Aufklärung - Predigt zu 2. Korinther 4, 3-6 von Wilhelm v. der Recke

Aufklärung - Predigt zu 2. Korinther 4, 3-6 von Wilhelm v. der Recke
4,3-6

Aufklärung

I.         Aufklärung. – Kinder werden darüber aufgeklärt, wie es sich mit ihrer Sexualität verhält. Verbraucher lassen sich in der Apotheke über Nebenwirkungen von Medikamenten aufklären. Ein großer Bestechungsskandal wird aufgeklärt. Eine ganze Epoche heißt die Zeit der Aufklärung: den Menschen wird Mut gemacht, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen und nicht blind irgendwelchen Autoritäten zu folgen.

Es werde Licht! heißt es am Anfang der Bibel in der Schöpfungsgeschichte. Gott erhellt die Finsternis und bringt Ordnung in das Chaos, das große Tohuwabohu. Er klärt auf. Und seitdem tut er das jeden Morgen neu. Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne, die Finsternis weicht, heißt es in einem Morgenlied (EG 444).

Gott bringt Licht in die Welt: Im Anfang war das Wort … und Gott war das Wort, – so beginnt das Johannes–Evangelium. Und dann heißt es weiter: In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und schließlich: Aber die Finsternis hat’s nicht begriffen. Die Menschen begreifen nicht, dass Jesus das Licht der Welt ist.

Von der Herrlichkeit Gottes und dem Licht, das in unserem dunklen Herzen aufgeht, spricht Paulus im 2. Korintherbrief Kapitel 4: [Der Predigttext wird vorgelesen]

II.        Es geht um Aufklärung, um die richtige Erleuchtung. – Das ist ein urmenschliches Verlangen. Schon als kleine Kinder wollen wir Licht in die Welt bringen. Wir wollen all die Dinge um uns herum begreifen. Die Blumen und den tanzenden Schmetterling, die Holzklötzchen und Gummibälle, die brennende Flamme und das fließende Wasser. Mit offenen Augen verfolgen wir, was unsere Mitmenschen tun. Wir lernen das immer besser verstehen und damit auch die komplizierten Regeln des Zusammenlebens. Wir wollen die Gesetze der Natur erkennen – alles, das Ganze. Was die Welt / im Innersten zusammenhält (Goethe). Den Anfang und das Ziel. Das Leben in seiner Fülle und Schönheit. Aber auch, warum es so viel Leid und Ungerechtigkeit und schließlich den Tod gibt. Wer bringt Licht in das Ganze? Wer hat den Schlüssel dazu, wer hilft weiter?

Unser Wissen und Verstand / ist mit Finsternis verhüllet, heißt es in einem Lied (EG 161,2). Wir suchen Erleuchtung und machen die Erfahrung, dass wir aus dem Zwielicht nicht herauskommen. Unsere Kräfte, das Durchsetzungsvermögen, unser Begreifen und Verstehen sind begrenzt. Wir leiden darunter – ja, es kränkt uns immer wieder neu. Selbst unser Wollen und Vollbringen ist beschränkt. In uns gibt es Sperren und Gegenkräfte, so dass wir immer wieder über die eigenen Füße stolpern. Paulus schreibt in einem anderen Brief: Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Und später: Ich armer Mensch, wer kann mich von mir selber erlösen? (Röm. 7, 19; 24) Im Predigttext nun schreibt er, dass der Gott dieser Welt unsere Sinne verblendet habe. Luther nennt ihn den Fürst dieser Welt, also den Teufel. Wer auch immer er sein mag, es gibt das nicht erklärbare Böse, außerhalb und innerhalb von uns selbst.

            So kommt es, dass uns auch das Evangelium häufig verhüllt ist: Wir schlagen die Bibel auf und lesen nichts als alte, manchmal abschreckende Geschichten, mit denen wir wenig anfangen können. Warum soll gerade das die frohe Botschaft sein, die Licht in unser Leben bringt? Es macht uns ratlos und wir reagieren überheblich. Wir brauchen die richtige Erleuchtung, um das Evangelium zu verstehen. Aber das Licht kommt nicht aus unserem Inneren, da sieht es finster aus. Es kommt von außen. Denn es ist kein irdisches, sondern ein göttliches Licht. Im Neuen Testament heißt dieses Licht: der Heilige Geist.

III.      Das Thema des Evangeliums ist Jesus Christus – genauer seine Herrlichkeit. Wie er die Welt verändert hat – so nachhaltig, dass auch wir davon verändert werden. Doch woran erkennen wir das – wir Menschen des 21. Jahrhunderts? Von uns aus können wir das nicht. Wir sehen in Jesus nur einen Menschen. Sicher einen außergewöhnlichen, der viel bewirkt hat und dessen Spuren bis heute nicht zu übersehen sind. Aber eben nur einen Menschen, von dem wir nicht allzu viel wissen. Und das, was wir wissen, klingt manchmal widersprüchlich. Man kann ihm alles Mögliche andichten. Wenn etwa sein Verhältnis zu Maria Magdalena mit einem Augenzwinkern ausgemalt wird. Oder wenn er als weltfremder Idealist oder als gescheiterter jüdischer Patriot geschildert wird. Bei anderen schlägt die Phantasie ins Gegenteil um, und aus Jesus wird ein Übermensch gemacht, eine märchenhafte Gestalt, ein Magier, ein Guru.

Ohne die Aufklärung durch den Heiligen Geist verstehen wir nicht, wer Jesus in Wirklichkeit ist. Einerseits ist er das im Stall zur Welt gekommene Kind armer Leute. – Andererseits ist er Gottes Kind: Nicht nur irgendein Mensch, sondern  d e r  neue Mensch; das Ebenbild Gottes; der Mensch wie ihn Gott eigentlich gedacht hat.

Einerseits ist er ein schlichter Wanderprediger – wie viele andere damals. Er zieht mit seinen Jüngern herum, er lehrt und betet, arbeitet und ruht, isst und trinkt, lacht und weint. Andererseits redet er mit einer solchen Überzeugungskraft, solcher Autorität und Klarheit, dass die Frauen und Männer in seiner Umgebung Gottes eigene Stimme zu hören meinen. Er handelt, hilft und heilt in einer Weise, dass vielen, die dabei sind, die Augen aufgehen: Sie erkennen, Gott selbst ist hier am Werk.

Einerseits stirbt Jesus so erbärmlich wie ein armer Mensch nur sterben kann: Von seinen Feinden übel zugerichtet und verspottet; von den eigenen Freunden im Stich gelassen; selbst von Gott offensichtlich aufgegeben. Andererseits spüren schon einige von denen, die bei seiner Kreuzigung dabei sind, dass hier mehr im Spiel ist. Selbst der heidnische Hauptmann bekennt erschüttert: Wahrhaftig, dieser ist Gottes Sohn! Am Ostertag hören die Jünger von den Frauen, dass das Grab Jesu leer ist, einige von ihnen haben eine Begegnung mit ihm. Fassungslos erkennen sie: Diesem kann selbst der Tod nichts anhaben. Er ist stärker. Er ist unsterblich. Das verändert für sie alles. Schon in diesem Leben, und darüber hinaus.

IV.      Einerseits, andererseits. Ganz Mensch –eine armselige Gestalt – und ganz Gott. In dem, was Jesus gesagt und getan hat und was ihm geschehen ist, hat sich Gott gezeigt. Aber dieses Andererseits ist uns nicht von uns aus zugänglich. Dafür müssen uns die Augen geöffnet werden, die Augen des Glaubens. Dafür brauchen wir die richtige Erleuchtung. Darüber kann uns nur Gott aufklären, und er tut es durch seinen Heiligen Geist. Sein Licht erhellt unser Herz.

            Dieser einzigartige Mensch ist wie ein QR-Code. Gottes Geist kann ihn uns aufschlüsseln. Und plötzlich sehen wir Jesus mit anderen Augen. Wir sehen in ihm den Abglanz Gottes: Der ferne, unsichtbare Gott, der unser Wissen und Verstehen so unendlich übersteigt, bekommt mit einem Male Konturen, eine Gestalt, ein Gesicht. In dem, was Jesus sagt und tut, wird die Güte und Gerechtigkeit, die Größe und Herrlichkeit Gottes erkennbar.

V.        Ein Wunder. Ein immer neues Wunder, das sich jeden Tag überall auf der Welt ereignet. Dort wo zwei oder drei oder manchmal auch tausende in Jesu Namen zusammen sind. Dort wo Christen das Herz übergeht, wenn sie von Jesus reden, und andere Menschen sich davon ergreifen lassen. Dort wo es ihm seine Nachfolger nachmachen und sich den Ärmsten der Armen zuwenden; wo sie um seinetwillen bereit sind, selbst Unrecht zu erleiden.

            Das heißt nicht, dass sie perfekt sind; dass wir perfekt sein müssten. Wer ist das schon? Das wäre übermenschlich, ja unmenschlich. Paulus schreibt offen davon, dass er kein großer Redner sei und oft keine gute Figur mache. Und von den ersten Aposteln wissen wir, was für schwache und unzuverlässige Mitarbeiter sie manchmal für Jesus waren. Nein, keiner von uns kann und muss perfekt sein: kein Star auf der Kanzel und kein Heiliger im Leben. Aber glaubwürdig sollen wir sein, gerade dann, wenn wir schwach sind und Schuld auf uns laden.

            Wir dürfen anderen Menschen nicht den Blick auf Jesus verstellen. Mehr noch – wir sollen ihren Blick auf Jesus lenken. Wir sollen das Licht, das von ihm auf uns fällt, weiterleiten. Wie Sonnenkollektoren, die Licht und Wärme nicht nur für sich selber sammeln, sondern für andere. Er hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns die Erleuchtung entstünde, schreibt Paulus. Wir werden also Beleuchter. Unseren Mitmenschen sollen mit unserer Hilfe die Augen aufgehen: Sie können im Geschick des armen Menschen Jesus die Güte und Gerechtigkeit Gottes erkennen, seine überwältigende Herrlichkeit. – Darüber werden sie froh und danken und loben Gott.

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 4,3-6 von Axel Denecke

Predigt zu 2. Korinther 4,3-6 von Axel Denecke
4,3-6

1.

„Das Licht des Evangeliums im Amt des Apostels“, so lautet die etwas gestelzte Überschrift unseres heutigen Predigttextes in der Luther-Bibel. Das ist etwas für kluge Theologen, die bei „Licht“ eben sofort an Epiphanias denken, und die bei „Amt des Apostels“ sofort an den berühmten programmatischen Satz des Paulus denken: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn“. Großes Ausrufezeichen! Denn das ist unser Auftrag: Nicht uns selbst predigen, nicht wir stehen im Mittelpunkt, sondern allein Jesus Christus, er allein. Das berühmte reformatorische Lucas-Cranach-Gemälde auf dem Luther auf der Kanzel steht, ihm gegenüber die hörende Gemeinde und dazwischen eben –und allein darum geht es- „der Gekreuzigte“, auf den der ausgestreckte Zeigefinder Luthers verweist. Min hochverehrten Vikariats“vater“ –so hieß das damals noch- in Helsinki/Finnland hatte dieses Bild über seinem Schreibtisch hängen, als Auftrag und Mahnung. Ich habe es stets vor mir gesehen, wenn ich mit ihm meine ersten Predigtversuche durchgesprochen habe. Als Auftrag und Mahnung zugleich. Kriege ich nie so hin, von mir ganz abzusehen und allein auf Christus, den Gekreuzigten, auf ihn allein zu verweisen. Schaff ich nicht, dazu bin ich nicht geeignet. Denn nicht allein den Gekreuzigten, auch den Auferstanden, auch den irdischen Jesus will ich verkündigen. Und, ach ja, immer dränge ich mich mit meinen Empfindungen  selbst dazwischen, weiche da von dem ab, den ich allein verkündigen  soll. Ist das also mein „Amt“, dann bin ich wohl ungeeignet. ---

Und dann wird als das „Licht des Evangeliums“ – Epiphanias!- nicht durch mich hindurch leuchten, dann wird wohl noch Finsternis sein in mir, wie es Paulus so überaus drastisch in unserem Text beschreibt. „Ist nun aber das Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die verloren werden, denen der Gott dieser Welt (also der Satan) den Sinn verblendet hat“. --- Sehr drastisch ausgedrückt. Und die selbstquälerische Rückfrage an mich, als Anfänger im Predigen: Hat etwa der „Gott dieser Welt“ von mir Besitz ergriffen und mir „den Sinn verblendet“, so dass ich das Evangelium eher „verdecke“ und mit all meinem Tun also „verlieren werde“? Eine grausame Vorstellung. Dann also lieber gleich das Predigen lassen, weil doch nur alles schief gehen kann – nicht nur zu Epiphanias, auch zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und in der ellenlangen Trinitatiszeit.

Nun kann man ja fein sagen: Ach, das sind ja alles nur eitle und selbstquälerische Gedanken von dem Prediger auf der Kanzel, eben unnötige Selbstbeschäftigung des Predigers mit sich  selbst, nur für Insider und „kluge Theologen“ (s.o.) etwas, aber nicht für die Gemeinde selbst, für die ich zu predigen habe. Kann man sagen und dann bin ich fein raus. Weg mit diesem eitlen Gedrehe um sich selbst und das „Amt des Apostels“.

Das Verrückte es nur: Paulus höchst selbst tut das ja auch. Und er tut’s deswegen, weil seine Predigt im alten Korinth wohl nicht trägt, weil es da zu viel Widerspruch gibt, weil seien Gegner ihn nicht (mehr) ernst nehmen, weil die Zahlen nicht (mehr) stimmen, weil die Gemeinde trotz allem Missionseifer so zerstritten und wohl auch korrupt is. Passt denn das zum Anspruch der Verkündigung, gehört sich das für das „Licht des Evangeliums“, für die unumstößliche Erscheinung des Herrn, mit der er „einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesichte Jesu Christi“? Großartig, wenn es so wäre, aber so ist’s wohl nicht. Damals nicht, heute nicht. Damals schon genauso wenig wie heute. Wir rufen „Licht, Licht, Licht“ , zünden weihnachtlich so viele Lichter an wie wir nur können – und siehe da, überall „Finsternis, Finsternis, Dunkelheit“. Oder etwa nicht?

2.

Und schon sind wir mitten drin in diesem Text, der wohl gar nicht nur vom „Amt des Apostels“ redet, sondern von uns allen, von denen, die auf der Kanzel gut/schlecht predigen haben und von denen, die unter der Kanzel gut/schlecht Predigt hören haben.

„Ein heller Schein“ soll also in unseren Herzen sein, damit in uns „Erleuchtung entstehe“ und wir zur „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“ kommen. Wunderbar. Zu Weihnachten haben wir vielleicht tatsächlich etwas davon gespürt. Nicht nur, dass wir da symbolisch die Lichter am Weihnachtsbaum abgezündet haben oder genauso symbolisch das „Licht von Bethlehem“, von Pfadfindern dort entzündet und dann über Meer und Land transportiert, in unsere Kirchen getragen haben. Nicht nur das, das kann man ja als bloß äußere Zeichen schnell abtun. Sonden eben auch, dass wir uns haben –wie alle Jahre wieder- vom Geheimnis des Kindes in der Krippe gefangen nehmen lassen. Das Kind in der Krippe, das uns auch  daran erinnert, dass wir am Ende –am Ende vor Gott!- alle Kinder sind, zum Glück alle Kinder sind, Kinder sein dürfen, geliebte Kinder Gottes, das Kind in der Krippe macht uns darauf aufmerksam und dann leuchtet tatsächlich sein Licht nicht nur für uns, sondern auch in uns und wenn es ganz toll ist, dann gar durch uns weiter. Nicht wahr, ist es nicht so? Eine bescheidene Ahnung davon, dass es so sein könnte, vielleicht gar so ist, haben wir ja alle. Und ach ja, damit nicht Weihnachten nach drei Tagen schon wieder vorbei ist, damit es nicht  gleich wieder dunkel wird, so finster, dass auch die Sylvesterlichterorgien  diese innere Finsternis nicht vertreiben  können, feiern wir eben das Epiphanias-Fest mit dem klaren, vielleicht gar penetrant aufdringlichen Hinweis: Das Licht Gottes scheint tatsächlich –nicht nur an drei etwas sentimental angehauchten Tagen- in unsere finstere Welt hinein. Unumstößlich. Unübersehbar. Unausrottbar. So ist es. Symbolisch 12 Tage nach Weihnachten, wie es die kirchliche Liturgie vorschreibt. Real aber alle Zeit, alle Zeit, in der wir leben und arbeiten, predigen und beten, feiern und zur Ruhe kommen, in allem: zu uns selbst kommen möchten, uns selbst endlich finden möchten.  Das wäre eine innere “Erleuchtung“, ja es wäre die „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“.

3.

Wäre? Oder soll/darf ich sagen: Es ist so?

Ich möchte beides sagen.

a. Ich sage zunächst: „Es ist so“! Es ist natürlich so, dass uns im Glauben an Jesus, an den irdischen Juden Jesus, ein „Licht“ aufgeht, ein „Licht“ für uns selbst. Dabei denke ich eben nicht etwa nur an den Gekreuzigten, sondern vor allem an den lebendigen irdischen Jesus aus Nazareth, denke zunächst an das Kind in der Krippe, unscheinbar, ja  armselig, doch arm und selig, denke dann an seinen ganzen Weg von der Krippe bis zum Kreuz, an seine Worte und Taten, denke daran, wie er mit seinen Freunden und auch mit seinen Gegnern umgegangen ist, denke daran, wie er einzigartig vertrauensvoll Gott seinen „Vater“ zu nennen wagte und unbeirrt daran festgehalten hat, von Anfang bis zum Ende, ja auch am Ende noch. „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, denke daran, wie er so vertrauensvoll und in sich gefestigt leben und sterben konnte, wie sich sein Leben so rundete,  ja wie er sein Leben so vollendete, en vollendetes Leben. An all das denke ich. Und daran halte ich mich, versuche mich zum mindestens daran  zu halten. Und dann wird tatsächlich –ganz real- „ein heller Schein in meinem Herzen“ sich zeigen und es stimmt dann: „Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten“ und es stimmt  gar auch das:  „Erleuchtung ur Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn“ entsteht in mir, ich verändere mich, ich werde verändert, Licht breitet sich aus in mir und vielleicht gar –kaum auszudenken- auch durch mich. Das gibt es. Das ist so. Wenn ich mich an das eine Licht erinnere, das damals so unübersehbar so in die Finsternis unserer Welt geleuchtet hat, dass wir es heute noch sehen, zu sehen hoffen, sehend in unsere Häuser bringen. Damals? Ja, damals, vor urkenntlichen Zeiten, damals vor sagen wir 2000 Jahren, damals, als wir noch Kinder waren, damals, ja damals, vor 12 Tagen erst, am Weihnachtstage, damals, also heute und gerade jetzt.

Ja, also: „Es ist so“!

b. Und zugleich (leider) auch: „Schön, wenn es so wäre“. Denn natürlich ist das alles viel zu groß für uns und die Finsternis umgibt uns immer wieder, möchte uns gefangen nehmen, der „Gott dieser Welt“ wie Paulus zu drastisch sagt. Natürlich höre ich wohl die verlockende Botschaft, aber der Glaube daran ist oft so schwach, dass Licht, gerade erst vorsichtig angefacht, gleich wieder wir es ausgelöscht. Symbolisch wird das deutlich, wenn wir zu Weihnachten eine Kerze in der Kirche anzünden und sie dann durch die finstre Nacht bei Wind und Regen oder Schnee nach Hause bringen wollen. Schaffen wir meist nicht. Ach ja, das Licht, es leuchtet kurz, in hellen Stunden, Sternstunden in mir, aber dann der graue Alltag und die anderen Menschen und die Kriege und die Armut und der Hunger und der Neid und der Hass und die Eitelkeiten und die üblen  Nachreden und all die Betrügereien und, und, und. Eine ganze Predigt könnte ich mit all den „Finsternissen“ in mir vom „Gott dieser Welt“ erschaffen, füllen. Will ich nicht, will eben nur mich und uns daran erinnern. An das „Schön, wenn es so wäre“, wenn das Licht in mir wirklich alle Finsternissen vertreiben könnte. Wenn Epiphanias tatsächlich nicht nur ein leicht übersehenes kirchliches Fest für Insider ist, sondern Anstandssache für jeden, ein Liebeserweis  für jede, für alle Tage, im ganzen Jahr, ach ja, für alle Menschen, ob sie nun Christen sind oder nicht.

c. „Schön, wenn es so wäre“! Ja, und doch auch: „Es ist so“! Wie kann es uns ansatzweise gelingen, dass es tatsächlich so ist, dauernd und unabänderlich? Dass das halbfinstre „wäre“ in ein helles „ist“ verwandelt wird und wir zur „Erkenntnis der Herrlichkeit des Herren“ tatsächlich gelangen?

4.

Einen kleinen Hinweis, wies dazu kommen kann, gibt uns Paulus in unserem Text. Das hängt mit dem „Amt des Apostels“ zusammen. Ich sagte ja eingangs, dass Paulus wohl eine ganze Menge Neider, Gegner, Nörgler in Korinth hatte, die an ihm zweifelten, über ihn spotteten, ihr gar verdächtigen, nur in die eigenen Tasche zu wirtschaften. Das geht aus dem anderen Kapiteln des Briefes hervor. Also, seine Predigt trägt nicht,  seine Verkündigung kommt nicht an, seine großen Worte scheinen bloß Luftblasen zu sein, ein kurzes Feuerwerk, aber ohne Nachhall oder „Nachhaltigkeit“, wie wir heute gern sagen. Das scheint wohl so zu sein. Finsternis also bei aller Beschwörung  des Lichtes Gottes  da in Korinth.

Und da sagt Paulus wie zufällig dahingeworfen, ohne sofort erkennbaren inneren Zusammenhang: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als der Herrn“. Das wird gemeinhin so verstanden: Wir sollen in der Predigt uns nicht um uns selbst drehen, sollen uns nicht selbst in den Mittelpunkt stellen mit unseren tollen Ideen, Einfällen, Gefühlen, Erfahrungen usw. Denn um uns geht es ja nicht. Wir sollen –so wird es meist verstanden- allein und nur auf Christus verweisen, auf ihn allein, so wie es eben Martin Luther in dem berühmten Gemälde Cranachs getan hat. Allein Christus, nicht du selbst. Das ist eindeutig und macht jedem Prediger ein schlechtes Gewissen. Denn so klar ist es eben meist leider nicht voneinander zu trennen, und den Namen „Christus“ im Munde führen heißt ja noch nicht, von ihm wirklich zu reden. Viele reden über ihn und meinen doch nur sich selbst, reden über ihn und nicht aus ihm. Und schon ist wieder alles finster.

So eben hat es Paulus aber nicht gesagt, Wenn wir genau hinschauen, hat er es so gesagt: „Wir predigen nicht uns selbst (als die Herren), sondern Christus als den Herrn, uns aber predigen wir als eure Knechte/Diener um Jesu willen“. Also: Wir predigen immer –es geht gar nicht anders- auch uns selbst, wir reden immer von unserem Glauben, von unserem Zweifel, von unseren Empfindungen, Gefühlen, Erfahrungen, Hoffnungen, Enttäuschungen. Es geht gar nicht anders. Und hoffentlich reden wir davon und verstecken uns nicht hinter bloß dogmatisch richtigen Worten. Hoffentlich ist unser Person- unser Glauben, unser Zweifel, sind unsere Fragen und  unsere Suche nach Gott- wirklich erkennbar. Hoffentlich sind wir greifbar und auch an-greifbar (an-fassbar) in unserer Predigt. Hoffentlich. Dann kann es gar beginnen, dass uns und anderen ein „Licht“ aufgeht und „Erleuchtung“ entsteht.

Die entscheidende Frage dabei ist nur, ob wir „uns als die Herren“ über den Text und über Christus und über die Gemeinde predigen oder ob wir „und als Diener/Knechte“ des Textes und Christi der Gemeinde predigen. Darauf kommt es Paulus an.

 Wenn wir die „Herren“ (griech: kürioi) spielen wollen, dann es alles vergeblich und dann breitet sich Finsternis aus, in uns und durch uns. Nichts ändert sich, alles bleibt beim alten „Gott dieser Welt“, denn dann wollen wir uns nur selbst beweihräuchern durch unser virtuoses  religiöses Gerede. „Tönend Erz und klingende Schelle“ nennt es Paulus an anderer Stelle. Ein schnelles Feuerwerk der Selbstdarstellung, puff, kurze Begeisterung und alles ist wieder finster.

Wenn wir jedoch fähig werden –man  muss es langsam  lernen und braucht vielleicht ein ganzes Leben dazu- wirklich als „Diener/Knechte“ (griech. douloi, auch Sklave) Christi und der Gemeinde zu predigen, also von uns selbst so zu reden, dass durch uns für die Gemeinde das Licht Christi zu leuchten beginnt, dann, ja dann wird es wahr, tatsächlich: Ein heller Schein ist in unsere Herzen gegeben, so dass durch uns (nicht etwa ohne uns oder gar gegen uns) die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“ in einem jeden entsteht. In jedem und jeder, der durch uns das Licht des Herrn, das Licht Christi, das Licht des irdischen Menschen Jesus aus Nazareth, durchleuchten sieht. So meint es Paulus – so hat er es gehalten – damals – und das gilt auch heute noch – und morgen – und übermorgen  - und alle Zeit, solange wir auf die „Erleuchtung“ durch den Herren hoffen und sie in unserem Glauben vorweg nehmen.

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 4,3–6 von Walter Meyer-Roscher

Predigt zu 2. Korinther 4,3–6 von Walter Meyer-Roscher
4,3-6

„Immer sind es die Menschen
Du weißt es
Ihr Herz ist ein kleiner Stern
Der die Erde beleuchtet“

Liebe Gemeinde,
Rose Ausländer, die so viele Jahre von Krankheit und Siechtum bedrängte Dichterin, hat das geschrieben. Ist es nur ihr Traum von einem Licht, das aus den Herzen der Menschen hervorleuchtet und die Dunkelheit durchdringt?

Für uns scheint sie ja oft undurchdringlich – die Dunkelheit von Gewalt, Terror und Krieg, von Flüchtlingselend und Hunger, die vielen Menschen das Lebenslicht nimmt. Die Dunkelheit, die in unserer Gesellschaft Angst macht, den geforderten Leistungen nicht zu genügen, in einer vom Nutzwert und von der Gier bestimmten Welt nicht bestehen zu können. Eine Dunkelheit, die uns in unserer eigenen Umgebung oft die Sicht auf eine lebenswerte Zukunft verstellt und die in weiten Teilen unserer Welt noch ungleich bedrohlicher ist.

Viele resignieren und ziehen sich in die Einsamkeit ihrer Ohnmachtsgefühle und Depressionen zurück – mit angstvollen, vielleicht schon versteinerten Herzen, die zu leuchtenden Sternen nicht mehr taugen. Für sie ist der Traum von einem Licht, das aus dem Herzen kommt und nach außen dringt, ausgeträumt. Aber insgeheim bleibt die Sehnsucht, dass Gott nicht fern sein, dass schließlich doch der Glanz seiner göttlichen Herrlichkeit die Dunkelheit in uns und um uns aufhellen möge. Nein, der Traum der Rose Ausländer hat sich längst in uns festgesetzt, lässt uns nicht mehr los. Wenn doch Gott ihn Wirklichkeit werden ließe, so wie er einst am Beginn allen Lebens in unserer Welt Licht aus der Finsternis hat hervorleuchten lassen.

An diesen Anfang denkt der Apostel Paulus zurück – in der Dunkelheit körperlicher Überforderung und Krankheit, vor allem aber persönlicher Anfechtung, Verfolgung und Gegnerschaft derer, die sich im Besitz der Wahrheit wähnen und ihre Gotteserkenntnis als Waffe einsetzen.

Vielleicht stimmen die ihm noch zu, wenn er schreibt: Gott, der sprach, Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes.

Doch für die Gegner des Paulus ist Gottes Herrlichkeit mit Macht verbunden, die man selbst im Namen dieses Gottes in Anspruch nehmen möchte. Ja, schon damals haben religiöse Wahrheitsansprüche, mit Macht und oft auch mit brutaler Gewalt umgesetzt, die Dunkelheit einer auf göttlichen Glanz und göttliche Herrlichkeit wartenden Welt nur noch mehr verfinstert. Für Paulus ist da nicht der Gott, der alles Leben geschaffen hat, im Blick, sondern der Gott der Welt, wie er ihn nennt, der Zeitgeist, der die Herzen der Menschen verblendet.

Ein Licht, das unser Herz erleuchtet, Lebensorientierung ermöglicht, muss einen anderen Glanz, eine andere Leuchtkraft und Wärme haben.

Paulus sieht das Licht der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi aufscheinen. Auf ihn müssen wir sehen, wenn wir dieses Licht suchen. Paulus sagt: Er ist der Herr für alle, die ihm glauben.

Aber er war kein Machtmensch. Er wollte nicht herrschen, nicht Menschen mit Gewalt bekehren, sich von ihnen feiern lassen. Er wollte nur eins: Gottes Menschenfreundlichkeit durch Wort und Tat – Taten der Liebe und Barmherzigkeit-  den Menschen nahe bringen. Dafür hat er gelebt, und dafür ist er auch gestorben. Das Licht der Herrlichkeit Gottes hat sich da gezeigt, wo dieser Jesus sich Menschen in ihrer Not zuwandte und wo er andere zur Nächstenliebe ermutigte.

Nur ein schwaches Licht in so viel Dunkelheit? In der alten Geschichte von den „Weisen aus dem Morgenland“, die zum Epiphaniastag gehört, ist es ein Stern, der auf Gottes Licht hinweist. Die weisen Männer hat er im fernen Orient aus ihrem alltäglichen Leben fort gelockt und sie auf einen langen, dunklen und gefahrvollen Weg geschickt. Ein Stern, ein schwaches Licht in der Nacht leuchtet ihnen. So sehen wir sie noch heute auf den Bildern der alten Maler. So bleiben sie uns in lebendiger Erinnerung.

Vom Glanz der Mächtigen lassen sie sich nicht blenden. Ihren Programmen, ihren Verheißungen, es hell werden zu lassen, trauen sie nicht. Sie ahnen: da werden nur immer mehr Menschen ins Dunkle verbannt. Stattdessen lassen sie sich vom schwachen Licht des Sterns, der ihre Sehnsucht geweckt hat, leiten.

Sie gehen weiter und finden ein kleines Menschenkind, in dem sie das Licht der Herrlichkeit Gottes wieder entdecken – ein Licht, das Gottes Nähe anzeigt, Ängste nimmt, Dunkel aufhellt, Wege in die Zukunft weist.

Ja, Gott leistet sich die Schwäche, dieses Licht im Angesicht eines Menschen aufscheinen zu lassen – im Angesicht des Kindes, das die Weisen als Ziel ihrer Sehnsucht finden, in der Gestalt seines Sohnes und unseres Menschenbruders.

Der ist noch weiter gegangen. In einem seiner Gleichnisse hat er gesagt: Ich werden den Menschen zu allen Zeiten begegnen in der Gestalt der Geringsten meiner Menschengeschwister. In den Ohnmächtigen und Unterdrückten, in den von den Mächtigen und Erfolgreichen Abgeschriebenen und an den Rand Gedrängten werde ich auf sie zukommen. In den Gesichtern dieser ihrer Mitmenschen müssen sie mich erkennen. Dann werden sie das Licht Gottes sehen, auch wenn das manche ihrer Gottesvorstellungen und Leitbilder in Frage stellt. Ja, was ihr euren Mitmenschen im Bösen oder im Guten antut, das tut ihr mir an. So verdunkelt oder verstärkt ihr dieses Licht in unserer Welt.

Paulus hat es schon angedeutet: Gottes Herrlichkeit scheint auf in Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Gott leistet sich die Schwäche, seine Macht in dieser Welt letzten Endes von unserer Barmherzigkeit abhängig zu machen, die wir in der Nachfolge Jesu Christi unseren Mitmenschen erweisen.

Wer sich an seinem Weg orientiert, dem geht ein Licht auf, das ihm den Weg weist und das andere in diesen Lichtkreis mit hineinzieht. Da wird Rose Ausländers Traum wahr, da wird unser Herz zu einem kleinen Stern, der die Erde beleuchtet.
Amen.

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 8, 9 von Winfried Klotz

Predigt zu 2. Korinther 8, 9 von Winfried Klotz
8,9

Luther
Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet. Mt 8,20; Phil 2,7

Gute Nachricht Bibel
Ihr wisst ja, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe für euch getan hat. Er war reich und wurde für euch arm; denn er wollte euch durch seine Armut reich machen.

Liebe weihnachtliche Gemeinde!

Sie kennen vielleicht auch Geschichten von verarmten Lottogewinnern. Im Internet fand ich folgende Geschichte, die ich Ihnen kurz nacherzählen will:

1956 gewann ein Walter K. 500 000 DM beim Berliner Zahlenlotto. Das war sehr viel Geld zu jener Zeit, vor allem für jemanden,. Der bisher mit Schnürsenkeln und Bürsten gehandelt hat. Was machte Walter K. mit dem vielen Geld? Er kaufte ein Haus, mehrere Autos, heiratete seine Freundin und machte ein riesiges Fest daraus.

Walter K. verteilte auch einiges Geld an Menschen in seiner Umgebung, die sich als arm ausgaben. Dann machte er ein Hotel auf, das aber ganz schlecht lief. Als ihm die Konzession entzogen wurde, hängte er ein Schild an die Tür: „Wegen Reichtum geschlossen.“

Das Ende vom Lied: Walter K. landete, trotz eines weiteren großen Lottogewinns, zusammen mit seiner Ehefrau in einer Obdachlosenunterkunft und arbeitete wieder als Hausierer. Soweit die Geschichte.

Erst arm, dann reich, dann wieder arm. So geht es manchmal bei uns Menschen. Wie stark ist das Streben nach Besitz, Wohlstand, Sicherheit in uns! Geld, viel Geld, scheint all das zu gewähren. Jetzt kann ich mir meinen Traum vom großen Auto erfüllen, jetzt kann ich ein Haus ganz nach meinen Wünschen bauen, jetzt kann ich ein großes Geschäft aufziehen, jetzt kann ich mir im Krankheitsfall die besten Ärzte leisten … und was sonst noch Geld ermöglichen kann.

Freiwillig arm werden? Es gibt auch dafür Beispiele, aber die Sehnsucht danach ist nicht so weit verbreitet.

Unser Bibelwort aus dem 2. Korintherbrief, es stammt aus einem Zusammenhang, in dem der Apostel Paulus um Unterstützung für die verarmten Gemeinden in Judäa wirbt, stellt uns Jesus vor Augen: „Er war reich und wurde für euch arm“, sagt Paulus.

Jesus reich? Er wurde doch in eine Handwerkerfamilie hineingeboren, hatte noch eine Menge Geschwister; als er loszog, das Reich Gottes zu predigen, da musste er nicht allzu viel aufgeben- oder?

Paulus meint es anders: Jesus wurde arm, weil er für die Menschen die himmlische Herrlichkeit aufgab und selbst ein Mensch wurde. Es ist genau das, was wir an Weihnachten feiern und was in einem Lied von Martin Luther, Ev. Gesangbuch Nr. 23, so beschrieben wird:

5. Der Sohn des Vaters, Gott von Art,
ein Gast in der Welt hier ward
und führt uns aus dem Jammertal,
macht uns zu Erben in seim Saal. Kyrieleis.

6. Er ist auf Erden kommen arm,
dass er unser sich erbarm
und in dem Himmel mache reich
und seinen lieben Engeln gleich. Kyrieleis.

Welch eine Vorstellung, für uns heute eher befremdlich: Jesus kommt von Gott! Nicht nur als jemand, den Gott berufen hat, so wie wir es von Propheten kennen, sondern als der, der seinen Ursprung in der himmlischen Wirklichkeit Gottes hat, - und der trotzdem nicht als Gott, sondern als wahrer, wirklicher Mensch über diese Erde geht. Welch ein eigentlich unüberbrückbarer Gegensatz: Gott wird Mensch! Das, gerade das, feiern wir an Weihnachten! Wir bekennen es doch bei jedem Sprechen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses: „Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.“ Matthäus und Lukas bezeugen es; im 1.Kapitel des Matthäusevangeliums heißt es:

„Während er (Josef) noch hin und her überlegte, erschien ihm im Traum der Engel des Herrn und sagte zu ihm: »Josef, du Nachkomme Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen! Denn das Kind, das sie erwartet, kommt vom Geist Gottes.“

Warum tun wir uns so schwer damit zu glauben und zu bekennen: Jesus kommt von Gott? Weil Gott und der Himmel so fern gerückt sind, unwirklich, undenkbar, weil nicht mit unserer irdischen Welt durch uns zu verknüpfen? Wir werden in diese Welt geboren und sterben eines Tages, darüber hinaus gibt es nichts, so meinen manche.

Die Bibel hat einen anderen, weit größeren Horizont und das nicht, weil sie ein Sagen – und Märchenbuch ist. Sie berichtet von Gott, weil er geredet und gehandelt hat in der Geschichte des Volkes Israel, die auf den Messias Jesus zuläuft. Daraus wird erkennbar: Gott ist – positiv – nur zu denken, weil er sich offenbart hat. Schauen wir auf Gottes Offenbarung in Jesus merken wir, Gottes Wirklichkeit ist nicht jenseitig, sondern ganz im Diesseits, wenn es Gott so gefällt. Wie anders können wir die Geschichte von der Verklärung Jesu verstehen als das hier ein kleines Stück Himmel im Diesseits aufleuchtet?

Gottes Himmel ist nicht fern; er ist nicht das Jenseits, über das wir spekulieren. Er ist das ganz Andere, das sich uns öffnet, wenn es Gott gefällt. In Jesus hat es Gott gefallen uns seinen Himmel aufzutun und zwar nicht dazu, damit wir dahinein schauen, sondern dahinein kommen. Uns geht es so, wie den Jüngern, die bei der erschreckenden Stimme Gottes zu Boden fallen und dann, als Jesus sie anrührt und aufrichtet, nur noch ihn allein sehen. Auf Jesus, den Menschen Jesus von Nazareth sehen, und in ihm den erkennen, der von Gott kommt, in dem Gott Mensch geworden ist, in dem, wie es der Hebräerbrief sagt, ‚die ganze Herrlichkeit Gottes aufleuchtet und Gott sein innerstes Wesen sichtbar gemacht hat‘, (Hebr. 1, 3a) das ist unsere Rettung, unser Heil, unser Glück und unsere Zukunft.

„Ihr wisst ja, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe für euch getan hat. Er war reich und wurde für euch arm“, so noch einmal der erste Teil unseres Predigttextes. Mit „ihr wisst“, deutet Paulus an, dass dieses Bekenntnis Allgemeingut der christlichen Gemeinde ist. Das ist Grundüberzeugung, nicht esoterisches Spezialwissen weniger. Das ist Gottes Gnade in Jesus, das ist sein Liebesdienst für uns, dass er Gottes Herrlichkeit verlies und Mensch wurde, Kind in der Ärmlichkeit des Stalles und schrecklich leidender Mann am Kreuz. Der reich war, wurde arm – für uns! „Denn er wollte euch durch seine Armut reich machen.“

Das klingt für unsere Ohren auch widersprüchlich: Ein Armer kann doch andere Arme nicht reich machen! Franz von Assisi hat das schon gekonnt: Die, die sich ihm anschlossen, wurden durch seine Armut nicht materiell, aber doch geistlich reich. Bei Jesus ist es noch grundsätzlicher: In IHM wurde Gott Mensch und Gottes Reich, seine Heils-Absicht mit uns Menschen und seine Ziele mit dieser Welt sichtbar. In Jesu Worten und Taten macht sich Gott in einer Weise verständlich, die alles Bisherige übertrifft. Die Elenden, Gottfernen, Hoffnungslosen und Kranken finden den rettenden Gott, die Stolzen, Unbarmherzigen scheitern an IHM. Denn auch in seinem Menschsein ist Jesus Ort der Gegenwart Gottes.

„Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf dem Menschensohn“, sagt Jesus im Johannesevangelium, Kapitel 1 (Joh. 1, 51).

In Jesus wurde Gott arm, niedrig und gering, so erzählen es die Geschichten von seiner Geburt. Er gab seine Macht auf und stieg so tief hinab, dass er sich am Kreuz als Verbrecher hinrichten lies. So ist Jesus Ort der Sühne, der Versöhnung mit Gott geworden. Das alles ist geschehen, damit wir durch seine Armut reich würden. Reich? Wie macht Jesus denn reich?

Ich habe den Weg Jesu nachgezeichnet, attraktiv scheint dieser Weg nicht. Wer mag sich auf diesen armen und machtlosen Sohn Gottes einlassen, wer ihm folgen? Jesus folgen macht reich für Gott, aber nicht reich in dieser Welt. IHM folgen ist manchmal ein Kampf und eben nicht der schnellste Weg zum irdischen Glück. Es bedeutet immer auch ein loslassen, verlassen, aufgeben. Es muss nicht irdischer Besitz sein, wie bei Franz von Assisi, aber doch alles, was mich hindert Jesus zu folgen. Alles, was verhindert, dass seine Güte in meinem Leben in Familie, Beruf, Nachbarschaft sichtbar wird. ABER, ich schreibe dieses ABER bewusst mit großen Buchstaben, wer in der Spur von Jesus geht steht nicht nur in einem Kampf, sondern erfährt Gottes Reichtum, seine Freude und seinen Frieden und lebt in einer großen Hoffnung, die niemand sonst geben kann. Ich schließe mit einem Gebet:

„Herr Gott, himmlischer Vater, der du durch die lieben Engel den armen Hirten auf dem Felde hast verkündigen lassen, sie sollen sich nicht fürchten, sondern freuen, dass Christus der Heiland geboren ist, wir bitten dich, du wollest durch deinen heiligen Geist alle Furcht aus unseren Herzen treiben und diese wahre, rechte Freude in uns erwecken.

Und wenn wir gleich hier auf Erden verachtet, elend, arm und verlassen sind, wir uns doch trösten und freuen, dass wir deinen lieben Sohn, Christum unsern Herrn, zum Heiland haben,
der um unsertwillen Mensch geworden ist, dass er uns wider Tod und alles Unglück helfen
und uns in alle Ewigkeit selig machen wolle. Amen” (Kühner, digitale Ausgabe 973)

 

Perikope

Arm oder reich? - Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Stefan Knobloch

Arm oder reich? - Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Stefan Knobloch
8,9

Arm oder reich?

Ohne Geschenke – kein Weihnachten! Ohne Geschenke – kein Heiliger Abend! Manche sehen darin eine Kommerzialisierung und Materialisierung des Weihnachtsfestes, seine Verflachung und Überlagerung von fremden Interessen. Gewiss, alles hat seine zwei Seiten. Man darf aber die positive Seite daran nicht übersehen. Geschenke sind Zeichen der Aufmerksamkeit, des Dankes, der Wertschätzung und Zuwendung. In ihnen durchbrechen wir die alltäglichen Gedankenlosigkeiten, die verweigerten Aufmerksamkeiten, die unterlassenen Gefälligkeiten bis hin zu Verletzungen. In Geschenken zeigen wir, dass wir auch anders können, dass wir anders wollen, dass wir auch anders sind.

Und das greift in der vorweihnachtlichen Zeit weiter aus. Man denke an die Hilfsbereitschaft so vieler Menschen. Sie fühlen sich angesprochen und berührt von der Not von Kindern, von kranken Kindern, von allen Formen weltweiter Not. Die Solidarität ist groß in unserem Land. Das erinnert an die Hilfsaktionen, die die ersten hellenistischen christlichen Gemeinden von Korinth, von Thessalonich, von Galatien für die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem, über kulturelle Gräben hinweg, auf die Beine stellten. Hauptinitiator dabei war Paulus mit seinen Mitarbeitern. Einen Widerhall dessen vernehmen wir heute am 2. Weihnachtstag aus der Lesung aus dem 2. Korintherbrief.

Nöte allenthalben
Paulus ruft die hellenistischen Gemeinden zu einer Spendenaktion für Jerusalem auf und formuliert dabei einen Satz, der eine eigenartige Dichte hat, die uns möglicherweise nicht gleich auffällt. Ihr wisst doch, sagt Paulus den Korinthern, dass euch unser Herr Jesus Christus ein Geschenk gemacht hat. Welcher Art? Euretwegen ist er, reich wie er war, arm geworden, damit ihr an jener Armut reich werdet. Also, so legt er die Schlussfolgerung nahe: Gebt auch ihr von eurem Reichtum, gebt von dem, was ihr habt. Gebt es der notleidenden Gemeinde von Jerusalem.

Wenn wir heute das Wort Jerusalem hören, dann wandern unsere Gedanken weiter nach Syrien, nach Damaskus, nach Homs, nach Aleppo. Dann haben wir die Bilder sinnloser Zerstörung vor Augen, und mitten drin verstörte Menschen, Jugendliche, Kinder. Dann sehen wir die überfüllten Flüchtlingslager im Libanon, in Jordanien, in der Türkei. Und stellen uns die in Syrien selbst umherirrenden Familien vor, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, die ums Überleben kämpfen, die verzweifelt sind.  Gewiss, international organisierte Hilfskräfte versuchen zu helfen, gewiss können wir auch selber durch Spenden helfen. Aber letztlich lähmt einen die Machtlosigkeit, die Aussichtslosigkeit, hier etwas Entscheidendes bewegen zu können.  Zusehen zu müssen, wie Menschen, nun über Jahre schon,  einem Elend ausgesetzt sind, das den Hunger und die Entbehrungen der Menschen im damaligen Jerusalem wohl weit übertrifft.

Ein Geschenk?
Von welchem Geschenk sprach Paulus, das Jesus Christus den Korinthern gemacht hat? Hat es auch eine Bedeutung für uns bewahrt? Indem wir uns dieser Frage zuwenden, vergessen wir die eben genannten Probleme nicht und flüchten wir uns vor ihnen nicht in eine wohlige Weihnachtsstimmung.
Das Geschenk, von dem Paulus spricht und an dem sich auch unser Glaube zu orientieren versucht, reicht in eine tiefere Wahrheit hinab als die Schreckensbilder und Schreckensmeldungen unserer Tage. Es ist das Geschenk der Präsenz, der Gegenwart der Liebe Gottes in seinem auferstandenen Sohn. Sagen lässt sich das leicht, aber was ist daran?

Erwägen wir die Paulusstelle. Jesus, der Herr, hat sich unsertwegen arm gemacht, er, der reich war. Diese ungewöhnliche Aussage versucht die Menschwerdung des Gottessohnes ins Wort zu fassen. Aber wie? Wurde Gott in der Menschwerdung arm? Inwiefern denn? Indem er Mensch wurde? Indem er, wie es im Prolog des Johannesevangeliums heißt, in sein Eigentum kam? Ist jemand arm, der in sein Eigentum kommt? Hier trifft das Wort arm eigentlich nicht. Zumindest ist es nur eine  Zugangsweise, die Menschwerdung des Gottessohnes zu deuten. Eine andere ist, die Menschwerdung wie das Johannesevangelium als Eingehen, als Eintreten in sein Eigentum zu deuten. Das bedeutet dann, dass die Welt, dass die Schöpfung, die nach Genesis 1 von Anfang an Werk und Eigentum Gottes ist und über der von Anfang an der Geist Gottes schwebt, in der Menschwerdung des Gottessohnes ihren eigentlichen Zielpunkt erreicht, auf den sie immer schon zustrebte. Die Welt ist der Ort, mit dem sich Gott in seinem Sohn bis ins Menschsein hinein verbunden hat.

Menschsein ist keine Armut
Wir können dafür auch sagen: Das ewige Wort ging mit seinem göttlichen Reichtum in unser Menschsein ein, damit wir begreifen, dass Menschsein keine Armut ist, sondern ein von Gott durchwirkter Reichtum, eine von Gott durchwirkte Wirklichkeit. Die vermeintliche Armut des Menschgewordenen bringt den Reichtum unserer menschlichen Existenz zum Leuchten. Reichtum ist das, Reichtum, keine Armut! Deshalb spottet es jeder Beschreibung, wenn menschliches Leben, das von Gott her, bestätigt in der Menschwerdung seines Sohnes, einen solchen Reichtum darstellt, faktisch in Dreck und Elend, in Hunger und Menschenverachtung, in Entrechtung und Unterdrückung geführt wird. Er kam in sein Eigentum. Daran sollen wir den Reichtum unseres Lebens erkennen. Und dies soll nicht bloß ein theoretischer Gedanke bleiben, den wir zu Weihnachten unter dem Christbaum neben der Krippe ablegen. Dieser Reichtum soll in unserem Leben zum Ausdruck kommen. Im Umgang von Mensch zu Mensch, von Gesellschaften zu Gesellschaften, von Völkern zu Völkern, von Staaten zu Staaten, von Kulturen zu Kulturen, von Religionen zu Religionen.

Das ist alles andere als ein Traum. Es ist der Impuls aus der Menschwerdung des Gottessohnes, in der zum Leuchten kommt, was es mit der Welt, was es mit dem Leben auf sich hat. Er ist präsent, der Auferstandene ist präsent. Sein Geist treibt uns an. Er spricht zu uns in den Ereignissen, aus den Bedürfnissen und Wünschen unseres Lebens (wie die Pastoralkonstitution Gaudium et spes 11 sagt). Wir müssen nur auf ihn hören. Unser Leben ist so wenig ein trostloser Wüstenzug wie es der Durchzug der Mose-Leute durch das Meer war. Die Wolke Gottes begleitete und rettete sie. Er begleitet auch uns.

Der Auferstandene, als Mensch in sein Eigentum gekommen, hat sich nicht wieder verflüchtigt. Er ist präsent, er ist da, wie Gott im brennenden Dornbusch da war. „Ich bin der ‚Ich-bin-da‘.“ Das ist der Grund, warum wir ihn feiern, warum wir seine Geburt feiern, warum wir Weihnachten, Ostern und Pfingsten feiern, warum wir Abendmahl bzw. Eucharistie feiern. Wir sind von seiner Gegenwart beschenkt. Aus ihr heraus sollen die Menschen aller Zeiten, aller Kulturen, soll die ganze Schöpfung ihr Leben leben. So kann Friede werden. Friede, der die Sehnsucht der Menschen, die Sehnsucht der Schöpfung ist. Im Rhythmus dieser Sehnsucht tickt die Uhr der Schöpfung, der Schöpfung als einem Werk der Liebe Gottes.

„Wir wissen,“ heißt es im Römerbrief, „dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22). Sie wird zur Gänze werden, was sie schon ist: Eigentum des Herrn. Und wir sind die Beschenkten.

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Christian Stasch

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Christian Stasch
8,9

Liebe Gemeinde,
schön kurz und knapp ist er, der für diesen 2.Weihnachtstag vorgeschlagene Predigttext, aus dem 2.Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth: „Jesus Christus, obwohl er reich ist, wurde doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Weihnachtliches Arm- und Reichsein also.
Weihnachtliches Mehrhaben oder Wenigerhaben.
In diesem Jahr, in dem wir uns über vergoldete Wasserhähne in Limburg, aber auch über die bescheidene Papst-Wohnung im Gästehaus des Vatikan gewundert haben, und merken, welche Auswirkungen das hat auf die Glaubwürdigkeit der Kirchen insgesamt.

Wie war das nun an diesem Weihnachtsfest bei uns? Uns, den Reichen, Halbreichen, Na-es-geht-so-Reichen, im Weltmaßstab aber allemal Reichen? Wie war es: Haben Sie sich etwas extra leisten können, oder mussten Sie ganz schön rumknapsen?
Gab es vor ein paar Wochen Weihnachtsgeld? Hat es ausgereicht?

Unterhalten sich drei, was sie mit ihrem Weihnachtsgeld gemacht haben:
Prahlt der erste: Mit meinem Weihnachtsgeld hab ich meiner Frau einen Gebrauchtwagen gekauft, und von dem Rest wird es noch ein neues Sofa geben.
Genauso laut der Zweite: Ich hab mit dem Weihnachtsgeld dies Jahr unseren Swimmingpool sanieren lassen und von dem Rest machen wir Silvester noch eine Städtereise.
Stiller der Dritte: Ja also ich hab mir vom Weihnachtsgeld … einen Pulli gekauft.
Und der Rest?
Den Rest hat meine Mutter dazugegeben.


Weihnachtliches Reichsein.
Am Fest selbst, dem Heiligabend und den beiden Feiertagen.
Geschenke, inzwischen fast alle ausgepackt.
Teure, preiswerte, selbstgemachte Geschenke.
Werte wurden hin und her hergeschoben.
Das hat etwas von Tauschgeschäft.
Manchmal bin ich ganz beschämt: „Ich hab hier so was Kleines für dich und du schenkst mir so was Riesiges.“
Blöd so zu denken, aber es passiert eben doch.

Manche sagen: „Ihr müsst mir nichts schenken, ich hab doch schon alles.“ Für sie also ist das entscheidende Geschenk wohl das Zusammensein, das Besuchen oder Besucht werden, dieses familiäre Gefühl von „Nur zusammen sind wir stark“, auch die Weihnachtspost, die man liest, die Kontakte, die aufleuchten.     
Weihnachten zeigt etwas von Beziehungsreichtum.

Aber auch Beziehungsarmut zeigt sich an Weihnachten unverblümt: War die Weihnachtsfeier mit den Kollegen schön und leicht, oder ein humorloser Pflichttermin?
Oder: „Letztes Jahr hatten wir mehr Weihnachtspost, stimmt´s?  Das nimmt ganz schön ab.“
Oder: „Seit meiner Scheidung darf ich die Kinder zu Weihnachten nur am 2.Feiertag bei mir haben.“

Weihnachtliches Arm- und Reichsein:
Vor dem Kaufhof in Hannover saßen auch in diesem Jahr wieder die, die nichts haben oder wenig haben.
Sie betteln.
Die emsigen Weihnachtseinkäufer mit schweren Tüten gehen an ihnen vorbei.
Einige geben etwas, einen Euro vielleicht - und diese Münzen sind dann für die Bettler „Weihnachtsgeld“-  einige geben dazu sogar ein, zwei freundliche Worte, und einige huschen nur vorbei, den Blick woanders hin – denken sich vielleicht ihren Teil, vielleicht so wie ich es mal auf einem Autoaufkleber gelesen habe: „Eure Armut kotzt mich an.“ Arroganter geht es kaum.

Arm und reich, wir kommen aus diesem Zwiespalt nicht heraus, nicht im Blick auf unser Land und schon gar nicht mit Blick auf viele benachteiligte Gegenden der Welt.
Daher, ganz zu Recht, die weihnachtlichen Aufrufe zu Spenden, etwa für Brot-für-die-Welt.

„Jesus wurde arm um euretwillen“, schreibt Paulus. Und die, die seinen Brief lesen, in Korinth oder in Winzlar, merken sofort: „Wenn Jesus arm wurde für uns, dann geht uns die Armut und materielle Not anderer auch etwas an.“


Weihnachtliches Armsein von Jesus:
„Das Kind in der Krippe“.
Sicherlich das bekannteste biblische Weihnachtsmotiv überhaupt (und übrigens nur vom Evangelisten Lukas so gestaltet).
„Da liegt es das Kindlein auf Heu und auf Stroh, Maria und Josef betrachten es froh“.
Geburt im Notquartier, weil kein Raum in der Herberege da war.
So wird es erzählt.
Geburt unterwegs, weil die Volkszählung zu einem großen Menschengewusel führte.
Krippe statt Bett.
Das wünscht man keinem.
Und doch wurden und werden Kinder auch so geboren:
1945 mitten auf der Flucht.
2013 auf den Philippinnen, in Syrien, im Libanon.
Solidarischer Jesus.
Der von Geburt an das Schicksal der Ärmsten kennt und teilt.
Dazu passt, dass Jesus später kein eigenes Einkommen haben wird, auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein wird (wie die, die in Hannover vor dem Kaufhof stehen), und bei seinem predigenden Herumziehen sich und seinen Begleitern strenge Auflagen bezüglich des Handgepäcks macht: „Beschafft euch kein Reisegeld, weder Goldstücke noch Silber oder Kupfer. Besorgt euch auch keine Vorratstasche, kein zweites Hemd, keine Schuhe und keinen Wanderstock.“ Ob manche über ihn wohl die Nase rümpfen: Deine Armut kotzt mich an?

Deine Armut – na ja, sie befremdet mich zumindest, ist mir peinlich, ich bin ganz beschämt.
So scheinen es manche Dichter von Weihnachtsliedern wohl empfunden zu haben, mit Blick auf diese ausgesprochen schlichte Geburt im Stall.
„O dass doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen.
Für edle Kinder großer Herrn gehören goldne Wiegen.
Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht,
Samt, Seide, Purpur wären recht,
dies Kindlein drauf zu legen.“ (EG 37,6)

Das Göttliche, Erhabene, Majestätische (so wie wir uns Gott vorstellen) – das ist alles weg, oder zumindest verborgen.
Der Mensch Jesus macht keinen Gebrauch davon.
Armseliger Gottessohn,
Auf die Erde gekommener, runtergekommener Gott.
Und wozu?
Eine Strophe des Liedes „Vom Himmel hoch“ gibt darauf diese Antwort:
„Das hat also gefallen dir, die Wahrheit anzuzeigen mir,
wie aller Welt, Macht, Ehr und Gut vor dir nichts gilt, nichts hilft noch tut.“

Was heißt das für uns Weihnachtsfeiernde?
Wir feiern ja, egal wie es unser Geldbeutel erlaubt, durchaus zünftig.
Wir essen und trinken auch heute noch mal so richtig gut,
der Kühlschrank ist noch einigermaßen voll,
wir haben uns noch mal was Schönes angezogen,
haben vielleicht Gäste.
All das gehört schließlich zu einem Fest dazu.

Aber wir wissen, vielleicht am 2.Feiertag mehr noch als am turbulenten Heiligabend,
auch um das, was uns mit begleitet,
das, was wir kaum abschütteln können:
unsere Phasen von Ratlosigkeit,
oder Ohnmacht,
dies Gefühl: „Es wird mir alles zu viel“,
das Wissen um Menschen, mit denen es „immer so schwierig“ ist.
Oft leben wir nicht relaxed von feinen Kühlschrank-Delikatessen,
sondern eher von der Hand in den Mund.

„Jesus Christus, obwohl er reich ist, wurde doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“
Ich Armer – reich durch ihn. Du Armer – reich durch ihn.
Innerlich reich bist du,
indem dein Vertrauen und Gottvertrauen gestärkt wird.
Innerlich reich bist du, indem dir neu klar wird: irgendwie ist das Leben sinnvoll und wird  gut ausgehen.
Innerlich reich bist du, indem du in dieser fulminanten Idee bestärkt wirst: das entscheidende Grundprinzip des Lebens ist Liebe.
Solche Art Reichtum schenkt der heruntergekommene Jesus,
und das wird nicht mit der Höhe des Weihnachtsgeldes verrechnet.

Amen. 
 

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Werner Klän

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Werner Klän
8,9

„Ihr kennt die Gnade unseres Herr Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

Liebe Schwestern in Christus, liebe Brüder im Herrn!

A ]          Jesus Christus verarmt, um uns zu bereichern. Ein reicher Gott, der unsere Armut teilt; ein armer Jesus, der seinen Reichtum mit uns teilt: Das heißt „Gottes Gnade“. Ein hilfsbereiter Beistand, der uns aufrichtet; ein einsatzwilliger Freund, der uns vermögend macht: Das meint „Gottes Gunst“. Ein Gott, der nicht auf Abstand hält, sondern unsere Nähe sucht; ein Jesus, den es nicht im Himmel hält, der vielmehr mit uns Gemeinschaft pflegt: Das sagt „Gottes Güte“. Ein göttlicher Helfer, der sich zu uns herab begibt, ohne herablassend zu sein; ein himmlischer Befreier, der sich selbst aufs Spiel setzt, damit wir gewinnen; das ist der Kern der Weihnachtsbotschaft: „Gott wird Mensch, dir, Mensch, zugute!“ Aber was bedeutet es, dass wir arm sind? Was heißt es, dass der reiche Jesus arm wird? Was will es besagen, dass wir reich geworden sind? Dem wollen wir heute nachsinnen, indem wir folgendes betrachten: 1. Weihnachten zeigt uns unsere bedürftige Armut. 2. Weihnachten offenbart uns Jesu bereichernde Armut. 3. Weihnachten schenkt uns erstaunlichen Reichtum.

B 1]        Weihnachten zeigt uns unsere bedürftige Armut.

Haben wir denn nicht alles? Geht es uns nicht gut? Bei den allermeisten von uns werden die Gabentische reich gedeckt gewesen sein, Teller, Töpfe, Terrinen wohl gefüllt. Viele Geschenke werden in bereits volle Häuser gebracht worden sein, weil alles Nötige im Haushalt, im Büro, im Regal, im Kleiderschrank schon längst vorhanden war. Die Nachricht, dass auch in unserem Land jeder Fünfte von Armut bedroht ist, bleibt den meisten von uns eher fern; zumeist sind wir selbst nicht unmittelbar betroffen, auch wenn sie uns für einen Augenblick betroffen machen mag. Wir haben noch Teil an der Wohlfahrt unseres Landes und genießen unsern Wohlstand. Und ich denke mir, dass mach einer unter uns, oft ohne viel Aufhebens davon zu machen, von seinem Überfluss auch abgibt und teilt. Das Spendenaufkommen anlässlich entsprechender Galas im Fernsehen spricht für solche Vermutung. Nein, an irdischen Gütern fehlt es uns nicht. Wir sind gut versorgt, haben meist auch fürs Alter ordentlich vorsorgen können. Dass es nicht wenigen anders gehen mag, ist eher eine ferne Wirklichkeit. Andere mögen auf Unterstützung angewiesen sein, auf die „Tafeln“, die unverkaufte Lebensmittel verteilen, auf die Kleiderspenden, die man sich im „Anzieh-Eck“ abholen kann, auf Gaben aus den Sondersammlungen für die Opfer von Naturkatastrophen und Geld aus dem Aufkommen der vielfältigen Spendenaufrufe, die uns in den letzten Wochen ins Haus geflattert sind. Und wir geben unsern Teil dazu. Uns fehlt es doch an nichts!? Wir haben doch übergenug!? Was soll da die Rede von „bedürftiger Armut“?

Doch auch bei vollen Schränken kann das Leben leer sein. Auch bei gefüllten Tellern kann die Seele hungrig sein. Bei allem geschäftigen Treiben kann das Herz einsam sein. Und bei äußerlicher Fröhlichkeit kann das Gemüt traurig sein. Gerade zu Weihnachten spüren viele Menschen diese Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Festtage besonders deutlich. Erwartungen an einen friedlichen Verlauf der Feiertage werden enttäuscht von Einkaufs-, Back-, Koch- und Geschenke-Besorge-Stress. Hoffnungen auf Gemeinschaft in der Familie werden zunichte, weil alter Streit aufbricht. Sehnsucht nach Tagen der Ruhe erstickt unter Sorgen um die Gesundheit lieber Menschen, um die Zukunft der Kinder, um das Geschick der Eltern und ihre Versorgung. Bedürftige Wesen sind wir Menschen allemal: Ein erfülltes Leben wünschen wir uns, eine beruhigte Zufriedenheit auch. Eine erfüllende Gemeinschaft suchen wir, ein getröstetes Gemüt brauchen wir. Tief empfundene Verletzungen mögen heilen, und krank machenden Ärger möchten wir hinter uns lassen. Sorgen, auch und gerade die berechtigten, sollten möglichst schwinden oder sich als gegenstandslos erweisen. Innere Unruhe und Friedlosigkeit sollten weichen und einem wirklichen Seelenfrieden Platz machen, Auseinandersetzungen in der Verwandtschaft, mit Mitarbeitern durch befriedete Verhältnisse abgelöst werden. Es fehlt an vielem; bedürftige Wesen sind wir Menschen allemal.

Diese Bedürfnisse verweisen aber noch auf etwas anderes, eine tiefer liegende Armut und Not: Wir kranken an einem gestörten Verhältnis zu Gott; uns mangelt echte Beziehungsfähigkeit, was Gott betrifft; wir leiden, wenn wir auf uns selbst schauen, an mangelnder Erfüllung unseres Menschseins. Wir bleiben ja, so, wie wir sind, weit hinter dem zurück, was Gott von uns erwartet. Wir entsprechen bei weitem nicht dem Bild, das Gott von uns hatte, als er uns schuf. Es fehlt uns an Unschuld, es mangelt an Vollkommenheit. In vieler Hinsicht sind wir allzu sehr mit uns selbst beschäftigt, kreisen um uns selbst, sind nicht auf Gott gerichtet. Die Verbindung zu Gott ist abgerissen. Das Gespräch mit Gott ist unterbrochen, verstummt. Das ist unser Mangel: Wir sind, wie wir sind, mit Gott nicht im Reinen. Und wir sind, was uns selbst angeht, nicht in der Lage, mit Gott in Verbindung zu treten, um diesem Mangel abzuhelfen. Indem Gott zur Weihnacht selbst zu uns kommt, wird erst recht offenkundig, wie bedürftig, wie arm wir in Wirklichkeit sind.

B 2]        Weihnachten offenbart uns Jesu bereichernde Armut.

Die Armut des Jesuskindes ist mit Händen zu greifen. In unsern Weihnachtsliedern wird sie vielfach besungen. Doch die bekannten, geliebten Worte und Melodien verstellen uns oft den Blick auf die Härte seiner Lage, auf das Elend, in dem er sich befindet. Unterwegs kommt dieses Kind zur Welt, nicht in einem Zuhause, in fremder Umgebung. Nachts wird er geboren, im Dunkel eines Stalles und in der Finsternis einer Höhle, fernab von jeder sauberen Umgebung. Geordnete Verhältnisse kann man seine Familie auch nicht unbedingt nennen, zumindest oberflächlich betrachtet. Damit nicht genug: Bald ist der Säugling mit Maria und Josef auf der Flucht, weil sein Leben bedroht ist von den Mördertruppen und dem Vernichtungswillen des Königs Herodes.

Die Welt, in die Jesus hineingeboren wird, gleicht eher der hoffnungslosen Wirklichkeit von Flüchtlingen in Syrien, der ausweglosen Lage in den Lagern der benachbarten Ländern, oder den Baracken für die afrikanischen Bootsmenschen auf der Insel Lampedusa im Mittelmeer, weit mehr als unseren heimeligen Wohnzimmern. Es ist kalt, es zieht, es ist nicht gesund, es ist gefährlich, wo Jesus sich einfindet auf unserer Erde.

Aber so wehrlos, so machtlos, so hilflos teilt er unser Menschenschicksal. Ein fast unsagbares Elend kennzeichnet diesen Anfang. „Er äußert sich all seiner Gewalt, wird niedrig und gering“, singen wir mit der Christenheit. Jesus verzichtet auf alle Macht. So an den Rand gedrängt, so von der Gesellschaft ausgeschlossen, fängt sein Erdenweg bei uns an. Eine große Härte liegt über diesem Beginn. Jesus nimmt das in Kauf. „Er liegt dort elend, nackt und bloß in einem Krippelein“, stimmen wir ein. So armselig, so niedrig, so vorbehaltlos nähert Jesus sich uns. Eine kaum zu beschreibende Ärmlichkeit überschattet diesen Beginn. „Dein König kommt in niederen Hüllen“, singen wir. Jesus schreckt das nicht ab: „Ach Herr, du Schöpfer aller Ding, wie bist du worden so gering…“.

In alledem zeigt sich, dass Jesus Christus, Gottes ewiger Sohn, sich ganz in diese Welt hineinbegibt; er scheut nicht die Gegenden, wo sie am dunkelsten ist. Schon an seiner Geburt wird erkennbar, wie er sich ganz und gar mit unserm Menschenschicksal gemein macht; er schrickt nicht vor der Wirklichkeit zurück, wo es am schwersten ist. Schon an seinem ersten Erdentag wird deutlich, dass er ganz einer von uns wird, sich mit uns auf eine Stufe stellt, sich uns ganz gleich macht; ihn schaudert nicht vor unserer Not. Und da wir seinen Lebensweg auf Erden kennen, wissen wir, dass es so bleiben wird bis ans Kreuz, bis ins Grab. „Du hast dich bei uns eingestellt, an unserer Statt zu leiden“, singt die Kirche. Ihm, unserem Gottesbruder, ist wahrhaft nichts Menschliches fremd.

Doch gerade so will er bei uns sein; so will er uns nahe sein; so will er uns helfen. Nicht nur, dass Gott in Jesus uns nahekommt, um uns nahe zu sein. Nicht nur, dass Gottes ewiger Sohn in unsere Bedürftigkeit eintaucht, um sie zu teilen. Nicht nur, dass der Messias Israels und Heiland der Welt sich unserer Ärmlichkeit, Armut und Armseligkeit annimmt, damit wir darin nicht allein sind. Gewiss tut er das auch, damit wir nicht verlassen und verloren sind. Schon das ist bereichernd für uns in unserer Einsamkeit, in unsern Sorgen, in unserer Hinfälligkeit, in unserer Angst.

Zugleich aber sucht er unsere Nähe, um unser Unglück und Leid, unsern Kummer und Jammer, unsere Last und Not von uns zu nehmen. Indem Jesus zur Welt kommt, indem Jesus zu uns kommt, ändert sich nämlich unsere Lage gründlich. Denn der arme Jesus nimmt sich so unser an, dass er uns annimmt. Der arme Jesus wendet sich uns zu, um unser Geschick zu wenden. Der arme Jesus bringt uns Gottes Freundlichkeit und Warmherzigkeit, trägt in sich Gottes Güte und Barmherzigkeit: Jesus Christus, Gottes Sohn, bringt uns Gott nahe. Willst du von Gott etwas wissen, dann wirf einen Blick auf das Kind in der Krippe; willst du Gott erfahren, dann schau auf das Windelbündel im Stall zu Bethlehem.

B 3]        Weihnachten schenkt uns erstaunlichen Reichtum.

Jesus bringt uns Gott. Damit erst bereichert er uns wirklich. Jesus Christus, Gottes Wort in Person, sagt, zeigt und vermittelt uns, wie Gott zu uns steht. Er macht sich auf den Weg zu uns, die wir den Weg zu ihm nicht wissen. Er sucht die Verbindung mit uns, die wir ihm fernstehen. Er tritt in eine echte Beziehungsarbeit mit uns ein, die wir, was Gott betrifft, oft beziehungslos dahinleben. Er trägt Gott in diese Welt hinein, die gottvergessen ihren Gang geht, im alten gott-losen Trott dahintrabt.  Er beendet unsere Gottverlassenheit. Denn in ihm ist Gott selbst gegenwärtig, zu sehen, zu hören, zu greifen, zu spüren, zu haben. Wenn nun Gott freundlich, menschlich zu uns kommt, dann wird es im Dunkel unseres Lebens hell. Wenn nun Gott versöhnungsbereit, friedfertig auf uns zukommt, dann wird es in der Kälte dieser Welt warm. Wenn Gott trostreich, hilfreich bei uns ist, dann fassen wir neuen Mut. Wenn Gott uns warmherzig, barmherzig, liebevoll in seine Arme schließt, dann werden wir neu lebendig.

In Jesus Christus wird das alles wirklich, ist all das wahr. Denn in ihm sind Gott und Mensch nun eins. In ihm ist Gott mit seinen Menschen versöhnt. In ihm ist das Verhältnis zwischen Gott und seinen Geschöpfen befriedet. In ihm ist die Feindschaft zwischen Mensch und Gott beseitigt, der Krieg zwischen der Menschenwelt und Gottes Welt beendet. Denn in ihm, Jesus Christus, sind der ewige Gott und die todverfallene Menschheit geeint, nun auf ewig geeint. Und in Ihm, durch ihn, mit ihm wird alles, was Gott ist und hat, uns angeboten, dargereicht, ausgeteilt und mitgeteilt. Gott hat viel für uns übrig. Er lässt uns alles zukommen, was wir brauchen, um mit ihm in Einklang zu leben. Er lässt uns an allem teilhaben, was wir benötigen, damit unser Leben gelingt. Er stellt uns alles zur Verfügung, was uns fehlt, damit wir vor Gott bestehen. In Jesus ist und alles gegeben, dessen wir bedürfen, um bei Gott bleiben zu können. Von Jesus Christus, in unserm Gottesbruder, wie er in der Krippe liegt, sind wir überreich beschenkt. Er bringt uns Gott.

Und er bringt uns zu Gott; damit macht er uns wahrhaftig reich. Denn er nimmt alles fort, was uns den Weg zu Gott verstellt. Er nimmt uns alles ab, was uns am Zugang  zu Gottes Liebe hindert. Er bricht die Mauern, die uns von Gott trennten, nieder; so erschließt er uns den Zugang zu Gott. Er reißt die Wälle, die uns gegen Gott abschotten, ein; so ebnet er uns Wege zu Gottes Herz. Er überbrückt den garstigen Graben, der uns von Gott scheidet; so eröffnet er uns neue Möglichkeiten der Begegnung mit Gott. Er stellt die Verbindung wieder her, die abgerissen war zwischen uns und Gott; so sind wir neu mit Gott verbunden. Er heilt die zerbrochene Beziehung zwischen uns und Gott; nun ist Gott wieder erreichbar für uns. Er tritt mit uns ins Gespräch ein; nun ist Gott wieder ansprechbar für uns. Er räumt alle Hindernisse aus; so können wir zu Gott kommen. Er verschafft uns freie Bahn; so können wir bei Gott landen. Er macht einen neuen Anfang mit uns; so wird die Härte unseres Herzens erweicht, und wir können einen Neubeginn wagen. Er bringt uns zu Gott.

C]           Das alles macht uns unermesslich reich. Wenn nämlich, und weil Gott die alles entscheidende Größe ist, hängt alles davon ab, wie er zu uns steht. Wenn dann aber, und weil Gott in Jesus Christus uns alles gibt, was er hat und ist, dann fehlt uns nichts. Und wenn dann noch, und weil mit Jesus Gott in unser Leben tritt, dann mangelt es uns an nichts. Wenn dann schließlich Jesus Christus in unser Herz einzieht, dann haben wir alles, was wir zum Leben, zum Überleben und zum ewigen Leben brauchen. Denn wir benötigen nichts weiter als Gottes liebevolle, heilvolle, gnadenvolle Gegenwart, die uns im Kind in der Krippe geschenkt ist.                                                                                      Amen.

Perikope

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Reinhard Brandt

Predigt zu 2. Korinther 8,9 von Reinhard Brandt
8,9

Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus:
obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen,
damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Liebe Gemeinde,

Bis in den Satzbau hinein ist das ein wunderbarer, toller Vers:

„Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“. Ihr kennt, ihr wisst - das heißt: Ich als Pfarrer brauche das nicht erst zu erklären. Ihr habt von der Gnade Christi schon gehört, in den Weihnachtspredigten der letzten Tage oder in einem früheren Jahr, oder zu Ostern oder bei anderer Gelegenheit viele Jesus-Geschichten. Ihr wisst davon.

Mehr als ein Wissen ist da gemeint. Im griechischen Urtext des Briefes steht ein Wort, das auch in anderem Zusammenhang verwandt wird: „erkennen“. Adam erkannte seine Frau Eva und sie gebar ihm einen Sohn. Gemeint ist also kein theoretisches Wissen, nicht nur ein Erkennen mit dem Kopf, sondern ein Erkennen mit Leib und Seele, in intensiver Zuwendung, schwanger gehen mit einer Erkenntnis, sie wird fruchtbar im Leben. „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“.

Weiter im Text: Worin besteht die Gnade, die ihr erkannt habt? Darin, dass Jesus Christus „arm wurde um euretwillen, obwohl er reich war“. Um euer Bruder, um euch gleich zu werden, verzichtete er auf seinen Reichtum und wurde arm.

Und was ist das Ziel dieses Geschehens, in dem Jesus Christus auf seinen Reichtum verzichtet? Auch das wird im selben Satz noch angegeben: „damit ihr durch die Armut Christi reich würdet“. Christus ist arm geworden, damit wir Christen Reichtum und Gnade bei Gott erben, Reichtum und Heil und Segen.

Mit diesem einen Satz fasst Paulus die Weihnachtsgeschichte zusammen. In seinen Briefen gibt es keine Erzählung von Maria und Joseph, Ochs und Esel, Hirten und Königen. Paulus ist vielmehr daran interessiert, was das Heilsgeschehen für uns bedeutet. Eine Zusammenfassung dessen ist unser Vers:

„Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

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Ein toller Bibelvers; und doch weiß ich nicht, wie es Ihnen mit diesem Satz des Apostels Paulus geht. Es ist - eben eine Zusammenfassung: richtig, schön, aber nicht gerade aufregend. Kein Satz, der von Leben strotzen würde. Dass dies für die Praxis des Christenlebens etwas bedeuten könnte, liegt nicht gerade auf der Hand.

Konfirmanden beschweren sich gelegentlich, in der Predigt sei zu wenig Action - ich frage daher Euch: Gilt das für die Zusammenfassung des Paulus nicht ganz besonders?

Eine Beobachtung allerdings kann einen stutzig machen: Am Anfang des Satzes steht ein „denn“: „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“. Der ganze schöne Vers von der Armut Christi und von unserem Reichtum soll also etwas begründen. - Was?

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Wenn wir den Zusammenhang des frommen Verses lesen, bleibt es zwar fromm, wird aber materiell. Es geht um einen Aufruf, Geld zu sammeln.

Vielleicht war das 8. Kapitel des 2. Korintherbriefes ursprünglich ein eigener kurzer Brief. Auf jeden Fall hat das Kapitel ein eigenes Thema: Eine Sammlung für die verarmte Urgemeinde in Jerusalem. Von dort war die Verkündigung des Evangeliums einst ausgegangen. Jetzt sollten sich alle christlichen Gemeinden erkenntlich zeigen mit dieser Sammlung für die armen Christen in Jerusalem: Erstens als materielle Hilfe und zweitens als geistliche Dankbarkeit.

Paulus berichtet den Korinthern in diesem kurzen Schreiben, wie die Sammlung in Nordgriechenland Fortschritte macht: obwohl die Gemeinden dort arm sind, haben sie ausdrücklich gebeten, mitmachen zu dürfen. Dann appelliert er an die Korinther: „Ihr seid ja in allen Stücken reich: im Glauben und in der Theologie und in eurem Eifer und in der Liebe. So bemüht euch nun, dass ihr auch in diesem Liebeswerk reich werdet.“

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Paulus weiß wohl, dass die Geldbettelei in der Kirche eine gefährliche Gratwanderung ist: Einerseits ist die Hilfe für die, denen sie zugute kommen soll, dringend nötig; andererseits soll die Hilfe freiwillig, ungezwungen gegeben werden; wiederum andererseits muss der Glaube in der einen oder anderen Weise Frucht bringen.

Es ist Ausdruck dieser Gratwanderung, wenn Paulus in diesem Briefabschnitt eigens betont: „Ich gebiete euch nichts; sondern weil andere so fleißig sind, prüfe ich auch eure Liebe, ob sie rechter Art sei.“ Und kurz darauf versichert er: „Ich kenne euren guten Willen und stelle ihn den anderen Gemeinden als Vorbild hin.“

In diesem Zusammenhang steht der Predigtvers, den wir vorhin für sich bedacht haben. Paulus bittet: Beteiligt euch an der Sammlung und prüft eure Liebe; „denn“ (!): „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“

In diesem Zusammenhang ist die schöne Erinnerung an das Heilsgeschehen von Weihnachten keine allgemeine, langweilige Zusammenfassung mehr, sondern eine unverblümte Aufforderung zu mehr Action, nämlich zur Sammlung.

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Ich muss Ihnen gestehen, ich selbst habe Schwierigkeiten damit, um Geld zu betteln, im Gottesdienst oder zum Beispiel bei Geburtstagsbesuchen. Ich weiß zwar, dass wir als Kirchengemeinde und für die weltweite Hilfe der Kirchen alle Spenden nötig haben, ich freue mich und bin dankbar für alle Spenden, aber trotzdem scheue ich davor zurück, meinerseits allzu direkt vom Geld zu sprechen.

Doch wenn ich heute bei dem Predigttext für den Festtag heute bleiben will, dann muss ich um Geld betteln, und zwar um BROT FÜR DIE WELT. Es geht ja wahrlich nicht darum, „dass die anderen gute Tage haben sollen und ihr Not leidet“, schreibt Paulus, sondern es soll zu einem Ausgleich kommen: „Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangel ab, damit später einmal ihr Überfluss eurem Mangel abhelfen kann und so ein Ausgleich geschehe“ [13 f.].

Dabei muss ich Sie zunächst loben: Nicht nur für die Kirche und die Diakonie, sondern auch für BROT FÜR DIE WELT wird reich gespendet, in diesem Jahr bisher ### EUR, davon allein die Kollekte in den Weihnachtsgottesdiensten ### EUR.

Und doch will ich Ihnen einige Fragen stellen, damit sie sich selber prüfen können, wie groß und von welcher Art Ihre Liebe ist. Ich will die Antworten gar nicht wissen, denn nicht ich, sondern Sie sollen sich prüfen:

Wie viel haben Sie für das größte Weihnachtsgeschenk in diesem Jahr ausgegeben? Wäre halb so viel auch für die armen und hungrigen Menschen übrig?

Oft sind die Leute ja vernünftig und verzichten auf große Weihnachtsgeschenke. Doch zählen Sie einmal zusammen: Die drei kleinsten von den Kleinigkeiten, die Sie in diesem Jahr verschenkt haben! Haben Sie eine entsprechende „Kleinigkeit“ für BROT FÜR DIE WELT? Das wäre schön.

Oder umgekehrt: Über welches Geschenk haben Sie sich am meisten gefreut? Die Hälfte des Gegenwertes als Spende, oder ein Viertel, wäre daran zu denken? BROT FÜR DIE WELT-Tüten liegen bereit, Überweisungsträger bei jeder Sparkasse und Bank.

Ab morgen werden Raketen und Knaller für Silvester verkauft. Wie viel werden Sie dafür ausgeben? Wären möglicherweise 50 % davon in Brot statt Böller zu investieren?

Eine Frage an die Konfirmandinnen und Konfirmanden: 10 % vom Dezember-Taschengeld: Wie viel wäre das? Wäre das schon wieder zu viel Action für die Armen in der Welt? Zu viel Action, die der Pfarrer in der Predigt macht?

Denn, liebe junge und liebe erwachsene Gemeinde, „denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

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Witze oder eine Satire sind manchmal gefährlich, und zwar vor allem in zwei Fällen: wenn sie nicht stimmen; und wenn sie der Wahrheit zu nahe kommen.

Ich setze mich dem Risiko aus und erzähle einen Witz:

Das Flugzeug über dem Atlantik rüttelt und bockt und macht fürchterliche Geräusche. Durch das Fenster ist zu sehen, wie das linke Triebwerk brennt, sich von der Tragfläche löst und in die Tiefe trudelt. Der Kapitän meldet sich über die Sprechanlage: „Auch das rechte Triebwerk hat einen Schaden. Ein Landeplatz ist nicht in Reichweite. Ich halte das Flugzeug, solange ich kann. Kann jemand von Ihnen eine religiöse Handlung vollziehen?“

Nach einem kurzen Augenblick nimmt einer der Passagiere seinen Hut und geht sammelnd durch die Reihen.

Ich bin ich sicher, wenn Sie dabei gewesen wären in jenem Flugzeug, dann hätten Sie ein Gebet gesprochen, das Vaterunser an erster Stelle und den Segen. Vielleicht hätten Sie ein Lied angestimmt: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ oder „Christ ist erstanden“. Es gibt ja Berichte, wie aus den Flugzeugen des 11. September noch Stoßgebete mit dem Handy nach außen geschickt wurden. Es ist in vielfacher Hinsicht ein Zerrbild der Religion, das in jenem Witz gezeichnet wird.

Und doch bleibt einem bei der grotesken Situation schier die Luft weg. Sammeln gehen im abstürzenden Flugzeug! Da überlegen sie, ob sie 10 oder 50 Euro in die Kollekte legen, und 5 Minuten später sind sie alle tot, zerfetzt und untergegangen samt Hut. Sollte das Sammeln milder Gaben das Wesentliche sein, was im kulturellen Gedächtnis über den christlichen Glauben gespeichert wurde? Welcher Spiegel wird uns dabei vorgehalten: Typisch Kirche, sie will immer Geld?

Und doch: Obwohl Anlass und Tun nicht zusammenpassen, und zwar auch aus Gründen des christlichen Glaubens nicht zusammenpassen; im Prinzip macht der Witz auf eine richtige Einsicht aufmerksam. An Menschen in Not zu denken, ihnen zu helfen, auch materiell zu helfen - das ist in der Tat eine „religiöse Handlung“, wie der Flugzeugkapitän so abstrakt sagt.

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Geld zu sammeln, BROT FÜR DIE WELT, auch das gehört zu unserem christlichen Glauben. Nicht dass wir damit für uns etwas tun könnten, für Heil und Himmelreich! Nein, sondern so, dass wir anderen damit helfen und damit der Armut Christi entsprechen.

Denn!“, schreibt Paulus: „Denn ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Perikope