott auch in allen Phasen eines Lebens, seien es gute, seien es böse, da ist. Das gilt für Sie und das gilt ebenso für mich.

Diese Auferstehung Jesu ist nur gemeinschaftlich erfahrbar, Ihr Lieben. Kommen Sie, wir probieren das noch einmal aus!

Schließen Sie doch noch einmal die Augen, spüren Sie das Pochen Ihres Herzens und merken Sie, wie Gottes Herzschlag Ihrer ist und wie Sie mit verschlossenen Augen in diesem Raum nicht allein sind. Wir sind viele. Und der Auferstandene ist mitten unter uns. Er hütet. Er trägt. Er nimmt sanft auf den Arm. Sein Leben ist auch Ihres. Denn Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 15, 1-11 von Ralph Hochschild

Predigt zu 1. Korinther 15, 1-11 von Ralph Hochschild
15,1-11

Der Predigttext für den heutigen Ostersonntag steht im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther im 15. Kapitel die Verse 1-11:

Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene; so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

Herr segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde,

aufscheinen soll heute die österliche Freude in unserem Leben. Ans Licht soll heute kommen, was allzu oft im Grau des Alltags verschwindet: dass Gott sich mit unserem Leben unverbrüchlich verbunden hat. Erscheinen soll heute, was unser Leben über alle Grenzen hinaus trägt: Gottes Liebe. Heute lassen wir uns von Paulus daran erinnern: Der Auferstandene hat sich auf den Weg gemacht und sich dem gezeigt, der ihn verleugnet hatte - Petrus. Er hat sich denen gezeigt, die in der tiefsten Nacht am Kreuz Abstand zu ihm gehalten hatten, seinen Jüngern. Er hat sich dem gezeigt, der seine Bedeutung zu Lebzeiten nicht ermessen konnte, seinem leiblichen Bruder Jakobus. Und er hat sich sogar dem gezeigt, der seine Gemeinde verfolgt hat, dem Paulus.

Keine Zeugenreihe könnte besser illustrieren, was es heißt: “Christus ist gestorben für unsere Sünden”. Der Auferstandene zeigt sich nicht nur denen, die ihm treu geblieben sind: Den Frauen, die bis ans Grab ihre Liebe und ihren Glauben unbeirrt gezeigt haben. Er tritt selbst in das Leben dessen, der ihn verleugnet hatte, er erscheint selbst denen, die ihn in der Gefahr verlassen hatten, er öffnet selbst dem die Augen, der ihn nicht verstanden hatte, er macht selbst aus einem verbissenen Verfolger einen großartigen Zeugen, der sagen kann: “Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin”. Keine Zeugenreihe könnte uns besser ermutigen, auch in unserem Leben die Spuren des Auferstandenen zu suchen. Denn wenn der gestorbene, der begrabene, der auferstandene Christus sich denen gezeigt hat, die mit ihrem Glauben derartig gescheitert sind, warum sollten wir seine Spuren nicht in unserem Leben finden können - so verletzlich, so vage, so gebrochen unser Glaube auch sein mag?

“Er wurde gesehen.” Oder besser übersetzt: “Er ist erschienen. Er hat sich gezeigt”. Paulus erinnert uns daran. Ostern ist eine “Augensache”. Wir lieben die Bilder, die uns schon als Kinder das Ostergeschehen veranschaulicht haben. Das Bild von der neu erwachenden Natur im Frühling, die Geschichte von der Raupe, die sich in einen wunderbaren Schmetterling verwandelt, das Gleichnis vom Samenkorn, das in die Erde fällt und viel Frucht trägt. Ostern ist eine optische Erfahrung. “Er ist erschienen. Er hat sich gezeigt”. Paulus führt uns mit seiner Augenzeugenliste an diese Erkenntnisquelle des Osterglaubens zurück. Nur - dort ist ein anderes Sehen. Es ist nicht gleichnishaft wie bei uns. Für die ersten Zeugen ist Ostern eine sinnliche Erfahrung. Was sie erleben, ist eine Begegnung mit dem Auferstandenen, der zu ihnen kommt. Sie erkennen ihn nicht durch die genaue Beobachtung von Welt und Natur, nicht, weil sie sich aktiv anstrengen, nicht weil sie kreative Wissenschaftler sind. So wenig wie wir etwas dafür können, wenn das Sonnenlicht auf unsere Netzhaut fällt und in unserem Gehirn ein Bild unserer Welt entstehen lässt, so wenig können Petrus, Paulus und all die anderen Zeugen etwas dafür, dass Jesus Christus ihnen erscheint und ihnen eine neue Welt aufleuchtet.

Ob sie ihren Augen getraut haben? Noch gebunden in der Trauer um den gekreuzigten Jesus. Noch gefangen in der Scham über ihr Versagen. Noch ganz in ihrer alten Welt, wo gilt: “Wer tot ist, ist tot. Was vergangen ist, ist vergangen. Wer versagt hat, hat verloren.” Noch heute spüren wir ihre Irritation durch die Begegnung mit dem Auferstanden und hören ihre Fragen: “Sollte meine mit Jesus begrabene Hoffnung wieder lebendig werden können? Sollte sich die Wunde meiner Verleugnung, meiner Flucht, meines Versagens, meines Unglaubens wieder schließen? Was sehe ich? Ein Traumbild? Ein Wunschbild? Meinen verlorenen Herrn?”

“Gestorben nach der Schrift” und “auferstanden am dritten Tage nach der Schrift”. “Nach der Schrift.” Ich glaube, es ist kein Zufall, dass Paulus hier zwei Mal an den kritischen Stellen, auch für uns kritischen und schweren Stellen, Tod und Auferstehung, die Schrift erwähnt. Es ist die biblische Überlieferung, die dem Schweren seinen Sinn gibt, die das Widersprüchliche verbindet, die keinen unserer Zeugen in seiner Irritation verharren lässt. So wie manches Bibelwort, sei der Tauf- oder Konfirmandenspruch, Trauspruch oder Tageslosung auch uns unsere Existenz und unser Leben erhellt hat. Die Schrift verbindet Licht der Auferstehung und Nacht des Todes, das Dunkel des Versagens und den helle Schein eines neuen, befreiten Lebens. Mit der Schrift entdecken sie: Der Gerechte erleidet keinen sinnlosen Tod. Sie finden in der Schrift und in den Gleichnisses Jesu: Gott nimmt sich des Verlorenen an und entdecken: Gott nimmt sich sogar des über die Maßen verlorenen Jesus an. Aus der Schrift wissen sie: Gott liebt das Leben so sehr, dass er auch die Toten wieder lebendig machen wird. Und sie spüren: Das haben wir gesehen. Jesus Christus ist der Erste, an dem sich diese Hoffnung erfüllt hat. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte.

Was die Einzelnen erlebt haben. Was sich die Einzelnen gedacht haben. Was die einzelnen in der Schrift gefunden haben. Wie aus vielen Quellbächen fließt es zusammen. Sie spüren, wie sie unter Ähnlichem gelitten und Ähnliches erlebt haben. Sie entdecken, dass sie die Erfahrung des lebendigen Christus teilen. Sie haben einen gemeinsamen Erfahrungsschatz. Der richtet sie wieder auf, stabilisiert ihren Glauben, stärkt ihre Zuversicht. Aus vielen Quellbächen fließt es zusammen und bildet nun für uns den großen Strom des Glaubens, der bei den ersten Zeugen begann, den Paulus bezeugt, der die Korinther bewegt, der uns heute trägt. Wir spüren seine Kraft im Singen unserer Osterlieder. Wir werden von ihm bewegt in unseren Gottesdiensten und in unserer Gemeinschaft. Wir spüren durch ihn, wie wir selbst von Gottes Liebe getragen und beschenkt werden. Keiner unter uns, der nicht schon um einen Menschen gebangt hat und gespürt hat, wie sehr er von Gott mit diesem Menschen beschenkt wurde. Niemand, der um einen Menschen getrauert hat, der nicht gespürt hat, wie sehr die gemeinsame Zeit ein Geschenk Gottes war und daraus Kraft für sein neues Leben geschöpft hat. Keiner, der in einer Phase des Übergangs, in einem Moment, an dem das Leben still zu stehen schien und Atem holte, nicht spüren konnte, wie Gottes Liebe ihn durch sein Leben bisher getragen hat. Spuren des Auferstandenen in unserem Leben. Momente, in denen mitten in unserer oft so deprimierenden Welt eine neue Welt aufleuchtet. Die Welt Gottes, die Jesus von Nazareth verkündet hat. Die Wirklichkeit Gottes, die uns der Auferstandene eröffnet, um uns aufzurichten, uns zu stärken, um in uns die Auferstehungshoffnung lebendig zu halten. Amen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Angelika Überrück

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Angelika Überrück
15,12-20

Nun lautet die Verkündigung: „Christus ist vom Tod auferweckt!“ Wie können dann einige von euch sagen, „Es gibt keine Auferstehung der Toten?“ Wenn es nämlich keine Auferstehung der Toten gibt, dann wurde auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann hat unsere Verkündigung keinen Sinn. Auch euer Glaube ist dann sinnlos. Dann wäre es ja falsch, was wir von Gott bezeugen. Denn im Gegensatz zu dem, was er getan hat, würden wir bezeugen: Er hat Christus auferweckt. Aber er hätte ihn eben nicht auferweckt, wenn es gar keine Auferstehung der Toten gibt. Denn wenn es richtig ist, dass Tote überhaupt nicht auferweckt werden, dann wurde auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann ist euer Glaube vergeblich. Dann seid ihr auch immer noch mit Schuld beladen. Dann sind also auch die verloren, die im Vertrauen auf Christus gestorben sind. Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen. Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen. (Übersetzung: Basis Bibel)

Liebe Gemeinde,

wie kann jemand, der tot war, plötzlich wieder leben?

Paulus versucht die Auferstehung der Toten zu erklären. Das klingt beim ersten Hören fast wissenschaftlich und logisch. Aber so richtig kommt er damit nicht an. Es bleibt geheimnisvoll. Und  Osterfreude kommt dabei nicht auf.

Wie soll man auch jemandem, der nichts mit dem Thema Glauben anfangen kann, erklären, dass Jesus auferstanden ist?

Auch wir, die wir hier heute im Gottesdienst versammelt sind und denen der Glaube etwas bedeutet, können das, was Auferstehung für uns heißt, vermutlich nur schwer in Worte fassen. Und ob dabei Osterfreude aufkommt, ist auch die Frage. Denn wenn ich Sie jetzt fragen würde: Was bedeutet der Satz: „Christus ist vom Tod auferweckt!“ für Sie, dann kämen sicher sehr unterschiedliche Antworten, vielleicht auch manches Schweigen.

Einige Meinungen, die mir in Gesprächen und Äußerungen manchmal begegnen, sind: „Nach dem Tod bin ich bei Gott. Mit meinem Leben hier hat das nichts zu tun.“ so sagen manche. Oder andere: „Nach dem Tod werde ich als Engel im Himmel sein.“ Und wieder andere sagen: „Im Himmel treffe ich Angehörige und Freunde wieder.“ Wiederum andere sagen:

„Auferstehung passiert hier in meinem Leben. Da, wo ich erfahre, dass ich lebe. Da, wo Leben sich durchsetzt gegen festgefahrene Strukturen.“ Vielleicht finden Sie sich in einer dieser Äußerungen wieder, vielleicht würden Sie Auferstehung für sich auch ganz anders beschreiben. In vielen dieser Beschreibungen wird keine wirklich Osterfreude spürbar.

Wie aber kann man über Auferstehung reden, so dass Osterfreude entsteht, so wie bei den ersten Christen?
Vielleicht hilft der Blick auf den Anfang des Ostergeschehens, so wie ihn die Bibel berichtet.
Die Frauen am Ostermorgen finden das leere Grab. Mehr nicht.
Über die Auferstehung Jesu selbst wird gar nichts erzählt. Lediglich ein Engel erscheint den Frauen und weist sie darauf hin, dass Jesus auferstanden ist. Später begegnet der Auferstandene den Frauen.
Die Auferstehungsberichte beschreiben die Reaktionen der Menschen, aber nicht das eigentliche Geschehen.

Immer wieder haben Menschen versucht, diese Situation am Ostermorgen zu analysieren und zu erklären. Sie haben überlegt, wie der Leichnam Jesu aus dem Grab verschwunden sein könnte. Wer den Frauen da erschienen ist. Und und und. Aber ich denke, das geht nicht. Ostern können wir nicht analysieren und nicht beweisen. Jesus lebt. Das ist ihre zentrale Botschaft. Merkwürdig kurz und schlicht.

Die Auferstehung ist auch nicht logisch zu erklären, sie ist nur zu glauben.
Das wird an der Argumentationsweise des Paulus ganz deutlich. Auch wenn sie so klingt, sie ist nicht wissenschaftlich logisch.

Im ersten Satz unseres Predigttextes begründet er die Auferstehung von den Toten mit der Auferstehung Jesu. „Nun lautet die Verkündigung: `Christus ist vom Tod auferweckt!´ Wie können dann einige von euch sagen, `Es gibt keine Auferstehung der Toten?´“

Im zweiten Satz begründet er die Auferstehung Jesu mit der der Toten. „Wenn es nämlich keine Auferstehung der Toten gibt, dann wurde auch Christus nicht auferweckt.“ Das ist letztlich keine logische Beweiskette, denn die Begründung des einen wird zur Voraussetzung des anderen. Eigentlich ein „Zirkelschluss“.

Auch wenn das keine wirkliche Erklärung ist, will Paulus damit ausdrücken: Die Auferstehung Jesu und die Auferstehung von den Toten gehören zusammen. Mit der Auferstehung Jesu steht und fällt auch die Auferstehung von den Toten und umgekehrt, wer die Auferstehung von den Toten leugnet, nimmt auch der Auferstehung Jesu ihre Wichtigkeit.

Und  dann zählt Paulus auf, was es ohne den Glauben an die Auferstehung alles nicht gäbe. Welche Konsequenzen es also für uns hätte, wenn wir nicht an die Auferstehung glauben.

Das erste: Der Glaube an Jesus wäre umsonst. Denn, auch wenn manche sagen, Jesus war wichtig, weil er ein besonderer Mensch war, ist das nicht das Entscheidende. „Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen.“ so heißt es in unserem Predigttext. Jesus ist nicht nur der wichtige Mensch. Der, der in ärmlichen Verhältnissen in einem Stall zur Welt gekommen ist. Er ist auch nicht nur der, der sich um die Außenseiter und Ausgestoßenen der Gesellschaft gekümmert hat. Er ist auch nicht nur der Wanderprediger, der von Gott erzählt hat. Das ist er alles auch, aber daran entscheidet sich nicht der Glaube. Das macht nicht seine Besonderheit aus.

Die zweite Konsequenz für uns, wenn wir die Auferstehung leugnen, so Paulus, wäre, dass es keine Verkündigung gäbe. Also keine Predigten. Denn worüber sollte man predigen, wenn Jesus nur ein besonderer Mensch war?

Die dritte Konsequenz, die Paulus nennt: Es gäbe keine Vergebung der Sünden. „Dann seid ihr auch immer noch mit Schuld beladen.“, so sagt es der Predigttext. Denn nur durch Jesu Auferstehung ist sein Tod am Kreuz eben auch ein besonderer Tod. Ohne die Auferstehung müssten wir mit dem, was falsch läuft in unserem Leben, mit dem, wo wir anders handeln und reden als Gott es will, alleine klar kommen.

Die vierte Konsequenz: Es gäbe keine Hoffnung. Denn der Tod bleibt ja ein Bestandteil unseres Lebens. Er lässt sich nicht verleugnen. Er wartet am Ende unseres Lebens auf uns. Auch wenn wir heute mit allen Mitteln versuchen, den Tod zu verdrängen oder beiseite zu schieben. Der Tod lebt mit uns. Wir hätten keine Perspektive für unser Lebensende. Mit dem Tod wäre dann alles aus, auch die Nähe und Liebe Gottes.

Am Schluss endet Paulus dann mit der Behauptung: „Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen.“ Das ist ein Bekenntnis, kein logischer Beweis. Das ist aber trotzdem der Kern unseres christlichen Glaubens, an dem alles hängt, die zentrale christliche Hoffnung.

Für Paulus entscheidet sich hieran auch sein Leben. Denn Paulus hat erlebt, dass Jesus sein Leben verändert hat. Diese Erfahrung, dass Jesus lebt, die will er weitergeben, damit alle Hoffnung haben können.

Ob ich glaube oder nicht, entscheidet sich daran, ob ich diesen Satz aus vollem Herzen mitsprechen kann: „Der Herr ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden“, den wir uns am Anfang des Gottesdienstes freudig zugerufen haben. Denn nur deshalb können wir gegen den Tod hoffen, weil Jesus den Tod erlebt hat. Er ist wirklich und real gestorben und wieder auferstanden. Bis Ostern lehrte alle menschliche Erfahrung: das Leben endet mit dem Tod. Immer. Durch Christus aber ist der Tod nicht das Letzte. Jesu Auferstehung ist nicht die Rückkehr ins irdische Leben. Sondern sie ist der Beginn eines neuen, unvergänglichen Lebens. Das ist der Grund der Osterfreude. Sie entsteht nicht durch logische Erklärungen, sondern da, wo ich erlebe, dass die Botschaft „Jesus lebt“ etwas mit mir zu tun hat. Dass sie mein Leben verändern will. Beweis- und erklärbar ist das natürlich nicht. Aber man kann es in Bildern versuchen auszudrücken. Etwas anderes wollte Paulus damals sicherlich auch nicht.

Ich habe Ihnen ein Bild mitgebracht. Es macht für mich deutlich, was Auferstehung bedeutet. Es zeigt eine Schneefläche. Grau-weißer Schnee. In der Mitte entspringen zwei Tulpen aus dem Schnee. (Im Internet zu finden!)

Der Schnee ist für mich ein Bild für Karfreitag. Ein Bild für den Tod Jesu Christi. Alles ist zu Ende mit Karfreitag. Der Weg mit Jesus ist zu Ende. Die Hoffnungen der Jünger sind dahin. Der Schnee symbolisiert das. Der Schnee ist kalt und glatt. Darunter ist das Leben erstarrt.

Der Schnee ist für mich auch ein Bild für meinen Tod. Er ist auch ein Bild für den Tod mitten im Leben. Wenn ich gefangen bin in meiner Angst, verzweifelt bin oder hoffnungslos. Alles Leben, alles Lebendige ist zugedeckt.

Aber aus dem Schnee brechen Tulpen hervor. Die Tulpen zeigen mir: Das Leben siegt. Sie sind für mich Zeichen der Auferstehung und Grund meiner Osterfreude. Der Tod wird besiegt. Jesus Christus lebt. Mit Christus hat – aller menschlichen Erfahrung zum Trotz – das Leben zum ersten Mal und endgültig den Sieg über den Tod davongetragen.

Weil Jesus den Tod überwunden hat, kann ich auch für meinen Tod hoffen. Auch für mich wird der Tod nicht das letzte Wort behalten. Ich kann hoffen, dass ich eines Tages auferstehen werde. Wie die Auferstehung aussieht, das weiß ich nicht.

Die Tulpen auf dem Bild sind unerwartet. Eigentlich erwarte ich Schneeglöckchen, die aus dem Schnee hervorkommen. Aber genau das fasziniert mich. Es macht mir deutlich, dass die Auferstehung ganz anders aussieht, als ich es erwarte. Als ich es mir auch vorstellen kann. Ich weiß nur: Gott wird da sein.

Und noch eines wird für mich an diesem Bild deutlich: So wie ich in jedem Frühjahr neu erleben kann, dass neues Leben entsteht, hat Auferstehung auch mit meinem Leben in dieser Welt zu tun.

Die Tulpen brechen auf. Ostern ist Aufbruch. Aufbruch aus Niedergeschlagenheit, aus Angst und Verzweiflung. Ostern endet nicht heute oder morgen Abend, sondern es reicht in unseren Alltag. Ostern pflanzt sich fort als gelebte Hoffnung. Auferstehung wird erlebbar, wenn meine Angst überwunden wird, Ruhe und Gelassenheit entsteht. Wenn ich Hoffnung gewinne.

Wie kann man Auferstehung begreifbar machen, so dass Osterfreude entsteht?, so habe ich am Anfang gefragt. Ich denke, Auferstehung ist nicht begreifbar, nur erfahrbar, erlebbar und zu glauben. Wer allerdings daran glaubt, der wird sich verändern. Wer daran glaubt, der wird auch anfangen, seine Welt zu verändern. Denn wer Hoffnung hat, der wird nicht tatenlos zusehen, wie jemand verzweifelt. Wer Hoffnung hat, der kann nicht zulassen dass jemand innerlich stirbt vor Enttäuschung, Niedergeschlagenheit oder innerer Leere. Vielleicht entsteht Osterfreude auch da, wo wir uns von unseren Bilder erzählen, wo jede und jeder von uns Auferstehung erlebt.

Der Herr ist auferstanden. Ich möchte Sie einladen, das zu glauben und zu antworten: Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends
15,12-20

Nachdem Christus auferstanden ist, werdet auch Ihr alle auferstehen, sagt Paulus.

Möchtest Du das überhaupt? Weiterleben nach dem Tod?

Etliche antworten mir auf diese Frage: „Interessiert mich nicht“. Vor allem die Intellektuellen in meiner Lebenswelt. Ich bin dann immer verdutzt. Seit 43 Jahren predige ich Ostern von der Kraft der Auferstehung und viele wollen gar nicht.

„Dass nichts mehr von Dir bleibt? Dass alles egal ist, was Du gemacht hast? Glaubst Du das?“

Nein.

Aber Du glaubst nicht an ein Leben nach dem Tod?

„Glaubst du an ein Leben nach dem Tod“, fragt Friedrich Dönhoff seine Großtante Marion kurz vor ihrem Tod. Und die kernige Ostpreußin und große alte Dame des Journalismus antwortet: „Ich gehe davon aus, dass da etwas kommt“.

Das Weiterleben scheint am Ende eine Ursehnsucht in der Menschheitsgeschichte zu sein.

Mehr als 35 % aller Kirchenmitglieder glauben daran, dass sie einmal in anderer Gestalt wieder auf die Erde kommen. Der Tod ist eine Kränkung des Selbstbewusstseins, so dass es für ihn undenkbar erscheint, es gäbe ihn einmal nicht mehr, sagen die Psychoanalytiker.

„Einige sagen unter euch, es gibt keine Auferstehung“.

Aber alle Kulturen kennen das, dass es nach dem Tod etwas gibt, egal wann und wo die Menschen gelebt haben. Schon die Ägypter nennen das Grab den „Ort, wo man aufsteht“. Die Germanen kennen den Totenkult, die Indianer. Sie füllen die Gräber mit Reiseproviant. Schon zur  Zeit Jesu war der Gedanke an die Auferstehung sehr lebendig. Jesus ist damit groß geworden. Im 2. Lobpreis des 18-Bitten-Gebetes hat er es schon in der Synagoge gelernt. „Gepriesen seist du, Herr, der du die Toten auferweckst.“

Der Streit der Pharisäer und Sadduzäer belegt: Auferstehung war damals im Gespräch und keine Unmöglichkeit. Die oft viel geschmähten Pharisäer glaubten an die Auferstehung.

Wie kann man heute aber die Auferstehung Jesu mit unseren Mitteln des Verstandes verstehen?

 Ich muss dafür noch einmal einen Bogen von Karfreitag her spannen. Jesus lebte in der Gedankenwelt des Alten Testamentes, eng verbunden mit Gott. Er hatte eine Vorstellung vom Leben, wie es gelingen kann und gut ist. Er hat das nicht mit den Zehn Geboten begründet, sondern mit den Seligpreisungen. Barmherzigkeit, Sanftmut, Gerechtigkeit, Friede, geistliche Armut. Die Herrschenden fühlten sich angegriffen. Die einfachen Leute hat das fasziniert. Einigen ließen alles liegen und folgten ihm. Der Weg führte konsequent in seine Hinrichtung. Aber Jesu Vertrauen auf seinen Vater war größer als seine Angst. Er wird getötet. Nach dem ersten Schock besinnen sich die Jünger nach drei Tagen. Die Frauen zuerst, dann viele andere. Sie spüren förmlich. Er lebt. Er erscheint ihnen. Sie sehen ihn. Dann suchen sie für das, was sie erlebt haben, eine Sprache. Sie stammeln, sie fürchten sich. Sie entsetzen sich, sie staunen. Aber sie merken: Dieses Leben, das er gelebt hat, das ist die Wahrheit, das ist es, was Gott von uns will. So hat er gedacht. Dieses Leben, dies Vertrauen ist nicht tot zu kriegen. Später kamen dann die weiteren Erzählungen dazu. Die Geschichte vom leeren Grab zum Beispiel. Bis in unsere Tage hinein hat sich der Osterglaube daran fest gebissen. Ich finde das überflüssig, weil er dem Ostergedanken nicht gerecht wird. Mir ist die Frage nach dem leeren Grab nicht wichtig. Wenn ich es auf den Punkt bringen sollte, sag ich: Das Grab war nicht leer. Wenn ich übersetzen soll, was damit gesagt werden sollte, müsste ich sagen: Der alte Körper hat seinen Dienst getan. Er verwest. „Und es wird verwesen das Verwesliche“, sagt Paulus im Kontext unseres Predigttextes. Ein neuer Körper steht auf. Warum war das für einige in der Bibel so wichtig, sich das leiblich vorzustellen?  Weil für den jüdischen Menschen der Körper nicht von der Seele zu trennen ist. Die Griechen spalten den Menschen in Körper und Seele, nicht die Juden. Weil der Körper immer die Ganzheit - wir würden heute sagen- die Identität des Menschen ausdrückt. So können sich die Juden damals die Auferstehung nur körperlich vorstellen, weil sie Gott sei Dank nicht trennen zwischen Leib und Seele, Körper und Geist. Ein Denken, das uns als postmodernen Menschen sehr nahe ist.

Wichtig aber bleibt nicht die Topographie des Grabes in Jerusalem, sondern meine Erfahrung. Was sagt Jesus zu den Leuten, als er ihnen erscheint? „Friede sei mit Euch“. Das bedeutet: Stoßt Eure Köpfe nicht wund an der Angst vor dem Tod und der Zukunft.

Aus diesem Erleben heraus kamen sie damals weiter ins Nachdenken. Sie merkten, Gottes Wille ist verkörpert in Jesus.

Um diese große Nähe der beiden auszudrücken, sagen sie dann, er war Sohn Gottes. Wie kann man eine Identität und Nähe besser ausdrücken. Sie sagen: Diese Botschaft muss die ganze Welt erfassen. Das darf nicht bei uns bleiben, dieser Frieden, dieser Aufbruch. Sie fangen an, die Auferstehung intellektuell zu deuten. Sie geht über das persönliche Erleben hinaus. „Hoffen wir allein in diesem Leben, dann sind wir die elendesten unter den Menschen.“ Christus soll mit dieser Lebenshaltung überall und alle Zeit herrschen. Es entsteht bald, ein paar Jahrzehnte nach Ostern, das Bild des Christus, der die Welt beherrscht mit Barmherzigkeit und Sanftmut.
Wer so sehr auf die Zukunft setzt wie er, der kann auch den letzten Feind besiegen, den Tod. Damit ist nicht nur der leibliche Tod gemeint, wenn die Gehirnströme nicht mehr messbar sind. Tod ist auch schon dort, wo ein Mensch keine Zukunft mehr sieht, sich hingelegt hat, um nicht mehr aufzustehen.

Als ehemaliger Pharisäer kann Paulus sich das nicht anders als in einer gewissen Ordnung vorstellen. Zuerst steht  Christus auf, dann alle, die auf ihn gehofft haben, dann das Ende. Wie soll das aussehen?
Ich weiß es nicht, ist mir auch nicht wichtig. Ich weiß allerdings, dass im Glaubensbekenntnis bewusst der Satz „Auferstehung des Fleisches“ ersetzt wurde durch „Auferstehung der Toten“.  Weil der Glaube nicht am Fleisch hängt.

Wie ich mir das vorstelle?

Jörg Zink leuchtet mir da mit seinem Oster-Gedanken ein: Du hast ein Leben auf zwei Ebenen, sagt er. Die eine fängt mit deiner Geburt an und hört mit deinem Tod auf.

Die andere fängt irgendwann in deinem Leben an und reicht bis in die Ewigkeit. Sie fängt an, wenn du dich verwandelt hast in einen inneren, neuen Menschen.

Ostern stellt dich auf diese andere Ebene. Es reicht, wenn du es erst im Alter erreichst, Hauptsache, es geschieht. Es geschieht in einem Prozess wie auf einem Weg nach Emmaus.

Ich werde durch die Grenze des Todes eine andere Welt wahrnehmen. Wir sind Schauende, dann werden wir Wissende sein. Und ich werde Gott meine kritischen Fragen stellen. Vielleicht auch nichts mehr fragen müssen. Sie merken, ich taste. Wie  kann ich von dem ganz anderen anders sprechen als in der Sprache dieser Welt!

Eines ist wichtig. Der letzte Feind ist der Tod. Das heißt ja wohl, er wird uns bis zum Ende beschäftigen.

Für mich bedeutet das: Räumt dem Tod unter euch nicht so viel Macht ein. Wenn der Tod für einen Menschen das Letzte ist, dann muss er in seinem irdischen Leben alle auf eine Karte setzen.  Krampfhafte Lebensbejahung bei gleichgültiger Lebensverachtung kommt dabei raus.

Wieviel Raum wird dem Tod unter uns gegeben! Es ist erschütternd, welche Macht die Selbstmordattentäter dem Tod geben. Wir mussten noch in der Realschule jeden Morgen ein Gedicht von Goethe aufsagen, ein Gedicht von der Ganzheit und Schönheit des Lebens. Unsere Kinder lernen, was Strahlenschäden sind, dass Glyphosat ein krebserregendes Mittel, lernen wie Waffen gebaut werden. Todeswissen lernen sie. Unsere ganze Erlebniskultur bewegt sich bewusst am Rande des Todes, um das Gefühl zu vermitteln, ich lebe noch. Im Formel 1 der Automobile fahren sie 70mal einen 4km-Kurs im Kreis, am Ende hat einer mit 1/100 Sekunden-Vorsprung gewonnen und alle jubeln. Welch ein Schwachsinn! Der Rennfahrer Alonso überschlägt sich im Rennen in Melbourne dreimal und entsteigt dem völlig demolierten Auto unverletzt. Viele verfolgen das auf ihrem kleinen Bildschirm. Siehalten die Luft an und sind fasziniert. Eine erlebnishungrige und sinnentleerte Gesellschaft vergötzt den Tod, weil sie meint, nur dieses eine Leben zu haben.

Dagegen steht die Botschaft vom Auferstandenen. Welch Perspektive hat dieses Leben von Sanftmut und Gerechtigkeit! Und geistlicher Armut, dem Wissen um die Bedürftigkeit. Da baut Gott eine große Perspektive für uns in Christus auf. Sie mündet in das Leben nach dem Tod. Aber nur wer dieses Leben liebt, kann die Auferstehung glauben.

Wer auferstehen will, muss das Leben lieben.

Bonhoeffer schreibt es in seinen Gefängnisbriefen: „Nur wenn man das Leben und die Erde liebt, dass mit ihr alles verloren und am Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung und eine neue  Welt glauben.“ Wenn wir das Leben nicht lieben, taugt unser Reden von Auferstehung nichts. Also keine Vertröstung, sondern volle power.

Glaubst du es immer noch nicht? Nein?

„Ich auch nicht“, sagte der Sänger Hermann van Veen in einem Konzert, „aber ich würde die Zahnbürste mitnehmen.“

 

Perikope
28.03.2016
15,12-20