KONFI-IMPULS zu Apostelgeschichte 17,22-34 von Frank Zeeb
Die Geschichte soll als narratives Element ernst genommen werden, deshalb werden die eingeklammerten Elemente des Predigttextes einbezogen. Für die Konfirmandinnen und Konfirmanden sehe ich als mögliche Themenschwerpunkte:
· Die Wahrnehmung des Fremden ruft verschiedene Gefühle hervor.
· Menschen sind neugierig.
· Wer anders ist als die Mehrheit, wird oft vorgeführt.
· Was ist der wahre Gott?
In der Vorbereitung kann man z. B. folgende Schritte gehen. Ich setze dabei voraus, dass die Jugendlichen am Ende der Konfirmandenzeit mit den Inhalten des christlichen Glaubens vertraut sind:
· Was ist „Kult“?
o Die Jugendlichen tragen zusammen, was sie als „Kult“ empfinden.
o Sie versuchen, eine Definition zu finden.
· Ohne was kann ich nicht leben=
o Anhand einer Bildergalerie stellen die Jugendlichen dar, was für sie unverzichtbar ist.
o In einem kurzen Gespräch wird zusammengetragen, warum diese Gegenstände, Veranstaltungen so wichtig sind. Das wird mit Luthers Definition abgeglichen „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“
· Der dritte Denkschritt fragt danach, wie Kirche sich heute präsentieren müsste, dass sie attraktiv ist. Welche Inhalte wären herauszustellen? Welche Methoden und Formen „taugen für den Marktplatz“?
Im Gottesdienst könnte man einen oder mehrerer dieser Schritte der Gemeinde darstellen.
· Das Thema „Kult“ eignet sich dazu, als Sprechmotette oder Rap dargeboten zu werden. Dazu die gefundene Definition in eine griffige und rhythmische Fassung bringen, die als Kehrvers fungiert. Die „Kultobjekte“– jeweils mit ein paar Adjektiven -- benennen. Mädchen- und Jungenstimmen gut mischen!
· Die Bildergalerie kann ausgehängt und von Jugendlichen erläutert. Evtl. kann man sie erweitern und Menschen aus der Gemeinde beteiligen.
· Die Frage nach der Präsentation von Kirche und den wichtigsten Inhalt eignet sich – wenn an dem Sonntag „Katechismusgottesdienst“ ist – zur Grundlage für eine Sprecherfolge, an der sich alle Jugendlichen beteiligen.
Mit den genannten Elementen kann man auch einen Konfirmationsgottesdienst gestalten. Dann würde ich in der Predigt hauptsächlich auf die verschiedenen Möglichkeiten legen, dem Leben Sinn zu geben, das Schwergewicht auf V. 27b+28 legen und am Schluss auf „ein andermal weiter hören“ eingehen: Wir sprechen den Jugendlichen zu, dass ihr Leben trotz allen Verlockungen und möglichen Irrwegen von Gott begleitet ist und laden sie ein, immer neu auf Gottes Wort zu hören.
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Predigt zu Apostelgeschichte 10,34-43 von Christian Stasch
Liebe Gemeinde,
1.
Was wird an Ostern gefeiert? Das wurden in einer repräsentativen Umfrage gut 1000 Menschen gefragt.
Fünf Prozent meinen, dass der Frühlingsanfang gefeiert wird.
Vier Prozent sagen, zu Ostern sei Jesus Christus zu seinem Vater zurückgekehrt.
Für die Geburt Jesu - stimmen drei Prozent,
auf die Entsendung des Heiligen Geistes tippt ein Prozent der Teilnehmer.
Neun Prozent mussten komplett passen oder machten keine Angaben.
Gut drei Viertel der Befragten (78 Prozent) wussten, was beim höchsten Fest der Christenheit gefeiert wird: die Auferstehung Jesu von den Toten. Na ja, immerhin denn doch 78 %. Das ist ja so schlecht nicht.
Hier bei uns in der Kirche werden es mehr als 78 % sein, ich nehme stark an: 100%.
Ostern, Osterglaube, Jesu Auferstehung – Sie wissen das im Grunde schon, mit diesem Wissen, mit dieser Erwartung sind Sie hier.
Ihr wisst schon… - so beginnt auch Petrus seine Kurzpredigt über einige wichtige Lebensstationen von Jesus.
Das passiert im Hause eines Mannes namens Kornelius.
Kornelius, ein römischer Hauptmann, hat mit seiner Familie schon einiges gehört über Jesus, ist schon sehr interessiert, wenn auch noch nicht getauft.
Bekommt mit, dass einer der Apostel, also Petrus, in der Nähe ist, bittet ihn zu sich in sein Haus, so eine Chance bekommt man schließlich nicht oft.
Und Petrus, als er kommt und zu den Leuten spricht, muss nicht bei Null anfangen, kann an Bekanntes anknüpfen.
Petrus tat seinen Mund auf und sprach: Gott hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.
Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem.
Den haben sie an das Kreuz gehängt und getötet.
Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.
2.
Liebe Gemeinde: „Das Ding ist durch, oder?“
Dieser Satz stammt vom 2.April. Und sorgte für einen Eklat in Fußballdeutschland.
Was ist geschehen? Borussia Dortmund ist gerade im Championsleague – Viertelfinal-Hinspiel bei Real Madrid böse unter die Räder gekommen. 0:3. Eine denkbar schlechte Ausgangslage für das Rückspiel. Gleich nach Abpfiff steht Trainer Jürgen Klopp beim ZDF zum Interview bereit. Das führt Jochen Breyer. Der ist nicht nur jünger als Klopp, sondern sieht auch jünger aus. Und dann gegen Ende stellt Breyer diese eine zugespitzte Frage, die den schwarz-gelben Coach auf die Palme bringt: "Sind wir ehrlich, Herr Klopp, das Ding ist durch, oder?". Mit sichtlich genervtem Minenspiel ätzt der BVB-Trainer zurück: "Wie könnte man mir Geld überweisen für meinen Job, wenn ich heute hier sagen würde, die Sache ist durch. Das wäre genauso doof, als wenn ich sagen würde, wir hauen die sicher weg".
Es folgt dann noch Klopps Nachsatz: "Auf doofe Fragen kann man auch doof antworten." Und er als er kurz darauf geht, ist er so angesäuert, er knallt das teure Mikro auf den Tisch, statt es dort vorsichtig abzulegen.
„Das Ding ist durch.“ Also mit anderen Worten: das kann man abhaken, keine realistische Chance mehr, vergiss es – das eine Woche vor dem Rückspiel so zu sagen, das hat Klopp genervt, da ist er gegen angegangen, wenn auch nicht ruhig souverän, sondern eher aggressiv.
Das Ding ist durch?
3.
Fußball hat er nicht gespielt, Petrus, die anderen Jünger auch nicht. Soweit wir wissen.
Aber es gibt eine Phase in seinem Leben, wo dem Petrus klar ist: „Das Ding ist durch“. Da kann man nichts mehr machen. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Alles verloren. Alles aus.
Petrus, einer der Jünger von Jesus.
Stammt aus Galilä, wie Jesus.
Ein Fischer von Beruf. Und eigentlich „Simon“ mit Namen.
Verheiratet (anders als Jesus, der Single ist).
Als er Jesus begegnet, ist sein Leben von heute auf morgen ganz neu ausgerichtet, neu sortiert.
Er ist fasziniert von Jesus. Von dessen Worten und Taten.
Es ist, als ob eine neue Welt heraufzieht, sich ganz neue Lebensmöglichkeiten eröffnen.
Einmal heilt Jesus die schwerkranke Schwiegermutter von Petrus.
Petrus selbst - leidet nicht gerade an zu viel Bescheidenheit.
Er ist ein Wortführer. Er nimmt den Mund voll. Er prescht vor.
Unter den 12 Jüngern ist er durchaus herausragend.
Als es für Jesus nach zwei Jahren brenzlig wird, in Jerusalem, legt Petrus sich fest in seiner Treue zu Jesus, ganz selbstbewusst: Er sagt. „Auch wenn alle anderen vielleicht schwächeln werden – ich nicht.“
Jesus ist da eher skeptisch: „Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“
Aber Petrus setzt noch eins drauf:
„Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen.“
Kurz darauf: Jesus bittet, nicht alleingelassen zu werden, aber Petrus pennt ein. Es ist schließlich schon spät.
Wieder nur kurz darauf, als Jesus gefangen genommen und verhört wird, sitzt Petrus draußen vor dem Tor am Feuer, und wartet ab, wie sich die Dinge entwickeln.
Die Situation ist angespannt.
Petrus wird erkannt: „Du gehörst doch auch zu Jesus, diesem Gotteslästerer, stimmt´s ? Komm, gib´s zu, dein Dialekt verrät dich.“
Und dreimal sagt Petrus: „Ich weiß gar nicht, was ihr da redest. Ich kenne diesen Menschen gar nicht.“ Da kräht der Hahn. Petrus weiß was los ist und macht sich weinend davon.
Einen halben Tag danach: Kreuzigung und Tod Jesu - für Petrus, und nicht nur für ihn, ein Zusammenbruch. Ein Desaster. „Ich hatte gehofft, dass Jesus es sei, der Israel erlösen würde.“ (Lk 24,21). Und nun das: Jesus, offensichtlich gescheitert, gestorben und begraben. Die Hoffnungen gleich mit.
Hand aufs Herz, Petrus. Das Ding ist durch, oder?
4.
Vielleicht ist es bei Ihnen ein Gemisch, liebe Gemeinde, an diesem Ostermontag. Es gibt Dinge, die Ihnen das Herz leicht machen, ein Feiertag, Vorfreude auf ein gutes Oster-Essen vielleicht, Gäste, etwas Gelungenes.
Und zugleich auch Schweres, das Sie belastet; ungelöste Aufgaben, die nach den Osterferien anstehen; Niederlagen, die Ihnen wehtun.
Für den niedergeschlagenen Petrus kommt an diesem Punkt die Erfahrung von Ostern.
Osterglaube, Osterfreude.
In der Predigt, die Petrus im Hause des Kornelius hält, teilt er das so relativ nüchtern, sachlich mit: Einige Stationen aus dem Leben von Jesus, dann Tod, dann Auferstehung.
Und wir sprechen das so ähnlich ja auch im Glaubensbekenntnis.
Aber eigentlich ist Ostern mehr als nur eine festgefügte Zeile in einem Text oder einer Rede.
Ostern ist viel bewegender.
„Liebe lebt auf, die längst erstorben schien.
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“
Anders gesagt: Die Sache Jesu ist nicht zu Ende, sondern geht weiter.
Jesus – ist nicht gescheitert, sondern von Gott bestätigt, erhöht.
Und: Der lebendige Geist Jesu weht wo er will und begeistert Menschen.
Auch den Petrus.
Und der wiederum erzählt es freudig weiter und weiter und weiter.
Das führt zu: Osterfreude in Jerusalem, Kapernaum, Cäsarea,
Das führt zu: Osterfreude in Würzbug, Hamburg, Winzlar.
„Christ ist erstanden von der Marter alle,
des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.“
Das Ding ist ganz und gar nicht durch – sondern das Blatt wendet sich. Österlich.
5.
Zwischenfrage:
Der gestorbene Jesus am dritten Tage auferstanden von den Toten.
Ist das
- schwer zu glauben?
- nicht zu glauben?
- Zentrum unseres Glaubens?
- wörtlich zu verstehen?
- symbolisch zu verstehen?
Wie geht es Ihnen damit?
Die Bibel schildert an keiner Stelle den Vorgang von Jesu Auferstehung direkt, so dass man sagen könnte: „Ach schade, dass das nicht im Bild festgehalten und vielleicht live übertragen wurde.“
Die Bibel erzählt das alles vielmehr indirekt.
Erzählt davon, dass Jesus nach seinem Tod einzelnen Menschen erschienen ist, zuerst Frauen, dann Männern. Die ihn oftmals nicht sofort erkannt haben. Manchmal z.B. erst beim gemeinsamen Essen (wie wir vorhin von den Emmausjüngern gehört haben).
Oder auch: dass das Grab leer gewesen ist: „Ihr sucht Christus, er ist nicht hier.“ So dass man sich also auf die Suche machen muss.
Kritiker sagen: „Na ja, das mit den Erscheinungen war eine Art Trauerarbeit der Jünger. Die mussten diesen Frust verarbeiten, dass Jesus nicht mehr da war, da hatten Sie halt Visionen von einem Auferstandenen.“
Und zum leeren Grab sagten manche schon damals: „Der gekreuzigte Jesus ist von seinen Anhängern nicht nur ins Grab hineingelegt sondern auch wieder herausgenommen, also geklaut, worden. Um behaupten zu können: das Grab ist leer.“
Oder man sagt: „Jesus ist schlicht und ergreifend im Grab geblieben. Eine Wiederbelebung Toter ist unmöglich. Das Ding ist durch.“
Ich persönlich finde diese historischen Fragen nicht am allerwichtigsten.
Mir ist anderes wichtiger:
Erfahre ich Jesus hier und heute als einen Toten - oder als einen Lebendigen?
Geht von seinem Weg hier und heute Resignation aus oder gar nichts mehr - oder Hoffnung?
Und ist Glaube nur ein Rückblick auf irgendwelche früheren Ereignisse - oder geht es da um eine unendlich gütige Lebensmacht, die mich jeden Tag begleitet und die mir Zukunft eröffnet?
6.
Das Ding ist ganz und gar nicht durch.
Der BVB hatte eine dreiprozentige Chance im Rückspiel. Hat begeistert gespielt und mit 2:0 gewonnen, sehr achtbar, das fand sogar die spanische Presse. Zum Weiterkommen hat es nicht ganz gereicht. Aber viele neue Sympathien sind dem BVB zugewachsen.
Das Ding ist ganz und gar nicht durch.
Ostern ist Gottes Rückspiel.
An Ostern gelingt Gott der Ausgleich.
Ja, sogar mehr: der entscheidende Treffer:
Gegen tödliche Strukturen, gegen Beziehungsabbruch.
Das Leben siegt über den Tod.
Und der auferstandene Jesus ist in unseren Herzen und in unserer Mitte,
hier heute an diesem Ostermontagmorgen.
Amen
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Predigt zu Apostelgeschichte 10,10,34a.36-43 von Wolfgang Vögele
Der Predigttext für den Ostermontag steht Apg 10,34a.36-43:
„Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit (…): Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“
Liebe Gemeinde,
eine Kanzel, eine Bibel und ein Altar machen das Predigen leichter. Denn der Ort des Gottesdienstes bestimmt die Worte, die der Prediger spricht. Kein unbefangener Zuhörer erwartet von dem Mann auf der Kanzel, der dort im schwarzen fußlangen Talar steht, etwas anderes als auferbauende, tröstende, segnende Worte. Wenn sie gelingt, holt die Predigt die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihrem Alltag ab. Sie erzählt von wunderreichen Lebensgeschichte des Jesus von Nazareth, die weit über seinen Tod am Kreuz hinausreicht. Der Prediger entläßt die Zuhörer mit der Verheißung neuen Lebens in die bevorstehende Woche.
Die Prediger auf der Kanzel könnten sich aber für ihre Worte auch an ganz andere, fremde und ungewöhnliche Orte stellen, wo sie ihre Zuhörer überraschen, verblüffen oder gar verärgern würden. Auf dem Marktplatz, im Fußballstadion, auf dem Bahnsteig oder im Supermarkt erwartet niemand einen Menschen im schwarzen Talar oder gar eine Predigt. Der Apostel Paulus immerhin hat sich in Athen auf den Marktplatz, den Areopag gestellt, und den athenischen Bürgern eine Predigt über den unbekannten Gott gehalten. Petrus, sein Apostelfreund, besucht nach einer komplizierten Vorgeschichte, auf die ich gleich noch komme, das Haus eines römischen Hauptmanns und predigt dort.
Der Evangelist Lukas sagt: Petrus öffnet seinen Mund und fängt an zu predigen. Bis zum Amen dauert die Predigt nur ganz kurz. Jedem Zuhörer verschafft das Erleichterung. Schön, wenn sich alle Prediger der Weitschweifigkeit enthalten würden: von der Taufe zur Auferstehung in wenigen, lakonischen Sätzen. Das ist viel leichter zu schlucken als langwierige Erläuterungen mit rhetorischen Umwegen und eleganten Finessen.
Johannes tauft Menschen in der Wüste. Jesus wird getauft. Jesus zieht heilend in Galiläa umher und rettet Menschen vor dem Bösen. Jesus wird ans Kreuz, ans Holz geschlagen. Er stirbt. Gott erweckt ihn auf am dritten Tage. Weil er auferstanden ist, predigen nun seine Jünger. Der Rest ist Mission und Osterfreude, der warme, erfrischende Frühlingsregen des Glaubens, der die Gemeinden wachsen läßt.
In der Mitte der Predigt des Petrus steht die Auferstehung. In der Auferstehung überwindet Gott das Kreuz: Dieses Ereignis wendet die Geschichte der Menschen zum Guten. Deswegen steht die Auferstehung in allen Geschichten und Briefen des Neuen Testaments im Mittelpunkt, selbst dort wo sie nicht erwähnt wird. Aber die Auferstehung ist eben nicht alles. Richtig verstanden wird sie nur, wenn wir die biblische Vorgeschichte und die evangelische Nachgeschichte mit einbeziehen.
Die Vorgeschichte geht keineswegs in der „irdischen“ Geschichte des Jesus von Nazareth auf. Die Vorgeschichte des Auferstandenen kann darin zusammengefaßt werden: Gott kämpft in der Welt gegen das Böse. Die Taufe des Johannes im Jordan rettet die Menschen vor ihrer Verstrickung in böse Interessen, Selbsttäuschung und verquerer Moral. Die Taufe des Johannes ruft die Menschen zur Buße und zurück zu Gott. In diesem heilenden Blickwinkel Gottes ist auch das Handeln, Predigen und Wirken Jesu zu verstehen. Jesus will nicht durch „übernatürliche“ Wunder auffallen, er ist kein Magier, der mit Zaubertricks beeindrucken will. Es kommt darauf an, daß er mit allen Mitteln des Predigens und Tuns gegen das Böse, gegen den Teufel, gegen das Widergöttliche kämpft. Die Heilung eines Kranken ist nicht um ihrer selbst willen wichtig, sondern sie ist ein Zeichen, ein kleiner Sieg im großen, kosmischen Kampf Gottes gegen das Böse, das Unrecht, das Leid und das Lieblose. Ob man dieses als das Böse sieht oder im Teufel zu einer Person macht, das ist gar nicht so wichtig. Mit jedem geheilten und getrösteten Menschen erringt Jesus einen kleinen Sieg des Glaubens. Diese bereiten in der Summe Gottes Reich vor. Die Geschichten und Gleichnisse der Evangelien berichten davon. Deswegen widerspricht das Hinrichtungskreuz dem Willen Gottes. Derjenige, der für sein Reich gekämpft hatte, muß sterben. Das sehen auch die Jünger zuerst als einen vermeintlichen Triumph des Bösen, als einen Sieg der zufälligen Wirklichkeit über den Willen Gottes, den er in den Propheten und ihren Verheißungen zum Ausdruck gebracht hatte. Die Jünger sind angesichts dieser schrecklichen Hinrichtung geflohen. Diese Vorgeschichte des Leidens wäre nun an den unbeachteten Rändern der Weltgeschichte verpufft, wenn mit dem Kreuz, mit der Trauer über den hingerichteten Jesus von Nazareth alles zu Ende gewesen wäre.
Daß Gott diesen hingerichteten Jesus von Nazareth nach drei Tagen auferweckt, ist das zentrale Ereignis des christlichen Glaubens. Ohne Ostern wäre alles nichts. Gottesdienste, Predigten, Abendmahlsfeiern, Choräle, Bekenntnisse und Bußgebete würden im Leeren verpuffen. An Ostern triumphiert der Glaube, Gott siegt über die Zufälle und Sachzwänge der Wirklichkeit. Eine Predigt, in der die Osterfreude des Glaubens nicht mindestens indirekt zur Sprache kommt, schießt blind und ziellos in den Himmel.
Aber, liebe Gemeinde, so ist es nicht. Die Vorgeschichte endet nicht mit der Hinrichtung am Kreuz, und die Nachgeschichte besteht nicht nur aus leeren Spekulationen über den Himmel und das Reich Gottes. An jedem siebten Tag, dem Sonntag einer Woche feiern wir nicht nur den Ruhetag der Schöpfung Gottes, sondern dazu auch den Tag der Auferstehung des gekreuzigten Herrn.
Ostern ist der Ursprung, das Zentrum und die Quelle des Evangeliums und des Glaubens. Darum kommen in der Nachgeschichte der Ostererfahrung Menschen zum Glauben, durch seelsorgliche Gespräche und Predigten, durch die stärkende Feier des Abendmahls, durch den Segen Gottes, mit dem alle Glaubenden seit Jahrhunderten die Gottesdienste am Sonntag verlassen. Die Ostererfahrung setzt sich in der Gegenwart fort, selbstverständlich nicht in der klerikalen Bürokratie, wohl aber überall da, auch jenseits der Gemeinden, wo sich Erfahrungen des Trostes, des Osterlachens und der Barmherzigkeit finden. Davon gleich mehr.
Es macht Sinn, erst noch an den Anfang der Nachgeschichte von Ostern zu gehen und von Cornelius erzählen. An ihn richtet sich die kurze, verdichtete Predigt des Apostels Petrus. Cornelius war nach der Erzählung des Neuen Testaments einer der ersten nicht-jüdischen Christen. Der Römer war Hauptmann in Caesarea, Zenturio einer römischen Armee-Einheit, und Lukas bezeichnet ihn als frommen, gottesfürchtigen Mann, der großzügig Spenden und Almosen verteilen ließ. Diesem Cornelius erscheint der heilige Geist, wie er auch Petrus, dem Apostel erscheint. Petrus hält sich im fünfzig Kilometer entfernten Joppe auf. Und Cornelius läßt nach ihm schicken. Petrus zögert zu Anfang, denn er weiß, daß es sich für einen frommen Juden eigentlich verbietet, Kontakt zu einem Hauptmann der Besatzungsmacht zu pflegen, geschweige denn sein Haus zu betreten. Aber dann geht er doch. Und Lukas stellt das so dar, als sei es untrennbar beides: die realistische Einsicht in die Freundlichkeit und Aufrichtigkeit des römischen Hauptmanns und das Wirken des Heiligen Geistes.
Petrus hält also im Haus des Hauptmanns die Predigt, die wir heute als Predigttext gehört haben. Das ist das Außergewöhnliche an dem Vorgang: Paulus wird sich später grundsätzlich als Missionar der „Heiden“ verstehen, für ihn ist das etwas ganz Normales und Selbstverständliches. Aber Petrus fühlte sich trotz seines Glaubens an das Evangelium noch an die Regeln der jüdischen Religion gebunden. Mit dem Betreten des Hauses des römischen Hauptmanns geht der Apostel den Schritt über die Grenze des Judentums hinaus. Das ist das Erstaunliche, und es ist kein Wunder, daß Lukas diesen Schritt über die Grenze umfassend als Wirken des Heiligen Geistes beschreibt.
Als Cornelius, seine Familie und die häuslichen Mitarbeiter diese kurze Predigt gehört haben, singen sie keineswegs einen Choral, wie es heute im Gottesdienst nach der Predigt üblich ist. In der Apostelgeschichte heißt es: „Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten. Und die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, weil auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde; denn sie hörten, dass sie in Zungen redeten und Gott hoch priesen.“ (Apg 10, 44f.) Und nur wenig später folgt der Taufgottesdienst. Cornelius und seine Familie vertrauen auf Gott, sie glauben dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Darum lassen sie sich taufen.
Ostern ist keineswegs ein Geschehen in der Vergangenheit. Ostern ist eine Predigt. Ostern ist das Essen mit dem Auferstandenen im Abendmahl. Ostern ist der Heilige Geist. Ostern ist Taufe. Ostern ist Teilhabe an der Auferstehung. Die christliche Gemeinde heute wird in das evangelische Geschehen damals mit hineingenommen. Es ist nicht entscheidend, ein Geschehen in der Vergangenheit für wahr zu halten. Es geht darum, die evangelischen Auswirkungen eines vergangenen Geschehens in der Gegenwart zu spüren. Auferstehung bedeutet Überwindung der Sachzwänge, Trost und Barmherzigkeit, Gnade und Rechtfertigung. Wenn wir das als Gemeinde heute so empfinden, so stehen wir in einer langen Reihe getaufter, glaubender, getrösteter Menschen, die sich über die Jahrhunderte hinweg in die Bewegung der Auferstehung hineinnehmen ließen.
Ostern ist deswegen so wichtig, weil es neben der Vorgeschichte eine gewaltige und wirksame Nachgeschichte besitzt. Und die Taufe des Hauptmanns Cornelius steht am Anfang der gemeindlichen Nachgeschichte. Sogar heidnische, im Judentum als unrein geltende Römer lassen sich taufen. Und dieser Römer ist noch dazu ein Militär und Offizier, Teil der verachteten und verhaßten Besatzungsmacht. Nach dem Hauptmann Cornelius folgen die vielen anderen Familien, die Paulus auf seinen Reisen im Mittelmeerraum trifft, denen er predigt, die er bekehrt und tauft. Die Nachgeschichte der Auferstehung ist die Fortsetzung der Vorgeschichte: Die Menschen erleben in der Gegenwart Jesu Christi Barmherzigkeit, Trost und Heil. Sie spüren, wie das Böse zurückweicht. Die Nachgeschichte der Auferstehung ist die Vorgeschichte des Reiches Gottes, das bereits angebrochen, aber noch nicht vollendet ist.
Die Nachgeschichte der Auferstehung läßt sich an vier Wirkungen ablesen: an der Ausbreitung und Erweiterung des Glaubens, an der Taufe, am Abendmahl und am Wirken des Heiligen Geistes.
Die Auferstehung sprengt die Grenzen naturalistischer Wirklichkeitssicht und ebenso die Grenzen konventioneller Religion. Sie geht einfach darüber hinweg. Jeder Glaubende muß damit rechnen, daß Gott an Personen und Menschen wirkt, von denen er es nie für möglich gehalten hätte. Das Evangelium breitet sich nach Ostern in der ganzen Welt aus. „Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, 20 und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt 28,19f.) So sagt es der auferstandene Jesus am Ende des Matthäusevangeliums. Auferstehung sprengt alle Grenzen: Alle Menschen, gleich welchen Geschlechts, welcher Rasse, welchen Glaubens sind zu Jesus Christus gerufen.
Wer sich rufen läßt, der wird auch gerettet. Ich bin gerettet, das heißt: Ich bin wie Jesus auserwählt für ein Leben, das mit dem Tod nicht zu Ende ist. Das Zeichen dafür ist die Taufe. Wer getauft ist, ist gerettet, auch wenn er das in diesem Leben nicht immer spüren mag. Dieses Zeichen bleibt gültig, es läßt sich nicht abwischen wie ein Stempel oder eine Markierung. Die Taufe ist der Anfang der Auferstehung. Und diese Verheißung begleitet einen Menschen durch ein ganzes Leben hindurch bis zum Tod – und darüber hinaus.
Das zweite Zeichen neben der Taufe ist das Abendmahl. Wir gehen zum Altar und nehmen Brot und Wein. Christus hat verheißen, daß er in dieser Feier geistlich gegenwärtig ist. Dabei sollten wir uns nicht durch tiefsinnige Überlegungen ablenken lassen, wie sich Brot und Wein zu Leib und Blut Christi verändern. Es kommt nicht darauf an, wie das geschieht, sondern es kommt darauf an, daß es geschieht. Das Abendmahl ist das Zeichen der Gegenwart Jesu. Wir können uns dieser Gegenwart gewiß sein, des tröstenden, barmherzigen und auferstandenen Herrn Jesus Christus.
Ostern ist die Nachgeschichte der Auferstehung, weil der Heilige Geist wirkt. In der Geschichte von Petrus und Cornelius bereitet der Heilige Geist alles vor, was die Menschen dann ausführen: die Reise nach Caesarea, die Missionspredigt, die abschließende Taufe. So muß man sich das Wirken des Heiligen Geistes in der Gegenwart vorstellen: Er bereitet die Menschen auf Glauben und Trost, auf Auferstehung und Reich Gottes vor. Das ist im übrigen keine Tätigkeit für eine geschlossene Gesellschaft von Glaubenden. Dieser Glaube an die Auferstehung sprengt mit Hilfe des Heiligen Geistes jede Milieugrenze. Am besten und angemessensten zeigt sich das im Abendmahl. Wir alle nehmen Brot und Wein unterschiedslos als begnadigte Sünder. Vor Gott und Jesus Christus sind alle Menschen gleich, gleich als Sünder und gleich als Gerechte, die trotzdem noch des Trostes bedürfen. Ostern ist Freude über die vergangene Auferstehung Jesu Christi. Auferstehung – das bedeutet Trost und Gnade in der Gegenwart. Amen.
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Predigt zu Apostelgeschichte 10,36-44 von Bernd Vogel
Exegetische Vorbemerkung: Die Zusammenfassung des Lebens Jesu in VV 36-44 verliert seinen Kontext, seine Spannung, seinen Beziehungsreichtum ohne die erzählte Geschichte vorher (Vision des Kornelius und Vision des Petrus) und nachher (Geist für die Völker und Taufe).
Lukas hat die beiden Erzählstränge um Kornelius und Petrus kunstvoll als die Geschichte des wechselseitigen Übergangs zu einander und über den geistigen Status quo hinaus gestaltet. Diese Erzählung ist das Medium der 'Botschaft'.
Wenn Erzähltexte der Apostelgeschichte gepredigt werden, dann kann es jedenfalls nicht vor allem um die Explikation von dogmatischen Formeln gehen. Der Tief – Sinn der von Lukas erzählten Geschichte ginge verloren.
1 Es war aber ein Mann in Cäsarea mit Namen Kornelius, ein Hauptmann der Abteilung, die die Italische genannt wurde.
2 Der war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott.
3 Der hatte eine Erscheinung um die neunte Stunde am Tage und sah deutlich einen Engel Gottes bei sich eintreten; der sprach zu ihm: Kornelius!
4 Er aber sah ihn an, erschrak und fragte: Herr, was ist? Der sprach zu ihm: Deine Gebete und deine Almosen sind vor Gott gekommen und er hat ihrer gedacht.
5 Und nun sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus.
6 Der ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt.
7 Und als der Engel, der mit ihm redete, hinweggegangen war, rief Kornelius zwei seiner Knechte und einen frommen Soldaten von denen, die ihm dienten,
8 und erzählte ihnen alles und sandte sie nach Joppe.
KURZE MUSIK
Wann hatten Sie Ihre letzte Erscheinung?
Nachmitttags um drei. Todesstunde Jesu.
Finsternis über dem Land. Die Sonne verweigert sich.
Wir schalten das Licht an.
Im Fernsehen zeigen sie Ben Hur.
Keine Erscheinung .
9 Am nächsten Tag, als diese auf dem Wege waren und in die Nähe der Stadt kamen, stieg Petrus auf das Dach, zu beten um die sechste Stunde.
10 Und als er hungrig wurde, wollte er essen. Während sie ihm aber etwas zubereiteten, geriet er in Verzückung
11 und sah den Himmel aufgetan und etwas wie ein großes leinenes Tuch herabkommen, an vier Zipfeln niedergelassen auf die Erde.
12 Darin waren allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels.
13 Und es geschah eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss!
14 Petrus aber sprach: O nein, Herr; denn ich habe noch nie etwas Verbotenes und Unreines gegessen.
15 Und die Stimme sprach zum zweiten Mal zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten.
16 Und das geschah dreimal; und alsbald wurde das Tuch wieder hinaufgenommen gen Himmel.
KURZE MUSIK
Zur Mittagszeit kreuzigten sie ihn. Petrus betet.
Ob er sich erinnert - oder ist es Gewohnheit?
Gleich viel: Da betet sich einer hungrig!
„Und sah den Himmel aufgetan“ und ein Tischtuch vom Himmel kommen.
Kein Vegetarier, dieser Simon.
Und wehrt sich mannhaft gegen Gottes Gebot. Zwei Mal: Ist nicht, Gott, nicht mir mir!
Drei Mal krähte der Hahn. Da stand er auf und hatte begriffen.
Er schritt über die Grenzen seiner Gewohnheiten und Standpunkte.
Er ließ die Richtigkeit hintan, die Mehrheitsmeinung, den Halt der Gruppe.
Wann, Gott, werde ich aufstehen und einfach hinschauen und sehen, was ich sehe,
denken, was mir wirklich einfällt, sagen, was ich sagen will, und handeln mir gemäß?
Wann, Gott, werde ich aufstehen aus der Macht meiner Herkunft?
Wann, Gott, werde ich anfangen zu leben?
Wann werde ich den Mut haben, auch einmal allein zu stehen; denn du gehst ja mit ..
17 Als aber Petrus noch ratlos war, was die Erscheinung bedeute, die er gesehen hatte, siehe, da fragten die Männer, von Kornelius gesandt, nach dem Haus Simons und standen an der Tür,
18 riefen und fragten, ob Simon mit dem Beinamen Petrus hier zu Gast wäre.
19 Während aber Petrus nachsann über die Erscheinung, sprach der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich;
20 so steh auf, steig hinab und geh mit ihnen und zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt.
21 Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; warum seid ihr hier?
22 Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast.
23 Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm.
KURZE MUSIK
24 Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen.
25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an.
26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch.
27 Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren.
28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll.
29 Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.
30 Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand
31 und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott.
32 So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer.
33 Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.
KURZE MUSIK
Zur sechsten Stunde: Weltennacht. Sonnenfinsternis mitten am Tag. Und der Vorhang im Tempel zerreißt mittig in zwei Stücke. Das innerste Heiligtum Israels steht ungeschützt, verwundet und verwundbar und weit geöffnet zur Welt. Petrus bekommt eine göttliche Aufforderung, die ihn herausführt aus allem, was ihm heilig war: „Steh auf! Schlachte und iss!“
Zur neunten Stunde: „Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, hauchte er seinen Geist aus.“. Zur neunten Stunde, erfüllt der Geist des Jesus den römischen Hauptmann Kornelius. Ein „Mann im leuchtenden Gewand“ erscheint ihm. Durchscheinende Wirklichkeit. In dem „Mann“ der „Engel“, ja: der auferstandene Jesus. Was für den Soldaten als Befehl daherkommt, daher kommen muss, ist in Wahrheit eine Lockung ins Weite, in die Freiheit von Befehl und Gehorsam, auch von frommen Taten, die etwas bezwecken: Gebete und Almosen. Nun heißt es von ihnen: „Gott hat ihrer gedacht“. Gott lässt sich beides sozusagen durch den göttlichen Kopf gehen und durch sein göttliches Herz. Und dann entschließt sich – um im menschlichen Bild zu bleiben – .. dann entschließt sich dieser Gott Israels und der Welt, diesem Menschen sozusagen persönlich zu erscheinen und ihn einzuladen auf eine geistige Reise in die Zukunft der Menschheit.
Zusammen haben sie ihre Zukunft. Der traditionsverhaftete Jude und der neugierige römische Soldat. In ihrer Begegnung führt Gott die Weltgeschichte voran. Auferstehung mitten hinein in die Leben zweier Menschen, die zu einander geführt werden.
Gottes Geist in uns:
Mut zur Begegnung
Lust auf Ungewohntes und Grenzüberschreitung
Sinn für Zeiten der Offenheit, der Wahrnehmung dessen, was ist
Zutrauen, dass in den kleinen Alltagsgeschichten Gott Weltgeschichte weitet, öffnet, mit uns als Beteiligten, als Akteuren,
das jedenfalls zeitweilige Gefühl, die trotzige Gewissheit, dass Gott gerade mich aufsucht, mich braucht, mich begeistern und erfreuen will, dass ich in Gott Zukunft habe – und die anderen auch
Gott in mir und ich in Gott …Nicht von außen bricht Gott in diese Welt ein und verlässt uns wieder. Was wir Gott nennen, geschieht hier unter uns, zwischen uns, in uns.
34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht;
35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle.
37 Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 38 wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.
39 Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet.
40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen,
41 nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten.
42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten.
43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.“
44 Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten.
45 Und die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, weil auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde; 46 denn sie hörten, dass sie in Zungen redeten und Gott hoch priesen. Da antwortete Petrus:
47 Kann auch jemand denen das Wasser zur Taufe verwehren, die den Heiligen Geist empfangen haben ebenso wie wir?
48 Und er befahl, sie zu taufen in dem Namen Jesu Christi. Da baten sie ihn, noch einige Tage dazubleiben.
Auch uns steht ER auf. Vielleicht gibt sich etwas heute zu erfahren. Ein neuer Blick. Ein Moment. Ein Hunger. Ein Wort. Eine Begegnung. Da tut sich doch was.
Amen.
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Anfänge sind prägend - Predigt zu Apostelgeschichte 16,9-15 von Titus Reinmuth
Anfänge sind prägend.
Liebe Gemeinde,
(1) Wie hat das eigentlich angefangen? War „aller Anfang schwer“ – oder wohnte schon dem Anfang „ein Zauber inne“? Oft sind die ersten Erfahrungen entscheidend. Paare können zurückblicken: Wie hat es angefangen mit uns? Da ist etwas, das wir heute noch spüren. Oder hin und wieder entdecken. Vieles wird sich im Lauf der Jahre geändert haben, manches ist längst verschüttet, anderes ist hinzugekommen – aber es gibt Zeiten, da spürt ein Paar die Kraft des Anfangs.
Auch andere Anfänge können prägend sein. Eine Kirchengemeinde feiert das 20jährige Jubiläum ihres diakonischen Projekts, den Aufbau eines Heilpädagogischen Zentrums in Pskow, Russland. Wer war am Anfang dabei? Was waren die ersten Ideen, die bis heute tragen? Damals kamen zur richtigen Zeit die richtigen Leute zusammen. In dieser Arbeit mit behinderten Kindern und Jugendlichen gelang es auch, das Evangelium ins Gespräch zu bringen, ein Bild vom Menschen, das von der Liebe Gottes geprägt ist – einer Liebe, die nicht danach fragt, ob einer gesund ist oder krank, reich oder arm, voll leistungsfähig oder in irgendeiner Hinsicht behindert. Anfänge sind prägend. In anderen Gemeinden ist es die Tafel oder der Hospizdienst oder der Projektchor. Menschen kommen zusammen und fangen an.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag ist auch eine Anfangsgeschichte. Sie erzählt davon, wie es in Europa mit unserer Kirche angefangen hat. Diese Anfangserzählung hat Lukas aufgeschrieben, sie steht in der Apostelgeschichte, im Kap. 16, Verse 9-15. Da heißt es:
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. 11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. 14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
(2) Ein historischer Moment. Paulus und seine Mitarbeiter gehen von Kleinasien nach Europa. Davor ist berichtet, wie Paulus mit seinen Leuten in einigen Orten Kleinasiens abgewiesen wurde. Die Menschen dort wollten vom Evangelium nichts hören. In mehreren Orten ging das so, die Lage war einigermaßen aussichtslos. Paulus und seine Mitarbeiter schlugen jetzt eine neue Richtung ein: von Kleinasien nach Europa. Aber nicht, weil sie in der letzten Zeit in der Region keinen rechten Erfolg hatten mit ihrer Sache, sondern weil sie sich irgendwie von Gott zu diesem Schritt beauftragt wussten. Paulus hatte einen Traum, so wird es erzählt. Im Traum erscheint ihm ein Mann aus Mazedonien und der bittet ihn: Komm herüber und hilf uns!
Paulus spürt, dass Gott ihn beruft, nach Europa zu gehen. Er landet in der Provinzhauptstadt Philippi, einer römischen Kolonie. Eine lebendige Stadt mit viel Kultur, in der auch das wirtschaftliche Leben blüht. Die Männer um Paulus bleiben einige Tage dort, heißt es.
Und dann ist erzählt, wie in Philippi eine erste Gemeinde entsteht. Merkwürdig unspektakulär und leise geht das vor sich. Es beginnt am Ufer eines Flusses mit einer Gruppe von Frauen. Da im Freien, wo die kleine jüdische Gemeinde ihre Gebetsstätte hat. Keine starken Führungspersönlichkeiten treten hier auf, sondern ein etwas angeschlagener, weil zuletzt nicht sonderlich erfolgreicher Paulus hat sich auf den Weg gemacht. Keine kämpferische Großveranstaltung auf dem Marktplatz wird hier organisiert, sondern gleichsam am Wegesrand ergibt sich ein ruhiges Gespräch mit einer Handvoll Frauen. Es ist Sabbat und die Frauen sind runter zum Fluss gegangen, um dort zu beten. Paulus und die seinen kommen hinzu und kommen mit den Frauen ins Gespräch. Wahrscheinlich über Gott und die Welt. Über Jesus Christus und den Sinn des Lebens. Das Evangelium kommt ins Gespräch. Irgendwie fängt es an zu wirken bei den Frauen unten am Fluss. Sie haben sich Zeit genommen, die Arbeit ruhen lassen, Abstand gefunden vom Trubel dieser quirligen Stadt.
Die Frauen hören zu, und eine von ihnen, Lydia, achtet besonders auf das, wovon Paulus redet. Gott hat ihr das Herz geöffnet, heißt es. So fängt das an. Kaum zu glauben, aber das Gespräch am Fluss mündet in eine Taufe. Sie zeigt Lydia und allen anderen, die sich taufen lassen: Ich gehöre dazu. Gott sieht mich neu an. Bei allem, was mich umtreibt: die Sorge um mein Haus, um Handel und Geschäfte; die Sorge um die Menschen, für die ich verantwortlich bin; die Sorge um das, was ich leisten kann und was nicht; bei allem, was mich umtreibt: Gott sieht mich an. Ich gehöre dazu. So fing das an - damals in Philippi.
Ein prägender Anfang. Sanft und unauffällig breitet sich das Evangelium aus. Allein der Schluss der Erzählung verblüfft. Lydia, die Frau, Muss Paulus und die anderen Männer bedrängen, in ihr Haus zu kommen und zu bleiben. Sie nötigt Paulus und seine Mitarbeiter, zu bleiben, heißt es. Was soll das bedeuten? Wir können nur noch ahnen, was dahinter stand. Es ging wahrscheinlich darum, ob das Haus einer Frau die Basis einer christlichen Gemeinde sein kann. Also die Anlaufstation für die Wanderprediger auf ihren Missionsreisen und die Mitte der christlichen Gemeinde am Ort. Unsere Geschichte erzählt: Nachdem Lydia getauft ist, lädt sie Paulus und die anderen in ihr Haus ein. Der Text spricht von ihrem Haus. Das heißt: ein erwachsener freier Mann, der sonst der Hausherr wäre, gehört offenbar nicht zu diesem Haushalt. Lydia ist selbständig. Sie geht als Purpurhändlerin ihrer eigenen Arbeit nach und steht ihrem eigenen Haus vor. Wenn sie Paulus nötigt, dazubleiben, geht es offenbar nicht nur um eine vorübergehende Gastfreundschaft. Es geht um mehr. Es geht um die Ansiedlung der ersten christlichen Gemeinde in Philippi. Die christlichen Männer weigern sich zunächst, dem Haus der Lydia die entsprechende Anerkennung zuteil werden zu lassen. Sie haben sie gerade noch getauft, aber die Rechte, die sich aus der Taufe ergeben, wollen sie Lydia nicht zuerkennen. Gut möglich, dass Lydia mit einem alten Taufbekenntnis argumentiert hat, das wir aus dem Galaterbrief kennen. Oft wurde es bei Taufen gesprochen. Es lautet:
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eins in Christus Jesus.
Wer also aufgenommen ist in die Gemeinschaft mit Gott, der darf erleben: Ich bin ein Kind Gottes, wie alle anderen auch. Jetzt zählt nicht mehr, woher ich komme: Ob ich Jude oder Grieche bin. Es spielt auch keine Rolle, wo ich in dieser Gesellschaft stehe: Ob ich Sklave bin oder frei. Und es zählt auch nicht mehr, ob ich Mann bin oder Frau. Das Evangelium hat Folgen für das Leben.
So entwickelt sich eine zunächst unauffällige Begegnung am Rande der Stadt zu einer kleinen Revolution – eine etwas andere Gemeinschaft entsteht. Lydias Glaube war zwar etwas sehr Persönliches, eine Sache des Herzens, aber dieser Glaube blieb überhaupt nichts Privates, sondern er hatte Folgen für eine ganze Gemeinschaft. Und davon musste Lydia den Paulus und die seinen wohl erst überzeugen. Die Gemeinde wird zu einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, das heißt von Nahen und Fremden, von Armen und Reichen, von Männern und Frauen. Dafür hat am Anfang Lydia gesorgt, als sie den Männern um Paulus sagte: Wenn ihr anerkennt, dass ich glaube, so kommt in mein Haus und bleibt.
(3) So hat es damals angefangen. Was ist prägend an diesem Anfang? Was sind die Wurzeln einer christlichen Gemeinde?
Es ist zum einen die persönliche Begegnung zwischen Menschen. Da ist Paulus. Paulus stellt sich nicht auf den Marktplatz, sondern geht zu einer Gruppe von Frauen am Rande der Stadt. Denen erzählt er vom Glauben. Das Evangelium kommt ins Gespräch. Und da ist Lydia. Lydia kann zuhören. Durch all ihr Geschäftsleben hindurch, durch all ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen hindurch kann sie hören. Die Worte des Paulus werden ihr wichtig: Sie öffnen, setzen etwas in Bewegung, sorgen für eine Veränderung. Lydia und ihr Haus lassen sich taufen. Sie werden zur Keimzelle einer christlichen Gemeinde.
Und an dieser Gemeinde ist ein zweites abzulesen, das von Anfang an prägend war. Sie wird zu einer Insel inmitten dieser geschäftigen Stadt, sie ist ein offenes Haus, in dem es geschwisterlich zugeht, inmitten einer Gesellschaft, in der ganz andere Spielregeln herrschen. Eine gastfreundliche Gemeinde mit offenen Türen und Menschen, denen man abspürt: Denen ist das Herz aufgegangen. Und weil das so ist, gehen sie etwas anders miteinander um. Da zählt nicht, was einer war oder ist oder hat oder kann, sondern da heißt es: Du gehörst auch dazu.
Die Kraft des Anfangs: Wo sind heute die Orte, an denen das Evangelium ins Gespräch kommt, nicht nur im Gottesdienst, sondern irgendwo am Rand, in persönlichen Gesprächen? Und woran kann man heute sehen, wie dieses Evangelium Menschen verändert, so dass nicht mehr zählt, ob einer arm ist oder reich, einheimisch oder fremd, Mann oder Frau, gesund oder krank, voll leistungsfähig oder behindert? Beides gehört zusammen: das Wort Gottes und die Gemeinschaft, zu der es anstiftet. Amen.
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Komm herüber und hilf uns! - Predigt zu Apostelgeschichte 16,9-15 von Michael Nitzke
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr d.as Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als. sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Liebe Gemeinde,
Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht. Das steht da so einfach in der Apostelgeschichte. Diese Geschichte, ist der zweite Buch was ein Autor geschrieben hat, den wir Lukas nennen. Das erste Buch, dass er geschrieben hat, ist uns gut bekannt. Es erzählt die Weihnachtsgeschichte und all das was Jesus getan hat, bis zur Himmelfahrt. In der Apostelgeschichte, erzählt Lukas, wie es weitergegangen ist. Was haben, die Jünger Jesus aus ihren Erlebnissen gemacht, wie haben sie die Lehre Jesu umgesetzt?
Lukas wagt das, was kein anderer Evangelist gewagt hat, und was selbst heute nicht immer funktioniert. Er lässt seinem Erfolgswerk einen zweiten Teil folgen.
Jesus, die Hauptrolle, erscheint in diesem Werk zwar nicht mehr als Person, aber er ist unsichtbar, unterschwellig immer mit dabei, denn um ihn und um seine Mission geht es hier. Und unsichtbar greift er auch in das Geschehen ein. Kurz vor dem Abschnitt, den ich verlesen habe, steht, dass der Geist Jesu den Paulus und seine Leute daran hinderte, durch die Landschaft Bithynien zu reisen. Das war noch mal ein Versuch in Asien das Wort Gottes zu predigen. Aber daran hatte sie schon der Heilige Geist gehindert. Was man damals Asien nannte, ist nicht etwa heutige der Ferne Osten. An China oder Japan, hätte man damals noch nicht einmal im Traum gedacht, gemeint war Klein-Asien das Gebiet, wo heute die Zentraltürkei ist. Die geballte Kraft Gottes stellte sich also einer Mission in Anatolien entgegen, so zog man nach Troas, da wo mal das Trojanische Pferd von sich reden machte. Das liegt Richtung Westen am Meer, mit Blick auf die Ägäischen Inseln.
Und wieder kommt eine übernatürliche Macht, dies mal nicht der Heilige Geist oder der Geist Jesu, diesmal erscheint ein Mann in der Nacht. Und er steht da und bittet höflich aber deutlich: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!
Jetzt werden, die biblischen Landschaftsbezeichnungen für uns schon etwas bekannter. Mazedonien oder Makedonien, kennen wir aus den Nachrichten, und als "Frühere Jugoslawische Republik" aus diversen Sportveranstaltungen. So weit ist Paulus aber nicht gekommen. "Sein" Mazedonien ist das Gebiet zwischen der heutigen Türkischen Grenze zu Griechenland und der Stadt Thessaloniki, genauer gesagt West-Thrakien. Umstritten waren diese Gebiete zu allen Zeiten, und die Herrschafts- und Besiedlungsverhältnisse, waren immer schwer zu entwirren, und ziemlich durcheinander. Vielleicht nennen deshalb die Italiener ihren Obstsalat "macedonia": ein Tutti Frutti der Völker also, das fing schon mit Alexander dem Großen an, der aus diesem Landstrich kam. Gut dreihundert Jahre vor Christi Geburt rechnete zu seinem Makedonien, allerhand Völker, die er so unterwegs eroberte.
Nun denken manche, das ist keine Predigt, sondern eine Geographiestunde. Ja, verzeihen Sie, aber heute ist das vielleicht mal nötig. Denn dieser Abschnitt, der Bibel wird oft, mit einer geographischen Bezeichnung überschrieben.
So überschriebt nämlich die Gute-Nachricht-Bibel diesen Abschnitt mit den Worten: "Der Ruf nach Europa". Und die gute Purpurhändlerin Lydia, die hier genannt wird, ist dann die erste Christin in Europa.
In heutigen Zeiten fühlen wir uns ja sofort zu Hause, wenn von Europa die Rede ist. Mit der Bekehrung der Lydia, klopft also das Christentum an unsere Haustür. Lydia wird dann zur Mutter aller Christen im Abendland. Neugegründete Gemeinden werden gerne nach ihr genannt, und damit wird Lydia auch zu einem Symbol für eine moderne Kirche, die heute in der Mehrheit vielfach von Frauen getragen wird.
Lydia, die erste Christin in Europa! Allerdings wird das Wort Europa in der ganzen Bibel gar nicht erwähnt, obwohl der Begriff in der Zeit schon bekannt war. Damals war jedoch das Römische Reich die maßgebende Einheit, und die umfasste das ganze Mittelmeer, das "Mare nostrum", unser Meer. So ist es für Paulus auch viel erwähnenswerter, dass die Stadt Philippi, wo er Lydia traf, eine römische Kolonie war. Ihm kam es nicht darauf an, den christlichen Glauben vom Morgenland ins Abendland zu bringen, oder von Vorderasien nach Europa, allenfalls legte er Wert darauf, das Römische Reich, als dessen Bürger er sich auch verstand, mit dem Glauben an Jesus Christus vertraut zu machen. Darauf musste die Kirche aber noch dreihundert Jahre warten, und Paulus hat darüber sein Leben in Rom verloren.
Lassen wir es an dieser Stelle genug sein mit der historischen Einordnung. Versuchen wir lieber etwas für uns heute aus dem Text zu erkennen, als in historischen Erinnerungen der Christianisierung Europas zu schwelgen, die heute ja immer mehr im schwinden ist.
Eins doch noch, und vielleicht ist das ja auch schon der Übergang. Haben sie genau zugehört, wie ich Lydia genannt habe? "Lydia, die erste Christin in Europa." Nicht etwa, die erste europäische Christin. Lydia stammt aus Lydien, aus der Stadt Thyatira, die man aus der Offenbarung des Johannes vielleicht kennt. Heute findet man diese Ausgrabungen etwa 90 Kilometer nordöstlich von Izmir. Damals mitten in der Provinz Asien, also da, wo Paulus auf dieser Reise nicht den Leuten den Glauben nicht nahe bringen konnte.
Wir lernen dadurch zweierlei. Erstens: So wirklich europäisch war unsere Lydia also gar nicht. Die erste Christin in Europa war eine Migrantin. In ihrer Heimat, die berühmt für Textilien und Purpur war, hat sie gelernt ihren Lebensunterhalt mit den Gütern der Region zu verdienen. Zweitens lernen wir noch was, und damit verlassen wir jetzt wirklich den geographischen Teil: Wenn die eine Möglich, den Glauben zu verbreiten, nicht klappt, dann schenkt Gott uns eine andere Möglichkeit. In Asien konnte Paulus nicht landen, in Europa traf er aber auf die Menschen, die er zuvor nicht erreichen konnte.
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!
Manchmal sollten wir auch in der Nacht die Augen und Ohren offen halten. Oder auch anders gesagt, in manchen Träumen, wird uns auch eine Realität vor das innere Auge gehalten, die wir so noch nicht wahrgenommen haben. Kürzen wir die geographischen Angeben weg, dann hört Paulus die Stimme: Komm herüber und hilf uns!
Und genau das, möchten wir auch heute in unserer Kirche ausrufen. Komm herüber und hilf uns!
Diesen Satz könnten wir ausrufen, mit lauter Stimme. Da stehen wir nun in unserem wohlhabenden Europa, uns geht's in großen Teilen gut. Und wenn wir uns mit denen vergleichen, die an den Grenzen an unsere Türen klopfen, dann geht es uns prächtig. Aber als Kirche, scheint es, dass wir langsam mit dem Rücken zur Wand stehen. Die fetten Jahre sind vorbei. Dieser Satz mag für die wirtschaftliche Situation weniger richtig sein, als für die geistliche. Noch fließen unsere Einnahmen. Aber die Zeiten, in denen man sie uns bedenkenlos anvertraut hat sind vorbei. Bedrückender, ist aber vor allem, dass die Zeiten im Schwinden sind, in denen man uns zugetraut hat, dass wir etwas für die Seelen und die Herzen tun können.
Da geht es uns scheinbar wie Paulus, der mit seinen Leuten durch die Provinzen zog, und merkte, dass er hier und da nicht landen konnte, mit dem was er an geistigem Rüstzeug mit hatte.
Aber was er hatte war Vertrauen. Er gab nicht auf. Er hatte das Ziel, den Glauben, den er hatte mit den Menschen, die er als seine Geschwister bezeichnete, zu teilen. Und er empfand schienbare Niederlagen, als göttliche Fügung und geistliche Führung. Er hörte die Bitte um Hilfe, der Erscheinung in der Nacht. Er sagte, nicht: "Das ist doch sicher auch wieder nichts, das geht doch sowie so wieder schief, genau wie in Asien!" Nein, er machte sich auf zu neuen Ufern. Und als er dort ankam, dachte er nicht: Jetzt muss sich doch der Himmel auftun, und mir die Lösung vor Augen halten. nein er ging ganz planmäßig vor. Er dachte: 'Wenn hier bei den Römern in Philippi überhaupt irgendwelche Menschen sind, die sich auf den Glauben an Gott ansprechen lassen, dann muss ich zum Fluss gehen, dort wo sich fromme Juden waschen, bevor sie am Sabbat beten.' Dort wo sich Menschen treffen, die ihren Glauben bewahrt hatten. Und er traf dort auf Frauen, die ihm zu hörten, er ging auf sie zu und redete mit Ihnen. Und er sprach so über seinen Glauben, dass ihnen das Herz aufging.
Und seine bekannt gewordene Zuhörerin Lydia, war wirklich begeistert, und wurde vom Geist Gottes erfüllt, durch das was Paulus redete. Sie wird als gottesfürchtig bezeichnet, das heißt, sie war auf der Suche nach Gott, hat sich der jüdischen Gemeinschaft angeschlossen, weil sie hier am ehesten, etwas für ihre Seele fand, aber sie gehörte wohl nicht vollständig zu ihnen, so dass ihr die Entscheidung leichter fiel, sich dem neuen Glauben anzuschließen. Sie ließ sich taufen. Der Rituelle Waschung der Taufe war ihr nicht so fremd, weil sie das ja bei den jüdischen Menschen am Fluss auch erlebte. Was ihr vielleicht aufgefallen ist, ist dass nun diese eine Waschung der Taufe ausreicht, um wirklich rein vor Gott zustehen. Sie lud alle dazu ein, die zu ihr gehörten sich auch taufen zu lassen, und dann wollte sie auch gastfreundlich sein, zu den Menschen, die ihre Seele bereichert haben.
Was können wir von Lydia lernen, für unserer Situation heute. - Es gibt weiterhin Menschen, die nach Gott suchen, die ansprechbar sind, und Futter für ihre Seele suchen. Und wir werden sie finden, wenn wir an die Orte gehen, an denen sie suchen. Das mögen für uns heute ganz andere Orte sein. Wie viele Leute sagen uns: "Beten kann ich auch im Wald, dafür muss ich nicht in die Kirche!" Welche Möglichkeiten sehen wir, an solchen Orten wie einem Wald, unseren Glauben zu leben, und dazu einzuladen. Ja, das kann der Freiluftgottesdienst sein. Es gibt Gelegenheiten, wo wir das tun, und manche Menschen, lassen sich dann auch spontan einladen, mitzufeiern.
Wichtig ist nur, dass wir uns über die nicht ärgern, die kopfschüttelnd oder leise spöttelnd vorbei gehen. Vielleicht habe ich für die andere Möglichkeiten, die sich ergeben. Wichtig ist nur, dass ich nicht aufgebe. Und vielleicht höre ich eine innere Stimme, die mich bittet: Komm herüber und hilf uns!
Als Paulus diesen Ruf gehört hat, ist er mit seinen Leuten einen neuen Weg gegangen. Auch wir müssen neue Weg einschlagen, um für Menschen ansprechbar zu sein für den Glauben. Menschen, müssen die Möglichkeit haben, uns zu entdecken, damit ihnen auch das Herz aufgehen kann, so wie bei Lydia am Fluss. Dazu sind auch Begegnungen nötig, die so nicht unbedingt geplant waren.
Ich habe bei unserem Amt für missionarische Dienste (www.amd-westfalen.de) einmal geschaut, was es für Möglichkeiten geben könnte, einer ungeplanten Begegnung etwas nachzuhelfen, wie Paulus es am Fluss auch getan hat.
Ein zufällige Begegnung am Wegesrand, vielleicht sogar am Fluss, ist heute mehr denn je möglich. Viele Menschen, sind in der Freizeit und im Urlaub gerne mit dem Fahrrad unterwegs. Die klassischen Radweg führen an Donau Mosel oder der Weser entlang. Aber auch Kirchen abseits der großen Radautobahnen können zu Radwegekirchen werden. Radfahrer, wollen nicht nur Kilometer abspulen, sondern auch etwas fürs Auge und für die Seele. Kirchen sind dabei beliebte Anlaufpunkte. Auch eine Kirche in der kein Gottesdienst ist, lädt zur Besinnung ein. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeiten zu bestimmten Zeiten spirituelle Angebote zu machen, und zusätzlich zum geistigen Auftanken auch noch etwas für das leibliche Wohl zu bieten. So kann Kirche auch wieder ein Pilgerort werden, der nicht nur für Radfahrer interessant ist, sondern außerhalb der Gottesdienste ein Ort ist, an dem das Herz aufgeht.
Kirche kann auch sich anders zeigen als man gewöhnlich von ihr erwartet. Wir haben ja bei der Nacht der offenen Kirchen gute Erfahrungen gemacht (www.kirchen-nacht.de). Wir laden ein zu Musik und Kultur, und auch wenn es manchmal "nur" unterhaltend ist, dann schafft solche Unterhaltung, doch Menschen den Zugang zur Kirche, die ihn sonst nicht gefunden hätten.
Wie finde ich nun die Möglichkeit, dem aufgegangenen Herz, eine Heimat zu geben. Lydia hat damals den Weg spontan zur Taufe gefunden, und danach hat sie die Prediger in ihr Haus eingeladen. Vielleicht ging es heute eher umgekehrt. Nachdem Interesse für die Inhalte der Kirche geweckt wurde, muss ein Angebot, da sein, diese zu vertiefen. Wir können einladen zu Glaubenskursen. Das Wort mag manchen zunächst abschrecken. Aber viele Menschen besuchen "freiwillig" Sprachkurse oder nehmen an Bildungsangebote teil, die sie weiter bringen. Warum nicht auch im Glauben weiter wachsen. So ein Kurs muss nicht nach Schule aussehen. Wir haben ja da mit unserem "Schnupperkurs" Glauben gute Erfahrungen gemacht. Eine Einladung in die Gemeinde, bei der ich mich wie zu Hause fühle, unter Menschen bin, denen ich vertrauen kann, und wo ich darauf Acht haben kann, was da vom Glauben gesagt wird. Auch in Hauskreisen kann so ein Glaube vertieft werden, da ist uns die Einladung der Lydia in ihr Haus ein gutes Vorbild. (www.amd-westfalen.de)
Komm herüber und hilf uns! Viele Hilfen werden angeboten von Leuten, die sich Gedanken machen, wie Kirche ihre Inhalte wieder zum Menschen bringen kann. Wir müssen uns nur bewusst sein, dass wir Hilfe brauchen, bevor wir sie geben können. Und solche Hilfe kommt nicht nur vorn kirchlichen Werken, sondern oft auch vom Heiligen Geist selbst, indem er uns manche Wege verwehrt und dafür andere Wege öffnet. Komm herüber und hilf uns! So sprach der Mann aus Mazedonien in der nächtlichen Erscheinung. Wir müssen versuchen, unsere Ohren und Herzen für solche Stimmen zu öffnen. Denn einfach so, werden wir den verlorenen Boden nicht mehr gut machen und weiter mit dem Rücken zur Wand stehen. Hören wir auch, was Gott uns im Wochenspruch sagt: Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht. (Hebr 3,15) Amen.
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Predigt zu Apostelgeschichte 16,9-15 von Wolfgang v. Wartenberg
Der Apostel Paulus gehörte zu den ersten, die in frühchristlicher Zeit im Bereich der heutigen Türkei die christliche Botschaft weitergaben. Als er in Troas weilte, gar nicht weit weg von dem Ort, an dem Heinrich Schliemann das alte Troja entdeckte, sah er eine Erscheinung bei Nacht. Dies wird in der Apostelgeschichte erzählt.
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Liebe Gemeinde,
was ist geschehen? Wie und warum hat Lydia zu ihrem Glauben finden können? Lukas, der diese Begegnung in der Apostelgeschichte festgehalten hat, schweigt. Er analysiert nicht. Der Bericht des Lukas ist kurz und bündig. Da wird keine lange Geschichte erzählt, sondern nur das Ergebnis – wir haben es gehört:
Die gottesfürchtige Lydia ließ sich taufen und ihr ganzes Haus dazu.
Dabei war diese Taufe ein bemerkenswertes, ein historisches Ereignis. Die Purpurhändlerin Lydia war die erste Frau, ja, darüber hinaus, der erste Mensch überhaupt auf dem europäischen Festland, der sich zu Jesus Christus bekannte. Das Haus der Lydia wurde zur Geburtsstätte der christlichen Gemeinde in Europa.
Lydia wird „gottesfürchtig“ genannt. Das Wort hatte damals eine besondere Bedeutung: Sie war keine geborene Jüdin, aber sie hatte sich der jüdischen Gemeinde in Philippi angeschlossen. Damit wird sie als eine Frau beschrieben, die für religiöse Fragen offen und am jüdischen Glauben interessiert war. Sie war, so dürfen wir annehmen, auf der Suche nach dem, was wirklichen Halt versprach.
„Der Lydia tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde.“ Vielleicht tut Gott auch unsere Herzen auf, sodass wir Acht haben auf das, was uns wirklichen Halt geben kann.
Liebe Gemeinde, was gibt uns Halt - inneren, seelischen Halt? Die Antwort: Halt gibt uns die gute Botschaft Jesu, dass Gott uns liebt. Davon hat Jesus noch und noch mit vielen Worte und durch sein Leben erzählt. Jesus öffnete unsere Augen für seine Vision eines guten Lebens, ein wahres, gerechtes, menschliches Leben voller Güte und Barmherzigkeit. Er warb dafür, in Gott nicht den Richter und den allmächtigen Herrscher zu sehen, sondern den himmlischen Vater, der die Armen liebt, den Gefangenen Freiheit schenken, den Blinden das Licht geben und die Misshandelten erlösen will. Und er erzählte davon, dass Gott uns Gnade und Liebe erweisen will.
Liebe Gemeinde, vor diesem Hintergrund hat es sein Recht, von einer Liebesgeschichte zu reden, wenn wir von Gott und Mensch reden. Ich nehme diese Geschichte zum Anlass, von einer anderen Liebesgeschichte zu erzählen, und erläutere am Schluss der Geschichte, warum ich sie erzähle.
Eine ältere Frau, schon lange verheiratet, erzählte mir einmal, wie sie ihren Mann kennen gelernt hatte. Sie war noch Schülerin, und sie ging in die Schule, die seiner Schule benachbart war. Irgendwann hat ihr Mann, damals noch ein Schüler, ein Auge auf sie geworfen. Er brachte ihr täglich vor dem Unterricht oder in der großen Pause einen Apfel mit aus dem häuslichen Garten. Das war damals noch etwas Besonderes! Sie nahm den Apfel nach anfänglichem Widerstreben. Der Schüler entsprach so gar nicht ihren Vorstellungen. Sie stammte schließlich aus gutbürgerlichen Verhältnissen und er kam vom Land und war etwas altbacken gekleidet.
Aber, wie die Dinge sich so entwickeln: Mit der Zeit konnte sie sich seinem Einfluss nicht entziehen. Irgendwann überzeugte er sie, sie kamen sich näher, schließlich haben sie geheiratet. Und vier Kindern das Leben geschenkt.
Nicht wahr, liebe Gemeinde, eine schöne Liebesgeschichte! Vermutlich könnten einige von Ihnen eine ebenso schöne Geschichte erzählen.
Liebe Gemeinde, es geht mir in der Geschichte um Folgendes: Bei Lydia genügte, wenn wir dem Bericht des Lukas folgen, ein Tag, um sich dem christlichen Glauben zu öffnen. Viele Menschen aber brauchen eine längere Zeit, manchmal ein Leben lang, um in den christlichen Glauben hineinzufinden. Es entwickelt sich dann wie bei jenem Liebespaar: Langsam von Tag zu Tag bildet sich ein immer stärker werdendes Interesse, eine wachsende Zuneigung und schließlich ein tief gehendes Zutrauen zu Gott.
Liebe Gemeinde, unsere je eigene Liebesgeschichte mit Gott - gibt es die? Vermutlich hat sie ja schon längst begonnen in unserem Leben. Vielleicht steht sie noch aus – oder wir haben noch nicht genug Acht gehabt auf die Zeichen, die auf eine solche Liebesgeschichte hindeuten.
Ich denke, es sind ganz elementare Erlebnisse, die unsere Gewissheit stärken können, dass Gott auf uns achtet, zu uns Ja sagt und uns mit Liebe begleitet:
Gute, positive, von Liebe und Respekt bestimmte Erlebnisse mit der Mutter, dem Vater, den Geschwistern stützen uns weit über unsere Kindheit hinaus.
Bei manchen ist es die Erinnerung an die guten Erlebnisse in einer Jugendgruppe, bei anderen das Mitsingen in einem Kirchenchor, bei wieder anderen der Besuch einer eindrucksvollen Kirche oder die Erinnerung an einen bewegenden Gottesdienst, die etwas davon in uns aufleuchten lassen, wie gut es Gott mit uns meint.
Wenn wir es genau nehmen: Jedes Stück Brot, jeder Schluck Wasser und an jedem Abend das Dach über unserem Kopf erinnern uns dankbar daran, wie wenig selbstverständlich es ist, dass wir leben und behütet sind.
Liebe Gemeinde, diese guten, wunderbaren Erlebnisse können die Gewissheit stärken, dass Gott uns trägt und wir ihm wichtig sind.
Aber wir können die Augen und die Ohren nicht davor verschließen, dass sich uns die Güte Gottes nicht immer so eindeutig erschließt. Mancher erfasst den gütigen Gott erst nach langen Kämpfen. Manchem bleibt sie wohl auch ein Leben lang verschlossen.
Ich denke an einen Patienten, den ich im Krankenhaus besuchen durfte. Er hatte einen schweren Verkehrsunfall überlebt. Er erzählte mir, wie es zu dem Unfall kam: Er war im Gottesdienst gewesen und mit seinem Auto auf dem Weg nach Hause. Da sah er ein anderes Auto mit Motorschaden am Straßenrand stehen. Als ein bewusst lebender Christ hielt er an, um seine Hilfe anzubieten. Er stellte sich zwischen beide Autos, um in den Motorraum des liegengebliebenen Autos zu blicken. In diesem Moment fuhr ein anderes Auto ungebremst auf die beiden Autos auf. Der Mann flog durch die Luft. Er war am Kopf und am ganzen Körper schwer verletzt. Zwei Wochen schwebte er zwischen Leben und Tod. Seitdem war einige Zeit vergangen. Er hatte mehrere Operationen hinter sich und noch mehrere vor sich.
Gegen Ende des Krankenbesuches verabschiedete ich mich mit dem Segenswunsch „Behüt` Sie Gott.“ Als ich behutsam hinzufüge, ich würde verstehen, wenn er nach diesem Schicksal an der guten Führung Gottes zweifle, rief er aus: „Ganz im Gegenteil. Mir ist heute unerklärlich, wie ich habe überleben können. Gott will mir zeigen, dass ich noch viel mehr als bisher auf ihn vertrauen kann.“
Liebe Gemeinde, ich habe viel gelernt von diesem Patienten. Zum Beispiel dieses, dass wir auch im Unglück vertrauensvoll an Gott festhalten können.
Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Zu den guten Gottes Gaben in diesem Leben gehört auch das Wissen, dass wir nicht allein sind.
Gott hat uns nicht nur dieses unser Leben geschenkt, sondern auch die Menschen neben uns, die Kinder, die Geschwister, die Eltern, die Großeltern, die Freunde, die Menschen in der Gemeinde, in der Stadt und in der weltweiten Ökumene.
Wie können wir Gott dankbar sein für diese Menschen, mit denen wir leben! Diese Menschen sind es doch, denen wir verbunden sind, die unser Herz füllen, die in unseren Gedanken ständig gegenwärtig sind, mit denen wir weinen und lachen, mit denen wir bangen und hoffen, für die wir uns verantwortlich wissen. Liebe Gemeinde, diese Menschen tragen zu unserem Glück bei, ohne sie wären wir vermutlich einsam und unglücklich. Wir leben miteinander und füreinander. Wir brauchen uns gegenseitig für unseren inneren Seelenhaushalt. So schenken wir uns die Gewissheit, dass wir erwünscht und willkommen sind, dass wir gebraucht werden.
Das scheint alles so selbstverständlich zu sein. Aber es ist nicht selbstverständlich, zumal dann nicht, wenn es uns Mühe bereitet, für andere da zu sein.
Ich denke an die Mutter, die mir von ihrem behinderten Kind erzählte. Wie anstrengend die Zeit war, als sie und ihr Mann für das Kind gesorgt haben. Und trotzdem, so erzählte sie, sei diese Zeit im Rückblick die wertvollste Zeit ihres bisherigen Lebens gewesen.
Ich denke an den Mann, der seine kranke Frau pflegte. Er sei in dieser Zeit kaum zur Ruhe gekommen und dennoch, so sagte er, sei er von Herzen dankbar dafür, dass ihm das möglich war.
Ich denke an die alte Frau, die mir einmal klagte: „Ich kann für meine Kinder gar nichts mehr tun. Ich komme ja nicht mal aus dem Haus. Aber“, fügte sie dann zögernd hinzu, „ich kann noch für sie beten.“ Liebe Gemeinde, auch auf diese Art und Weise können wir füreinander da sein.
Ich denke an die vielen anderen, die Mädchen und Jungen, an die Frauen und Männer, die sich täglich auf den Weg machen zur Schule, zu den Kaufhäusern, zu den Büros, obschon sie es dort nicht leicht haben. Solch eine regelmäßige Arbeit, die Disziplin, die in jeder Arbeitsstelle erwartet wird, der Leistungsdruck, die körperlichen und geistigen Mühen, manches Mal sogar große Gefahren sind sehr, sehr anstrengend. Wir kennen das doch alle. Dazu kommen möglicherweise noch schwelende Konflikte. Sie zehren an den Kräften. Sie können auf die Dauer krank machen.
Warum tun wir das? Natürlich: Weil wir Geld verdienen, für unseren Unterhalt sorgen müssen, weil wir uns verpflichtet fühlen, für unsere Angehörigen da zu sein. Gewiss, liebe Gemeinde, das alles auch. Aber in vielen Fällen habe ich den Eindruck, schwingt noch ein anderes Gefühl mit, ein Gefühl der Verantwortung, ja, sogar noch mehr: auch ein Gefühl der Liebe – nicht zu den Mühen ihrer Tätigkeit, sondern zu den Menschen, für die wir da sein können oder einmal da sein werden. Diese Liebe, liebe Gemeinde, ist sie nicht auch von Gott und ein Zeichen dafür, dass er uns nicht allein lässt?
Auf die Frage, warum wir das, was so viel Mühe bereitet, tun, würden viele der Zeitgenossen mit der Gegenfrage antworten: „Wer soll das denn sonst tun, wenn nicht ich, der ich die Großmutter, der Vater, die Mutter, der Sohn oder die Tochter bin? Oder auch: Wer denn sonst, der ich doch für diesen Beruf ausgebildet bin, mich auskenne und den Menschen wirklich helfen kann?“
An dieser Stelle möchte ich die vielen Menschen würdigen, die sich ehrenamtlich für andere engagieren. Derer gibt es inzwischen so viele, dass ich sie gar nicht aufzählen kann.
Ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen: Viele finden in diesen Aufgaben, in diesem Für- andere- da- sein ihr Glück. Sie erfassen instinktiv, dass ihr Leben dadurch einen tiefen Sinn erfährt.
Liebe Gemeinde, diese Fähigkeit, füreinander da zu sein, ist von Gott.
Die Liebesgeschichte von Gott und Mensch, die vermutlich Lydia dazu bewegt hat, sich taufen zu lassen, setzt sich fort in unserem Leben und hält an darüberhinaus.
Wir dürfen uns geborgen wissen in allen Zeiten.
Amen
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Predigt zu Apostelgeschichte 16,9-15 von Elisabeth Tobaben
9. In der Nacht hatte Paulus eine Erscheinung. Ein Mann aus Mazedonien stand vor ihm und bat: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“
10. Gleich nachdem Paulus die Erscheinung gehabt hatte, suchten wir nach einer Möglichkeit, nach Mazedonien zu gelangen. Denn wir waren sicher: Gott hatte uns dazu berufen, den Menschen dort die Gute Nachricht zu verkündigen.
11. Von Troas aus setzten wir auf dem kürzesten Weg nach Samothrake über. Einen Tag später erreichten wir Neapolis.
12. Von dort gingen wir nach Philippi. Das ist eine bedeutende Stadt in diesem Bezirk Mazedoniens und römische Kolonie. In dieser Stadt blieben wir einige Zeit.
13. Am Schabbat gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluss. Wir nahemn an, dass dort eine jüdische Gebetsstätte sei.
Wir setzten uns und sprachen zu den Frauen, die an diesem Ort zusammengekommen waren.
14. Unter den Zuhörerinnen war auch eine Frau namens Lydia. Sie handelte mit Purpurstoffen und kam aus der Stadt Thyatira.
Lydia glaubte an den Gott Israels. Der Herr öffnete ihr das Herz, sodass sie die Worte des Paulus gerne aufnahm.
15. Sie ließ sich taufen zusammen mit allen, die in ihrem Hause lebten. Danach bat sie: „Wenn ihr überzeugt seid, dass ich wirklich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus. Ihr könnt bei mir wohnen!“ Und sie drängte uns förmlich dazu. (Basis-Bibel)
Liebe Gemeinde!
Das hört sich an wie ein Reisebericht, was wir da gerade gehört haben.
Ich habe den Eindruck, ein Atlas wäre ganz praktisch gewesen heute, um besser zu verstehen, in welche Gegend uns denn diese Erzählung aus der Apostelgeschichte entführt!
Vielleicht ist es Ihnen beim Zuhören aber auch so ähnlich ergangen wie mir, und Sie haben über all die geographischen Angaben erstmal mehr oder weniger weggehört.
Das ist das ja oft so, wenn irgendwo so viele Namen von Städten oder Landschaften vorkommen, gerade wenn sie einem eher fremd sind: sie rauschen an einem vorbei.
Wenn plötzlich etwas Vertrautes dazwischen auftaucht, ist das was anderes, und man sagt vielleicht: „Oh ja, das kenn ich, da war ich auch schon mal!“
Und mit einemmal hat man ein Bild vor Augen; man weiß, wie es da aussieht und kann sich viel besser vorstellen, was erzählt wird.
Erstmal ein Reisebericht also.
Die Geschichte ist aber zugleich auch eine Bekehrungsgeschichte.
Die Geschichte von Lydia, der Purpurhändlerin, die mit ihrem ganzen Haus, mit ihrer Familie, ihren Mitarbeiterinnen und Angestellten getauft wird und sich zu Christus bekennt, wie jemand anfängt zu glauben:
Verbunden mit der Frage: Wie kommt es denn eigentlich dazu?
Und hier - bei Lydia- gibt es eine ganz klare und eindeutige Antwort:
“Der Herr öffnete ihr das Herz, dass sie aufmerksam den Worten des Paulus lauschte.“ (V.14)
Gott selbst ist in Aktion, von ihm kommt der entscheidende Anstoß, sowohl bei Lydia - als auch bei Paulus!
Denn auch Paulus hat seinen Weg ja keineswegs von vornherein klar und eindeutig erkannt!
Er ist auf der Suche und probiert herauszufinden, wo er als nächstes das Evangelium verkünden soll.
Der entscheidende Punkt auf den es ankommt, im Reisebericht wie in der Bekehrungsgeschichte ist: Gott greift ein, er lenkt die Wege von Paulus und seinem Missionstrupp und er öffnet Lydia das Herz.
Und bei uns?
Oder anders gefragt: Was können wir denn aus dieser Geschichte gewinnen für unseren Glauben und unsere Gemeinde?
Dazu zunächst noch einmal zum Reisebericht zurück: ich denke, der Verfasser hat mit Bedacht so viele Einzelheiten zur Reiseroute zusammengetragen.
Wie gesagt: es sind ungeheuer viele Namen von Landschaften und Städten, die Paulus und seine Mitarbeiter durchstreifen, vor unserer Geschichte wird schon davon berichtet:
Aus der Provinz Asien geht es über Phrygien nach Galatien, d.h. sie laufen also einmal längs durch die heutige Türkei.
Dann den weiten Weg zurück und vorbei an Mysien nach Bythinien;
Sie wollen gehen nach Nordosten, um dort ihre Arbeit fortzusetzen und fragen sich, ob sie dort Erfolg haben mit dem Evangelium.
Aber überall fühlen sie sich an der Verkündigung gehindert,
„...der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht...“, heißt es in V. 7.
Und so ziehen sie schließlich immer an der Küste entlang bis hinunter nach Troas.
Und da stehen sie und sind ratlos sind und wissen nicht, wie es weitergehen soll!
Denn nun liegt vor ihnen nur noch das offene Meer, und auf die Idee, dass sie ja auch in ein Schiff steigen könnten und hinüberfahren nach Griechenland, dieser Gedanke liegt ihnen offenbar so fern, dass sie darauf überhaupt gar nicht kommen!
Da drüben ist Europa, ein anderer Kontinent.
Da ist nicht mehr ihre Welt.
Nicht, dass es dorthin keine Kontakte gegeben hätte!
Im Gegenteil, es wird eifrig Handel getrieben zwischen den asiatischen und den europäischen Städten am Mittelmeer.
Und auch Lydia, die Purpurhändlerin, stammte - wie wir hören- ursprünglich aus Asien, aus Thyatira und sie lebt und arbeitet jetzt in Philippi, in Griechenland, in Europa.
Paulus braucht eine göttliche Weisung zum Sprung übers Meer!
Eine Erleuchtung! Er hat eine nächtliche Vision, einen Traum.
Und im Traum erscheint ihm ein Mazedonier, der ihn bittet: „Komm herüber und hilf uns!“
Damit ist die Sache klar, sofort brechen sie auf, anscheinen noch mitten in der Nacht, völlig sicher, dass Gott sie dazu berufen hat.
Alles ist wieder offen.
Die Grenzen, die eben noch so dicht waren, spielen offenbar keine Rolle mehr.
Grenzen.
Jetzt im Februar ist bei uns auf der Insel auch immer die Zeit der Jahresplanungen.
Und dazu solch ein Predigt-Text, das ist schon spannend!
Auch wir haben in unserer Gemeinde längst Gottesdienste und Veranstaltungen in einen großen Übersichtskalender eingetragen und geguckt: Was steht schon fest, z.B. wann kommt welcher Kurpastor/in, Freizeithelferin, wie passt alles zusammen, wann feiern wir das 50-jährige Jubiläum unserer Inselkirche? Was fehlt vielleicht noch.
Und passiert es denn schon manchmal, dass der Satz fällt: „Nee, um die Zeit? das geht gar nicht, da kommt sowieso keiner!“
Es könnte ja sein, dass wir auch viel zu sehr auf Grenzen starren, von denen wir denken, dass sie da wären, wo wir sie sehen.
Haben wir damit womöglich gar nicht im Blick, dass Gott vielleicht etwas ganz anderes bewirken will bei uns?
Es kann ja sein, dass es auch bei uns irgendwo Menschen gibt, die wir gar nicht anzusprechen wagen, weil wir denken: Das hat ja sowieso keinen Zweck?
Übrigens: was ist, wenn z.B. die plötzlich die Norderneyer oder Borkumer im Traum erschienen und zu uns sagen: „Kommt herüber und helft uns?“
Und ich habe mich auch nochmal kritisch gefragt, wie das denn mit den Zahlen ist.
Wenn eine Veranstaltung kein Massenauflauf zu werden verspricht, halten wir uns ja gern sehr bedeckt.
„Das lohnt sich doch gar nicht“, sagt sich dann leicht mal.
„Lohnte“ sich denn Paulus‘ Einsatz in Philippi?
Immerhin ist das Ergebnis doch eigentlich relativ kümmerlich, wenn man‘s nüchtern betrachtet!
Ein einziges Haus, eine Familie, eine Betriebsbelegschaft wird getauft.
Eine Riesenmenge dürfte das nicht gerade gewesen sein, und ob sie eigentlich alle wirkliche selbst angefangen hatten zu glauben, darüber erfahren wir gar nichts.
Nur von Lydia selbst wird die Bekehrung berichtet.
Und sie zieht alle andern nach sich, gründet eine Hausgemeinde und sorgt für die Taufe aller.
Eine Frau also, die mehr wissen will, eine einzige, die fragt, zuhört, der Gott das Herz auftut.
Und das ist ausgerechnet auch noch eine Ausländerin!
Das Spannende ist: sie kommt genau aus der Gegend, in der auch Paulus und seine Leute gerade waren, und wo sie so erfolglos waren mit seiner Predigt, nicht verkündigen durften!
Es kann ja sein, dass Lydia auch erst in der Fremde ihr religiöse Interesse entdeckt hat.
Als „Gottesfürchtige“ beschreibt die Apostelgeschichte sie.
Das ist ein feststehender Begriff für Leute aus dem engsten Umkreis der jüdischen Gemeinde, keine Voll-mitglieder sozusagen, aber sehr interessiert und gebildet.
Oft Leute, die sich darauf vorbereiteten, der Gemeinde richtig beizutreten.
Und so trifft Paulus‘ Predigt eigentlich schon auf offene Türen bei ihr.
Das gibt es ja oft, dass Menschen fern von zu Hause viel offener sind für die Frage nach dem Glauben!
Dazu muss man nun nicht gleich im Ausland leben und arbeiten, vielleicht merken Sie es auch an sich selbst, wenn Sie z.B. im Urlaub oder sind oder in den Ferien - wenn Sie da in eine fremde Kirche kommen, braucht es manchmal nur einen kleinen Anstoß - ein Bild, Musik, ein Wort oder einfach der Eindruck des Raumes - und Ihnen geht das Herz auf...
So passen sie denn gut zusammen, der Reisebericht und die Bekehrungsgeschichte!
Das Ermutigende an beiden Geschichten ist, finde ich, dass sie hier ja nicht zu Ende sind.
Mit Lydia fängt es erst an, dass das Evangelium sich in Europa ausbreitet.
Das offene Herz - es führt für Lydia dazu, dass sie auch ihr Haus öffnet!
Die kleine Hausgemeinschaft in Philippi wird so etwas wie eine Keimzelle des neuen Glaubens.
Ich glaube, dass es auch heute in unserer Kirche nicht in erster Linie um ausgeklügelte Sparmaßnahmen und auch nicht ausgefeilte Missionsstrategien mit irgendwelchen Leuchtfeuern gehen sollte.
Sondern was wir brauchen, das sind vielmehr einzelne Menschen –so wie Lydia-, denen das Herz aufgegangen ist, die mit beiden Beinen im Leben stehen und da von ihrem Glauben erzählen, von dem, was sie trägt und hält.
Lydia zwingt Paulus und seine Leute förmlich dazu, ihre Gäste zu sein.
„Wenn ihr kommt,“ sagt sie, „dann erkennt ihr damit an, dass ich jetzt richtig dazugehöre, dass ich fest an den Herrn glaube!“
Manchmal, denke ich, brauchen wir Menschen das, dass uns ein anderer sagt: ich sehe deinen Glauben, ich erkenne ihn an - gerade in Momenten des Zweifels, oder der Unsicherheit ganz am Anfang; wenn man sich selbst (noch) gar nicht so sicher ist, ob denn der eigene Glaube wirklich (schon) so tragfähig ist, wie man selber möchte oder sich erträumt.
Deswegen feiern wir mit unseren Konfirmanden einen festlichen Gottesdienst zum Abschluss des Unterrichtes.
Die Geschichte von Lydia und Paulus kann uns Mut machen, unterwegs zu bleiben:
innerlich, und manchmal vielleicht auch buchstäblich:
- offen dafür, unsere inneren Weisungen und Traum-Bilder zu verstehen und
- und im Vertrauen darauf, dass wir herausfinden werden, wohin Gottes Geist uns lenkt. Amen.
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Predigt zu Apostelgeschichte 10,21-36 von Søren Schwesig
Liebe Gemeinde,
wenn immer in der Weltpolitik etwas geschieht, was für das Leben der Menschen entscheidende und weitreichende Konsequenzen hat, dann bemühen Politiker gern den Satz: „Wir erleben einen historischen Augenblick.“ Meist haben diese sogenannten historischen Augenblicke zu tun mit einem Regierungswechsel, dem Fall von Mauern oder der Beseitigung anderer, trennender Schranken.
Versuchen sie sich einmal zu erinnern an einen solchen historischen Augenblick. Viele werden an die Novembernacht 1989 denken, als zum ersten Mal nach Jahrzehnten der Trennung Deutsche aus Ost und West auf der Berliner Mauer ein Freudenfest feierten. Diese Nacht mit all den nachfolgenden revolutionären Veränderungen war sicher ein Augenblick, das das Prädikat `historisch´ wirklich verdient hat.
Historisch in seinen Folgen war sicherlich auch die Terroranschläge des 11. September 2001. Die Welt ist – so kann man das wohl sagen – tatsächlich eine andere geworden seit diesen Ereignissen.
Unser heutiger Predigttext lässt uns ebenfalls an einer historischen Stunde teilnehmen. Es geht um eine historische Begegnung, auch wenn diese Begegnung äußerlich ohne jede Dramatik verlief. Unser Predigttext lässt uns Zeuge einer Begegnung werden, der wir im Grunde die Existenz unserer Kirche zu verdanken haben. Denn in dieser Begegnung wurde eine Grenze überwunden zwischen Menschen, die bisher als Fremde und als Ungläubige galten. Aber der Reihe nach.
Wir hören von einem Cornelius, seines Zeichens römischer Offizier in Cäserea. Cornelius gilt als "gerecht und gottesfürchtig". Einer, der sich ernsthaft für religiöse Fragen interessiert. Einer, der auf der Suche ist nach Gott. Als Anhänger des Judentums Cornelius sympathisiert Cornelius mit dem jüdischen Glauben. Aber er zieht nicht die Konsequenz, zum Judentum überzutreten und sich beschneiden zu lassen. Damit gilt er strengen Juden als unrein.
Cornelius empfängt in seiner Heimatstadt eine Engelsvision. Ein Engel befiehlt ihm, aus der Stadt Joppe einen Mann namens Simon mit dem Beinamen Petrus holen zu lassen. Dieser habe ihm Wichtiges zu sagen. Gott habe seine, des Cornelius, gottesfürchtige Haltung gegenüber den Juden und ihrem Glauben gnädig angesehen.
Zur selben Zeit hat Petrus, der in Joppe ist, ebenfalls eine Vision. Er sieht ein riesiges Bündel aus dem Himmel herniedersinken, in dem alles Getier, das auf Erden existiert, ihm zur Nahrung angeboten wird, Reines und Unreines durcheinander. Petrus als ein frommer Jude, der sich an die Speisevorschriften der Bibel hält, lehnt das dreimalige Angebot dreimal ab: Er habe noch nie Unreines gegessen und wolle es auch diesmal nicht tun. Die Vision schwindet und lässt ihn ratlos zurück.
Und nun der Predigttext. Worte aus dem 10 Kp der Apostelgeschichte:
[21] Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; warum seid ihr hier? [22] Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. [23] Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. [24] Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. [25] Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. [26] Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch. [27] Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. [28] Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll. [29] Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. [30] Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand [31] und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. [32] So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. [33] Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist. [34] Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; [35] sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
Wir haben es gehört: Als Petrus noch über die Bedeutung seiner Vision grübelt, wird ihm die Einladung des Cornelius überbracht. Petrus folgt ihr, obwohl er doch als Jude heidnische Häuser keinesfalls betreten darf. Als er zu Cornelius kommt, wird ihm der Sinn seiner Vision klar: Gott selbst hat diese Begegnung mit Cornelius inszeniert, damit der heidnische Römer in die Gemeinde aufgenommen werde. Petrus beginnt seine Verkündigung des Evangeliums im Haus des Cornelius mit dem Schlüsselsatz der ganzen Geschichte: "Nun erfahre ich in Wahrheit, daß Gott nicht danach fragt, welchem Volk ein Mensch angehört; sondern wer Gott fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm."
Im weiteren Verlauf seiner Predigt fällt der Heilige Geist auf alle Hörer, die Heiden eingeschlossen, und Petrus läßt sie taufen.
Die Bedeutung, ja Dramatik dieser Begegnung ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wenn man nicht um die damaligen Barrieren zwischen Juden und Heiden weiß. Fromme Juden mieden Heiden. Sie sahen in ihnen Unreine; Menschen, die man zu meiden hatte, wollte man sich nicht verunreinigen. Die ersten Christen waren ja nichts anderes als fromme Juden, die sich von ihren Glaubensgenossen nur darin unterschieden, dass sie in Jesus den verheißenen Messias erkannten. Natürlich galt auch für sie die Devise galt: Mit Heiden wollen wir nichts zu tun haben!
Gott hat durch die Vision mit den reinen und unreinen Tieren sowie durch die Begegnung mit Cornelius gezeigt, wie er über diese Grenzen zwischen Menschen denkt: Für das Evangelium, für die Botschaft der Bibel, für den christlichen Glauben gibt es keine Reinen und Unreinen. Allen gilt die Botschaft Jesu. In Jesu Nachfolge kann es keine Grenzen zwischen Menschen geben.
Petrus hat verstanden, dass die biblische Botschaft nicht in Grenzen eingesperrt werden darf, sondern dass sie allen Menschen offensteht. Und nun kann aus der bisher jüdischen Sekte der Christen eine christliche Kirche entstehen, eine Gemeinschaft, die allen offensteht, egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit. Die biblische Botschaft hat ihren ersten großen Befreiungsprozess durchlebt.
Der Glaube der Christen hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder Grenzen erkennen und sprengen müssen, in denen er sich zu verfangen drohte. Denn immer wieder haben Menschen die biblische Botschaft mit Grenzen umgeben.
Ich denke daran, wie Martin Luther versuchte, eine Kirche zu reformieren, in der nicht mehr die biblische Botschaft maßgebliche Richtschnur des Handelns und Glaubens war, sondern wo getan wurde, was eine irregeleitete Kurie vorgab. Das Evangelium sprengte in der Reformation damals die Grenze, die Menschen ihm gezogen hatten - aber zu welchem Preis! Zum Preis der Kirchenspaltung. Heute leben wir in konfessioneller Zerrissenheit. Lassen wir uns nicht davon täuschen, dass der Ton zwischen Protestanten und Katholiken inzwischen geschwisterlicherer geworden ist. Lassen wir uns nicht davon einlullen, dass wir mit unseren katholischen Geschwistern dieses Haus teilen, dass wir gemeinsam ökumenische Kreise anbieten. Alles schön und gut. Aber es wäre erschütternd, würden wir uns mit diesem Zustand zufrieden geben.
Denn zwischen unseren beiden Kirchen gibt es Grenzen, gewichtige Grenzen, die Menschen voneinander trennen. Ich denke an das Abendmahl. Daran, dass uns Evangelischen noch immer die volle Abendmahlsgemeinschaft verweigert wird. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass Gott nicht will, dass Christen andere Christen vom Abendmahl ausschließen. In der Frage des Abendmahles stelle ich mit Bitterkeit und Trauer fest, dass bis heute Gottes Einladung an Petrus zu einem Mahl ohne alle Grenzen nicht Einzug gehalten hat in das Abendmahlsverständnis unserer Schwesterkirche.
In der Geschichte der Christenheit ist das Evangelium immer wieder dadurch in Grenzen eingesperrt worden, dass Menschen ausgegrenzt wurden, sei es wegen ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft oder ihrer Religion. Ja, das Evangelium wurde sogar von solchen in Grenzen gesperrt, die ihm eigentlich dienen wollten. Paulus irrte, als er den Frauen in der Gemeinde den Mund verbieten wollte. Luther irrte, als er glaubte vom Evangelium her begründen zu können, dass aufständische Bauern, Juden und Andersgläubige verfolgt werden dürften. Die Bekennende Kirche irrte, als sie sich im Dritten Reich - bis auf wenige Ausnahmen - stärker für ihre eigene Freiheit einsetzte, als ihre Stimme zu erheben für Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma und Kommunisten.
Immer dann wurde der christliche Glaube in Grenzen eingesperrt, wenn Menschen ausgegrenzt wurden. Und das Evangelium befreite sich immer dann aus dieser Gefangenschaft, wenn Grenzen zu Menschen geöffnet wurden, wenn man sich klar machte, die Gemeinschaft der Glaubenden steht allen offen - unterschiedslos, weil Gott keine Unterschiede macht.
Ich glaube, dass diese Begegnung von Petrus und Cornelius uns, die wir mit Ernst Christen sein wollen, reichlich Anlass gibt, darüber nachzudenken, wo wir uns durch Vorurteile von anderen abgrenzen. Wo wir uns hinter Grenzen zurückziehen, um diejenigen zu meiden, die wir als störend empfinden, als lästig, als unsympathisch. Über solche Abgrenzungen sollten wir Rechenschaft ablegen. Aber nicht nur das - wir sollten auch versuchen, diese Abgrenzungen zu überwinden. Weil Gott ohne Vorbehalt Menschen in seine Liebe einschließt. Eröffnet das nicht neue Perspektiven für unser Tun?
Amen.
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Rein und unrein - Predigt zu Apostelgeschichte 10,1-2.(15b).21-35 von Thomas Bautz
Rein und unrein
Liebe Gemeinde!
„In Cäsarea aber lebte ein Mann namens Kornelius, ein Hauptmann bei der sog. Italischen Kohorte; er war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Hause, tat dem (jüdischen) Volke viel Gutes durch seine Mildtätigkeit und betete (flehte) ohne Unterlass zu Gott.“
Ein römischer Hauptmann: „fromm“ und gottesfürchtig. Was aber meint „fromm“? Die lateinische Übersetzung (Vulgata) schreibt „religiosus“, hier wohl synonym mit „pius“. Diese und andere Begriffe aus der römischen Religion und Kultur bedeuten meist etwas anderes, als dies in modernen Sprachen der Fall ist.
Als exemplarisch für „pietas“ gilt der sagenhafte Stammvater Aeneas, der bei seiner Flucht aus dem brennenden Troja die Statuetten der Hausgötter und den Vater auf dem Rücken trägt und den Sohn an der Hand führt; mit ihm verbindet sich das Wort „pius“ seit Vergils Aeneis. „Frommsein“ (pius) ist bei den Römern also weniger eine Eigenschaft, sondern eher eine Grundhaltung und eine Verpflichtung zum Handeln.
Pietas deckt ein korrektes Verhältnis zu Eltern, Freunden und Mitbürgern ab, wie auch eine angemessene Haltung gegenüber den Göttern. Pietas dient als eine Form von Verteilungsgerechtigkeit, d.h. der Gerechtigkeit von Verteilungsregeln und ihren Ergebnissen; entsprechend gibt es eine Ergebnisgerechtigkeit als ein Gerechtigkeitskonzept, das solche Zustände einer Gesellschaft als gerecht definiert, in denen allen Mitgliedern der Gesellschaft der Nutzen aus der Gesellschaft („Ergebnis“) in grundsätzlich gleichem Maße zukommt.
Pietas ist Gerechtigkeit im Hinblick auf die Götter (Cicero: Über die Natur der Götter, 1.116). Dabei geht es um eine gegenseitige (reziproke) soziale Tugend, denn die Götter haben auch ihre Pflichten zu erfüllen. Pius, „Frommsein“ bedeutet also, im engeren wie auch im weiteren Umfeld der Gesellschaft - im Hinblick auf die Götter - nach Gerechtigkeit trachten.
Ich weiß nicht, inwieweit der griechisch schreibende Verfasser der „Taten der Apostel“ (Acta, Praxeis), Lukas, Religion, Kultur und Sprachgebrauch der Römer vor Augen hat. Als Arzt ist er jedenfalls gebildet genug, um diese Grundkenntnisse bei ihm voraussetzen zu dürfen.
Vom Hauptmann Kornelius erzählt Lukas, dass er in jeder Hinsicht ein frommes, gerechtes Leben führt: gesellschaftlich und religiös integer (aufrichtig, pflichtbewusst, rechtschaffen). Ich frage mich: Was fehlt diesem Menschen noch? Gibt es einen verborgenen Mangel oder gar einen Makel, der ihn vielleicht als einen unehrenhaften Mann oder gar als zwielichtige Gestalt und als Scharlatan entlarvt?
Nichts dergleichen wird von Lukas erwähnt; im Gegenteil: Kornelius ist gottesfürchtig, spendet freigiebig dem Volk Almosen und ist auch ein Mann des Gebets. Regelmäßig betet er, fleht zu „Gott“; wir wissen nicht, worum er bittet. Doch in Gestalt einer Vision wird ihm die Gewissheit zuteil, dass „Gott“ seine Gebete erhört hat; wiederum erfahren wir nicht, worin diese Erhörung besteht. Während ich noch darüber nachdenke, wie der Römer Kornelius (ein „Heide“) gebetet haben mag, lese ich eine Art Meditation über das Gebet von Yuval Lapide: „Das Herz der Kabbala“ (Sohn des leider verstorbenen Pinchas Lapide):
„Es ist aber nicht etwa so, als werde nur des Gerechten (auch des „Heiden“; Th.B.) Gebet von Gott empfangen und als sei nur dieses lieblich in seinen Augen.
Kein Beten ist gnadenstärker und dringt in geraderem Fluge durch alle Himmelswelten als das Beten des Einfältigen, der nichts zu sagen und nur das ungebrochene Müssen seines Herzens Gott darzubringen weiß.
Gott nimmt es an wie ein König das Singen der Nachtigall in der Nacht seines Gartens, das ihm süßer klingt als die Huldigung der Fürsten im Thronsaal.
Gott, der in die verborgenen Tiefen des Beters hinabsieht, begehrt die Einfalt und Unvoreingenommenheit des Ungeschulten und Unkundigen, weil dieser ein hohes Maß an Hingabe und anspruchsloser Echtheit, Schlichtheit und Wahrhaftigkeit demonstriert.
Die chassidische Legende weiß nicht genug der Beispiele für die Gunst, die dem Ungebildeten (auch dem „Heiden“; Th.B.) leuchtet, und für die Macht seines Dienstes.“
Später wird Kornelius nochmals als gerecht und gottesfürchtig vorgestellt: „ein gerechter und Gott fürchtender Mann, mit gutem Zeugnis von der ganzen Volksgemeinschaft der Juden …“. Wenn Lukas diese ehrenhafte Position vor der jüdischen Gesellschaft einfügt, führt er uns schon an die in seiner Erzählung dargestellte Problematik heran, nämlich was es einerseits damals bedeutet, wenn Juden Umgang mit „Heiden“, mit Unreinen haben, und wie absurd sich das Ganze von einer höheren Warte aus darstellt.
Nun führt Lukas Petrus als zweite Hauptperson in seine Erzählung ein. Als Jude, der Christus (Messias) als Erfüllung jüdischer Verheißungen verkündet, hält Petrus an den Speise- und Reinheitsgeboten der Tora fest. Doch in einem Traum erhält er Gottes Auftrag zur Tischgemeinschaft mit Kornelius, dem „gottesfürchtigen“ Römer.
Viele Ausleger behaupten, mit Petrus begönne die urchristliche „Heidenmission“. Sie löst zunächst Konflikte mit anderen Judenchristen aus, die von Nichtjuden das Einhalten jüdischer Gebote verlangen. Petrus verteidigt die Nichtjuden und seine Tischgemeinschaft mit ihnen damit, dass auch sie den Heiligen Geist empfangen haben. Dies müssen seine Jerusalemer Kritiker dann anerkennen.
Um die bereist erwähnte Absurdität und Unmöglichkeit vor Augen zu führen, Menschen wie Kornelius auf der einen Seite als gerecht und gottesfürchtig wertzuschätzen, auf der anderen aber Menschen wie ihn auf Grund ihrer Herkunft als „Heiden“ und Unreine auszugrenzen, wird Petrus im Traum unreines Getier gezeigt, begleitet von der Aufforderung, dieses zu schlachten und zu essen - für Petrus ein wahrer Alptraum. Doch er hört eine Stimme:
„Was Gott für rein erklärt hat, heiße du nicht gemein!“ Petrus kann sich später darauf berufen:
„Ihr wisst, wie streng es einem Juden verboten ist, Kontakt mit jemand zu haben, der zu einem anderen Volke gehört, oder gar bei ihm einzukehren. Gott hat mir aber gezeigt, keinen Menschen gemein oder unrein zu nennen.“ Seine nächste große Rede beginnt er mit dem Bekenntnis, dass er eine wichtige Lektion gelernt hat:
„Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott keine Unterschiede macht! Er liebt alle Menschen, ganz gleich, zu welchem Volk sie gehören, wenn sie ihn nur ernst nehmen (fürchten) und tun, was vor ihm recht ist.“
Mag Petrus nach der Einschätzung des Lukas zumindest kurzfristig diese tolerante Einstellung gepflegt haben, bei Paulus lässt sich beobachten, dass er sprachlich „Heiden“ im Gegensatz zu Juden voneinander abgrenzt. Alttestamentlich bezeichnet das hebräische Äquivalent (gojim) zunächst „Völker“, „Nationen“ im neutralen Sinne. Nach dem babylonischen Exil verschiebt sich aber die Bedeutung zunehmend zu einem religiösen Verständnis; fortan versteht man aus der Sicht Israels darunter „heidnische Völker“, „die Jahwe nicht dienen, ohne die Tora leben und einen frevelhaften Lebenswandel führen“ (Ulrich Heckel).
„Schließlich fühlte man sich als das erwählte und von Jahwe geliebte Volk weit erhaben über die gojim und sah auf sie herab; es sind die Ungläubigen, die ‚Heiden‘.“ (U. Heckel)
Hinwendung („Bekehrung“) zum Judentum und zum Christentum ist zwangsläufig verbunden mit Lossagung oder Abkehr von „heidnischen“ Göttern („Götzen“), Kulten und Ritualen. Für die polytheistische römische Religion ist die Aufspaltung in „christlich“ und „heidnisch“ zum einen dennoch tragbar, zum anderen führt sie durch das separatistische Verhalten der Christen zu Irritation und Missbilligung.
Vereinfacht gesagt, kommt es im 4. Jh. durch Kaiser Konstantin d. Gr. geschicktes Taktieren zu einer Vermischung römischer („heidnischer“) religiöser Elemente und christlicher Inhalte. So dienen Konstantin die Verehrung des Sonnengottes (Helios, Sol invictus und Apollon) und der etablierte Herrscherkult zu einer Parallelisierung mit der Verehrung des unbesiegten und triumphierenden Christus.
Zunächst gibt es Christen, die an römischen, „heidnischen“ Kulthandlungen teilhaben, aber die radikale Religionspolitik Kaiser Theodosius d. Gr. verfolgt im Unterschied zu Konstantin (I.) die Zerstörung paganer („heidnischer“) Heiligtümer und Kultgegenstände. Christen wird deren Verehrung strikt untersagt. Mit der Zementierung des Christentums als Staatsreligion wächst die Intoleranz gegenüber „Heiden“ als Andersdenkenden und Andersglaubenden.
Ich fürchte, bei dieser m.E. arroganten, ignoranten Haltung ist es (mal stärker, mal schwächer) über fünfzehnhundert Jahre hinweg bis heute geblieben. Staatsbürger, die nicht getauft, nicht konfirmiert und nicht kirchlich getraut sind, werden bis ins 20. Jh. hinein noch als Menschen zweiter Klasse, eben als „Heiden“ behandelt. Freilich bekennt sich manch ein Zeitgenosse, nicht nur ein Bürger aus den neuen Bundesländern, selbstironisch zum „Heidentum“.
Wer innerhalb der Kirchengemeinschaft sein eigenes Kind nicht taufen lässt, wird heute noch beargwöhnt. Wer in einer Kirchengemeinde seine Meinung sagt zu Gottesdienstformen, Bekenntnissätzen und Glaubensformeln, wird mit Befremden angeschaut und meist gemieden. Der „reine“ Glaube steht fest und wird kollektiv bekannt. Für individuelle oder gar kritische Anschauungen ist selten Platz.
Die Zugehörigkeit zu einer Kirche (römisch-katholisch, evangelisch, freikirchlich) wird in ihrer Bedeutung m.E. immer noch überhöht, metaphysisch übersteigert. Wenn katholische Eltern z.B. fürchten (müssen), ihr Säugling käme nicht „in den Himmel“, wenn er nicht getauft ist, walten hier dogmatische Irrlehre und magischer Aberglaube, aber auf keinen Fall die nüchterne, frohgemute Gelassenheit eines Rabbi von Nazareth:
„Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen ist (gehört) das Reich Gottes.“ - „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, habt ihr keinen Anteil am Reich Gottes.“
Das Königreich Gottes, das Reich der Himmel, ist (Gott sei Dank) nicht identisch mit einer der großen Kirchen, auch nicht mit allen zusammen (Alfred Loisy), auch wenn im Mittelalter das Papsttum solche Wahnvorstellungen aus Machtbesessenheit vertreten hat.
Wer in der Nachfolge Jesu steht, betet mit jedem Vaterunser: „Dein Reich komme …“; in der Kirche geschieht das sehr oft, vielleicht sogar zu häufig, weil es bei allzu viel Wiederholung an Wert verlieren könnte. Wir sollen aber auch für das Kommen des Himmelreichs arbeiten; es hört sich für mich in der Bergpredigt wie eine Lebensregel an (Mt 6,33):
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird euch all das andere obendrein gegeben werden.“
Bergpredigt (bei Mt) und Feldpredigt (bei Lk) des Nazareners und die vielen Gleichnisse Jesu beinhalten viel Lebenspraktisches und Erbauliches, und es wundert mich, dass sie in Kirchen heutzutage eine vergleichsweise geringe Rolle spielen. Das betrifft das Thema Reich Gottes insbesondere, obwohl dies beim Rabbi aus Nazareth zentral ist.
Könnte es nicht sein, dass sich dieser gottesfürchtige römische Hauptmann Kornelius, von dem Lukas erzählt, im Rahmen seiner Religion an der Gerechtigkeit orientiert hat, die auch im Judentum von entscheidendem Gewicht ist, die Jesus verkündet hat, und die das Christentum versucht zu verwirklichen?
Für das Königreich Gottes arbeiten, bedeutet auch, Menschen nicht mehr nach äußeren Kriterien, sondern nach inneren Werten zu beurteilen; das Anderssein, das Fremdsein nicht mehr als bedrohlich einzuordnen; das für mich Unverständliche nicht gleich mit Bausch und Bogen abzulehnen. Gesprächs- und Konfliktbereitschaft sind eine unverzichtbare Basis für echte, lebendige, gelebte, ungeheuchelte Gemeinschaft und größtmögliche Offenheit.
Gemeinsamkeit, vieles gemeinsam haben, gemeinsam feiern, singen, lesen, beten usw. - das ist sicher alles wunderbar, aber es könnte rein äußerlich bleiben, wenn die Grundlagen für die Gemeinschaft nicht geschaffen oder geweckt werden.
Für mich spielt auch eine große Rolle, ob eine Gemeinschaft oder besser jeder Einzelne davon wirkliches, ehrliches Interesse an einem Fremden hat, um ihm mit zweckfreiem Interesse zu begegnen. Ist mir an diesem Menschen um seiner selbst willen gelegen; bin ich für ihn so offen, dass ich ihn kennenlernen kann? Wird es zu einem echten Austausch auf Augenhöhe kommen? Bin ich bereit, etwas von ihm zu lernen oder meinen Horizont zu erweitern?
Oder möchte ich in erster Linie für die Institution Kirche werben, und alles andere ist letztlich Beiwerk, Nebensache oder gar Geplänkel? Ist dieser fremde, durchaus interessierte Mensch für mich (in bewusster Wahrnehmung oder zumindest unbewusst) ein „Heide“?!
Ich wünsche mir und allen christlichen, kirchlichen Mitarbeitern, dass die Erzählung vom Hauptmann Kornelius uns die gleiche Lektion erteilt, wie sie dem Petrus zuteil geworden ist, nämlich die Aufhebung der Unterscheidung von „reinen“ und „unreinen“ Menschen.
Ohne dass ich das näher kommentieren könnte, muss ich wiederum unwillkürlich an einen weiteren Spitzensatz aus der Bergpredigt (Mt 5,45 - im Kontext des Gebots der Feindesliebe:) denken: „… damit ihr euch als Kinder eures himmlischen Vaters erweist. Denn er läßt seine Sonne über Böse und Gute aufgehen und läßt regnen auf Gerechte und Ungerechte.“
Im Aramäischen und Hebräischen (Jesus sprach kein Griechisch) sind solche Gegensatzpaare sprachlich sehr beliebt; so heißt es z.B. (von „Gott“): „Jakob hat er geliebt, Esau gehasst.“ Was etwa bedeutet: Den einen hat er bevorzugt, den anderen hinten anstehen lassen; Gründe zeigt der Zusammenhang. Oder (Bergpredigt) die Rede vom „guten Baum“, der gute Früchte, und vom „faulen Baum“, der faule Früchte hervorbringt; die Polarität ist natürlich nicht deckungsgleich auf Menschen anwendbar: „Niemand ist gut, außer Gott allein!“
Ergo: Kein Mensch ist weder gut noch böse, weder gerecht noch ungerecht; Menschen sind entweder mal das eine oder das andere, mal überwiegend gut oder böse, mal überwiegend gerecht oder ungerecht. In jedem Fall sollte sich jeder bemühen.
Zum Thema „unrein“ zitiere ich zum Schluss nochmals den Nazarener (Mt 15,11.17-20):
„Begreift ihr nicht, daß alles, was in den Mund hineingeht, in den Leib (Magen) gelangt und auf dem natürlichen Wege wieder ausgeschieden wird? Was dagegen aus dem Munde kommt, geht aus dem Herzen hervor, und das ist es, was den Menschen verunreinigt. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken: Mordtaten, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Verleumdungen und Lästerungen. Das sind die Dinge, die den Menschen verunreinigen; dagegen das Essen mit ungewaschenen Händen macht den Menschen nicht unrein.“
Amen.
Literatur
Rudolf Pesch: EKK V/1. Die Apostelgeschichte (Apg 1-12) (1986), 326-342.
Wilfried Paschen: Rein und Unrein. Untersuchung zur biblischen Wortgeschichte (1970).
Ulrich Heckel: Das Bild der Heiden und die Identität der Christen bei Paulus, in: Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, hg.v. Reinhard Feldmeier/ U. Heckel. Einl. v. Martin Hengel (1994), 269-296.
Christine Mühlenkamp: „Nicht wie die Heiden“. Studien zur Grenze zwischen christlicher Gemeinde und paganer Gesellschaft in vorkonstantinischer Zeit (2008).
John Scheid: An Introduction to Roman Religion (1998, 2003): (I) Questions of Methodology (2) Definitions, concepts, difficulties (18-29): 22ff, 26ff.
Mary Douglas: Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu (Purity and Danger, 1966; 1985, 1988).