Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Angelika Überrück

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Angelika Überrück
15,12-20

Nun lautet die Verkündigung: „Christus ist vom Tod auferweckt!“ Wie können dann einige von euch sagen, „Es gibt keine Auferstehung der Toten?“ Wenn es nämlich keine Auferstehung der Toten gibt, dann wurde auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann hat unsere Verkündigung keinen Sinn. Auch euer Glaube ist dann sinnlos. Dann wäre es ja falsch, was wir von Gott bezeugen. Denn im Gegensatz zu dem, was er getan hat, würden wir bezeugen: Er hat Christus auferweckt. Aber er hätte ihn eben nicht auferweckt, wenn es gar keine Auferstehung der Toten gibt. Denn wenn es richtig ist, dass Tote überhaupt nicht auferweckt werden, dann wurde auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann ist euer Glaube vergeblich. Dann seid ihr auch immer noch mit Schuld beladen. Dann sind also auch die verloren, die im Vertrauen auf Christus gestorben sind. Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen. Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen. (Übersetzung: Basis Bibel)

Liebe Gemeinde,

wie kann jemand, der tot war, plötzlich wieder leben?

Paulus versucht die Auferstehung der Toten zu erklären. Das klingt beim ersten Hören fast wissenschaftlich und logisch. Aber so richtig kommt er damit nicht an. Es bleibt geheimnisvoll. Und  Osterfreude kommt dabei nicht auf.

Wie soll man auch jemandem, der nichts mit dem Thema Glauben anfangen kann, erklären, dass Jesus auferstanden ist?

Auch wir, die wir hier heute im Gottesdienst versammelt sind und denen der Glaube etwas bedeutet, können das, was Auferstehung für uns heißt, vermutlich nur schwer in Worte fassen. Und ob dabei Osterfreude aufkommt, ist auch die Frage. Denn wenn ich Sie jetzt fragen würde: Was bedeutet der Satz: „Christus ist vom Tod auferweckt!“ für Sie, dann kämen sicher sehr unterschiedliche Antworten, vielleicht auch manches Schweigen.

Einige Meinungen, die mir in Gesprächen und Äußerungen manchmal begegnen, sind: „Nach dem Tod bin ich bei Gott. Mit meinem Leben hier hat das nichts zu tun.“ so sagen manche. Oder andere: „Nach dem Tod werde ich als Engel im Himmel sein.“ Und wieder andere sagen: „Im Himmel treffe ich Angehörige und Freunde wieder.“ Wiederum andere sagen:

„Auferstehung passiert hier in meinem Leben. Da, wo ich erfahre, dass ich lebe. Da, wo Leben sich durchsetzt gegen festgefahrene Strukturen.“ Vielleicht finden Sie sich in einer dieser Äußerungen wieder, vielleicht würden Sie Auferstehung für sich auch ganz anders beschreiben. In vielen dieser Beschreibungen wird keine wirklich Osterfreude spürbar.

Wie aber kann man über Auferstehung reden, so dass Osterfreude entsteht, so wie bei den ersten Christen?
Vielleicht hilft der Blick auf den Anfang des Ostergeschehens, so wie ihn die Bibel berichtet.
Die Frauen am Ostermorgen finden das leere Grab. Mehr nicht.
Über die Auferstehung Jesu selbst wird gar nichts erzählt. Lediglich ein Engel erscheint den Frauen und weist sie darauf hin, dass Jesus auferstanden ist. Später begegnet der Auferstandene den Frauen.
Die Auferstehungsberichte beschreiben die Reaktionen der Menschen, aber nicht das eigentliche Geschehen.

Immer wieder haben Menschen versucht, diese Situation am Ostermorgen zu analysieren und zu erklären. Sie haben überlegt, wie der Leichnam Jesu aus dem Grab verschwunden sein könnte. Wer den Frauen da erschienen ist. Und und und. Aber ich denke, das geht nicht. Ostern können wir nicht analysieren und nicht beweisen. Jesus lebt. Das ist ihre zentrale Botschaft. Merkwürdig kurz und schlicht.

Die Auferstehung ist auch nicht logisch zu erklären, sie ist nur zu glauben.
Das wird an der Argumentationsweise des Paulus ganz deutlich. Auch wenn sie so klingt, sie ist nicht wissenschaftlich logisch.

Im ersten Satz unseres Predigttextes begründet er die Auferstehung von den Toten mit der Auferstehung Jesu. „Nun lautet die Verkündigung: `Christus ist vom Tod auferweckt!´ Wie können dann einige von euch sagen, `Es gibt keine Auferstehung der Toten?´“

Im zweiten Satz begründet er die Auferstehung Jesu mit der der Toten. „Wenn es nämlich keine Auferstehung der Toten gibt, dann wurde auch Christus nicht auferweckt.“ Das ist letztlich keine logische Beweiskette, denn die Begründung des einen wird zur Voraussetzung des anderen. Eigentlich ein „Zirkelschluss“.

Auch wenn das keine wirkliche Erklärung ist, will Paulus damit ausdrücken: Die Auferstehung Jesu und die Auferstehung von den Toten gehören zusammen. Mit der Auferstehung Jesu steht und fällt auch die Auferstehung von den Toten und umgekehrt, wer die Auferstehung von den Toten leugnet, nimmt auch der Auferstehung Jesu ihre Wichtigkeit.

Und  dann zählt Paulus auf, was es ohne den Glauben an die Auferstehung alles nicht gäbe. Welche Konsequenzen es also für uns hätte, wenn wir nicht an die Auferstehung glauben.

Das erste: Der Glaube an Jesus wäre umsonst. Denn, auch wenn manche sagen, Jesus war wichtig, weil er ein besonderer Mensch war, ist das nicht das Entscheidende. „Wenn wir nur für das jetzige Leben auf Christus hoffen, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen.“ so heißt es in unserem Predigttext. Jesus ist nicht nur der wichtige Mensch. Der, der in ärmlichen Verhältnissen in einem Stall zur Welt gekommen ist. Er ist auch nicht nur der, der sich um die Außenseiter und Ausgestoßenen der Gesellschaft gekümmert hat. Er ist auch nicht nur der Wanderprediger, der von Gott erzählt hat. Das ist er alles auch, aber daran entscheidet sich nicht der Glaube. Das macht nicht seine Besonderheit aus.

Die zweite Konsequenz für uns, wenn wir die Auferstehung leugnen, so Paulus, wäre, dass es keine Verkündigung gäbe. Also keine Predigten. Denn worüber sollte man predigen, wenn Jesus nur ein besonderer Mensch war?

Die dritte Konsequenz, die Paulus nennt: Es gäbe keine Vergebung der Sünden. „Dann seid ihr auch immer noch mit Schuld beladen.“, so sagt es der Predigttext. Denn nur durch Jesu Auferstehung ist sein Tod am Kreuz eben auch ein besonderer Tod. Ohne die Auferstehung müssten wir mit dem, was falsch läuft in unserem Leben, mit dem, wo wir anders handeln und reden als Gott es will, alleine klar kommen.

Die vierte Konsequenz: Es gäbe keine Hoffnung. Denn der Tod bleibt ja ein Bestandteil unseres Lebens. Er lässt sich nicht verleugnen. Er wartet am Ende unseres Lebens auf uns. Auch wenn wir heute mit allen Mitteln versuchen, den Tod zu verdrängen oder beiseite zu schieben. Der Tod lebt mit uns. Wir hätten keine Perspektive für unser Lebensende. Mit dem Tod wäre dann alles aus, auch die Nähe und Liebe Gottes.

Am Schluss endet Paulus dann mit der Behauptung: „Jetzt ist Christus aber vom Tod auferweckt worden, und zwar als Erster der Verstorbenen.“ Das ist ein Bekenntnis, kein logischer Beweis. Das ist aber trotzdem der Kern unseres christlichen Glaubens, an dem alles hängt, die zentrale christliche Hoffnung.

Für Paulus entscheidet sich hieran auch sein Leben. Denn Paulus hat erlebt, dass Jesus sein Leben verändert hat. Diese Erfahrung, dass Jesus lebt, die will er weitergeben, damit alle Hoffnung haben können.

Ob ich glaube oder nicht, entscheidet sich daran, ob ich diesen Satz aus vollem Herzen mitsprechen kann: „Der Herr ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden“, den wir uns am Anfang des Gottesdienstes freudig zugerufen haben. Denn nur deshalb können wir gegen den Tod hoffen, weil Jesus den Tod erlebt hat. Er ist wirklich und real gestorben und wieder auferstanden. Bis Ostern lehrte alle menschliche Erfahrung: das Leben endet mit dem Tod. Immer. Durch Christus aber ist der Tod nicht das Letzte. Jesu Auferstehung ist nicht die Rückkehr ins irdische Leben. Sondern sie ist der Beginn eines neuen, unvergänglichen Lebens. Das ist der Grund der Osterfreude. Sie entsteht nicht durch logische Erklärungen, sondern da, wo ich erlebe, dass die Botschaft „Jesus lebt“ etwas mit mir zu tun hat. Dass sie mein Leben verändern will. Beweis- und erklärbar ist das natürlich nicht. Aber man kann es in Bildern versuchen auszudrücken. Etwas anderes wollte Paulus damals sicherlich auch nicht.

Ich habe Ihnen ein Bild mitgebracht. Es macht für mich deutlich, was Auferstehung bedeutet. Es zeigt eine Schneefläche. Grau-weißer Schnee. In der Mitte entspringen zwei Tulpen aus dem Schnee. (Im Internet zu finden!)

Der Schnee ist für mich ein Bild für Karfreitag. Ein Bild für den Tod Jesu Christi. Alles ist zu Ende mit Karfreitag. Der Weg mit Jesus ist zu Ende. Die Hoffnungen der Jünger sind dahin. Der Schnee symbolisiert das. Der Schnee ist kalt und glatt. Darunter ist das Leben erstarrt.

Der Schnee ist für mich auch ein Bild für meinen Tod. Er ist auch ein Bild für den Tod mitten im Leben. Wenn ich gefangen bin in meiner Angst, verzweifelt bin oder hoffnungslos. Alles Leben, alles Lebendige ist zugedeckt.

Aber aus dem Schnee brechen Tulpen hervor. Die Tulpen zeigen mir: Das Leben siegt. Sie sind für mich Zeichen der Auferstehung und Grund meiner Osterfreude. Der Tod wird besiegt. Jesus Christus lebt. Mit Christus hat – aller menschlichen Erfahrung zum Trotz – das Leben zum ersten Mal und endgültig den Sieg über den Tod davongetragen.

Weil Jesus den Tod überwunden hat, kann ich auch für meinen Tod hoffen. Auch für mich wird der Tod nicht das letzte Wort behalten. Ich kann hoffen, dass ich eines Tages auferstehen werde. Wie die Auferstehung aussieht, das weiß ich nicht.

Die Tulpen auf dem Bild sind unerwartet. Eigentlich erwarte ich Schneeglöckchen, die aus dem Schnee hervorkommen. Aber genau das fasziniert mich. Es macht mir deutlich, dass die Auferstehung ganz anders aussieht, als ich es erwarte. Als ich es mir auch vorstellen kann. Ich weiß nur: Gott wird da sein.

Und noch eines wird für mich an diesem Bild deutlich: So wie ich in jedem Frühjahr neu erleben kann, dass neues Leben entsteht, hat Auferstehung auch mit meinem Leben in dieser Welt zu tun.

Die Tulpen brechen auf. Ostern ist Aufbruch. Aufbruch aus Niedergeschlagenheit, aus Angst und Verzweiflung. Ostern endet nicht heute oder morgen Abend, sondern es reicht in unseren Alltag. Ostern pflanzt sich fort als gelebte Hoffnung. Auferstehung wird erlebbar, wenn meine Angst überwunden wird, Ruhe und Gelassenheit entsteht. Wenn ich Hoffnung gewinne.

Wie kann man Auferstehung begreifbar machen, so dass Osterfreude entsteht?, so habe ich am Anfang gefragt. Ich denke, Auferstehung ist nicht begreifbar, nur erfahrbar, erlebbar und zu glauben. Wer allerdings daran glaubt, der wird sich verändern. Wer daran glaubt, der wird auch anfangen, seine Welt zu verändern. Denn wer Hoffnung hat, der wird nicht tatenlos zusehen, wie jemand verzweifelt. Wer Hoffnung hat, der kann nicht zulassen dass jemand innerlich stirbt vor Enttäuschung, Niedergeschlagenheit oder innerer Leere. Vielleicht entsteht Osterfreude auch da, wo wir uns von unseren Bilder erzählen, wo jede und jeder von uns Auferstehung erlebt.

Der Herr ist auferstanden. Ich möchte Sie einladen, das zu glauben und zu antworten: Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends

Predigt zu 1. Korinther 15,12-20 von Heinz Behrends
15,12-20

Nachdem Christus auferstanden ist, werdet auch Ihr alle auferstehen, sagt Paulus.

Möchtest Du das überhaupt? Weiterleben nach dem Tod?

Etliche antworten mir auf diese Frage: „Interessiert mich nicht“. Vor allem die Intellektuellen in meiner Lebenswelt. Ich bin dann immer verdutzt. Seit 43 Jahren predige ich Ostern von der Kraft der Auferstehung und viele wollen gar nicht.

„Dass nichts mehr von Dir bleibt? Dass alles egal ist, was Du gemacht hast? Glaubst Du das?“

Nein.

Aber Du glaubst nicht an ein Leben nach dem Tod?

„Glaubst du an ein Leben nach dem Tod“, fragt Friedrich Dönhoff seine Großtante Marion kurz vor ihrem Tod. Und die kernige Ostpreußin und große alte Dame des Journalismus antwortet: „Ich gehe davon aus, dass da etwas kommt“.

Das Weiterleben scheint am Ende eine Ursehnsucht in der Menschheitsgeschichte zu sein.

Mehr als 35 % aller Kirchenmitglieder glauben daran, dass sie einmal in anderer Gestalt wieder auf die Erde kommen. Der Tod ist eine Kränkung des Selbstbewusstseins, so dass es für ihn undenkbar erscheint, es gäbe ihn einmal nicht mehr, sagen die Psychoanalytiker.

„Einige sagen unter euch, es gibt keine Auferstehung“.

Aber alle Kulturen kennen das, dass es nach dem Tod etwas gibt, egal wann und wo die Menschen gelebt haben. Schon die Ägypter nennen das Grab den „Ort, wo man aufsteht“. Die Germanen kennen den Totenkult, die Indianer. Sie füllen die Gräber mit Reiseproviant. Schon zur  Zeit Jesu war der Gedanke an die Auferstehung sehr lebendig. Jesus ist damit groß geworden. Im 2. Lobpreis des 18-Bitten-Gebetes hat er es schon in der Synagoge gelernt. „Gepriesen seist du, Herr, der du die Toten auferweckst.“

Der Streit der Pharisäer und Sadduzäer belegt: Auferstehung war damals im Gespräch und keine Unmöglichkeit. Die oft viel geschmähten Pharisäer glaubten an die Auferstehung.

Wie kann man heute aber die Auferstehung Jesu mit unseren Mitteln des Verstandes verstehen?

 Ich muss dafür noch einmal einen Bogen von Karfreitag her spannen. Jesus lebte in der Gedankenwelt des Alten Testamentes, eng verbunden mit Gott. Er hatte eine Vorstellung vom Leben, wie es gelingen kann und gut ist. Er hat das nicht mit den Zehn Geboten begründet, sondern mit den Seligpreisungen. Barmherzigkeit, Sanftmut, Gerechtigkeit, Friede, geistliche Armut. Die Herrschenden fühlten sich angegriffen. Die einfachen Leute hat das fasziniert. Einigen ließen alles liegen und folgten ihm. Der Weg führte konsequent in seine Hinrichtung. Aber Jesu Vertrauen auf seinen Vater war größer als seine Angst. Er wird getötet. Nach dem ersten Schock besinnen sich die Jünger nach drei Tagen. Die Frauen zuerst, dann viele andere. Sie spüren förmlich. Er lebt. Er erscheint ihnen. Sie sehen ihn. Dann suchen sie für das, was sie erlebt haben, eine Sprache. Sie stammeln, sie fürchten sich. Sie entsetzen sich, sie staunen. Aber sie merken: Dieses Leben, das er gelebt hat, das ist die Wahrheit, das ist es, was Gott von uns will. So hat er gedacht. Dieses Leben, dies Vertrauen ist nicht tot zu kriegen. Später kamen dann die weiteren Erzählungen dazu. Die Geschichte vom leeren Grab zum Beispiel. Bis in unsere Tage hinein hat sich der Osterglaube daran fest gebissen. Ich finde das überflüssig, weil er dem Ostergedanken nicht gerecht wird. Mir ist die Frage nach dem leeren Grab nicht wichtig. Wenn ich es auf den Punkt bringen sollte, sag ich: Das Grab war nicht leer. Wenn ich übersetzen soll, was damit gesagt werden sollte, müsste ich sagen: Der alte Körper hat seinen Dienst getan. Er verwest. „Und es wird verwesen das Verwesliche“, sagt Paulus im Kontext unseres Predigttextes. Ein neuer Körper steht auf. Warum war das für einige in der Bibel so wichtig, sich das leiblich vorzustellen?  Weil für den jüdischen Menschen der Körper nicht von der Seele zu trennen ist. Die Griechen spalten den Menschen in Körper und Seele, nicht die Juden. Weil der Körper immer die Ganzheit - wir würden heute sagen- die Identität des Menschen ausdrückt. So können sich die Juden damals die Auferstehung nur körperlich vorstellen, weil sie Gott sei Dank nicht trennen zwischen Leib und Seele, Körper und Geist. Ein Denken, das uns als postmodernen Menschen sehr nahe ist.

Wichtig aber bleibt nicht die Topographie des Grabes in Jerusalem, sondern meine Erfahrung. Was sagt Jesus zu den Leuten, als er ihnen erscheint? „Friede sei mit Euch“. Das bedeutet: Stoßt Eure Köpfe nicht wund an der Angst vor dem Tod und der Zukunft.

Aus diesem Erleben heraus kamen sie damals weiter ins Nachdenken. Sie merkten, Gottes Wille ist verkörpert in Jesus.

Um diese große Nähe der beiden auszudrücken, sagen sie dann, er war Sohn Gottes. Wie kann man eine Identität und Nähe besser ausdrücken. Sie sagen: Diese Botschaft muss die ganze Welt erfassen. Das darf nicht bei uns bleiben, dieser Frieden, dieser Aufbruch. Sie fangen an, die Auferstehung intellektuell zu deuten. Sie geht über das persönliche Erleben hinaus. „Hoffen wir allein in diesem Leben, dann sind wir die elendesten unter den Menschen.“ Christus soll mit dieser Lebenshaltung überall und alle Zeit herrschen. Es entsteht bald, ein paar Jahrzehnte nach Ostern, das Bild des Christus, der die Welt beherrscht mit Barmherzigkeit und Sanftmut.
Wer so sehr auf die Zukunft setzt wie er, der kann auch den letzten Feind besiegen, den Tod. Damit ist nicht nur der leibliche Tod gemeint, wenn die Gehirnströme nicht mehr messbar sind. Tod ist auch schon dort, wo ein Mensch keine Zukunft mehr sieht, sich hingelegt hat, um nicht mehr aufzustehen.

Als ehemaliger Pharisäer kann Paulus sich das nicht anders als in einer gewissen Ordnung vorstellen. Zuerst steht  Christus auf, dann alle, die auf ihn gehofft haben, dann das Ende. Wie soll das aussehen?
Ich weiß es nicht, ist mir auch nicht wichtig. Ich weiß allerdings, dass im Glaubensbekenntnis bewusst der Satz „Auferstehung des Fleisches“ ersetzt wurde durch „Auferstehung der Toten“.  Weil der Glaube nicht am Fleisch hängt.

Wie ich mir das vorstelle?

Jörg Zink leuchtet mir da mit seinem Oster-Gedanken ein: Du hast ein Leben auf zwei Ebenen, sagt er. Die eine fängt mit deiner Geburt an und hört mit deinem Tod auf.

Die andere fängt irgendwann in deinem Leben an und reicht bis in die Ewigkeit. Sie fängt an, wenn du dich verwandelt hast in einen inneren, neuen Menschen.

Ostern stellt dich auf diese andere Ebene. Es reicht, wenn du es erst im Alter erreichst, Hauptsache, es geschieht. Es geschieht in einem Prozess wie auf einem Weg nach Emmaus.

Ich werde durch die Grenze des Todes eine andere Welt wahrnehmen. Wir sind Schauende, dann werden wir Wissende sein. Und ich werde Gott meine kritischen Fragen stellen. Vielleicht auch nichts mehr fragen müssen. Sie merken, ich taste. Wie  kann ich von dem ganz anderen anders sprechen als in der Sprache dieser Welt!

Eines ist wichtig. Der letzte Feind ist der Tod. Das heißt ja wohl, er wird uns bis zum Ende beschäftigen.

Für mich bedeutet das: Räumt dem Tod unter euch nicht so viel Macht ein. Wenn der Tod für einen Menschen das Letzte ist, dann muss er in seinem irdischen Leben alle auf eine Karte setzen.  Krampfhafte Lebensbejahung bei gleichgültiger Lebensverachtung kommt dabei raus.

Wieviel Raum wird dem Tod unter uns gegeben! Es ist erschütternd, welche Macht die Selbstmordattentäter dem Tod geben. Wir mussten noch in der Realschule jeden Morgen ein Gedicht von Goethe aufsagen, ein Gedicht von der Ganzheit und Schönheit des Lebens. Unsere Kinder lernen, was Strahlenschäden sind, dass Glyphosat ein krebserregendes Mittel, lernen wie Waffen gebaut werden. Todeswissen lernen sie. Unsere ganze Erlebniskultur bewegt sich bewusst am Rande des Todes, um das Gefühl zu vermitteln, ich lebe noch. Im Formel 1 der Automobile fahren sie 70mal einen 4km-Kurs im Kreis, am Ende hat einer mit 1/100 Sekunden-Vorsprung gewonnen und alle jubeln. Welch ein Schwachsinn! Der Rennfahrer Alonso überschlägt sich im Rennen in Melbourne dreimal und entsteigt dem völlig demolierten Auto unverletzt. Viele verfolgen das auf ihrem kleinen Bildschirm. Siehalten die Luft an und sind fasziniert. Eine erlebnishungrige und sinnentleerte Gesellschaft vergötzt den Tod, weil sie meint, nur dieses eine Leben zu haben.

Dagegen steht die Botschaft vom Auferstandenen. Welch Perspektive hat dieses Leben von Sanftmut und Gerechtigkeit! Und geistlicher Armut, dem Wissen um die Bedürftigkeit. Da baut Gott eine große Perspektive für uns in Christus auf. Sie mündet in das Leben nach dem Tod. Aber nur wer dieses Leben liebt, kann die Auferstehung glauben.

Wer auferstehen will, muss das Leben lieben.

Bonhoeffer schreibt es in seinen Gefängnisbriefen: „Nur wenn man das Leben und die Erde liebt, dass mit ihr alles verloren und am Ende zu sein scheint, darf man an die Auferstehung und eine neue  Welt glauben.“ Wenn wir das Leben nicht lieben, taugt unser Reden von Auferstehung nichts. Also keine Vertröstung, sondern volle power.

Glaubst du es immer noch nicht? Nein?

„Ich auch nicht“, sagte der Sänger Hermann van Veen in einem Konzert, „aber ich würde die Zahnbürste mitnehmen.“

 

Perikope
28.03.2016
15,12-20

Gotteswahrnehmung - Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Rainer Kopisch

Gotteswahrnehmung - Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Rainer Kopisch
11,23-26

Gotteswahrnehmung

23  Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot,
24 dankte und brach's und sprach:2 Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Liebe Gemeinde,
ungefähr 10 Jahre nach dem Tod Jesu wird Paulus in Antiochia mit der  Überlieferung der Ereignisse aus dem Leben Jesu bekannt. Die Berichte über Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen waren zunächst die wichtigen Überlieferungen, die die Entwicklung des Glaubens der ersten Christen an Jesus Christus bestimmten.
 
Von Jesus selbst vor Damaskus berufen, war es für Paulus von brennendem Interesse, sich aus der Überlieferung ein Bild seines neuen Herrn zu machen und seinen eigenen Glauben zu entwickeln. Die Überlieferung war ihm eine Richtschnur des eigenen Denkens. In seiner Tätigkeit als Apostel hat  er auch den Gemeinden gegenüber keinen Zweifel gelassen, dass es darum geht, aus der Überlieferung über Jesus und dem entsprechenden Glauben Konsequenzen für das Leben der Einzelnen und das Zusammenleben in den Gemeinden zu ziehen.
Paulus hat dies in seinen Briefen an die Gemeinden immer wieder betont.
Der Episteltext am Gründonnerstag, der heute auch Predigttext ist,  ist aus dem 1. Brief an die Korintherbrief. Er beginnt mit einem Stück Überlieferung, die mittelbar auf Jesus selbst zurückgeht. Mittelbar sage ich, weil der Bericht über die Worte Jesu bei seinem letzten Passahmahl mit seinen Jüngern ein Ausschnitt aus der überlieferten Leidensgeschichte Jesu ist und die Worte Jesu aus der aramäischen Sprache inzwischen in das Griechische übersetzt wurden. Dieser Ausschnitt wurde in der Liturgie des Abendmahls der Gemeinden verwendet, so wie es Jesus seinen Jüngern aufgetragen hat.
Ein Bericht über die Einsetzung des Abendmahls findet sich an vier Stellen im Neuen Testament: Kor 11,23-25/Mk 14,22-25/Mt 26,26-29/Lk 22,15-20. Dabei ist der Paulus-Text die älteste Quelle.
Martin Luther schreibt im kleinen Katechismus:
So schreiben die heiligen Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und der Apostel Paulus
Und dann ergänzt er den Paulus-Text nach dem Wort Blut um die Worte: das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Außerdem ändert er  die Worte Neuer Bund in die Worte Neues Testament.
Jesus hat beim letzten Passahmahl mit seinen Jünger etwas gestiftet, was seine Jünger und mit ihnen die späteren Christen nicht nur an das Ereignis der Einsetzung dieser Stiftung erinnern soll, sondern ihnen auch die Möglichkeit gibt, seine Gegenwart im Glauben erleben dürfen. Leib und Blut sind Ausdruck für die ganze Person Jesu.  Diese Person Jesu wandelt sich mit Jesu Geschichte von Leiden, Sterben und Auferstehen in der Sicht des Glaubens seiner Anhänger. 
Jesus weiß um diesen Prozess des Glaubens. Darum fordert er seine Jünger auf, zu wiederholen, was er ihnen gestiftet hat. Wir sagen in unserem Verständnis:
Jesus hat das Sakrament des Heiligen Abendmahls gestiftet.
Paulus hat das gut verstanden, wenn er schreibt: Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von diesen Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Es geht für uns Christen auch um das Bewusstsein einer Zeitspanne bis zum Kommen des Herrn. Die frühen Christen haben das Kommen des Herrn und den Anbruch des Reiches Gottes innerhalb ihrer eigenen Lebenszeit erwartet.
Wir Christen sind heute in einer anderen Situation. Die macht uns allerdings nicht hilflos, denn wir haben als Geschenk Gottes unseren Glauben. Dieser Glaube ist von seiner Eigenart her ein lebendiger. Eine wichtige Eigenschaft des Lebens ist, dass das Leben in verschiedenen Prozessen abläuft.
Dem Prozess des eigenen Glaubenslebens Aufmerksamkeit, Energie und Zuwendung zu geben, sollte für Christen eine Selbstverständlichkeit sein. Die Gemeinschaft der Christen, die Gemeinde oder die Kirche kann dabei Unterstützung geben. Die Feier des Heiligen Abendmahles ist eine der wichtigen Gelegenheiten, uns in der Gemeinschaft nicht nur dem lebendigen Glauben zu öffnen, sondern auch die Gegenwart Jesu Christi zu erleben.
Jesus hat in der Nacht, da er verraten wurde, gewusst, dass der irdische Weg mit seinen Jüngern zusammen in absehbar kurzer Zeit zu Ende geht. Um seine Jünger aber auf seinem Weg hin zu Gott durch Tod und Auferstehung teilhaben zu lassen, hat er als sein Vermächtnis das Sakrament des heiligen Abendmahles gestiftet.

Wir hören noch einmal den Wortlaut der von Paulus überlieferten  Sätze:
Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe:
Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot,
dankte und brach's und sprach:
Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach:
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut;
das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

Mit dem letzten Satz weist Paulus auf die Mitte des Sakramentes. So oft wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken, verbinden wir uns im glaubenden Erleben mit dem Weg Jesu, den er allein durch Leiden, Tod und Auferstehung gegangen ist.
Die Spiegelwirklichkeit ist, dass Jesus Christus sich an unseren Weg bindet.
Paulus drückt das kurz und knapp aus, indem er sagt: wir sind der Leib Christi.

Gott unterliegt nicht wie wir im irdischen Leben der Bindung an die Zeit.
Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit ein liebender Gott.
Wenn wir sagen, dass Gott als sein Sohn in die Welt gekommen ist, um uns zu erlösen, können wir aufgrund unserer Gebundenheit an die Zeit nur wahrnehmen, was sich zu bestimmten Zeitpunkten ereignet. Wir sagen dazu: wir leben in der Gegenwart und haben eine Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft.
Dieses weiß Jesus, als er das Heilige Abendmahl stiftet. Er schenkt seinen Jüngern und denen, die ihnen nachfolgen, die Gelegenheiten, in ihrer eigenen jeweiligen Gegenwart die Gegenwart des liebenden Gottes glaubend zu erfahren.

Glaube ist mehr als „Wissen von Glaubensinhalten“ und „Für-wahr-halten von Informationen und Gedanken“.
Glaube ist darüber hinaus in seiner lebendigen Form auch eine Wahrnehmungsfähigkeit für Geschehnisse und Begegnungen, die außerhalb unseres üblichen Verstehens erfassen können.
Diese Wahrnehmungsfähigkeit ist Voraussetzung für jede erneute Gottesbegegnung.
Jesus war ein Meister dieser Wahrnehmungsfähigkeit und hat auch seine Jünger gelehrt, sie bei sich zu entwickeln. Deshalb war er auch ganz sicher, dass seine Jünger verstehen, was geschieht, wenn sie dieses kultische Mal  mit Brot und Wein zukünftig als eine besondere Tradition feiern werden.
Natürlich hat die Ausübung dieser kultischen Handlung durch die „Wahrnehmungen im Glauben“ der Beteiligten Veränderungen in der Gestaltung des Ritus und im Verständnis hervorgerufen. Allein im Neuen Testament haben wir vier verschiedene Einsetzungsberichte des Abendmahles, die wir bereits aufzählten.
So ist es auch verständlich, dass wir in verschiedenen Kirchen und Gemeinden unterschiedliche Gewohnheiten oder auch Vorschriften haben, das Abendmahl zu feiern.
Das Entscheidende für uns Christen aber ist der Wille des Stifters Jesus, dass wir in der Feier des Abendmahles Gott begegnen.
Wir begegnen dabei aber nicht dem unbekannten Gott sondern dem liebenden Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat.
Unsere eigene Glaubensgewissheit, dass Jesus, der Sohn Gottes, für uns gestorben und auferstanden ist, gibt uns die Voraussetzung, Gott im Abendmahl als dem liebenden Gott zu begegnen.
Zu einer Begegnung gehört auch das Gespräch. Über die rituellen Gebete im Abendmahl hinaus, steht es uns nicht nur frei, mit Gott in unserem Herzen zu sprechen, sondern diese Begegnung auch zu genießen.
Dazu gehört, den einziehenden Frieden und die Freude in unserem eigenen Herzen wahrzunehmen und  die Stärkung unseres eigenen Herzens zu erleben.
Dieses Geschehen  ist natürlich keine Selbstverständlichkeit, sondern es muss von uns gewollt und unterstützt werden.
Paulus sagt vor und nach dem Bericht von der Einsetzung des Abendmahles einige tadelnde und mahnende Worte an die Gemeinde in Korinth. Der Kern dieser Worte ist der Hinweis darauf, dass wir nur in würdiger Weise am Abendmahl teilnehmen sollen.
Wenn wir eigentlich keine würdige Begegnung mit Gott wollen, dann sollten wir auch am Abendmahl nicht teilnehmen.
Das Vaterunser hat mit Recht einen besonderen Platz im Ablauf der Feier des Abendmahles. Wie Martin Luther in seinen Erklärungen zum Vaterunser im kleinen Katechismus betont, bitten wir in diesem Gebet um die Gegenwart Gottes in unserem Leben und stellen sie im Dank und Lob gleichzeitig fest. Gerade in der Teilnahme am Abendmahl können wir den Schluss des Gebetes im Glauben wahrnehmen:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 Amen
 

Perikope
24.03.2016
11,23-26

Abendmahl: Entzaubertes Geheimrezept oder Wegzehrung für alle Zukunft - Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Markus Kreis

Abendmahl: Entzaubertes Geheimrezept oder Wegzehrung für alle Zukunft - Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Markus Kreis
11,23-26

Abendmahl: Entzaubertes Geheimrezept oder Wegzehrung für alle Zukunft

Das Ende ist nah, liebe Gemeinde. Und was für ein Ende. Menschen erheben sich von ihren angestammten Plätzen, sie stehen auf, gehen los, ja, zuweilen strömen sie geradewegs. Nur um dann doch wieder anzuhalten. Und sie warten beharrlich. Sie wollen hineinkommen in die in sich sich gekehrte Runde der Auserwählten. Sie wollen teilhaben an dem Reichtum, der sich in dieser Welt zeigt.

Und sie kommen dran, kommen an die Reihe. Es wird Rücksicht genommen, sie bekommen etwas ab. Nehmen ihren Teil an sich und zu sich. Flüchtende, die es aus den dunklen Ecken ihres Lebens in eine gute, lichte Welt zieht. Menschen, die ihr Leben im Guten und Bösen miteinander teilen und darin Frieden suchen.

Jedes Mal, wenn eine christliche Gemeinde Abendmahl feiert, ereignet sich das,  dieses nahe Ende: das Aufstehen, Losgehen, Anstehen, Rücksicht nehmen, Bekommen, Teilhaben. Das nahe Ende der Welt. Dieses eine nahe, welches jedoch das ferne Ende im Voraus erschaut und vorweg nimmt. In der Feier des Abendmahls kommt Gottes fernes Ende und Ziel uns nahe: die Wallfahrt allen Volkes und aller Völker nach Jerusalem zu einem großen Festmahl.

Hat doch Gott in Jesu Kreuz den Weg in das begonnen und begangen, was ihm fremd war: in den Tod und zu den Heiden. Und von da ist er mit den Fremden als vergrößerte Gefolgschaft zu sich Heim gekehrt. Das gewährt, dass wir im Abendmahl die Überwindung der Distanz zwischen Fremden vorweg nehmen und feiern.

Dieses ferne Ende kommt nahe in der Feier des Abendmahls, Gottes gutes Ende für alles Volk und alle Völker. Gottes gutes Ende, so wie es sich im Glauben der Kirche zeigt und darstellt. Auch wenn es angesichts der aktuellen politischen Ereignisse schwer fallen mag, dies als Gottes gutes Ende zu erkennen. Das erscheint manchem doch recht utopisch in dieser bewegten Welt.

Andererseits: Wer lebt schon ohne Utopien oder Ideale? Ist das in unserer Gesellschaft herrschende persönliche Gesundheitsideal nicht auch utopisch? Und wird doch von nahezu jedermann erachtet als rechtens und als befolgenswert. Und zwar unbeschadet dessen, dass kein Mensch dem biologischen Gesundheitsoptimum entspricht. Auch die Tatsache, dass Operationen und Therapien den ursprünglichen Gesundheitszustand selten wieder herstellen, tut diesem Ideal keinen Abbruch.

Krankheit und Erkrankung wird man nicht ausmerzen können, genauso wenig wie Dummheit und Faulheit. Und trotzdem glauben und verfolgen wir diese Utopie, die Ideale von persönlicher Gesundheit und Bildung. Wir erdenken und tun alles Mögliche, um dem Gesundheitsideal näher zu kommen. Das gilt auch für das Bildungsideal. Was die Völkerfriedensutopie angeht, da schaffen wir das nicht so gut, der wird mit mehr Misstrauen begegnet.

Was der Glaube als wahr behauptet, das ist in der Bibel klar formuliert und liegt eigentlich offen zutage. Und doch gilt: Was der Glaube behauptet, erscheint je nach den in der Welt herrschenden Zuständen recht geheimnisvoll und befremdlich. Das gilt auch für das nahe und ferne Abendmahl und sein Verständnis. Doch wie bereits beschreiben und gesagt: Es handelt sich bei diesem Sakrament nicht um das Geheimrezept eines Wunderdiätmittels.  

Völkerwallfahrt nach Jerusalem mit Festmahl: das wäre wie Nahosttourismus – bloß ganz ohne Gewalt im Hinterkopf. Nur lauter Vergebung. Das wäre wie ein Galadiner – ganz ohne Widerwille, bloß eine gesellschaftliche Pflichtveranstaltung über sich ergehen lassen zu müssen - mit Conveniencefood und lästigen Tischnachbarn. Nur lautere Freude aneinander und muntere Gespräche.

Was zieht uns mehr in den Bann? Was spricht uns heuer mehr an? Das Märchen von der Versöhnung fremder Personen und Kulturen? So wie es im Film namens Ziemlich beste Freunde erzählt wird? Wo der eine dem anderen trotz dessen fragwürdiger Vergangenheit nicht laufend mit Generalmisstrauen begegnet. Und der andere jenem echtes Mitgefühl erweist. Und zwar indem er ihm gangbare Wege aus seiner Opferrolle zumutet. Und ihm Nähe und Hilfe dabei leistet.

Oder bannt uns die Story, die erzählt, wie wilde Wanderwölfe alle Guten aus dem deutschen Märchenpersonal auffressen? Schön in Blauweiß mit vielen roten Einsprengseln.

Viele Kirchen und Gemeinden jedenfalls wollen das ihre zur Versöhnung von fremden Kulturen und Personen beitragen. Und so helfen sie. Und machen und tun. Hören zu und sprechen an.

Christen kennen auch eine andere Erfahrung als guten Mut und Zuversicht: Es gibt einige, die verlieren den Glauben trotz dessen Fremdheit nicht - im Gegenteil. Sie tun alles, was in ihrer Kraft steht, um zu bezeugen, dass Gottes Menschenwelt und unsere Konflikt beladene Menschenwelt vereinbar sind. 

Aber sie scheitern, sie verzweifeln dabei, weil sie mit ihrem Tun aus Glauben den offensichtlichen Gegensatz nicht zu überwinden vermögen. Sie verzweifeln an der Unversöhnlichkeit dieser gegensätzlichen Wirklichkeiten. Sie leiden unter der offensichtlichen Vergeblichkeit und Absurdität. Denn ihr Vorhaben wird allzu oft von Menschen gemachten Umständen torpediert – ganz anders als im Film ziemlich beste Freunde

Es gibt noch ein weiteres. Wie Verzweiflung ist Glaube ist eine inwendige Angelegenheit. Und manchmal wird der Glaube so sehr inwendig, dass er keinen Weg zu unserem Bewusstsein findet. So dass wir ihn offensichtlich verloren haben. Innere Emigration, Auswanderung in die bewusste Innerlichkeit – aber nicht wie in der NS Zeit wegen gottloser Verhältnisse in der Heimat. Sondern ins gottlose Exil trotz ausgeglichener Verhältnisse in den Kirchengemeinden.   

Oder der Glaube wird aus dem Bewusstsein verdrängt, wenn er gar zu Ungeheuerliches oder Unwahrscheinliches behauptet. Da wird ruckzuck der Fremde von der Liebe ausgeschlossen und Nächstenliebe in Hass für Glaubensfeinde verwandelt. Dann hängen wir ersatzweise irgendeinem Irrglauben oder aberwitzigem Wahn an. Und mit dem erklären wir uns dann Gott und die Welt so hin, wie wir es gern hätten.

Aber der Glaube herrscht in uns. Auch wenn wir nichts davon mitkriegen. Gottes Glaube bestimmt uns, auch wenn wir uns explizit gegen das aussprechen, was er beansprucht. Gottes Glaube regiert in uns ohne unser Wissen. Auch wenn wir das nicht glauben können.

Das Abendmahl ist nicht nur das entzauberte Geheimrezept, sondern auch Gottes Lebensmittel. Das Abendmahl ist Gottes Wegzehrung für uns. Proviant, der beim Überwinden der Distanz zwischen fremden Kulturen und Personen hilft.

Für Katholiken ist das vielleicht etwas leichter einzusehen als für Protestanten. Distanzüberwindungsproviant. Unter ihrem Dach dürften sich mehr verschiedene Kulturen und Typen finden als bei den evangelischen Kirchen.

Andererseits: Kolossale Fremdheit soll es sogar zwischen alteingesessenen Bewohnern eines evangelischen Dorfes gegeben haben. Und immer noch geben. Ebenso allerdings deren Überwindung in der Abendmahlsfeier.

Gottes gibt uns in Brot und Wein seine Wegzehrung. Denn der Weg zum Fremden zehrt an uns. Angst essen Seele auf. Wir verlieren den Glauben. Wir glauben, aber wir verzweifeln an der Vergeblichkeit unserer Bemühungen. Wir flüchten in Wahn und Aberglaube vor den Realitäten. Die Distanz zum Fremden zu überwinden - das kostet uns so einiges an Überwindung.

Diese Dienstreisekosten gleicht Gott mit seiner Wegzehrung aus. Irrglaube und Wahn verlieren sich. Verlorener Glaube findet sich wieder. Der Glaube an sich und an seine Talente stellt sich wieder ein. So wie der Glaube an die eigene Aufgabe vor Gott. Mitsamt dem Glauben an die Menschlichkeit auch noch so fremder Menschen. Egal, ob sie aus dem eigenen Quartier oder von den Enden der Erde stammen.

Verzweiflung und Vergeblichkeit münden in der Bitte um Vergebung für eigene unerkannte Fehler. Ja, es gibt noch mehr zu hoffen: Verzweiflung und Vergeblichkeit verwandeln sich durch Einsicht des Gegenüber in die eigene Vergebungsbedürftigkeit.

Der Andere, der Fremde erahnt seine Unzulänglichkeit und bittet um Vergebung. So kann aus Verzweiflung und Ohnmacht Mut und Ausdauer entstehen. Keiner muss in der Opferrolle verharren. Denn der andere verhilft ihm zu gangbaren Wegen daraus. Keiner wird bei seiner Vergangenheit behaftet,

denn er zahlt kleine Vertrauensvorschüsse mit gleicher Münze zurück. Kleine Fortschritte überwinden große Distanzen.

Als echte Himmelsspeise versiegt Gottes Proviant für uns erst, wenn der Herr kommt. Will sagen: Gottes Wegzehrung für uns wirkt immer stärker als die menschlichen und unmenschlichen Kräfte, die uns auf Gottes Weg zusetzen. Die Überwindung der Distanz wird gelingen.

So gesehen enthält das Abendmahl als göttliche Wegzehrung noch eine dritte Bedeutung: Die Distanz verzehrt sich. Der Weg wird sich von selbst verzehren. Die Distanz zwischen fremden Personen und Kulturen wird sich zwangsläufig aufheben in ein neues Miteinander. Unaufhaltbares Überwinden. So wie im Frühling Wurzeln ihre Triebe aus dem Dunkel ins Licht winden. Ein Wunder.

Kein Wunder. Hat doch Gott in Jesu Kreuz den Weg in das begonnen und begangen, was ihm fremd war: in den Tod und zu den Heiden. Und von da ist er mit den Fremden als vergrößerte Gefolgschaft zu sich Heim gekehrt. Das gewährt, dass wir im Abendmahl die überwundene Distanz zwischen Fremden vorweg nehmen und feiern. Das zeigt, dass wir in der Abendmahlsfeier auf Gottes guten Wegen wandeln. Amen.

 

Perikope
24.03.2016
11,23-26

Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Jochen Riepe

Predigt zu 1. Korinther 11,23-26 von Jochen Riepe
11,23-16

I
‚Alles hat seine Zeit‘, alles Schritt für Schritt und nacheinander. Das Weinen. Das Lachen. Reden. Schweigen. Was aber, wenn die Zeit ‚kurz‘, ‚zusammengedrängt‘* ist oder die Zeiten sich gleichsam übereinander legen? Erinnerung und Erwartung. Trauer und Freude. Dann ist die Zeit des Liebes-Mahls, ja, die Zeit einer großen Sorglosigkeit.

II
Die Liebe geht durch den Magen, der Glaube auch. In der Art, wie, mit welchen Worten und Gesten, wir essen und trinken, spricht sich sehr vieles vom dem aus, was der Seele wichtig ist. Beim jüdischen Passamahl stehen neben dem Brot, dem Fleischknochen, dem Fruchtmus auch immer Kräuter auf dem Tisch. Ihr bitterer Geschmack erinnert an die bittere Knechtschaft in Ägypten. Auf dem Tisch stehen aber auch vier Kelche mit Wein und ein weiterer für den Propheten Elia, den Vorläufer des Messias. Der bittere Nachgeschmack der Knechtschaft und der süße Vorgeschmack der Erlösung gehören zusammen.

III
Paulus schreibt nach Korinth. Jener Gemeinde, der er als ‚ihr Vater‘, eine besondere Liebe und Aufmerksamkeit schenkt und unter deren Missständen und Nöten er leidet. Die schwierige Situation in Korinth lässt sich durch einige Fragen beschreiben: Hatten manche Gemeindeglieder vergessen, was am Ursprung des christlichen Abendmahls steht und was sein Sinn ist? Hatten andere sich unwürdig beim gemeinsamen Sättigung- und anschließenden Heiligen Mahl verhalten? Hatten die Reichen mit ihren mitgebrachten Speisen die Armen beschämt oder hatten sich die Armen über unsolidarisches Verhalten der Reichen beschwert? Paulus erinnert jedenfalls eindringlich an das letzte Mahl Jesu vor seinem Tod und an die Worte, die der Herr über Brot und Wein gesprochen hatte: ‚Mein Leib – für euch gegeben. Das tut zu meinem Gedächtnis. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut‘. Die Erinnerung wird schließlich zum Appell und zur Bitte: Diese Nacht des Verrats, darf nicht vergessen werden. Bei jedem Mahl sollt ihr den Tod des Herrn verkündigen.

IV
Der Apostel geht aber weiter. Das ist nicht alles. Der, der damals starb, ist ja der lebendige Herr und von ihm glauben wir, dass er wiederkommen wird. Die Vergangenheit greift sozusagen in die Zukunft in dem Augenblick, da wir Brot und Wein teilen: ‚bis er kommt‘. Über den Speisen und dem Trank des Weinstocks eröffnen sich mit dem Blick zurück die Erwartung und die Hoffnung, er, der Erlöser möge kommen. ‚Maranatha‘ so heißt der gottesdienstliche Gebetsruf, den Paulus am Ende des 1.Korintherbriefs (16,22) zitiert und der wohl von der Gemeinde sehnsuchtsvoll-laut und inbrünstig gerufen wurde: ‚Unser Herr komm(t).‘ Er möge kommen sichtbar für alle Welt an seinem Tag und doch auch schon in dieser Stunde der Feier zu seiner Gemeinde! Zusammenfall der Zeiten und zugleich: Öffnung der Zeit. So wie die jüdische Festtafel den Becher Wein für den Vorläufer des Messias bereitstellt, so halten die Christen einen Platz frei für den Messias Jesus. Unsere Abendmahlsrunde ist nie eine geschlossene Runde oder interne Veranstaltung. Sie ist offen für den, der kommen soll und für alle, die er mitbringt.

V
‚Alles hat seine Zeit‘ – was aber ist, wenn die Zeit, wie Paulus schreibt, ‚kurz‘ oder ‚zusammengedrängt‘ ist? Erinnerung. Erwartung. Bitternis. Süßigkeit. Trauer. Freude. Dann ist die Zeit des Liebesmahls, an dem die Teilnehmenden wirklich ‚sehen und schmecken‘ sollen und sich einer großen Sorglosigkeit überlassen dürfen. Es ist genug für alle da, denn der Herr des Mahls teilt unter Brot und Wein seine Gaben mit uns allen. Kurz zuvor in seinem Brief nennt Paulus die dieser Zeit  entsprechende Haltung: ‚haben, als hätte man nicht‘: Ich kaufe, aber wer sagt mir, dass ich es behalten muss? Ich bin verheiratet, aber wer sagt, dass meine Frau mir gehört (7,31)? In Christus kann man die Dinge dieser Welt in Freiheit annehmen, aber auch lassen! Sozusagen eine besitzfreie Zeit, in der wir dem nahekommen, wie der Herr selbst gelebt hat. Alle ängstlichen Klammergriffe dürfen sich lösen zugunsten der unaufgeregten, ‚geduldigen‘ und ‚freundlichen‘ Macht der Liebe. Die ‚kurze Zeit‘ ist in einem die Zeit der ‚Langmut‘ und Großzügigkeit, in der wir füreinander da sind, Zeit-teilen und einander ‚auf-warten‘, so dass jeder das bekommt, was er braucht.

VI
‚Ich will aber, dass ihr ohne Sorge seid…‘ (7,32), und gerade um dieser Sorglosigkeit Willen ist es so wichtig, dass die Mahlzeiten der Christen offen bleiben, keine Hürden oder Vorbehalte aufbauen und vor allem: nicht beschämende Situationen schaffen; dass alle, wirklich alle, an ihr teilnehmen können. Hatten in Korinth die Reichen die Armen beschämt und damit in der Zeit des Christus sich ‚unwürdig‘ verhalten? Manche Schriftausleger meinen, dies erkennen zu können. Wie kann man am Tisch des Herrn zusammenkommen, wenn die reicheren Gemeindeglieder ihr Mitgebrachtes nicht mit den Armen teilen, nicht einander ‚auf-warten‘, sondern für sich bleiben und für sich essen? Dann wird das Mahl des Glaubens ein Spiegel der ungerechten Mahlzeiten der Gesellschaft und  die Zeit des Christus wird verspielt zugunsten der kruden Weltzeit. Manche reiche Dame aus Korinths Oberschicht, die gern die Versammlungen der Christen besuchte, konnte sich vielleicht nur schwer daran gewöhnen, dass der von ihren Sklaven bereitete Proviant von den groben Händen der Hafenarbeiter ergriffen wurde – vielleicht heftig und gierig ergriffen wurde. Ja, wo Er erwartet wird, wo sein Tod erinnert wird, da wird die Zeit ‚kurz‘ und man kann ergänzen: der Raum ‚eng‘ und gerade darin weit. Man kann einander nicht ignorieren. Arm und Reich sitzen an einem Tisch und übernehmen Verantwortung füreinander.

VII
Die Liebe geht durch den Magen und der Glaube auch. Die bitteren Kräuter. Der süße Wein. Gedächtnis des Todes. Erwartung des Kommenden. Maranatha – die Zeit des Liebesmahls. Das Gedächtnis sei der nährende Magen der Seele**, meinte Augustinus, und Erwartung und Hoffnung, so mag man hinzusetzen, sind ihre beschwingenden Flügel. Wenig später in seinem Brief wird Paulus das Hohe Lied der Liebe anstimmen. Die reichen Griechen und Römer lobten nach der Sättigung beim Symposion den Eros, den Gott der sinnlichen Liebe. Paulus singt über die Liebe, jene Gottesmacht, die den Tod aufgesucht hat und die ‚niemals aufhören‘ wird. Aus Liebe, aus ‚alles ertragender‘ Liebe ist der Herr gestorben, aus ‚langmütiger und freundlicher Liebe‘ wird er kommen – heute und hier uns seine Zeit schenken. Aus dieser Liebe teilen wir mit denen, die zu uns gehören und mit denen, die (noch) nicht dazugehören.

Macht euch keine Sorgen. Der Herr ist nah.

*1.Kor.7,29
**Augustinus , Confessiones -Bekenntnisse , 3.Aufl. 1966, S.519 (X 14,21)

Perikope
24.03.2016
11,23-16

KONFI-IMPULS zu 1. Korinther 15,1-11 von Ulrich Erhardt

KONFI-IMPULS zu 1. Korinther 15,1-11 von Ulrich Erhardt
15,1-11

Konfi-Impuls für den Ostersonntag zu 1. Korinther 15,1-11

Mit jedem Konfi-Jahrgang mache ich die Umfrage, welchen Aussagen des Glaubensbekenntnisses sie zustimmen können. „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“ und „Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ finden durchweg die niedrigsten Zustimmungswerte. Auf meine Rückfrage, woher das kommt, höre ich meist die Gegenfrage: „Gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?“ Paulus benennt hier zumindest Zeugen für seine Auferstehungsbotschaft (vv.5-8).

Daraus ergibt sich für mich die erste Idee, wie man mit Konfirmanden diesen Text im Gottesdienst gestalten kann. Sie können im Unterricht ein Anspiel erarbeiten: Ein Reporter befragt zunächst Menschen, warum sie Ostern feiern. Dabei wird er an die ersten Zeugen verwiesen, die er dann interviewt: Paulus (v.9, dazu Apg.9,1-18), Petrus (v.5, dazu Ostergeschichten der Evangelien) und vielleicht noch einige der hier namenlosen (v.6), zu denen auch die „Schwestern“ gehören: Maria Magdalena, Salome … Das kann in der Predigt aufgegriffen werden: Ein starker Hinweis auf die Auferstehung sind Menschen, die ihr Leben verändert haben und sogar zum Martyrium bereit waren nach dieser für sie entscheidenden Begegnung mit dem Auferstandenen.

Eine zweite Möglichkeit ist, mit Konfirmanden der Aussage: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (v.10) nachzudenken. Zunächst zusammentragen: „Wem verdanke ich entscheidende Impulse, dass ich so bin, wie ich bin?“ Die Antworten (Eltern, Familie, Freunde, Lehrer, Trainer …) können auf Pfeile aus Plakatkarton geschrieben werden, die im Gottesdienst um eine Figur gelegt werden. Danach ein Band mit dem Bibelvers darum herum legen. In diesen Impulsen wirkt Gott, um mich zu dem zu machen, der ich bin. Aber auch noch darüber hinaus: Durch die Auferstehung gibt uns Gott Lebensimpulse, die über das irdische Leben und Sterben hinausweisen.

 

Perikope
27.03.2016
15,1-11

Predigt zu 1. Korinther 13,1-13 von Christiane Borchers

Predigt zu 1. Korinther 13,1-13 von Christiane Borchers
13,1-13

Rita betritt den Raum. Es hat sie Überwindung gekostet, diesen Schritt zu tun. Aber es ist ihre Aufgabe, hierher zu kommen, sich mit diesen Menschen und ihren Lebensgeschichten zu befassen. Es wird von ihr nicht viel verlangt, genauer genommen gar nichts, außer, dass sie kommt, sich kurz vorstellt und ansonsten zuhört. Die Gesprächsrunde beginnt. Es geht nach einfachen Regeln zu. Einer leitet die Sitzung, jede/r darf sich melden und erzählen. Niemand ist verpflichtet, etwas zu sagen. Zögerlich heben die Ersten die Hand. Wer an der Reihe ist, beginnt von sich zu reden, erzählt aus dem eigenen Leben. Niemand unterbricht, niemand kritisiert, niemand argumentiert dagegen. Es wird zugehört, einfach nur zugehört. Carsten ergreift das Wort. Er redet und redet und hört gar nicht auf. Rita guckt auf die Uhr: Geschlagene zwanzig Minuten hat er gesprochen. Dass er überhaupt so viel über sich reden kann, verwundert sie. Sie könnte es nicht. Es ist aber durchaus interessant, was er erzählt. Der Gesprächsabend ist zu Ende. „Kommst Du wieder?“, fragt Carsten Rita. Alle duzen sich hier. Ohne direkt darauf einzugehen, verabschiedet sie sich. Nachdenklich geht Rita nach Hause. Es hat sie bewegt, was die anderen gesagt haben. So manches hat sie bei sich wieder entdecken können.

Als der nächste Gesprächsabend kommt, stellt sie überrascht bei sich fest, dass sie sich darauf freut. Sie geht hin. Die ersten fangen an zu sprechen. Dann meldet sich Carsten. Wieder redet und redet und redet er und hört nicht auf. Ein Blick auf die Uhr: Zwanzig Minuten vergehen, bis er fertig ist. Rita lehnt es für ab, dass er so viel Zeit beansprucht. Das hält sie allerdings nicht davon ab, wieder zu kommen. Regelmäßig geht sie zu den Gesprächsabenden.  

Das nächste Mal kann Rita es nicht vermeiden, dass sie neben Carsten sitzt. An seiner Seite ist der einzig freie Stuhl im Raum. Etwas unwillig nimmt sie Platz. Der Abend beginnt, mehrere reden und natürlich auch Carsten, wie immer zwanzig Minuten, als ob er die Uhr danach stellt. Während er spricht, geschieht bei Rita eine Verwandlung. Sie kann sich an seinen Worten nicht satthören. Sie liebkosen ihre Seele. Sie fühlt sich mit Carsten verbunden. Jetzt wird ihr die Zeit nicht lang. Sie vergeht wie im Flug. Nachdem Carsten aufgehört hat zu reden, dreht er sich leicht zu ihr und lächelt sie an. Beglückt lächelt Rita zurück. „Ich fühle mich so wohl, wenn du neben mir sitzt“, sagt er am Ende des Abends zu ihr. Eine große Liebe beginnt; rein, licht und klar. Er gesteht ihr, dass es ihn schon ganz zu Anfang, als er sie das erste Mal zur Tür hereinkommen sah, wie ein Blitz vom Himmel durchfuhr.   

Die Liebe ist das Allerwichtigste und das Größte. Hätte ich allen Glauben und könnte Berge versetzen und hätte die Liebe nicht, wäre ich nichts. Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe glaubt alles und hofft alles. Die Liebe hört niemals auf.

Rita wünscht sich von ganzem Herzen und mit aller Kraft, dass ihre Liebe für immer bleibt. Unvermittelt und voller Panik überfällt Rita plötzlich der Gedanke, dass Carsten sie verlassen könnte. Die bloße Vorstellung, ohne ihn zu sein, versetzt sie in große Furcht. Sie spricht mit Carsten darüber, teilt ihm ihre Ängste mit. „Ich werde immer bei dir sein“, tröstet Carsten die verzagte Rita. „Ich bin auch dann noch da, wenn ich nicht mehr da bin.“ Da sind sie wieder, diese wohltuenden Worte aus seinem Mund, die nur er sprechen kann. Nichts und niemand kann sie trennen, nicht einmal der Tod.  „….bis dass der Tod euch scheidet“. Der Tod wird sie nicht scheiden. Er wird immer bei ihr sein. Und sie bei ihm. Diese Erkenntnis brennt sich als Schatz in ihr Herz ein.

Paulus redet in seinem Hohen Lied von einer großen Liebe, die kein Ende hat. Die Liebe hört niemals auf. Ohne sie kann er nicht existieren. Ohne sie hat sein Leben keinen Sinn.

Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte alle Erkenntnis und wüsste alle Geheimnisse und hätte die Liebe nicht, wäre ich nichts, schreibt Paulus. Paulus ist von einer Liebe durchdrungen, die ihn Dunkles und Schweres ertragen lässt. Bei ihm trägt die Liebe den Namen Christi. Aus der Liebe zu Christus schöpft er seine Kraft. Er hält sich an den lebendigen Christus, der vom Tod auferstanden ist. Die Liebe zu Christus kennt die Grenze des Todes nicht. Sie hört niemals auf.

„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe“, schreibt Paulus in seinem Hohen Lied. „Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Warum ist die Liebe die Größte von allen? Glauben und Hoffnung sind nicht minder wichtig. Sie sind lebensnotwendig. Ohne Glauben und Vertrauen, dass ich gehalten und tragen werde, kann ich nicht leben. Wenn ich meinen Glauben verliere, bin ich in meiner ganzen Existenz bedroht. Ohne Hoffnung, dass ich eine Zukunft habe, kann ich nicht sein. Hoffnungslosigkeit führt letztlich in den Tod. Glaube und Hoffnung gehören zu den Grundpfeilern meiner Existenz. Ohne Glauben und Hoffnung sind wir nicht lebensfähig. Warum aber ist die Liebe größer als Glaube und Hoffnung? Weil Glaube und Hoffnung ein Ende haben, die Liebe aber nicht. Die Liebe bleibt. Wenn das Reich Gottes anbricht, sind Glaube und Hoffnung überflüssig geworden. Auf Erden leben wir im Glauben, im Himmel schauen wir die Herrlichkeit Gottes. Auf Erden leben wir in der Hoffnung, im Himmel hat sich die Hoffnung erfüllt. Die Liebe aber durchwaltet Himmel und Erde. Auf Erden ist die Liebe, aller Gewalt und Bosheit zum Trotz, vollkommen erfahrbar. Im Himmel sowieso.

Noch sind wir nicht im Himmel, noch sind wir auf der Erde. Noch sehnen wir uns nach Erlösung und Erfüllung. Die gesamte geschundene Kreatur sehnt sich nach Frieden und Erlösung.

Die Liebe ist allumfassend. Sie beschränkt sich nicht auf einen Menschen. Meine Grundhaltung gegenüber allen Menschen kann von Liebe geprägt sein. Liebe kann ich gegenüber Tieren und der Natur empfinden. Die Erde trägt und erhält uns. Tiere bereichern mich. Sie bringen Freude in mein Leben. Eine schnurrende Katze löst Wohlbefinden bei mir aus. Ein treuer Hund wird zum Gefährten. Eine Kuh blickt mich mit ihren sanften Augen an.  Wer in den Tieren Geschöpfe Gottes sieht, wird ihnen kein Leid antun. Liebe kann ich auch zu Bäumen entwickeln. Das kann ich einüben. Ich gehe aufmerksam durch einen Wald, lausche auf Geräusche, atme Gerüche, umarme einen Baum, höre, ob er eine Botschaft für mich hat. Bäume haben ihre Lebensgeschichte. Mit aufmerksamen, liebenden Blick durch die Welt gehen, aufnehmen, was sie zu sagen hat, mich ansprechen lassen, verwandelt mein eigenes Leben.  

Die Liebe ist freundlich und langmütig, sie eifert nicht und bläht sich nicht auf. Sie sucht nicht das Ihre, sie erfreut sich an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles und duldet alles. Ich kann alles unterschreiben, was Paulus in seinem Korintherbrief über die Liebe sagt, bis auf dieses: Die Liebe erträgt alles und duldet alles. Diese Aussage widerstrebt mir. Die Gefahr ist groß, dass eine Liebe, die alles erträgt und duldet, ausgenutzt wird. Wo jemand ausgenutzt wird, ist die Liebe verschwunden. Die Liebe treibt nicht Mutwillen und nutzt niemanden aus. Ich könnte mir vorstellen, dass Paulus diese Worte geschrieben hat, weil er in seiner persönlichen momentanen Lage Trost sucht. Er wird von einigen Gemeindegliedern in Korinth hart angegangen. Seine Gegner stellen sein Apostelamt in Frage und machen ihm Schwierigkeiten. Um Christi und des Evangeliums Willen erträgt er ihre Anfeindungen und erduldet ihre Anschuldigungen.

„Jetzt sehen wir wie durch einen dunklen Spiegel, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“ Im Himmel sind Freude und Licht. Mit Christus strahlt schon jetzt das Himmelslicht auf die erlösungsbedürftige Erde. Wir ahnen die Herrlichkeit und den Glanz Gottes in der neuen himmlischen Welt, sehen aber noch nicht klar. Paulus verwendet das Bild von einem dunklen Spiegel. Der verdunkelte Spiegel lässt den Himmel nur undeutlich und verschwommen erkennen. Das Reich Gottes ist uns noch verhüllt. Mir will scheinen: Manchmal lichtet sich der dunkle Spiegel an kleinen Stellen und der Himmel wird sichtbar. Manchmal fällt strahlendes Himmelslicht auf die Erde und legt sich auf Menschen nieder. Das sind die beglückendsten Momente, die ein Mensch auf Erden erlebt. Dann aber verdunkelt sich der Spiegel wieder und lässt keine klare Sicht frei. Unsere Erkenntnisse sind wieder unvollkommen und Stückwerk bis der dunkle Spiegel weggenommen wird und Gott uns für immer sein Licht und seine Sonne sehen lässt. Amen.

Mögliche Lieder:

Ich bete an die Macht der Liebe

Gott liebt diese Welt und wir sind sein Eigen

Morgenglanz der Ewigkeit

Perikope
07.02.2016
13,1-13

Hallo? Hört mich jemand? - Predigt zu 1. Korinther 12,31b-14,1a von Katharina Wiefel-Jenner

Hallo? Hört mich jemand? - Predigt zu 1. Korinther 12,31b-14,1a von Katharina Wiefel-Jenner
12,31-14,1

Hallo? Hört mich jemand?

Und ich will euch einen noch besseren Weg zeigen.
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 1Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Strebt nach der Liebe!


Hallo? Hört mich jemand?
Hallo, Du! Hör mir zu: Ich bin die Liebe!
Hör mir zu! Hör, wenn meine sanfte Stimme dich warnt.
Hör auf meine leisen Worte, auf mein vorsichtiges Fragen.
Hör mir zu! Ich will dir einen viel besseren Weg zeigen. Ich will dir zeigen, wo die Lügen ihr Recht verlieren. Ich will dir zeigen, wo die Wahrheit zuhause ist. Ich will dir zeigen, wie die Welt besser wird. Ich will dir zeigen, was Bestand hat.
Du! Hör mir zu: Ich bin die Liebe!

Ich bin nicht die, an die du vielleicht denkst, nicht die mit den Schmetterlingen im Bauch. Hübsche Formen führen mich nicht in die Irre. Ich bin nicht die, die den Verstand vernebelt. Ich denke messerscharf.
Ich bin die Liebe und gegen Kumpanei bin ich immun. Mich kann man nicht missbrauchen.

Ich bin die, die in allem Leben klingt, die zart an das Herz des Menschen anklopft, die leise und behutsam über hohe Mauern steigt. Ich bin diejenige, die die Augen aufleuchten lässt, die den Worten einen neuen Klang gibt. Ich bin die, die mehr als alles weiß. Ich durchschaue sofort, wo man meine Güte ausnutzt. Ich erkenne es, wo man sich fälschlich auf mich beruft. Ich enttarne Gier und Hass. Und dann mache ich den Gewitzten einen Strich durch die Rechnung. Ich zeige es ihnen. Ich bekehre die kühlen Strategen; verwandele die Herzlosen. Ich bin die Schwache mit der unbezähmbaren Kraft. Ich bin die Liebe.

Du! Hör mir zu! Hör nicht auf die Angst, nicht auf den Neid, nicht auf die Sorge. Hör auf mich und der Hass verschwindet.

Wenn Hass tobt, dann bin ich die einzige, die ihn wirklich besänftigen kann. Wenn Wut um sich greift, kann nur ich sie wirklich zähmen. Wenn Sorgen den Atem verschlagen, kann nur ich das Herz weit machen. Wenn die Lüge sich als Wahrheit ausgibt, bin ich die einzige, die sie entlarven kann. Ich bin die Liebe. Nur ich kann das – denn ich bin die Liebe.

Glaub mir! Auch mich erschreckt der allgegenwärtige Hass. Auch mich verletzt die freche Gewalt. Auch mich verstört die widerliche Hetze. Auch mich quälen die Sorgen. Ich weine über die hasserfüllten Worte, die mir geschrieben werden. Ich weine über die gehässigen Kommentare, die ich über mich lese. Ich weine über die niederträchtigen Parolen, die aus Lautsprechern vor meiner Tür bellen. Ich weine über den Hass, der mich anschreit, wenn ich mit Kopftuch in der U-Bahn sitze. Ich weine, wenn nachts Feuer das vor meiner Tür gelegt wird, mich obdachlos macht. Ich weine, wenn meine Unterkunft angegriffen und zerstört wird. Ich weine vor Schmerzen. Ich weine, aber ich lösche das Feuer, ich baue mein Haus wieder auf. Ich schleudere den Pflasterstein nicht zurück. Ich lächele tapfer dem ins Gesicht, der mich anschreit. Ich singe ein Lied. Ich schreibe von Schönheit und Glück, von Liebe und Wahrheit. Und dann wische ich meine Tränen ab und halte weiter Stand – denn ich bin langmütig und freundlich. Ich lass mich einfach nicht von Hetzparolen und Lügen erbittern. Nein – ich bin die Liebe und ich bin stärker als aller Hass. Gegen mich sind sie machtlos. Der Hass kann sich aufführen und toben, so viel er will; darauf hoffen, dass ich ihm mit meiner Gegenwehr noch mehr Energie schenke. Nein – den Gefallen tue ich ihm nicht. Ich bin die Liebe, von meinen Sorgen und meinen Schmerzen kann sich der Hass nicht nähren. Ich erlaube ihm das nicht. Ich bleibe einfach die Liebe und gebe nicht auf.

Du! Hörst du mich?
Ich bin unbeugsam und erinnere mich daran, wie es begann. Ich bleibe geduldig und sehe, wie einst Hungernde satt wurden. Ich erinnere mich, wie einst die Wunden der Verletzten verbunden wurden. Ich erinnere mich, wie einst die Einsamen Freunde fanden. Ich erinnere mich, wie einst die Flüchtenden beschützt wurden. Und ich erinnere mich, wie einst Feinde Frieden schlossen. War nicht ich es? Rührte nicht ich die Herzen der Wohlhabenden an? Machte nicht ich die Friedliebenden mutig? Riss nicht ich die Mauern ein, baute Häuser und ebnete den Weg zum Frieden? Ja, ich war es und ich bin es noch immer. Ich freue mich und sehe, wie es weiter gehen könnte. Ich bin der bessere Weg. Ich kann es immer noch. Ich werde es immer können, denn ich bin unbeugsam und ewig.

Das kannst du mir glauben! Hörst du mich? Selbst wenn du mich nicht verstehst; wenn du mich für unvernünftig hältst; selbst wenn du in mir nur eine erfolglose Träumerin siehst. Ich bin die Liebe und ich bin so, wie ich bin, weil ich zu Gott gehöre. Gott macht es wie ich. So wie ich bin, so ist Gott auch: ewig, geduldig, wahr.
Darum höre auf meine leisen Worte, auf mein vorsichtiges Fragen, auf meine sanften Warnungen. Sie mögen dich aus der Sicherheit des Erfolgs reißen. Du! Höre meine Worte. Halt dich an mir fest. Dafür verspreche ich dir: Ich lass dich nicht allein. Es gibt so viel zu tun und ich bleibe bei dir. Du kannst dich an mir festhalten, wenn die Lügen von Mund zu Mund weitergereicht werden. Du kannst dich an mir festhalten, wenn der Hass die Fäuste gegen dich und vor deinen Augen ballt. Du kannst dich an mir festhalten, wenn die Brandstifter unterwegs sind. Und wenn sich eine bettelnde Hand dir entgegenreckt, dann schau auf mich  – du kannst sie füllen. Wenn du an die Zukunft denkst, dann schau auf mich  – du brauchst dich nicht zu fürchten. Und wenn es weh tut, dann schau auf mein Kreuz – ich lasse dich nicht allein. Ich werde deine Tränen abwischen, dich trösten, in die Arme schließen und alles neu machen.

Du! Hast du mir zugehört? Die Lügen werden vor der Wahrheit erbleichen. Nichts, was aus Hass geboren ist, hat Bestand. Ich habe dir aber einen viel besseren Weg gezeigt, denn ich bin die Liebe. Mein Name ist Jesus Christus. Amen.
 

Perikope
07.02.2016
12,31-14,1

Spiegelungen - Predigt zu 1. Korinther 13 von Klaus Pantle

Spiegelungen - Predigt zu 1. Korinther 13 von Klaus Pantle
13,1-13

Spiegelungen

12,31b Und ich will euch noch einen besseren Weg zeigen:

13,1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.

4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.

12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

1

Péter Nádas schickt seine Romanfigur Frau Erna auf eine lange Taxifahrt durch das nächtliche Budapest. Neben ihr saß Gyöngyvér, die Geliebte ihres Sohnes. Telefonisch hatte man ihnen aus der Klinik mitgeteilt, dass ihr dementer Mann im Sterben lag. Auf dem Weg dorthin stiegen in ihr Erinnerungen auf aus wechselhaften Zeiten, die sie als Frau aus einer großbürgerlichen deutsch-ungarisch-jüdischen Familie durchlebt und durchlitten hatte. Und Gefühle wurden wieder wach. Die körperliche Nähe zu der schönen Gyöngyvér an ihrer Seite rissen sie hinein in einen wilden Strudel aus Hass und Verachtung und Erregung und Anziehung. Unversehens berührten sich beide auf intime Weise. Dabei „saßen sie sich zugewandt wie Spiegelbilder“. Durch diese Berührung fand sich Frau Erna zurückversetzt in eine Jahrzehnte zurückliegende Erfahrung, die sie überflutet hatte. In einem Hotel in Groningen war sie einer anderen blonden Frau begegnet. Die konnte sie nie mehr vergessen. Alle späteren Beziehungen, auch die Ehe mit ihrem Mann, einem Windbeutel erster Güte, der Karriere machte zuerst unter den ungarischen Nationalisten, dann unter den Nazis und schließlich unter den Kommunisten, ließen sie diese abgrundtiefe Erfahrung nie mehr einholen. All die Jahre seither schaute Frau Erna  „nach einer einzigen jungen Frau aus, einem ganz besonderen Geschöpf, in dem sie sich ein einziges Mal, aber in aller Deutlichkeit, wie in einem Spiegel, erblickt hatte. Immer stellte sie in sich jene Einzige wieder her, der sie jahrzehntelang nie mehr begegnet war, von der sie aber wusste, dass sie noch lebte, auch wenn sie sie in ihrer physischen Realität gar nicht mehr wiederzusehen wünschte, sie konnte sie ja in anderen Frauen sehen.“

Ist das Liebe, wovon hier erzählt wird? Was ist das, Liebe? Einfach auf den Begriff zu bringen ist sie nicht. Paulus sagt im Predigttext vor allem was die Liebe nicht ist. Positiv begreift er Liebe als „erkannt“ werden und sich „erkennen“ zweier Personen im direkten Gegenüber. Paulus jedenfalls lässt seine hymnische Beschreibung der Liebe in dieser – ja: urexistentiellen - Erfahrung kulminieren: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“

Wer im biblischen Sprachgebrauch von Gott „erkannt“ wird ist von Gott erwählt (1. Korinther 8,3). Aber dieser Ausdruck erscheint in der Bibel auch noch in einem anderen Zusammenhang.  „Und Adam erkannte Eva...“ (Genesis 4,1) - und Eva ganz sicher auch Adam - und „sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERRN.“ Zwei Personen „erkannten“ sich – einander und sich selbst, und sie wurden erkannt – mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele, in allen Dimensionen ihres Seins - in der tiefsten Weise, wie sich zwei Menschen überhaupt begegnen können.

Insofern ist es konsequent, dass Paulus‘ Beschreibung der Liebe im „Erkennen von Angesicht zu Angesicht“ kulminiert. Gesichter spielen eine zentrale Rolle bei der Kommunikation und Interaktion von uns Menschen. Das gilt vor allem für Liebende. Wir schauen uns in die Augen und erkennen uns: „Dein blaues Auge hält so still,/ ich blicke bis zum Grund./ Du fragst mich, was ich sehen will./ Ich sehe mich gesund“ (Johannes Brahms). Wir blicken uns an und unsere Gesichter werden zu Spiegeln. Wer in einen Spiegel blickt, sieht darin sich selbst. Wer ins Antlitz eines geliebten Gegenübers schaut, sieht darin auch sich selbst – in der Reaktion des Gegenübers auf ihn. Aber das Bedürfnis geht tiefer.  „Das stumme Verlangen nach Spiegelung“ ist „in Wahrheit ... mein Begehren, ein einziges Mal, für einen einzigen Augenblick der Andere zu sein“ (Péter Nádas). Wir schauen uns an – von Angesicht zu Angesicht – und wir versinken ineinander. Ich bin Du – Du bist Ich – Wir sind eins. Es ist die höchste wie die tiefste Erfahrung in der Liebe und im Leben: die Vereinigung, die Auflösung der Grenzen unseres Ichs, die Verschmelzung miteinander zu einer Einheit. Es ist diese totale Erfahrung, die wir in der Liebe erstreben, aber bestenfalls nur für Momente erreichen. Dass das „jetzt“ so selten vorkommt, ja vielleicht kaum wirklich umfassend gelingt, das wissen wir. Und trotzdem sehnen wir uns danach lebenslang und darüber hinaus. Dass man die Momente, in denen das wenigstens annähernd gelingt, nicht festhalten kann, das ist das Drama unseres irdischen Lebens. Deshalb ist die Literaturgeschichte voller Erzählungen über gescheiterte und verlorene Liebe. Und trotzdem ist die Hoffnung auf „ewige“ Erfüllung unzerstörbar: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht.“

2

Frau Erna in Péter Nádas’ Roman ist eine traumatisierte Person. Sie ist geprägt von der Erfahrung des 2. Weltkrieges. Ihre Tochter wurde als Widerstandskämpferin von den Nazis ermordet. Im Nachkriegskommunismus zerfiel ihre großbürgerliche Lebenswelt vollends. Ihrem Mann blieb sie in einer veritablen Hassliebe verbunden. Weite Teile ihres Lebens spielten in einem Gewaltraum. Das führte zu Lücken und Brüchen in ihrer Biographie und zu Deformationen in ihrer Persönlichkeit. Aber eine gewisse Herzenswärme hat sie nie verloren. Und der Traum von der Liebe wurde in ihr nicht zerstört und auch nicht die Sehnsucht nach der Existenz in einem Liebesraum, vielleicht irgendwann für „ewig“.

Auch Paulus ist eine traumatisierte Person. „Es gibt in den Briefen des Paulus keine Gesichter“ (Christian Lehnert). Nicht ein einziger ihm nahestehender Mensch gewinnt Gestalt. Auch die Schönheit der Natur, der mediterranen Landschaften und Städte, die er bereiste, schien er nicht wahrzunehmen. Paulus, so empfängt man bei der Lektüre seiner Briefe den Eindruck, lebte als Person wie in einer Blase, eingeschlossen in sich selbst. Was diese Blase schließlich zum Platzen brachte liest man im Predigttext. Es ist die ihn überflutende Erfahrung der Liebe.

Es ist das Begreifen: Nicht wir „machen“ Liebe. Nicht der Mensch, sondern die Liebe selbst erscheint als Subjekt. Die Liebe „persönlich“ ist es, die agiert. Wie das eine Mal bei Frau Erna in einem Hotel in Groningen bricht sie ein in das Leben von Menschen und wirbelt alles durcheinander. Die Liebe ist durch und durch dynamisch. Ihr Charakter äußert sich bei Paulus in (15!) Verben. Die Liebe erscheint wie der Wind – ja wie ein Wirbelsturm. Sehen kann man sie nicht. Wie beim Wind oder beim Wirbelsturm erkennt man sie nur an den in ihrem Wirkungsfeld sichtbaren Erscheinungen. Die Liebe kommt über einen und ist da, verwirbelt einen und verschwindet wieder, jedenfalls in dieser Welt. Dabei fragt sie nicht um Erlaubnis und auch nicht nach Sitten, Gebräuchen und Konventionen und schon gar nicht nach Kosten und Nutzen. Sie folgt keinem Willen und keiner Begründung und ist auch an keine Bedingungen geknüpft: „Ich liebe dich, weil ich dich liebe!“ Die Liebe entzieht sich dem Apostel Paulus. Er kann nur feststellen, dass sie da ist und sich nicht einfangen lässt, weder durch Gefühle noch Begehren und schon gar nicht durch Moral oder religiöse Praxis. Ist sie aber da, dann überlässt sie sich dem Anderen ganz und gar, ohne „das Ihre zu suchen“.

Paulus weist seine Hörerinnen und Leser auf diesen „anderen Weg“ hin, der sich einem eröffnet, wenn man sich vom Wirbel der Liebe ergreifen und treiben lässt. Dabei ist er sich über die Konsequenzen im Klaren. Die Liebe ist „kein langer, ruhiger Fluss“. Sie kann „unseren Körper biegen“ und „ihm gewaltige Qualen bereiten“ (Alain Badiou). Die Liebe erfüllt uns mit Glück und lässt uns leiden. Zwischen beidem, so scheint es, gibt es hier in dieser Welt eine direkte und unmittelbare/untrennbare Verbindung. Liebe in dieser Welt ist nicht nur Glück sondern auch Passion. Wohin das führen kann, dass führt uns Jesus, von dem es heißt, dass er die Inkarnation der Liebe sei, mit seinem Schicksal vor.

Theologisch gesprochen ist die Liebe eine Gabe Gottes. Geistgewirkt ist sie Gottes Empfängnis. Denn „Gott IST Liebe“ (1. Johannes 4,16). Die Göttliche Liebe erscheint als unverfügbares, überwältigendes, alles in sich bergendes und alles Dunkle und Schmerzvolle, alle Traumata, alle qualvolle Zerrissenheit hinwegblasendes Geschenk. Erfahrene Liebe, tiefe Liebe zwischen Menschen in dieser Welt ist ein Abglanz dieser Liebe, vorläufig, fragmentarisch, „Stückwerk“, im besten Fall Spiegelung.

3

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Paulus sieht ein Spiegelbild. Wovon? Das sagt er nicht. Man hat Spiegel aus der Zeit des Paulus gefunden. Ihre Qualität war exzellent. Was Paulus sah, sah er scharf! Aber was er erblickte, war dunkel. Wer in den Spiegel schaut, erblickt sich selbst! Was er sah, war überschattet.

Unsere Identität und unsere Selbsterkenntnis, unser Glauben und unser Hoffen, aber auch unser Lieben und dass wir uns als geliebt erfahren – all das ist verschattet. „Jetzt“ ist es nur bruchstückhaft einholbar und erlebbar. Vollständiges Einssein mit uns selbst und Einssein mit einem geliebten Menschen ersehnen wir. Und unser Einssein mit Gott und der Welt erhoffen wir. Vom Anspruch auf die vollkommene und  ewige Liebe lassen wir nicht. Dass es möglich ist, dass „dann“ Gott „alles in allem“ (1. Korinther 15,28) sein wird und wir in ihm, das möchten wir glauben.

Paulus glaubt daran. Das Ich kann in seinen Augen ohne die Liebe keinen Bestand haben. Endlich hat er begriffen: Ich bin schon jetzt angesehen von Gott. „Ich bin der, als der ich angesehen werde, erkannt in Liebe und von der Liebe, in euren Augen und in den Augen des (gegenwärtigen und) kommenden Gottes“ (Christian Lehnert). Christus durchschaut mich durch alle Konstruktionen meines Selbstbewusstseins hindurch bis auf den Grund. Er erkennt mich, liebt mich und konstituiert meine Identität als geliebter und liebender Mensch.

Deshalb ruft Paulus uns dazu auf, dass wir der Liebe nicht ausweichen, wenn sie über uns kommt, dass wir uns von ihr bewegen und auf den Weg bringen lassen: „Dann aber werde ich erkennen wie ich erkannt bin.“ Dann werde ich lieben wie ich geliebt bin.

Literatur:

Alain Badiou, Lob der Liebe, Wien 2009, S. 71

Johanns Brahms, Dein blaues Auge, Op. 59/8

Christian Lehnert, Paulinische Brocken. Ein Essay über Paulus, Berlin 2013, S. 215; 209; 206f.

Péter Nádas, Parallelgeschichten, Reinbek 2013, S. 252 und 254

Péter Nádas, Von der Himmlischen und der irdischen Liebe, Reinbek 1999, S. 7 und 38

 

Perikope
07.02.2016
13,1-13

Pyrrhussiege – oder – entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs - Predigt zu 1. Korinther 9,24-27 von Markus Kreis

Pyrrhussiege – oder – entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs - Predigt zu 1. Korinther 9,24-27 von Markus Kreis
9,24-27

Pyrrhussiege – oder – entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Das stimmt nicht nur für das Schachspiel, das gilt für jeden Sport und Wettbewerb. Und diese Erkenntnis heißt nicht, dass körperliches Training damit zweitrangig geworden ist. Allein schon deshalb, weil das Gehirn in dieser Hinsicht ein wesentliches Element des Kopfes ist. Und das Gehirn ist bekanntlich ein Körperteil. Mentales Training und körperliche Ertüchtigung gehören zusammen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Das gilt erst recht für die Trophäe, um die es Paulus geht. Der begehrte Siegeskranz ist ihm nämlich nicht aus Lorbeer geflochten, sondern aus Dornen. Will sagen: Der größte Sieg besteht mitunter darin, offensichtliche Niederlagen hinzunehmen in stiller Größe. Das gilt bei Siegen übrigens auch.

Eins ist klar: In der heutigen Mediengesellschafft kommt man nicht umhin, im Falle eines großen Erfolgs ein paar Worte darüber in Mikrofone und Kameras zu verlieren. Oft genug gilt das auch für die Inhaber weniger edler Metall- oder gar Holzmedaillen, für die Verlierer.

Aber in diesen Interviews kann man so oder so sich ausdrücken, so oder so einem Publikum begegnen, sich als solcher oder solcher Mensch erweisen. Kämpfe gewinnt und verliert man im Kopf.

Und in so einem Interview drückt sich ein Kopf aus. Da zeigt sich, was in ihm vorgegangen sein könnte, in diesem Kopf, bei seinem mehr oder minder erfolgsgekrönten Tun. Selbst der offizielle Sieger kann mit seinem Kopf aus einem Interview letztlich wie ein Verlierer raus kommen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Denn mit dem Kopf können wir unseren Leib bezwingen wie Paulus sagt. Wobei das Bezwingen nicht nur ein Widerstehen und Unterdrücken meint, sondern auch ein Formen und Gestalten.

Paulus nennt das Unterdrücken und Widerstehen in seinem Text Enthaltsamkeit: Wir können leibliche Bedürfnisse und Entwicklungen, die uns nicht in den Kram passen, unterdrücken und hemmen - durch Diäten zum Beispiel.

Beim Boxen kennt man zum Beispiel das sogenannte Abkochen: Der Sportler hungert oder schwitzt sich Kilos oder auch nur ein paar Gramm vom Leib, damit er einer bestimmten Gewichtsklasse zugehört. Wir wissen bei all dem nur zu gut: Was Diäten betrifft, da gibt es Übertreibungen, die nicht mehr die körperliche Ertüchtigung fördern.

Und wir können auch zulegen. Durch Training und neue Reize gewünschte Entwicklungen anfeuern und fördern. Paulus spricht in seinem Text das Laufen an, als ob er die heutige weit verbreitete Jogging- und Marathoneuphorie erahnt hätte. Und er nennt daneben das Boxen.

Für meinen Geschmack irrt er sich da ein bisschen. Nicht nur mit Sparring kann man sich trainieren, auch mit Schlägen in die Luft. Bei den meisten Sportarten kommt es auf eine exakte und schnelle Bewegungsausführung an. Das kann und muss man beim Boxen trocken vor dem Spiegel trainieren. Immer und immer wieder. Oder denken wir nur an den partnerlosen Drill der Schattenboxer.

Auch hier wissen wir bei all dem nur zu gut: Was das Gestalten und Trainieren betrifft, da gibt es Übertreibungen, die nicht mehr die körperliche Ertüchtigung fördern, die, zumindest langfristig, die Gesundheit eher schädigen. Zum Beispiel durch Doping. Doping produziert Sieger, die in Wahrheit Verlierer sind. Auch wenn es zunächst nicht so rüber kommt.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Der Kampf, um den es Paulus eigentlich geht ist die Buße. Moderner gesagt, die Empfänglichkeit für Kritik. Die Texte von und über Paulus bezeugen direkt oder indirekt, dass er dauernd im Clinch mit sich und seiner Umgebung gelegen ist. Und wie darauf reagiert hat in Gedanken und Werk, was für uns heißt: Schriftwerk.

Im Anliegen des Paulus geht es um Buße. Also um die Fähigkeit, Einsicht zu zeigen für von außen an meine Person heran getragene Kritik. Umso mehr, wenn so ein kritisches Urteil letztlich von Gott kommt und getragen wird.

Natürlich gibt es auch unzutreffende oder unberechtigte Kritik. Man muss sich nicht jeden Schuh anziehen. Man kann ihn anschauen, in die Hand nehmen, ihn darin drehen und wenden, auch ausprobieren, ob er denn passt. Und dann anziehen oder gegebenenfalls wieder zurück ins Schuhregal stellen oder gar in die Altkleidersack stecken. Manchmal wiederholt man das Ganze auch mehrmals.

Wenn es Paulus darum geht, sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen, dann ist Enthaltsamkeit erforderlich, genauer gesagt: Entsagung. Und das heißt: Verzicht auf sofortige Abwehr durch Beleidigt sein zum Beispiel. Verzicht auf Bezichtigung des Kritikers. Verzicht auf Verdrängung.

Wenn es Paulus darum geht, sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen, dann heißt Training: Nachdenken, Nachfragen, Abwägen, tätige Reue, Dank an den Absender für das Angebot an Hilfe zur Selbsthilfe.

Sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen ist alles andere als leicht. Auch und gerade wenn diese Anfrage letztlich von Gott kommt. Das fällt schon rein emotional schwer. Gut, das kann und weiß man in gewisser Weise zu trainieren. Aber auch unsere Entsagungsfähigkeit kennt Grenzen. Und hinter den Lippen schimmert Aggression und Abwehr statt Empfänglichkeit und Offenheit auf.

Auch rein kognitiv gibt es manche Hürde. Denn nahezu jeder weiß aus eigener Erfahrung: Auch die gründlichste Gewissenserforschung verhindert nicht notwendig, dass ich einer Verblendung unterliege. Dass ich etwas nicht einsehe, obwohl ich es Recht und genau besehen einzusehen hätte. Ich kann mich irren und täuschen. Das Bewusstsein vermag einem arglistige Streiche bei zu bringen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Aber das gelingt nur unzulänglich ohne Gottes Hilfe. Ein Sündenbekenntnis sprechen und die eigene Sündigkeit von Fall zu Fall wahrhaft einsehen, das ist zweierlei. Wenn es ein und dasselbe ist, dann ist es Gnade.

Jeder von uns kann letztendlich nur Gott darum bitten, ihm solcherlei blinde Flecke für Kritik zu ersparen. Und in eins damit die persönliche und wahrhaftige Entsagung zu fördern, also den Verzicht auf Verdrängung, Abwehr, Gegenbeschuldigung.

Zum guten Glück ist Gott wie ein Headhunter, der die rechten Leute schon findet. Nehmen wir nur den Paulus. Der hat zu Lebezeiten wohl eher nicht wie ein Sieger gewirkt, wenn man den biblischen Zeugnissen trauen darf.

Oder denken wir an König David und all das Üble, was er in der Bathseba Geschichte angerichtet hat. Und denken sie an das Gleichnis vom armen und reichen Schäfer, das ihm der Prophet Nathan darauf hin erzählte. Hätten sie als ein Mensch, der über sehr viel Macht und Einfluss verfügt, genauso reagiert wie David auf Nathan? Sind sie sich dessen ganz sicher?

Welch ein Lebenswandel bei David! Zuerst ganz viel pralles Leben - mit allen seinen schönen und finsteren Seiten: Begehren, Liebe, Lüge, Meuchelmord - letzterer alles andere als nur verbal und Rufmord. Und dann doch noch mehr Wandel: Empfänglichkeit, Offenheit, Umdenken, Einsicht, tätige Reue.

Lesen sie mal wieder Psalm 51 in diesem Zusammenhang. Oder führen sie sich einfach einen anderen Bußpsalm zu Gemüte. So etwas Ähnliches gehörte sicher zum wöchentlichen Trainingsprogramm von Paulus. Denn der wusste, was jeder ernsthafte Sportler auch weiß: Das richtige Leben und der richtige Wandel - der Lebenswandel ist Kopfsache.

Und: Kein rechter Gewinn ohne Gottes Hilfe. Davon zeugt das ruinöse Ende mancher  Sportler, deren Karrieren von Erfolg gekrönt waren. Und ruinös ist hier nicht unbedingt nur finanziell gemeint.

Noch so ein Sieg und wir sind verloren! In solcher Rückschau gesehen lässt der alte Pyrrhusspruch manchen Sieg der Gewinner von heute in einem neuen Licht erscheinen. Noch so ein Sieg und wir sind verloren! Denkspruch für alle auf dem Karriereweg, wo auch immer – Denke so an dich und denke so an dein Unternehmen.

Gott ist ein entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs. Darauf dürfen wir hoffen. Wir genießen dieselben Aussichten und Verheißungen wie Paulus oder David. Kämpfe gewinnt man wie die zwei im Kopf. Denn Gott ist seinem Wesen nach ein entsagungs- und erfolgreicher Headhunter.

Hat er mit seinem liebevollen Wort doch Kopf und Körper des gekreuzigten und auferstandenen Jesus gewonnen. Und so jegliche menschliche Niederlage gewandelt und jeglichen verlorenen Kopf besiegt. Also mit Glaube, Liebe und Hoffnung bedacht.

Hat er mit seinem liebevollen Wort in Jesu Leben und Tod doch seinerseits auf willkürliche Beziehungsaufnahme und Stillstand verzichtet, ihnen entsagt. Und uns stattdessen einen Lebenswandel in seiner ewigen Liebe ausgesprochen. Amen.

Perikope
24.01.2016
9,24-27