Jesus-Video - Predigt zu 2. Korinther 5, 14-21 von Tom Mindemann

Jesus-Video - Predigt zu 2. Korinther 5, 14-21 von Tom Mindemann
14-21

Video-Predigt I

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

liebe Gemeinde,

wenn Sie das hier sehen, dann begehen wir den Karfreitag im Jahre 2020. So wie jedes Jahr vor dem Osterfest bedenken wir Jesu Leiden und Sterben am Kreuz.

Und doch ist dieses Jahr buchstäblich „alles anders“.

Vielleicht wollten Sie heute eigentlich in die Kirche kommen. Gottesdienst feiern mit anderen. Singen. Beten. Das Abendmahl halten. Vielleicht kommt es Ihnen auch gerade gelegen, dass dieser Gottesdienst nun gewissermaßen zu Ihnen kommt. Als Video. Da wo Sie gerade sind.

 

In den letzten Jahren gab es immer wieder Streit um den Karfreitag als stillen Feiertag

mit seinem Verbot von Tanz– und Sportveranstaltungen und „lautem“ Unterhaltungsprogramm.

Dieses Jahr ist sprichwörtlich „alles anders“. Clubs und Kirchen sind geschlossen, Kinos und Konzertsäle. Partys und Prozessionen wurden abgesagt. Nicht nur heute.

 

Alle versuchen, aus der Not eine Tugend und aus der Situation das Beste zu machen.

Wir telefonieren wieder mehr, nutzen digitale Medien, verabreden uns per Video: zu Konferenzen und Teamsitzungen, mit Freunden auf ein Glas Wein auf dem je eigenen Sofa.

Und Großeltern lesen ihren Enkeln per Video Geschichten vor oder spielen Mensch-ärgere-dich-nicht vor dem Bildschirm: eine würfelt, der andere führt die Püppchen;

 

Aus Italien

Wenn du das hier siehst…

Allabendlich, wenn nicht gar ständig, erreichen uns Bilder, Graphiken, Informationen.

Es geht wohl weltweit längt nicht mehr darum, aus der Situation des Beste zu machen, sondern das Schlimmste zu verhindern – was auch immer das sein mag. Videos von weinenden Ärzten und Krankenschwestern in Bergamo werden zum Symbol dafür, wie uns dieses Situation aus der Hand gleitet.

 

Nein, dieses Virus macht keinen Sinn.

Es ist nicht gut für irgendetwas.

Es ist nicht gut dafür, dass wir zur Ruhe kommen, dass wir unsere Prioritäten überdenken, dass wir die Klimaziele 2020 doch noch erreichen, dass wir einen neuen Blick bekommen für das für das, was wirklich wichtig ist. Nein.

Durch dieses Virus sterben Menschen. Und viele andere geraten in Not.

 

Der Tod macht keinen Sinn.

Er ist nicht gut für irgendetwas.

Auch nicht der Tod Jesu.

Wenn wir heute Karfreitag „feiern“, dann weil wir wissen, wie es ausgeht.

weil wir Ostern schon mitdenken und Gott Ostern zutrauen.

 

Jesus-Video

Mal angenommen, Jesus hätte ein Video aufgenommen

für die, die bei ihm waren, so nahe das ging::

 

Hallo Frau (du weißt, Mutter, dass ich dich immer so genannt habe),

hallo Tante, hallo Maria, hallo Johannes,

wenn ihr das hier seht, werdet ihr schon mit angesehen haben müssen,

was da passiert ist auf Golgatha:

Wie Pilatus mich den Soldaten übergab.

Wie ich den Mittelbalken zu meiner eigenen Kreuzigung schleppen musste.

Wie die Soldaten meine Sachen unter sich aufteilten und auslosten, wer denn meinen Rock bekommen sollte.

Wie sie mir Essig zu trinken gaben – so wurde die Schrift erfüllt.

Ein paar letzte Worte hatten wir noch wechseln können,

bevor es vollbracht war.

Es ist gut, dass ihr nun füreinander da seid, dass ihr zusammensteht in dieser Zeit, in der alles anders ist.

Ich vertraue darauf, vielmehr: ich weiß, dass es gut wird.

Tut das auch!

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)

Es wird alles neu.

Friede sei mit euch!

Liebe Grüße, Jesus

 

Und doch: noch Jahrhunderte lang werden Theologen darüber streiten

und auch Du und ich uns manchmal fragen:

Warum?

Warum der Tod? Warum dieser Tod? War das nötig?

Wie konnte Gott das zulassen?

Musste das so kommen?

Hätte Gott nicht anders gekonnt,

ja, anders gemusst, wenn wir an seine Liebe glauben sollten?

Und überhaupt: wo war Gott?

 

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Diese alten Worte aus dem Psalm lagen auch Jesus auf den Lippen.

Doch nicht er war es – Gott selbst, in ihm:

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!

 

Gott, von Gott verlassen, ist nicht weit weg,

nicht unbeteiligt erhaben,

nicht jenseits von Gut und Böse,

sondern war da, ganz nah,

in Schimpf und Schande

in Leid und Tod.

Gott war in Christus, schreibt Paulus im 2. Brief an die Korinther,

und versöhnte die Welt mit ihm selber.

 

Lasst euch versöhnen

Liebe Gemeinde Gottes in Korinth,

wenn ihr das hier lest, haben wir schon eine Weile nichts mehr voneinander gehört.

Beim letzten Mal, als ich bei euch war, gab es Streit. Mancher Konflikt ist bis heute nicht geklärt. Eigentlich wollte ich euch noch mal besuchen, aber meine Reisepläne hatten sich erneut geändert. Deshalb nun diese Zeilen (2Kor 5,14-21):

 

Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist und so alle gestorben sind. Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde. Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

 

Zuletzt, liebe Brüder und Schwestern, haltet Frieden. So wird der Gott der Liebe und des Friedens bei euch sein. Wir freuen uns, wenn wir euch endlich wieder sehen.

Liebe Grüße, euer Paulus.

 

Video-Predigt II

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

liebe Gemeinde,

wenn Sie das hier sehen, begehen wir immer noch Karfreitag im Jahre 2020.

Wir bedenken Jesu Leiden und Sterben am Kreuz.

Und wir haben mehr Fragen als Antworten. Damals wie heute.

Und doch ändert sich etwas.

Wir schauen anders,

weil Gott die Perspektive wechselt.

Nicht der, der die Antworten liefert,

sondern der die Fragen mit uns aushält.

Deshalb haben wir in unseren Kirchen normalerweise keinen Computerbildschirm hängen, sondern das Kreuz.

Gott war in Christus, schreibt Paulus,

hat mit Christus gefleht: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

 

Gott ist in dir und in mir. In unseren Fragen.

Wo sich Einsamkeit breit macht und Zukunft zu kurz kommt,

steht er an unserer Seite.

Bei denen, denen wir so gerne beistehen würden – und es nicht können.

Und bei denen, die für uns einstehen, und nicht mehr können.

Gott ist im Warum?!

Lasst euch versöhnen mit Gott!

Haltet die Fragen aus.

Und traut ihm Ostern zu.

Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Tom Mindemann

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigtsituation ist nicht von der „Corona-Situation“ zu trennen. Der Gottesdienst, eben auch die Predigt, werden als Video aufgenommen und ins Internet gestellt. Es ist der erste Gottesdienst seit dem Veranstaltungsverbot vom 16.03.2020. Karfreitag ist in der Regel stärker besucht als Ostersonntag. Oft besondere liturgische Gestaltung, Abendmahl. Diesmal ist „alles anders“. Zur erreichten Zielgruppe eines Video-Gottesdienstes (überhaupt und an Karfreitag) gibt es bisher keine Erfahrungen.

2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Beflügelt hat mich ursprünglich die Idee einer Video-Botschaft eines Vaters an seine Kinder für die Zeit nach seinem eigenen Tod. In dieser Form hat sie es dann aber nicht bis in die Predigt geschafft. Aber daraus entwickelte sich das Aufbau der einzelnen „Moves“.

3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gott liefert nicht die Antworten auf die Frage nach dem Warum. Aber er steht mit mir die Frage durch.

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die abschließende Bearbeitung nach ausführlichen und wertschätzenden Rückmel-dungen durch meinen Coach für diese Predigt führte vor allem zu einer Glättung der Predigt. Uneingelöste Assoziationen, Nebenthemen und Aufzählungen wurden gestri-chen, und führten zu einer klareren Struktur und Fokussierung

 

 

Perikope

„Das versteht kein Mensch!“ – Predigt zu 2. Korinther 13, 11 – 13 von Reiner Kalmbach

„Das versteht kein Mensch!“ – Predigt zu 2. Korinther 13, 11 – 13 von Reiner Kalmbach
13,11-13

Die Gnade Gottes, unseres Vaters, die Liebe Jesu, unseres Herrn und die lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes seien mit uns allen. Amen.

 

„Trinitatis“, so heisst der heutige Sonntag. Aber wer, ausser den theologisch Geschulten, kann das verstehen?, lässt sich die Dreieinigkeit überhaupt erklären?

Weihnachten, Karfreitag und Ostern kann man ja schon zum christlichen „Kulturerbe“ zählen. Irgendwie weiss man, um was es da geht. Pfingsten, das wir vor einer Woche feierten, ist da schon etwas schwieriger, der Geist, wie der Wind, nicht greifbar, aber doch spüren wir ihn, schliesslich glauben wir ja.

Der „dreieinige Gott“, ein Gott, drei Personen, ein Gott in dreierlei Gestalt. Um noch eins draufzusetzten: die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes steht nicht in der Bibel, und doch erwächst sie sozusagen aus ihr. In anderen Worten, wir lesen die Bibel und wenn wir sie „auslegen“, d. h. interpretieren, formt sich in uns die Vorstellung eines dreieinigen Gottes.

Aber es stimmt schon: verstehen, im Sinne der Vernunft, kann man die Trinität eigentlich nicht.

Und schon sind wir auf der richtigen Fährte: hat Gott überhaupt etwas mit Vernunft zu tun?, handelte Jesus jemals im Sinne der menschlichen Vernunft?, ist etwa die Bergpredigt, die von der Feindesliebe spricht und zur bedingungslosen Liebe einlädt, in unserem Sinne „vernünftig“?

Neulich sagte jemand zu mir: „…wäre Jesus Diplomat gewesen, hätte ihn der Tod im Alter geholt.“

Nein, die Dreieinigkeit Gottes kann man nur „fühlen“, wenn wir versuchen die biblischen Worte zu meditieren.

Und dabei kann uns der Apostel Paulus helfen, vielleicht bringt er etwas Licht ins Dunkel. Hören wir aus dem 2. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 13, die Verse 11 bis 13

 

Textlesung

 

Plötzliche Windstille

Die Gemeinde in Korinth hat´s ihm angetan, so manche schlaflose Nacht dürfte sie dem Apostel beschert haben. Die von ihm gegründete Gemeinde steht immer wieder in der Gefahr vom wahren Evangelium abzugleiten. Streitigkeiten unter den verschiedenen Fraktionen und geistlichen Strömungen sind an der Tagesordnung. Ja man stellt sogar seine Autorität als Apostel in Frage. Er muss sich rechtfertigen, verteidigen, er erniedrigt sich, nur um die rebellischen Korinther nicht zu verlieren. An manchen Stellen seines Briefes wird seine Sprache hart, er droht sogar, warnt, er schäumt vor Wut.

Seit vielen Jahren begleite ich zwei kleine Gemeinden in Patagonien (Argentinien). Man kennt sich, mit der Zeit sind Freundschaften entstanden, wer zur Gemeinde gehört, nimmt aktiv daran teil. Ich vergleiche die Gemeinden mit einer winzigen Insel im grossen Meer. Eine kleine protestantische Insel, umtost von den Wassern der zahllosen Pfingstkirchen und der allmächtigen katholischen Staatskirche. Bei uns kommt es auf jedes Mitglied an. Verlässt eine Familie die Gemeinde kommt das einer mittleren Katastrohe gleich.

Seit Jahren gab es immer wieder Diskussionen mit einem Gemeindeglied. Mal brachte er mir ein Buch über Reinkarnation, dann wieder bezweifelte er die Wirklichkeit des Kreuzes. Das „Fleisch“ ist nichts, der Geist ist alles. Er war mir mehr, als „nur“ ein Gemeindeglied, fehlte in keinem Gottesdienst, liess sich sogar in den Gemeindevorstand wählen. Aber seine Zweifel wurden immer grösser. Einmal kam er begeistert von einer Reise nach Buenos Aires zurück. Dort besuchte er eine Gruppe die sich „Gnosis“ nennt. Man könnte sie unter dem weiten Himmel des New-Age unterbringen.  „Die Leute dort haben mich überzeugt, deshalb kann ich nicht länger in der Kirche bleiben…“

 

Ja, ich verstehe nur zu gut die Verzweiflung des Apostels, sein Versuch zu retten, wieder aufzurichten. Aber ich muss gestehen, an manchen Stellen gleicht sein Brief einem Sturm in Orkanstärke, der immer mehr zunimmt, und man bekommt es mit der Angst zu tun, versucht sich irgendwo zu verkriechen.

Doch dann, ganz plötzlich, absolute Windstille. Es ist, als ob er auf einmal zur Besinnung käme, kaum zu glauben, diese Wendung: „Liebe Brüder, ich meine es doch nur gut mit euch!“ Aber da müssen wir jetzt aufmerksam zwischen den Zeilen lesen, hören, spüren…, weil Paulus nie etwas dem Zufall überlässt. Seine Wut, seine Unzufriedenheit mit der Gemeinde in Korinth ist ja nicht persönlich begründet, auch wenn es zwischendurch den Anschein hat. Es geht doch um den rechten Glauben, um das eine und wahre Fundament: der Gott der Liebe und des Friedens! Das wäre beinahe untergegangen in seiner harten Kritik. Jetzt, am Schluss seine Briefes schaltet er mehrere Gänge gleichzeitig runter und so wird die Sicht frei auf die Ursache, auf das Eigentliche.

Der Konflikt sitzt so tief, die Fronten scheinen so unüberwindlich, dass Paulus sein Lebenswerk und seine Existenz bedroht sieht. In eine solche Situation hinein ein Friedenskuss, das ist schon stark, da werden die Gefühle durcheinandergewirbelt.

 

Die „Sache mit dem Kuss“

Wieder in Patagonien.  Jede Gemeinde hat ihre eigene Tradition und Geschichte. Dazwischen liegen 500 km. In beiden Gemeinden feiern wir an jedem zweiten Sonntag Abendmahl. Als ich zum ersten Mal den Gottesdienst an einem der Orte hielt, gaben sich die Anwesenden ganz selbstverständlich, vor der Austeilung, den Friedenskuss. Ich war begeistert, das war echt, manche hatten Tränen in den Augen. Da fielen Lasten von den Schultern, da hing so etwas in der Luft: „…trotz allem, wir sind Schwestern und Brüder.“

Also wollte ich den Kuss auch in der anderen Gemeinde einführen. Das war, wie wenn man eine alte verrostete Eisentüre öffnet. Eine kühle, klare Liturgie ist halt auch ein Schutz vor den eigenen Gefühlen, nur nichts an sich heranlassen, und noch weniger heraus…

Mittlerweile wird in beiden Gemeinden geküsst.

Schliesslich spielt der Kuss in der Bibel eine grosse Rolle. Der berühmte „Judaskuss“: wie geht Jesus damit um? Gerade an Judas wird deutlich, wie weitreichend die Gnade Jesu ist, und wie bedingungslos seine Liebe. Er lässt ihn am Abendmahl teilnehmen und spricht ihn sogar, in Gethsemane, als „Freund“ an.

Und im Alten Testament spielt sogar die erotische Version des Kusses eine wichtige Rolle. Das Hohelied mit seiner reichen Auslegungsgeschichte war immer auch ein Sinnbild für die Liebe Gottes zu seinem Volk Israel und später für die Liebe Jesu zu seiner Kirche. Das Bild des Kusses zeigt die Leidenschaft der göttlichen Liebe: Gott mag uns!

Und da können wir durchaus hinzufügen: trotz allem.

Kuss: wir kommen direkt von Pfingsten her. Der Heilige Geist, der mit seiner Flamme der Liebe küsst, schenkt uns wieder Sprache und lässt uns Zeugen sein eines Gottes, der uns zwar keine Konflikte erspart, uns aber mit der Kraft der Gnade und der Liebe und der Kraft zur Gemeinschaft ausstattet.

 

Ein wunderbarer Dreiklang

Der Brief endet mit einem unglaublich schönen Dreiklang, einer Zusammenfassung des Evangeliums, der „Guten Nachricht“. Noch ist nicht klar, wie die drei göttlichen Personen miteinander in Beziehung stehen. Aber es wird deutlich, wie sie interpretiert werden können, sowohl untereinander, als auch in Bezug auf uns Menschen: als Gnade, als Liebe und als Teil dieser Beziehung. Wir hören diesen Dreiklang als Kanzelgruss zu Beginn fast jeder Predigt und vergewissern uns damit unserer Teilhabe an der göttlichen Gemeinschaft, die unsere Gemeinschaft untereinander begründet. Denn, das dürfte wohl klar sein: wir sind hier, weil wir zu Ihm gehören, das ist die einzige Rechtfertigung der Existenz der Kirche.

Der Dreiklang des Paulus ist eine Art Happy End, perfekt nach Drehbuch. Nach Wolkenbruch und Sturm geht über Korinth die Sonne auf.

Aber, wird dieses Happy End uns auch im Alltag tragen?

Dieser Briefschluss kann unser Leben tragen!, das hört sich stark an…, da melden sich schon wieder unsere Zweifel… Dennoch: der Briefschluss kann uns im Leben tragen, wenn er nicht als Schlusspunkt verstanden wird, sondern einen Doppelpunkt setzt: Und genau so hat es Paulus auch gemeint. Schliesslich kündigt er damit ja seinen Besuch an. Es handelt sich also nicht um einen Abschluss (sicherlich hätte Paulus Gründe genug dafür aufführen können), sondern um die Öffnung nach vorne, in die Zukunft.

 

Es ist die Tür die uns einlädt hindurchzugehen – und dort erwarten uns die Gnade Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

Damit lässt es sich gut leben.

 

Amen.

Perikope
16.06.2019
13,11-13

„Der dreieine Gott segnet dennoch uns und seine Welt“ – Predigt zu 2. Korinther 13, 11 – 13 von Michael Plathow

„Der dreieine Gott segnet dennoch uns und seine Welt“ – Predigt zu 2. Korinther 13, 11 – 13 von Michael Plathow
13,11-13

„Ich weiß nicht mehr aus noch ein“, so trifft mich ihr Aufschrei; gehetzt und gestresst wirkt sie, erschöpft und in sich zerrissen.. Im Gezerre zwischen Mutter, Haushalt, Beruf, zwischen Ehrenamt und Fittness-Center, zwischen Sorge um steigende Miete und Angst um sozialen Abstieg hatte sie, sich selbst optinierend, optimal funktioniert. Doch nun der Burnout und die Frage : wer bin ich?  Die Maus im Rotationsrad rotierender Rollen? Einem Roboter gleich, der, algorithmisch bestimmt, effektiktiv und effiziert ist? - Nein! -  Und da ist ein Sehnen in uns: ein Sehnen nach Anerkennung, Wertschätzung und Liebe, ein Hoffen auf Glück und Segen, ein Ahnen von Zuversicht und Heil.

 

1. Liebe Gemeinde, davon spricht der Schluß des 2. Korintherbriefes. Bekanntlich betont ein Schreiber am Schluß des Briefes noch einmal das, was ihm besonders wichtig ist. Der Apostel Paulus weist auf die Beziehung zu Gott und das Verhältnis mit Gott. Nach des Apostels Klagen über  den Konflikt, die Zerstrittenheit und Zerisseneheit in der Konrinthischen Gemeinde verheißt Paulus nun am Ende des Briefs, „zuletzt“, Gottes kraftvoll erneuernde Zuwendung Das ist das Letzte: der Segen des dreieinen Gottes, Leben fördernd und Zukunft erschließend gegen den Fluch von Uneins Unfrieden, Unversöhntheit. Und dennoch unverfügbar und unverdient wird Segen geschenkt und erfahren in dieser sich nach Segen sehnenden und Segen benötigenden Gemeinde, die ahnt: „Aller Segen kommt von oben“.

In diesem Sinn lauetet die Bitte und Zusage an die Korinther damals und an uns: heute: “Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen“.

 

a. „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch“.

Gott in Jesus Christus - so der Segensgruß - wende und wendet sich gütig und freudlich uns zu. Zukunft eröffnet er, Leben schenkt er, indem er uns durch Jesus Christus neu in seine Gemeinschaft hineinnimmt. Gegen die Selbstverschließung und Gleichgültigkeit gegenüber Gott lässt er dennoch teilhaben an seinem Segenswirken gegen zerstörerische Fluchkräfte, oft aus dem bösen Herzen des Menschen geboren – und das umsonst, aus Gnade. Aus Gnade vor einem Recht, das allein  auf selbstoptimierte und selbstbezogene Leistungen mit ihrer Effizienz  pocht.  Was meint Gnade? Man sagt: Junge Menschen fragen: was ist Gnade?, Ältere Menschen fragen: was ist nicht Gnade? Gnade erweist sich als Grund christlicher Existenz - Erfahrbar macht sich die Gnade den Glaubenden als immer schon Beschenkt- und Angenommensein..

Was meint Glauben? Glaube erweist sich als das unser ganzes Leben bestimmende Vertrauen auf den, der uns gut ist, auf Gott, Es ist der Glaube, der ins Leben führt und  auch für andere lebt.

Für den Glaubenden spiegelt sich der gnädig geschenkte Segen auch in der schöpferisches Kraft frühsommerlicher Blüte und reifender  Frucht in Pflanzen-  und Tierwelt.

 

b. „Die Liebe Gottes sei mit euch“.

Gottes Liebe wird uns in Jesus Christus erkennbar und erfahrbar. Gott, „ein glühender Backofen voller Liebe“, wie M. Luther einmal im Bild sagt, wendet sich in Jesus Christus uns zu als der Liebende  und schenkt seine Liebe. Das bedeutet Heilung und Heil im Glauben an Jesus Christus. Denn in Jesu Predigt vom Reich Gottes, in Jesu Heilen und Segnen, in Jesu Leiden und Sterben am Kreuz und in seiner Auferstehung hat Gott die Fluchmächte der Sünde und des Todes uns zugut schon überwunden. Rettend und erlösend schafft er in hingebender Liebe eine neue Wirklichkeit; denn „ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2. Kor 5, 17).

 Und diese Liebe spiegelt sich wider in der neu entzündeten Liebe Liebender wie  auch in der in Blüte erwachenden Natur und in den kosmischen Farben neu entstehender Planeten. Se wird, von uns empfangen, weitergegeben in Taten der Liebe konkret bei noch so großen „Selbstbezogenheit“ in immer noch größerer „Selbstlosigkeit“, wie ein bekannter Theologe sagt (E. Jüngel).

 

c. „Die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch“.

Der heilige Geist, „Neuschöpfer, der zu Christus bringt“ (M. Luther), schafft als „Band des Friedens und der  Liebe“ (2 Kor 3, 17f)  bei Verschiedenheit und trotz Zerrissenheit Gemeinschaft und lässt Dankbarkeit und Freude in der Gemeinde erfahren. Er schenkt Geistesgaben und Geistesfrüchte. Als „Angeld“  (2. Kor 1, 22) der Hoffnung lässt er voraushoffen, was wir durch den Glauben sind „in Christus“ und was sich vollenden wird „mit Christus“ bei Gott, denn „nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2, 20). Solches Voraushoffen spiegelt sich wider im nächtlichen Gezwitscher der Vögel,  etwa deer Amseln und Rotkelchen, noch bevor das Tageslicht anbricht.

 

2. Die Gnade, die Liebe, die Gemeinschaft des dreieinen Gottes sei mit euch allen, liebe Gemeinde. Unverfügbar und zugleich näher als wir uns selbst sind,  ist er, der Schöpfer, Erlöser, Neuschöpfer in seinem Tun. Ihm sei Dank, ihm sei Anbetung im Lobpreis der Gemeinde, im Lobgesang des Alls und in unserm Denken, Reden und Tun, auf dass wir “etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“ (Eph 1, 12)

Diese Verheißung überholt unser zerrissenes und zwiespältiges Leben und ist ihm immer schon voraus, wenn wir uns ihr anvertrauen. Es ist das grundlegende, Leben bestimmende Vertrauen auf den, der sich uns erfahrbar macht an jedem neuen Tag, dessen wir uns „versehen alles Guten und bei den wir Zuflucht haben in allem Schweren“.

Diese Veheißung wird besonders  im Gottesdienst zugesagt und erfahren. Im Gottesdienst dient der dreieine Gott uns durch die Verkündigung des Evangeliums und das Geschenk der Taufe und des Abensmahls; zugleich dienen wir antwortend dem dreieinen Gott im Dank und Lob, im Beten und Tun des Gerechten. Darum wird jeder christliche Gottesdienst in der Perspektive des dreieinen Gottes und mit dem dreieienen Gott gefeiert. Wir kommen zusammen „im Namen des Vaters und der Sohnes und des heiligen Geistes“. Weiter wenden wir uns im Sonntagsgebet des Kirchenjahres an Gott „durch Jesus Christus, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Und mit dem Schlußsegen werden wir unter dem Zeichen des Kreuzes in die Welt gesandt: „Der Herr segne dich und behüe dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden“.

Der dreieine Gott sei mit euch und ist mit euch allen. Das gilt gerade am heutigen Trinitatisfest: In die umfassende  Gnaden-, Liebes- und Gemeinschaftsgeschichte Gottes , verdichtet im Oster- und Passions, im Pfingst- und Weihnachtsfest, sind wir hineingenommen; preisend antworten wir im Gotteslob der sich Gottes heilsamem und segnendem Tun anvertrauenden Gemeinde: „Gelobet sei der Herr, des Name heilig heißt, Gott Vater, Gott der Sohn und Gott der werte Geist“ (EG 139, 4).

 

3. Das Sich-erfahrbar-machen des dreieinen Gottes mit der Verkünndigung des Evangelium führt Menschen zusammen, schafft Gemeinde durch das Wirken des heiligen Geistes . Dieser erhält den einzelnen „im echten einigen Glauben, gleich wie er die Gemeinde und die weltweite Christenheit erhält, sammelt“ und sendet. Christen leben in und mit der Gmeinde; und wo Gott in ihrer Mitte ist, da wirkt er das Mit- und Füreinander.  Gottes Verheißung ist es, die gilt; sie wirkt, was sie sagt, am Glaubenden. „Wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht,  auch sein. Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende“ (Jes 55, 10f). Gotes Verheißung gelingt, kommt zu einem guten Abschluß, hat Glück, bringt Glück und macht glücklich. Das meint Gottes  ganz  persönlich zugesagter Segen.

Und da ist ein Sehen nach Glück und Segen in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche, ein Sehnen nach gelingem Leben, ein Ausschauen nach Segen und Segnen in glücks- und segensbedürftiger Zeit. An den Schnittstellen, den Umbrüchen, den Anfängen auf dem Lebensweg wünschen wir dies; dasselbe gilt für kirchliche Festtage: Glück und Segen wird zugesagt, Gutes. Dabei entspricht der weltliche Ausdruck Glück dem biblischen Wort Segen. Nicht Leid steht ihm entgegen, sondern allles, was mit Fluch zusammenehängt, was Leben zerreißt und Zukunft verschließt.

Und da verbindet sich mit den Wünschen für Gesundheit, Ernte, Gelingen, Wohlsein, Zufriedenheit und Freude ein Ahnen: „An Gottes Segen ist alles gelegen“, „Wo der Herr nicht das Haus baut, da bauen umsonst die daran bauen“ (Spr 127, 1), denn „die Furcht Gottes ist aller Weisheit Anfang“ (Spr 1, 7; Ps 111, 10).

Grüße und Wünsche im kirchlichen und u nd persönlichen, aber auch im gesellschaftlichen Miteinander deuten darauf:“Guten Tag“, „Grüß Gott“, „ Adieu“, „Behüt´ dich Gott“. Gutes, Glück und Segen wird gewünscht. Und bei Christen sind Wünsche zugleich Gebete, Bitten an den dreieinen Gott. Sein Segen und Segnen spiegelt sich auch wider jetzt im sommerlichen Wachsen und Ernten: bunte Blumen, frisches Grün, gesundes Wasser, saubere Luft, gelungener Hausbau, zufrieden stellende Arbeit, neue Geburt, versöhnte Partnerschaft, und weiter freiheitlicher Rechtsstaat, Sozialgesetze, Friede, Schalom.

Liebe Gemeinde, der Segen des dreieinen Gottes wird persönlich verheißen und zugesagt in  personalen Beziehungen und Begegnungen. Ein Segensroboter vermag das nicht; sein Einsatz in Wittenberg während des Reformationsjubiläums war verfehlt. Bloßes Ding, das anonym funktioniert, ist er, ohne Beziehung mit Gott, ohne Beziehung zum Anderen, zum Partner; Verheißung und Zusage des Segen vermag er nicht zu geben den Gehetzten, Zerrissenen und Gestressten, den Überforderten und Überlasteten. Nein.

Segen und Segnen verheißt und schenkt der dreieine Gott.  M. Luther beschreibt ihn konkret und  lebensnah erfahrbar in der Erklärung des Kleinen Katechismus,, bei allem gesellschaftlichen Wandel weiter geltend, „dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält, dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Partner und Kinder, Äcker, Vieh und alle Güter, mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt, und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und  Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit“; für all das ich ihn preise mit Dank für die Zusage: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“. .

 

Liebe Gemeinde des Trinitatisfeste, „die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die LIebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen“; so die Verheißung und Zusage des Segen des dreieinen Gottes heute – dennoch - gegen unsere Konflikte und Spaltungen, Zerrissenheit und Zerrüttung und hinein in unser Suchen und Sehnen: der Mensch ganz durch Gottes Gnade, Liebe und Gemeinschaft.

Ihm,  dem Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer, dem Vater, dem Sohn und dem heiligeen Geist, sei Dank und Lob.  Amen.

Perikope
16.06.2019
13,11-13

Der Du bist drei in Einigkeit… ein Versuch zu Trinitatis – Predigt zu von 2. Korinther 13,11-13 von Sven Evers

Der Du bist drei in Einigkeit… ein Versuch zu Trinitatis – Predigt zu von 2. Korinther 13,11-13 von Sven Evers
13,11-13

Liebe Gemeinde,

 

Zwei Briefe hat Paulus an die Gemeinde in Korinth geschrieben. Mindestens. Die Gelehrten streiten darüber, ob es nicht sogar mehr waren. Aber das soll uns hier nicht interessieren.

Die Korinther haben es Paulus nie leicht gemacht. Von Anfang an war es schwierig mit dieser quirligen Gemeinde in dieser quirligen Hafenstadt. Manchmal hatten die Korinther wirklich ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, hatten gelebt, als gäbe es die Welt um sie herum nicht und als lebten sie schon im Himmelreich.

Und Paulus? Naja, Paulus mit seiner schwachen körperlichen Statur und seinem Stottern, wenn er zu Besuch war - den haben sie manchmal nicht wirklich ernst genommen, sondern sind lieber allen möglichen anderen Predigern hinterhergelaufen.

Nein, einfach war es nicht. Die beiden Briefe des Paulus an die Gemeinde in Korinth sind voll von Streitthemen, Auseinandersetzungen, Tränen, Hoffen, Ringen…. umso wichtiger, umso größer ist es, dass Paulus am Ende seines zweiten Briefes noch einmal deutlich macht: Aller Streit, alle Auseinandersetzung, alle gegenseitige Kritik und alle Verletzungen, die die Korinther Paulus und wohl auch er ihnen zugefügt haben mag, haben nicht das letzte Wort und überstrahlen niemals die Gemeinschaft miteinander im Glauben.

Und so schreibt Paulus die letzten Worte des Briefes:

 

Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

Die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes, in der wir miteinander verbunden sind, umfasst und überstrahlt allen Streit und alle Uneinigkeit, die auch zwischen uns Christinnen und Christen immer wieder bestehen mag - und ja auch bestehen muss, wenn anders Gemeinschaft von Christinnen und Christen ja neben vielem auch immer dieses bedeutet, dass wir auf der Suche sind nach der bestmöglichen Art und Weise, eben genau dies zu sein: Christ*in. Streit gehört also zur christlichen Gemeinschaft hinzu - entscheidend ist aber, dass wir das gemeinsame Streiten als einen Streit miteinander und nicht gegeneinander verstehen.

Ein jeder und eine jede bringt ja seine und ihre ganz persönliche und ganz individuelle Geschichte und Perspektive mit, wenn es um Gott geht und den Glauben und die Frage nach Gemeinschaft und Kirche und so weiter.

 

Christliche Kirche ist und soll ein: Vielfältig. Und christlicher Glaube ist und soll sein: vielfältig und bunt und immer in Bewegung. Schließlich ist doch Gott selber in sich bunt und lebendig und vielfältig.

 

Das ist die Aussage des heutigen Sonntag Trinitatis - Tag der Dreieinigkeit oder der Dreifaltigkeit, wie man auch sagen kann. Das ist die Aussage der Schlussformel des Briefes des Paulus an die Korinther, die wir zwar oft hören - wie oft reden wir von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist - aber manchmal wohl, so fürchte ich, nur als Floskel hören, die irgendwie wohl dazu gehört, wenn man Gottesdienst feiert: Gott ist nicht ein monolithisches Etwas, das von einem himmlischen Thron aus seine Befehle ex kathedra auf die Erde schleudert, sondern ein Wesen voller Beziehung, Vielfalt und Lebendigkeit, das sich nicht zu schade ist, sich von seinem himmlischen Thron herunter zu bequemen und Teil unserer Welt und unserer Geschichte zu werden.

 

Gott - das heißt für uns Christinnen und Christen von Anfang an: Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Als Vater nennen wir Gott auch den Schöpfer des Himmels und der Erde, wie wir es im Glaubensbekenntnis Sonntag für Sonntag bekennen.

Vater ist Gott natürlich nicht, wie mein Vater mir Vater ist. Und schon gar nicht, wie ein Vater seinen Kindern Vater ist, der sie verlässt, misshandelt, nicht ernst nimmt oder zeitlebens bevormundet. Nein, wenn überhaupt, dann ist das Vater-Sein Gottes Vorbild und ggf. Kritik menschlichen Vater-Seins. Als Vater sprechen wir von Gott, weil er Ursprung ist. Deshalb sprechen wir im Glaubensbekenntnis auch nach dem Vater sofort von Gott als dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Und es macht ja schon einen großen Unterschied, ob wir unsere Welt als eine zufällige Ansammlung von Ressourcen verstehen, die uns beliebig zur Verfügung stünde, oder als Schöpfung eines Gottes, der nicht nur mit uns, sondern auch den Menschen nach uns noch eine Geschichte haben will, nicht wahr. Es macht einen Unterschied, ob ich den Menschen neben mir als Konkurrentin oder Konkurrent verstehe, der mich nehmen will, was angeblich mir zusteht, oder als von Gott geschaffenen Bruder oder von Gott geschaffene Schwester, die das gleiche Recht auf ein gutes und erfülltes Leben hat wie ich.

 

Vor allem aber sprechen wir von Gott als Vater, weil Jesus von ihm als Vater gesprochen hat und uns eingeladen hat, Gott Vater zu nennen.

In Jesus wiederum, davon waren die frühen Christinnen und Christen überzeugt, und davon sind noch wir heute, die wir uns Christen nennen, überzeugt, ist uns Gott auf eine ganz besondere Weise nahe gekommen. „Wer mich sieht, sieht den Vater“, sagt Jesus im Johannesevangelium, und meint damit: Ihr könnt von Gott nichts wissen, wenn ihr nicht auf mich schaut. Ihr macht Euch vielleicht Eure Vorstellungen von Gott, Eure eigenen Gottesbilder - aber diese sind oftmals nicht mehr als Projektionen Eurer eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Wenn Ihr wirklich wissen wollt, wie Gott ist, dann schaut auf mich, auf mein Leben, auf meine Worte, auf mein Handeln.

Erst, wenn wir darauf schauen, wie Jesus von Gott spricht und wie er in Gottes Namen handelt, erschließt sich das Vater-Sein und das Schöpfer-Sein Gottes in Gänze.

Gott handelt den Menschen gegenüber wie ein liebevoller Vater, der den verlorenen Sohn aufnimmt und ihm keine Vorwürfe macht, ganz egal, was er in der Zwischenzeit erlebt und getan haben mag.

Gott handelt wir ein liebevoller Vater, der sich eines jeden einzelnen Menschen animmt und für den niemand nur eine x-beliebige Nummer ist.

Gott handelt als Schöpfer, weil er nicht nur Lazarus oder die Tochter des Jairus erwecken, sondern vor allem weil er Jesus von Nazareth vom Tode erwecken und zu einem wahrhaft neuen Leben, das den Tod nicht mehr vor sich, sondern ewig hinter sich hat, kann.

 

Und dann ist da noch Gott als der Heilige Geist. Der kommt ja im Glaubensbekenntnis ein bisschen schlecht weg - ein einziger Satz ist ihm gewidmet, jedenfalls auf den ersten Blick.

Aber wir haben die Geschichte von Pfingsten ja vielleicht noch im Ohr - als Petrus eine Predigt gehalten hatte und auf einmal alle Menschen, die dabei waren, das Gefühl hatten, in ihrem Innersten bewegt und im wahrsten Sinne des Wortes begeistert zu werden; als sie merkten: Hier entsteht auf einmal eine Gemeinschaft untereinander und mit dem Gott, von dem Petrus erzählt hatte, die nicht anders zu verstehen ist als von eben diesem Gott geschaffen. Hier ist: Gottes Geist, der nicht etwas Neues oder anderes ist, als das, was wir sonst von Gott wissen, sondern der uns Gott so gegenwärtig werden lässt, wie Jesus ihn gepredigt und gelebt hat und wie ihn Menschen von Alters her geglaubt haben.

 

Von Gott als Vater und als Sohn und als Heiligem Geist haben die Menschen schon ganz früh gesprochen, weil sie erlebten: Gott begegnet uns in der Schöpfung und als Vater, zu dem wir beten dürfen wie Kinder sich an einen guten Vater wenden. Er begegnet uns in dem Menschen Jesus, der ein so enges Verhältnis zu diesem Gott hat und uns vorlebt, dass wir ihn nur als seinen Sohn verstehen können - noch einmal ganz anders und viel tiefer und intensiver, als wir seine Kinder sind. Und er begegnet uns in dem Geist, der uns als Glaubende antreibt und uns immer wieder die Liebe Gottes gegenwärtig macht.

 

Und so war von ganz früh an klar: wenn wir von Gott sprechen, dann sprechen wir von ihm als Vater und als Sohn und als Heiligem Geist. Und wenn wir vom Vater sprechen oder vom Sohn oder vom Heiligen Geist, dann sprechen wir immer von ein und demselben und vom ganzen Gott. Von einem Gott, der nicht nur mit uns Menschen und mit seiner Welt, sondern der selber eine Geschichte hat.

Ein Gott, der sich selber Gegenüber ist und in Beziehung lebt - voller Vielfalt, bunt, lebendig, manchmal widersprüchlich, immer im Gespräch mit sich und uns - und so reich, dass selbst die Rede von der Dreieinigkeit und die stammelnden Denkversuche, die die Tradition auf sich genommen hat, um Gott als Vater, Sohn und Heiligen Geist nicht nur glauben, sondern auch denken zu können, ihn doch immer nur aus der Ferne erreichen.

 

Aber das macht nichts - denn dafür kommt er uns nahe - immer und immer wieder.

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

Amen.

Perikope
16.06.2019
13,11-13

Drei bis vier Worte verändern die Welt - Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Christof Vetter

Drei bis vier Worte verändern die Welt - Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Christof Vetter
4,16-18

Drei Worte ausgesprochen vor Journalisten am 31. August 2015 Drei Worte haben die Welt verändert zumindest die Welt in unserem Land.

„Wir schaffen das!“ Angesichts von Bildern im Mittelmeer ertrinkender Flüchtlinge in Italien gestrandeter Flüchtlinge wild campender Flüchtlinge an den Grenzen mit wenig zu essen und mangelnder medizinischer Versorgung.

„Wir schaffen das!“ Kurze Zeit vorher war Angela Merkel in ihrem Wahlkreis unterwegs. Ein Gespräch mit Schülerinnen und Schülern. Da weint eine der Teilnehmerinnen, Palästinenserin, vor einigen Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland geflohen: "Ich habe ja auch Ziele wie jeder andere. Es ist sehr schwer, dabei  zuzusehen, wie andere das Leben genießen können. Und man das selber halt nicht mitgenießen kann." Das lässt niemand kalt. uch nicht die vermutlich mächtigste Frau der Welt.

„Wir schaffen das!“ Für diesen Satz hat die Bundeskanzlerin Häme und Spott geerntet. Verbale Prügel und Vorwürfe voller Hass. Seither ist nicht mehr, wie es war. Die einen lamentierten über die Flüchtlingspolitik und offene Grenzen, über Gefahren und die vielen Kriminellen, die Deutschland und Europa überfluten.

Die anderen krempeln die Ärmel hoch, begrüßen die Ankommenden, schenken ihren Spielzeug und Kleider sowie was am wichtigsten ist: Zeit Diese Menschen sind sich sicher: „Wir schaffen das!“ Und sie reden nicht. Sie handeln: Willkommenscafé und Deutschunterricht, Schwimmunterricht für die, die geflohen sind über das Meer, dem Ertrinken nah. Unzählige Angebote mitzuarbeiten und anzukommen. Niedersachsen packt an, so heißt es bei uns und viele machen mit: Kirchen und Gewerkschaften Arbeitgeber und die Landesregierung Sportvereine und viele, viele, viele Bürgerinnen und Bürger.

Drei Wörter und die Welt war nicht mehr, wie sie vorher war. Drei Wörter voller Zuversicht Widerspruch gegen alle Müdigkeit und Verzweiflung. „Wir schaffen das!“ Protest gegen alle Unmenschlichkeit Aufschrei gegen alle, die anderen Menschen die Würde nehmen, egal welcher Hautfarbe welcher Religion und welcher  Kultur, welchen Geschlechts und welchen Alters.

Wir sind alle Menschen und viel mehr noch: wir sind Geschwister dessen, der am Kreuz gestorben ist geschlagen, gefoltert, mit dem Dornenkranz gekrönt. Er hat den Schmerz besiegt. dem Tod in dessen Fratze gelacht, den Sieg über alle Höllen dieser Welt bejubelt und allen Menschen das Leben eröffnet.

Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,  uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

„Wir schaffen das!“ Das ist der Satz der Politik. Das ist die Begeisterung der Zivilgesellschaft, die erkannt hat, Syrer und Iraner, Afrikaner und Menschen aus Äthiopien gehören zu uns. „Wir werden nicht müde.“ Das sind vier Worte – ein Wort mehr. Das ist die Botschaft des Apostel Paulus. Er schreibt an die Gemeinde in Korinth. Schon lang war er nicht mehr dort, in der Gemeinde, die er gegründet hat. Er hat auch keine Zeit hin zu gehen, aber die Zeit für einen Brief nimmt er sich.

Müde sind sie geworden – in Korinth. Streit und Unsicherheit hat sie zermürbt Hoffnungslosigkeit hat sie lasch werden lassen. Nein, schreibt Paulus, wir werden nicht müde. Auch wenn jeder und jedem von uns irgendetwas weh tut, auch wenn unsere Kraft schwach ist, auch wenn wir morgens nicht aufstehen wollen, weil wir beim Aufwachen immer noch müde sind, auch wenn wir uns nicht mehr begeistern können, in all der Trostlosigkeit und Verzweiflung, auch wenn der Widerstand wächst und wir als Gutmenschen beschimpft werden: Die innere Kraft bekommen wir geschenkt, jeden Tag neu. Aufstehen – widerstehen Aufstehen –  widersprechen Aufstehen – handeln.

„Wir schaffen das!“ Wir werden nicht müde! Wir,  die wir sonntags Gottesdienst feiern, die wir vor drei Wochen die Osterkerze entzündet haben. Wir alle, die wir getauft sind, getauft mit dem Wasser des Lebens: Wir werden nicht müde, weil wir nicht darauf schauen, was wir sehen und hören, weil wir nicht resignieren und die Hände in den Schoß legen. Wir werden nicht müde, weil wir ein Ziel haben, ein Ziel, das weit über alles hinaus führt: Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,  uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Ja, auch wir sind manchmal müde, aller Widerstände überdrüssig, ausgelaugt und stehend k.o. Uns tut der Rücken weh und die Hände wollen nicht mehr so richtig, die Füße werden wackelig und der Magen krummelt. Aber wir geben nicht auf: Wir haben es versprochen und versprechen es jeden Sonntag neu.

Wer in diesem Brief des Apostels an die Gemeinde in Korinth ein wenig weiter liest, findet den entscheidenden Satz: "Ist jemand in Christus,  so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden."  Wer dies in sich spürt, der kann nicht anders, als mit Herzen, Mund und Händen und unüberhörbar: JUBELN – das ist das Thema des Sonntags heute, drei Wochen nach Ostern,  können wir nichts anderes als anzustimmen: Halleluja Wir sind neu geschaffen in der Taufe haben wir es erlebt, geschaffen in ein neues Leben mit Christus, mit dem Auferstandenen. Halleluja – Jubilate – Jauchzet – Jubelt.

Ich höre sie schon, die müden Stimmen, die Sätze voller „wenn“ und „aber“ und die Stimmen voller Fragen: „warum“? Es sind Stimmen, die ich kenne, die ich schon so oft gehört habe. Auch meine eigene Stimme ist dabei, voller Zweifel, voller Sorgen, voller Ängste. Es sind die Stimmen der Menschen damals in Korinth: So viel wurde versprochen, doch das Leiden ist geblieben. Es sind die Stimmen der Menschen aus vielen Jahrhunderten voller Krieg und Unfrieden, mit Missernten und Hungersnöten, mit Unterdrückung und Hass. Es sind die Stimmen der Menschen unserer Tagen, die täglich schlechte Nachrichten lesen von einer zerstörten  Schöpfung, von verunreinigtem Wasser und giftiger Luft, Es sind Menschen, die in Tage voller Lieblosigkeit und Streit leben, Streit, der Menschen verletzt, Streit, der nicht nach Wahrheit sucht, sondern allein nach dem eigenen Vorteil und dem persönlichen Gewinn. Wie können wir da widerstehen? Wie können wir da  widersprechen?

Wir haben doch nicht mehr als diese Hoffnung? Wir haben doch nichts anderes als das Versprechen? Wir…

Ach hören wir auf mit Jammern und beginnen mit Jubeln  Jauchzet – jubelt! gegen Eure Müdigkeit, gegen all die Schmerzen, die ihr spürt, gegen all den Zweifel, den ihr habt, gegen all den Widerspruch, den ihr hört:

Wir bauen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen.

Das nimmt uns mit in eine neue Zeit, in eine neue Wirklichkeit, in die neue Schöpfung.

Und diese Zeit ist schon angebrochen, mitten unter uns. Wenn wir aufstehen für die Menschlichkeit. Wenn wir aufstehen für den Frieden. Wenn wir aufstehen für Gerechtigkeit. Wenn wir aufstehen und uns nicht übermannen lassen von schlechten Gefühlen.

Das beginnt ganz klein: das weinende Mädchen, das nicht mehr weiter weiß: Wir hören zu! Der verzweifelte Vater, der nach Antworten sucht. Wir suchen mit! Die ratlose Frau, die keinen Weg mehr sieht. Wir gehen ein Stück mit. Und das können an dem einen Tag Flüchtlinge sein, wie damals im Herbst 2015. Das können an einem anderen Tag Menschen sein, die ihre Liebe verloren haben, oder ihre Gesundheit oder den Blick fürs Leben.

Wir werden nicht müde, weil da der eine ist, der selbst am Kreuz nicht aufgegeben hat, und danach sogar zurückgekommen ist, eingeladen hat, uns eingeladen hat zu neuem Leben. Zu einem Leben ohne Grenzen zu einem Leben ohne Ausgrenzung zu einem Leben miteinander. Wir werden nicht müde Denn der Herr führt  uns zu den Brunnen des Erbarmens zu den Gärten der Geduld schmückt uns mit Großzügigkeitsgirlanden Er wir uns auf Wege führen, die wir bisher nicht betreten haben Wir gehen mit aufrecht – fröhlich – heiter. Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder! Jeder soll es sehen Jeder darf erstaunt sein. Gottes Kinder leben heiter. Gottes Kinder leben fröhlich. Gottes Kinder leben begeistert Jeder soll es sehen und soll dann nach Hause laufen Und erzählen – allen erzählen: Ich habe Gottes Kinder gesehen Die sind ungebrochen freundlich Und heiter Und begeistert. Weil ihre Zukunft Jesus heißt Und weil Liebe alles überwindet Himmel und rde eins werden Leben und Tod sich vermählen Und Der Mensch ein neuer Mensch ist durch Jesus Christus.

Amen

Perikope
22.04.2018
4,16-18

Bei mir bist du schön! – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Rudolf Rengstorf

Bei mir bist du schön! – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Rudolf Rengstorf
4,16-18

Liebe Gemeinde,

Jubilate heißt dieser Sonntag. Also: Jubelt, jauchzt! Zeigt doch, was an Freude und Begeisterung in euch drinsteckt. Lasst sie raus!

Doch Jubelstürme kenne ich eigentlich nur aus Fußballstadien oder bei Popkonzerten. Die Kirche dagegen ist ein Raum, indem man schon beim Eintreten die Stimme dämpft. Und wer das nicht tut, wird  zumindest vorwurfsvoll angeblickt.

Ich finde das auch völlig in Ordnung. Denn zum einen ist dieser Ort dazu da, dass Menschen zur Ruhe kommen und in sich gehen, Verbindung aufnehmen können mit dem, was sie im Innersten bewegt, ins Gebet finden können. Und zum anderen wird uns hier mit der Gestalt des Gekreuzigten vor Augen geführt, was nicht nur diesen Menschen getroffen hat. Täglich fallen Menschen Terror und Krieg zum Opfer, und unter uns verbreitet das Angst und Sorge. Zugleich aber sind da aber auch die Blumen und brennende Kerzen auf dem Altar, farbige Glasfenster, ein Raum, der nicht bedrückt, sondern aufatmen lässt, den die Orgel mit Musik erfüllt und die schweigsam Dasitzenden zum Singen anstiftet. Denn an diesem Ort soll deutlich werden, dass Leiden und Tod nicht das letzte Wort behalten, dass eine Gegenmacht am Werk ist, die sich uns mitteilen, uns innerlich auf die Beine bringen will, damit wir angehen gegen das, was niederdrückt und mutlos macht.

Darum Jubilate! Nicht etwa, weil alles so herrlich ist, wir vor Kraft nur so strotzen  und  sozusagen von einem Torerfolg zum nächsten stürmen. Da kommt das Jubeln von selbst. Nein, die Aufforderung zum Jubeln deshalb, weil allen Niederlangen, allem Leid, allem Sterben zum Trotz da etwas lebendig ist, was den Sieg behalten wird und uns dabei mitnimmt. Deshalb – und sei es unter Tränen – Jubilate!

Davon ist  natürlich auch  in der Bibelstelle die Rede, über die heute gepredigt werden soll. Es sind wenige Sätze aus dem zweiten Brief, den Paulus an die Gemeinde in Korinth geschrieben hat:

Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. Denn unsre Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. (2. Korinther 4,16-18)

Nein, Beifallsstürme  lösen diese Sätze nicht aus, sondern  eher schon  ein Gähnen. Sind das nicht  olle Kamellen: dass das Innere des Menschen viel  wichtiger und wertvoller ist als das Äußere und die ewige Herrlichkeit  entschädigen wird für zeitliches Leiden? Das sind doch ganz und gar ungedeckte Scchecks, die immer wieder dazu herhalten mussten, die Unterdrückten und Ausgebeuteten, die Verdammten dieser Erde zu beschwichtigen und sie auf  einen Ausgleich im Jenseits zu vertrösten. Nein , lieber Paulus, wir gehören nicht zu denen, die nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Diese sichtbare Welt mit ihrer Schönheit und ihren Schrecken, sie hält unsere Blicke und Herzen fest, und wir konne uns nicht lösen von der Bilderflut, die täglich auf uns einströmt. Und  wir können auch nichts anfangen mit deiner Behauptung, dass  wenn der äußere Mensch verfällt, der innere von Tag zu Tag eneuert wird. Das Elend von Demenz und Alzheimer hast du natürlich noch nicht gekannt, aber wir. Und auch wenn wir bei klaren Sinnen sind, kann einem das Älterwerdem mit dem  Nachlassen der korperlichen Kräfte, mit der zunehmenden Anfälligkeit für Krankheiten, dem  ständigen Angewiesensein auf Medikamente  und zuverlässige ärztliche Betreuung enorm zu schaffen machen. Zumal die Älteren in unserer Gesellschaft rapide an Wert und Ansehen verlieren und auf  mögliche innere Erneuerungsprozesse in keiner Weise geachtet wird. Nee, Paulus, zum Jubeln ist da gar nichts!

Derartige Einwände haben den Paulus allerdings nicht aus dem Konzept gebracht. Überhaupt nicht. Als er  diese Sätze schrieb, saß er im Gefängnis. Er hatte gerade Besuch bekommen aus seiner Gemeinde in Korinth. Und die hatten ihm vorgehalten: Was haben wir von einem Leben, das erst nach  dem  Tode kommt. Wir wollen Auferstehung jetzt! Was haben wir von einem  Herrn,  der  am Kreuz gescheitert ist und von einem Apostel, der nicht  loskommt von seiner Epilepsie und seinem ermüdenden Predigtstil? Wir wollen Erfolge sehen. Wir wollen eine Gemeinde  sein,  die Ansehen genießt und die dem Glücksverlangen der Menschen entgegenkommt. Wir wollen einen Glauben, der die Menschen stärkt, begeistert,  beflügelt.

Und nun ist das Merkwürdige: Paulus sagt nicht: Ihr  Korinther mögt  ja  denken und glauben, was ihr wollt: Ich aber bleibe dabei und  lasse  mich nicht entmutigen. Statt dessen schreibt er: W i r werden  nicht  müde,  mögen wir nach außen hin auch aufgerieben werden, von innen her bekommen wir täglich neue Kraft. Wir sehen nicht auf das, was  vor  Augen  ist, sondern lassen uns leiten vom Unsichtbaren. Also: All  das,  wovon ihr nichts mehr wissen wollt oder was ihr zumindest in Zweifel  zieht  -  auch ihr hier in der Christuskirche - all das ist nach wie von  in  euch lebendig. Und es ist nichts als Selbsttäuschung, wenn ihr abwinkt und sagt: Alles überholter  Kram!

Es  stimmt  doch gar nicht, dass ihr nur seid, was ihr nach außen hin   darstellt  und was man an euch sehen, einschätzen, beurteilen  kann. Ihr habt doch allen Grund, hellwach dafür zu sein,  dass Liebe und Wertschätzung euch großgemacht  haben und euer Selbstvertrauen bis heute davon lebt, dass euer Leben Sinn hat und es gut ist, dass ihr da seid. Wir leben von   dem,  was an guten Erinnerungen und  unbändiger Hoffnung in uns lebendig ist und  täglich von neuem mit uns aufwacht.

- Da  mogen wir uns noch so sehr umstellen mit Bildern von Stärke, Erfolg  und Schönheit, geprägt sind wir doch von ganz anderen Erfahrungen:  davon,  dass verletzliche und einfühlsame Menschen stark und   vorbildlich  darin  waren und es immer noch sind,  uns mit unseren Schwächen, Niederlagen und   Minderwertigkeitsgefühlen  anzunehmen und aufzubauen.

Es ist doch nicht wahr, dass wir einen Menschen nur danach beurteilen,   was  er  aufzuweisen  hat an Geld, an zählbaren Leistungen und an attraktivem Äußeren. Denkt doch nur an die Umsicht und die Sensibilität, mit der ihr mit behinderten Angehörogen umgeht. Und bleibt um Gottes Willen wach dafür,, wie sehr die Betreuten in Wiedereingliederungs- und Pflegeheimen von  Pflegekräften leben. Deren Kraft zur Pflege  doch nicht nur vom bescheidenen Einkommen,kommt, sondern von Nächstenliebe,, Humor und Wertschätzung.. Und sind es   nicht  gerade  solche Menschen, deren Nähe wir suchen, weil sie einen

Halt  geben,  den  auch die glanzvollsten Schätze und die renommiertesten   Clubs nicht zu bieten vermögen?

Dieses Ich in uns, sagt Paulus seinen von der Hochglanzwelt geblendeten Korinthern und ebenso uns,  dieser Schönheitssinn, der ohne unser Zutun in uns hineingelegt ist und uns erst zu einmaligen und unverwechselbaren Menschen macht, dieser Schatz hat unsere ganze Aufmerksamkeit verdient.  Denn  er  ist das Lebenszeichen Gottes in uns. Darin zeigt sich, dass seine Liebe nicht gestorben, sondern auferstanden ist und uns anspricht mit den Worten: Bei mir bist du schön und bleibst du schön in Ewigkeit. Amen.

Perikope
22.04.2018
4,16-18

Fitness für den Himmel – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Hans Uwe Hüllweg

Fitness für den Himmel – Predigt zu 2. Korinther 4,16-18 von Hans Uwe Hüllweg
4,16-18

Liebe Gemeinde,

Selbstoptimierung heißt der Virus, der seit einigen Jahren zunehmend vor allem jüngere Altersgruppen befällt. Die Mentalität des Schneller, höher, weiter breitet sich auch außerhalb der Olympischen Spiele aus. Gut zu sein reicht schon lange nicht mehr, das Ziel ist es, besser zu sein. Nicht nur besser als andere, sondern auch besser als man selbst. Das klingt erst einmal nach Anregung zu Entwicklung und Wachstum der Persönlichkeit, und das schließt auch ganz handfest Verbesserung des Körpers ein. Darum gibt es schon Stau an den Kletterrouten des Mount Everest, darum erhöhen sich ständig die Teilnehmerzahlen an Laufwettbewerben, darum plagen sich immer mehr Leute an Trainingsgeräten im Keller. Die Fitness-Messe in Köln vorige Woche zeigte den Boom an. Inzwischen besucht jeder achte Deutsche ein Fitness-Studio.

Vor einiger Zeit fischte ich aus unserem Briefkasten den Werbeprospekt eines solchen Studios ganz in der Nähe meiner Wohnung („FitX – For all of us“ – Hammer Straße, Münster). Es wollte mich auf seine Angebote aufmerksam machen und als Kunden gewinnen, ausgestattet mit einem Gutschein für eine kostenlose Schnupperstunde.

Weil meine Frau und meine Tochter mich seit Jahren damit nerven, ich müsse schlanker und fitter werden, habe ich mir diesen Werbezettel einmal in Ruhe durchgelesen, heimlich natürlich, dachte über die ganze Sache nach und ärgerte mich am Ende. Warum? Weil aus dieser und ähnlicher Werbung eine Art Fitness- und Schönheits-Wahn spricht.

Selbstverständlich ist gegen eine gesunde Lebensweise nichts einzuwenden, im Gegenteil, und wer wollte nicht eingestehen, dass es damit oft hapert! Und wer sich sportlich quälen will, soll das meinetwegen ruhig tun! Bewegung verordnet mir mein Kardiologe in schöner Regelmäßigkeit.

Medien und Werbung stellen mir aber immer aufs Neue perfekt geformte, große, schlanke, strahlenden Menschen vor Augen. Sie transportieren dieses Bild als Idealziel, und sie vermitteln und damit den Eindruck, solchen Menschen stünden alle Türen offen: Sie hätten es leichter im Leben, mit der Karriere, mit der Anerkennung, mit dem Erfolg, mit dem Anbandeln und so weiter. Manchmal mag das sogar stimmen! Die Fitness- und die Pillenindustrie haben diese Masche schon lange erkannt und versprechen, einen Menschen körperlich aufzuforsten und fit zu machen! Natürlich kostet das eine Kleinigkeit; wer es sich leisten kann, ist herzlich willkommen; wer nicht, hat eben Pech gehabt!

In der pulsierenden Metropole Korinth, reiche Hafen- und Handelsstadt der Antike zur Zeit des Neuen Testaments, muss das so ähnlich gewesen sein: Gut aussehen, fit sein, Sport treiben, immer unter Dampf stehen, Karriere machen, Erfolg haben, Geld scheffeln... Warum sollte der Apostel Paulus in seinem Brief an die dortige Gemeinde sonst dieses Thema anschneiden?

Im Gegensatz zu dem beschriebenen Trend allerdings, der vor allem auf Äußerlichkeiten achtet, schreibt der Apostel, dass der äußere Mensch nicht alles ist, sondern dass es um mehr geht als um den Versuch, nach außen gut auszusehen, Spaß zu haben, das Leben zu genießen und es möglichst lange vor dem sowieso irgendwann kommenden Tod zu bewahren.

Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund. Beschönigungen liegen dem Apostel nicht, er sagt knallhart, wie es ist: Der äußere Menschen, der Körper verfällt. Jeder Mensch rückt jeden Tag, seit dem Tag seiner Geburt, dem Tod ein Stück näher. Vor ihm gibt es kein Entrinnen, nicht für die Reichen und nicht für die Armen, nicht für die Fitten und nicht für die Behäbigen, nicht für die Schönen und nicht für die Normalen, nicht für die Christen und auch nicht für die Nichtchristen.

Die kleine junge christliche Gemeinde in der griechischen Stadt Korinth hatte Paulus bereits zuvor viel Kopfzerbrechen bereitet. Eine Gruppe innerhalb dieser Gemeinde vertrat offensiv die sicher für manche heutige Menschen sehr sympathische Ansicht, dass sie nun, durch Jesus zur Freiheit erlöst, in diesem Leben lebten. Nach diesem Leben, so glaubten sie, stünde nichts als das Nichts des Todes: „Freu dich und genieße dein Leben, denn mit dem Tod ist alles aus!“ Oder in den Worten des Propheten Jesaja: „Aber siehe da, lauter Freude und Wonne, Rindertöten und Schafeschlachten, Fleischessen und Weintrinken: ‚Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!‘“ Diese Worte zitiert Paulus - er kennt seine Bibel -, schon in seinem 1. Korintherbrief (15,32).

Diese Haltung einiger Korinther kann Paulus nicht so stehen lassen, war ihm doch selbst der von den Toten auferstandene Christus erschienen und hatte ihn persönlich als seinen Botschafter beauftragt. Und hatte er nach dieser Begegnung nicht die ihm bevorstehende Karriere in der religiös-politischen Oberschicht der Juden aufgegeben, um ganz für Jesus Christus und seine Botschaft zu leben?

Für Paulus ist klar: Weil Jesus selbst von den Toten auferstanden ist, wird das, was an ihm geschehen ist, auch uns geschehen, die Auferweckung der Toten, denn Jesus ist der „Erste der Entschlafenen“, wie Paulus sich ausdrückt (1. Kor 15,20). Und weil das so ist, kommt es auf Äußerlichkeiten im Leben nun schon überhaupt nicht an. Da gelten andere Werte!

Auf die Frage, wie genau das Leben mit Christus nach dem Tod aussehen wird, stellt Paulus keinerlei Spekulationen an; er stellt nur fest, dass es der unsichtbare, oder besser noch, verborgene innere Mensch ist, nicht der sichtbare, der mit Christus leben wird.

Wie ist das nun aber zu verstehen? Von unsichtbaren Dingen lässt es sich ja leicht reden, wie sollen die denn bewiesen werden? In meiner hauptamtlichen Zeit als Pfarrer bekam ich gelegentlich von Oberschlauen zu hören: „Ich glaube nur das, was ich sehe“!

Eine solche Aussage ist unüberlegt und kindisch. Was wir alles nicht sehen können, woran wir aber doch glauben, weil es einfach da ist: der elektrische Strom zum Beispiel; wir sehen ihn selbst nicht, sondern nur seine Wirkungen: Das Licht geht an, der Heizlüfter heizt, der Kühlschrank kühlt… Oder Gefühle wie die Liebe, dafür gilt im Prinzip das gleiche: Wir sehen sie nicht, allenfalls ihre Wirkungen. „Ich glaube nur das, was ich sehe?“ Darauf hat ein Amtsbruder einem so Redenden mal die spitze Antwort gegeben: „Wenn das meine Ansicht wäre, müsste ich auch an Ihrem Verstand zweifeln…“

Weil Paulus so viel Wert auf den inneren, unsichtbaren Menschen legt, darum hat man ihm manchmal Leibfeindlichkeit unterstellt. Der sichtbare Mensch, seine Körperlichkeit, sei ja schließlich auch von Gott geschaffen, heißt es dann. Das stimmt sicherlich. Die Bibel sagt uns an anderer Stelle: Wer Christ ist, darf selbstverständlich auch feiern, darf fröhlich sein und darf auch dem Körper sein Recht verschaffen. Jesus selbst war auf Feiern eingeladen, und er war da nicht etwa ein miesepetriger Spielverderber, sondern hat beispielsweise, als der Wein ausgegangen war, für Nachschub gesorgt (Joh 2,1-11).

Aber genau hier setzt die Kritik des Apostels ein: Wenn jemand dabei stehen bleibt, liegt er/sie falsch. Das Leben geht über das Sichtbare hinaus. Das Leben ist mehr als nur eine Aneinanderreihung von chemischen Abläufen. Das Leben ist mehr als die äußerlich sichtbaren, ja noch mehr als die mit den Sinnen und dem Verstand begreifbaren Elemente. Das Leben hat seinen Ursprung in Gott und wird auch sein Ende wieder bei Gott haben. Jedenfalls für all die, die im Glauben an Jesus Christus und seinen Sieg über den Tod aus dieser Welt gehen.

Wie das Sichtbare zeitlich ist, wird das Unsichtbare ewig sein, wie Gott selbst. Weil Jesus Christus die Menschen zu Gott bringt, gibt es im Glauben keine Notwendigkeit für einen Fitnesswahn, für einen Schönheitswettbewerb, für eine  Castingshow zum Superstar. Damit im Grunde dem Tode entgegenzuwirken, ist für einen Christen nicht nötig; denn er hat ihn ja nicht zu fürchten.

Na ja, ich wiederhole: Es ist sicherlich nicht schlecht, sich auch körperlich fit zu halten, und ich glaube keinem heute morgen würde ein bisschen mehr Bewegung besser tun als mir selbst, aber die Fitness und das, für was sie steht, darf nicht zum Mittelpunkt des Lebens werden; denn dann wird sie zu einer Art Ersatzreligion, ebenso wie Schönheit, Erfolg oder Anerkennung.

Warum soll ich mir durch Medien und Werbung ein Menschenbild aufdrängen lassen, das im Widerspruch zu dem steht, der das Leben erfunden und geschaffen hat? Die Bibel offenbart den Weg zu einem Leben jenseits aller äußeren Fitness, das den Glaubenden zugänglich ist, einen Weg, den es zu gehen lohnt, weil das Ziel selber uns entgegenkommt - der auferstandene Christus. Das ist für Christen das richtige Fitnessprogramm – Fitness für den Himmel!

Zum Schluss möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, die sehr schön illustriert, dass der äußere Mensch vor der Ewigkeit nicht viel wert ist, sondern dass es darauf ankommt, wie Paulus schreibt, den inneren erneuern zu lassen:

Ein König gab seinem Hofnarren einen Stab und sagte: „Gib diesen Stab dem, der noch närrischer ist als du!“ Kurz darauf legte sich der König zum Sterben nieder und klagte: „Ich gehe in ein fremdes Land und kehre nie mehr zurück.“ Der Narr entgegnete: „Da du doch gewusst hast, dass du einmal in dieses fremde Land ausreisen musst, hast du sicher alles getan, um auch in dieser neuen Heimat ein Haus zu besitzen.“ Als dies der König verneinte, überreichte ihm der Narr den Stab und sagte: „Er gehört dir. Du bist ein noch größerer Narr als ich.“

Also lasst uns nicht müde werden, unseren inneren Menschen von Jesus Christus erneuern zu lassen, damit wir auch in der kommenden Heimat ein Haus besitzen! Fitness für den Himmel -  das ist ja nun wirklich ein Grund zum Jubeln – Jubilate!

Amen.

Wertvolle Anregungen von Michael Zlámal/Dreieich, Predigtdatenbank 2006; Schlussgeschichte Hoffsümmer II/217

Perikope
22.04.2018
4,16-18

Non moriar, sed vivam! – Predigt zu 2. Korinther 6,1-10 von Markus Nietzke

Non moriar, sed vivam! – Predigt zu 2. Korinther 6,1-10 von Markus Nietzke
6,1-10

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfangt. Denn er spricht (Jesaja 49,8): »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! 3 Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit dieser Dienst nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.

I.

Der Ausflug war nicht besonders spannend. Das änderte sich, als ich die Konfirmanden bat, vor einem Haus stehen zu bleiben und mit meiner Hand auf einen Querbalken  zeigte: „Das ist ein seltsamer Haussegen!". Ich fragte: "Kann das vielleicht jemand von euch lesen und übersetzen?" und schaute Philipp - einen Lateinschüler aus der 7. Klasse - erwartungsvoll an. Sarah, eine Mitschülerin, lächelte: "Natürlich kann Philipp das!" Nun überlegte Philipp: "O.k., ich kann es versuchen. Da steht 'non moriar, sed vivam'". Ich freute mich. "Richtig! Und auf Deutsch?". "Tja, so leicht ist das nicht" antwortete er und sah sich fragend um, ob jemand ihm helfen könnte. Sarah sprang ihm zur Seite: „'Non' heißt ‚nicht' und ‚sed‘ aber". „Weiß ich doch!", sagte Philipp, "aber ‚moriar‘ kenne ich nicht, ‚vivam', hat wohl etwas mit ‚Leben‘ zu tun, denke ich." Er überlegte kurz und sagte dann: „Ich komme nicht weiter." Ich wollte es nicht verraten und meinte: "Vielleicht hilft es, wenn ich Dir sage, dass es um einen Gegensatz geht." Philipp konterte: „Hilft mir jetzt auch nicht wirklich... Moment mal... mori heißt doch ‚sterben'!" „Genau!" sagte ich: „Es hat etwas mit Sterben und Leben zu tun." Jetzt schien Philipp es zu erahnen: „O.k. ‚Ich werde sterben‘, aber mit dem ‚non', muss es heißen: ‚Ich werde nicht sterben, sondern leben'. Die Konfirmanden freuten sich, ich mich auch. Dann erklärte ich ihnen den Sinn der Aussage: „Da betet ein frommer Mensch: Wenn es mir noch so dreckig gehen mag, auf Gott kann ich bauen, mich fest an seine Zusagen klammern. Dass will ich bezeugen. Gott ist bei mir im Leid, will aber mein Leben. Davon rede ich. Martin Luther hat diesen Bibelvers - so sagt man - auf der Coburg an die Hauswand geschrieben, als Mutmacherspruch in schweren Zeiten: Non moriar sed vivam et narrabo opera domini. Hier, vor Ort, scheint das jemand gewusst zu haben und hat diesen Spruch als Haussegen für dieses Haus ausgewählt." „Kein Wunder!“ meinte eine Konfirmandin, „wir stehen ja direkt neben einer Kirche!"

II.

Liebe Gemeinde, die Worte: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen“ stammen aus dem Gebet- und Gesangbuch aus dem Alten, dem Ersten Testament. Es sind Worte voller Dankbarkeit. Gott hat geholfen. Das kann man erfahren, heißt es in Psalm 118: Gott hilft, auch wenn es einem Menschen richtig dreckig geht; ja, selbst dann noch, wenn es so scheint, als meinte Gott selbst es nicht mehr gut mit einem Menschen. Ein ‚Aber‘ und ‚Dennoch‘ klingt durch: Gott hilft. Dabei bleibt es. Gott hilft. Selbst dort, wo man es nicht vermutet oder meint.

III.

Dass Gott in unter allen Umständen hilft, ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Josef, einer der zwölf Söhne Jakobs, hat dieses konkret erfahren. Obwohl er von seinen Brüdern an Sklavenhändler verkauft wurde. Einige Jahre saß er – unschuldig verurteilt – im Gefängnis. Er konnte mit Gottes Hilfe Träume deuten und gelangte so schließlich an den Hof des Pharao. Josef wurde zum Segen sowohl für die Ägypter als auch alle umliegenden Völker in der Zeit einer großen Hungersnot. Am Ende seines Lebens bekennt Josef seinen Brüdern: ‚Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk‘ (1. Mose 50,20)

IV.

Dass Gott konkret unter allen Umständen hilft, ist wirklich nicht auf den ersten Blick erkennbar. Der letzte Weg von Jesus nach Jerusalem -. Das letzte Abendmahl -. Gefangennahme im Garten Gethsemane -. Der Tod am Kreuz – ohne Zweifel kein leichter Weg – das alles wird schließlich positiv gedeutet: ‚Er [Jesus] erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist...‘ (Philipper 2,8+9). 

 

V.

In den Wochen bis Ostern bedenken wir den Weg Jesu ans Kreuz, seinen Tod und das verheißene Leben nach dem Tod. Vielleicht übt die eine oder der andere Verzicht, versucht etwas achtsamer durchs Leben zu gehen, nimmt sich ein wenig mehr Zeit als sonst für ein Nachdenken über das Leben und unsere Zeit.

 

VI.

Diesen Gedanken, dass Gott unter allen Umständen hilft – auch im Leid – spielt der Apostel Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther durch. Er und andere Mitarbeiter sind Botschafter an Christi statt, so beginnt er seine Argumentation. Gott ruft durch sie zur Umkehr auf. Gott bietet durch ihre Predigt Versöhnung an; Versöhnung, die Gott durch Jesus und seinen Tod am Kreuz mit sich selbst bewirkt hat. Einer für alle, führt Paulus aus. Dieser Eine, Jesus, ist für alle gestorben und hat dadurch allen eine neue Chance auf ein Leben mit Gott eröffnet. Jetzt sei es an der Zeit, sich daran zu orientieren, bittet Paulus. Dann wird er persönlich. ‚Meine Mitarbeiter und ich‘, sagt er, ‚geben durch nichts einen Anstoß, damit diese Hauptsache nicht in den Hintergrund tritt.‘ Dann geht Paulus noch weiter in seiner Argumentation: ‚Bedrängnisse, Ängste, Schläge, Gefängnisaufenthalte --, ich, Paulus, beziehungsweise wir als Botschafter an Christi statt, wir nehmen das alles in Kauf. Das gilt auch in weitaus fröhlicheren Umständen. Die Klammer, die sowohl Gutes als auch Schreckliches zusammenhält ist: Gott hilft unter allen Umständen. Deswegen hören wir nicht auf, diesen Jesus Christus zu bezeugen.‘

 

VII.

„Ein Podium und ein Gefängnis sind jeder ein Ort für sich, der eine liegt oben, der andere unten. An beiden Orten wirst du die Entscheidungsfreiheit behalten, wenn Du es wünschst“ meint der Stoiker Epiktet. (Lehrgespräche, 2.6.25). In solcher Freiheit kann Paulus nun – wahrscheinlich schreibt er diesen Brief gerade aus dem Gefängnis – sagen: ‚Wir sind unbekannt, und doch bekannt. Wir sterben und doch leben wir. Wir sind traurig und doch fröhlich. Arm und doch reich. Haben nichts und doch alles.‘

 

VIII.

Das sind eigenartige Sätze. Man muss sie sich langsam auf der Zunge zergehen lassen. Wieso heißt es: ‚Als die Unbekannten und doch bekannt?‘ Was soll das bedeuten, dieser   Gegensatz: Einerseits: ‚Als die Sterbenden‘ und andererseits ‚siehe, wir leben‘?  Der Katalog setzt sich noch fort: Hier: Traurig, dort: Fröhlich. Hier: Arm; dort: andere Reich machen, hier: Nichts haben; dort: Alles Haben? Fügen wir für unser Hören und Reden heute einmal die Worte ‚in Gott‘, ‚durch Gott‘ oder ‚bei Gott‘ hinzu. Dann klingt diese Wort-Kaskade des Apostels so: Wir sind unbekannt, und doch bekannt – bei Gott! Wir sterben und doch leben wir – durch Gott! Wir sind traurig und doch fröhlich – in Gott! Wir sind arm und doch reich – durch Gott! Wir haben nichts und doch alles – in Gott!

 

IX.

Paulus wagt schließlich einen Vergleich, der es in sich hat: Er, dem Jesus vor Damaskus erschienen ist, er, den Jesus zum Apostel berufen hat, er, Paulus versteht sich als einer, der Jesus auch auf eine ganz besondere Weise nachfolgt. Der Vergleich sieht so aus: Christus geht den Leidensweg bis zum Tod am Kreuz. Paulus wird Jesus nun durch sein eigenes Leiden um der Sache Jesu willen nachgestaltet. Das ist in etwa so zu verstehen: Jesus ist durch Aufruhr in Jerusalem, trotz Wachen, Beten und Fasten im Garten Gethsemane verraten und gefangen genommen worden. Jesus wurde von Soldaten bedrängt, bespuckt, geschlagen und gefoltert. Jesus hat dieses alles in Geduld ertragen, bis hin zum Tod am Kreuz. Diesen Leidensweg geht Paulus nicht nur in Gedanken nach, sondern er erlebt Ähnliches – um Christi Willen! –- Das ist ganz schön starker Tobak! Aber warum das Ganze? Hier erreicht die lange Argumention von Paulus die höchste Zuspitzung: Gerade darin, Jesus im Leiden so konkret nachgestaltet zu werden, gerade darin erweist sich seine außerordentliche Berufung als Apostel. Liebe Gemeinde, das ist heftig! Auf solch eine Weise zu argumentieren, ist uns völlig fremd und fern!

 

X.

In Dankbarkeit den Weg Jesu nachgehen? Auch im Leiden? Paulus sieht sich dadurch legitimiert, mit den Korinthern über das Amt und den Dienst eines Apostels zu diskutieren und zu streiten. Dies wird damals nicht jedem geschmeckt haben – und uns kommt diese Argumentation wirklich sehr, sehr  fremd vor. Wir lassen das Argument so stehen.

 

XI.

Die vor uns liegende Fasten- oder Passionszeit dient ja nicht dazu, dass wir Jesus oder Paulus durch eigenes Leid versuchen nachzueifern. Uns mit Jesus gleichzustellen wäre völlig absurd! Nein, das wollen wir bestimmt nicht!  Wir schauen auf den Weg Jesu. Wir sehen hin und staunen. Womöglich läuft uns auch einer kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, warum, wieso und weshalb nun gerade dieser Weg Jesu durch Angst, Not, Leid und Schmerzen ein Weg zur Erlösung und Versöhnung mit Gott sein soll. Vielleicht wenden wir uns scheu ab, angesichts solcher Ausmaße an Leid. Manche halten es heute für unlogisch und völlig undenkbar. Vielleicht halten wir dem aber auch stand: Wir schauen und staunen, dass dieser Weg durch den Tod neues Leben in sich birgt und wirkt.

 

XII.

Das wirklich Neue, was Paulus in seinem Brief unbedingt zur Geltung bringen will, ist: Die Fülle und die Herrlichkeit des neuen Lebens in Jesus Christus zeigt sich; offenbart sich, wird wirksam – bei allen äußerlichen Unannehmlichkeiten, bei Armut, mitten im Leid. Sogar im Sterben!

 

XIII.

Als Jesus am Kreuz hing und schrie: „Mein, Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ werden Klage und Anklage laut. Ganz laut herausgeschrien. Angst und Verlassenheit sind unübersehbar. Es ist die Klage dessen, der mit Verzweiflung ringt. Es ist aber auch die Klage dessen, der das Flehen, Klagen, Schreien und Weinen aller Verzweifelten und Verdammten auf sich nimmt (J.F. König: Theoligia positiva acromatica, De Principiis Ac Mediis Salutis, § 330, 1666). Gott hat es mit Jesus am Kreuz durchgestanden.

 

XIV.

Vielleicht ist es deswegen ein kleines bisschen Hoffnung, die wir aus dieser eigenartigen Argumentation des Apostels Paulus schöpfen können. Mitten in allem unseren Leid trägt uns Gott. Oft unbewusst. Wir hätten es so gerne anders. Deutlich spürbar. Gerne viel deutlicher spürbar! Gott hilft! Gott überlässt keinen von uns einfach so seinem Schicksal. Gott hilft. Auch im Leiden. Das wird uns zugesagt. Gott bekräftigt es, gerade in dem er uns im Leiden nicht im Stich lässt.

 

XV.

Es mag also nur ein Gedanke, ein kleiner Merksatz sein, der noch ein wenig in unserem Leben nachklingt, nachher, beim Mittagessen oder in der Mittagsruhe. Es mag sein, dass wir diesen Worten bis Ostern noch ein wenig nachspüren: „als die Sterbenden, und siehe, wir leben; … als die Traurigen, aber fröhlich; … als als die nichts haben und doch alles haben.“

Perikope
18.02.2018
6,1-10