Schweige und Höre - Predigt zu Jesaja 50, 4-9 von Antje Marklein
Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Das haben wir vorhin gesungen. Das schöne Morgenlied von Jochen Klepper… (wdh)
Wer hat Ihnen heute morgen das Ohr geweckt? Was war das erste, was ich heute morgen gehört habe? Radio NDR Kultur. Wer war der erste der zu Ihnen, zu euch gesprochen hat, und was hat er / sie gesagt? War es die Mutter beim Frühstück? Ein Telefonat am Morgen? Oder eine Audio- Nachricht bei Whatsapp? Oder waren die ersten Worte, die Sie gehört haben, die Begrüßung am Eingang der Kirche?
Wie wichtig ist das erste Hören am Morgen. Es kann meine Stimmung beeinflussen. Wie gut, wenn ich etwas hören kann, eine fröhliche Stimme im Radio, oder Menschen um mich, die zu mir sprechen. Nicht vorstellbar, wenn ich nichts hören würde.
Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr.
Was hören wir alles an einem Tag. Was dürfen, ja was müssen wir alles hören? Ich nehme Sie einmal mit durch ein paar Hörerfahrungen der letzten Tage:
Am Tresen beim Bäcker habe ich die gestresste Verkäuferin gehört. Ich war im Aufzug in einem Seniorenheim und habe das kurze Gespräch zweier Bewohnerinnen gehört. In der U-Bahn haben neben mir eine Mutter und ihr Kind ganz konzentriert ‚Ich sehe was, was du nicht siehst‘ gespielt. In einem Wartezimmer habe ich eine ganze Lebensgeschichte gehört. In einer Kita den Streit zweier vierjährigen Kinder; im Fernsehen eine Frau in Mozambique, die plötzlich die Verantwortung für ihre drei Enkelkinder übernehmen muss nach dem Tod der Tochter in den Fluten. Ich habe gehört, was mir mein Mann über einen Konflikt erzählt hat. Ich habe meine Mutter von früher erzählen gehört. …
Was habt ihr gehört in der letzten Woche? Das Vogelgezwitscher am Morgen? Die Traurigkeit der Freundin nach einem Streit? Das Rauschen der Bundesstraße? Die Krankengeschichte aus der Nachbarschaft? Den Ärger über den fernen Sohn? Den Unmut anderer Ehrenamtlicher über eine frische Auseinandersetzung? Erschütternde Nachrichten aus Palästina?
Unser Ohr muss viel leisten, um all das zu hören. Manchmal hilft, sich taub zu stellen, wenn ich es nicht mehr hören kann. Aber ich frage Sie, ich frage mich: Wie kann ich all das aushalten was ich höre, woher habe ich die Kraft, hin zu hören?
HÖREN wir dazu einen alten Bibeltext, einen Abschnitt aus dem Jesajabuch im 50. Kapitel.
Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde. Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir! Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen?
Der das schreibt, ist ein Prophet. Er soll handeln im Namen Gottes. Und er muss dabei viel Leid und Schmach aushalten.
Ein Satz klingt bei mir nach: ‚Gott hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück.‘ (wdh)
Der Prophet muss sich viel anhören: Das Volk Israel ist unzufrieden, nach langem Exil muss es wieder im Land Fuß fassen. Das Trauma des Exils sitzt tief. Verzweiflung schlägt dem Propheten entgegen. Das alles ficht ihn an. Er muss sich abhärten, um auszuhalten, was er zu hören kriegt.
Ist das eine Lösung, um auszuhalten was wir alles hören? Uns abhärten, hart werden gegen andere, eine Fassade aufbauen, an der abprallt, was uns zu viel wird?
Ja, wenn der Prophet nur auf das jammernde Umfeld hören würde, könnte er das nicht lange aushalten. Wer nur nach außen ausgerichtet hört, brennt aus. Wer nur sein Ohr bei den Anderen hat, wird irgendwann erschöpft. Wer keine innere Kraftquelle hat, wird krank.
Gott spricht den Propheten von innen an. Gott spricht uns von innen an. Hören Sie das?
Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr.
Es ist Gott, der mich alle Morgen weckt und mir das Ohr öffnet. Nicht der Wecker oder das Handy. Gott. Gott weckt mich alle Morgen und öffnet mir das Ohr. Gott macht es möglich, dass ich höre und handle. Eine steile Behauptung von mir, ich weiß. Kann aber entlastend sein. So ein Perspektivwechsel hilft. Gott ist der erste, der morgens zu mir spricht.
Aber hör ich das? Hören Sie das?
Vielleicht kann ich hören üben. Was höre ich von Gott? Wie spricht er zu mir? Durch wen, durch was spricht Gott zu mir? Melodie hineinspielen Schweige und höre; neige deines Herzens Ohr; suche den Frieden.
Schweige und höre – singen (aus: freitöne, Nr. 2)
(Melodie wird weiter im Hintergrund gespielt) Die Woche die vor uns liegt, ist die Karwoche. Wir gehen an jedem Tag durch Stationen des Lebensweges von Jesus. Die Stationen seines Leidens, das letzte Abendmahl am Gründonnerstag, die Todesstunde am Karfreitag, die Grabesruhe am Samstag und dann der Jubel am Ostermorgen. Für mich ist das eine Woche, in der ich nach innen hören übe. Hören auf die Bibel, hören auf Gott und sein Wort hinter allem Leid. Ich höre gern Passionsmusik in dieser Woche. Ich höre gern in die Stille einer Andacht hinein, ich höre auch in der Gottesdienstgemeinschaft an diesen besonderen Tagen.
Eine Hörübung für die Karwoche – Schweige und höre. Neige deines Herzens Ohr. Suche den Frieden. (Ende der Musik)
Tun wir das gemeinsam – und jeder für sich in dieser Woche: Hören üben. Und dann, nach der Karwoche, wenn wir das Hören auf Gott neu gelernt habe, dann haben wir auch wieder ein Ohr für andere. Dann können wir auch wieder anderen zuhören, uns der lauten Welt aussetzen. Dann können wir auch wieder reden, vollmundig und überzeugt, wie der Prophet. Dann, nach Ostern, beflügelt von der neuen Lebenskraft, können wir Konflikte ansprechen, Menschen trösten, auch unbequeme Worte sagen und dafür auch Kritik einstecken. Nach Ostern können wir uns wieder lautstark einsetzen für das Leben in Gottes Welt.
Heute, am Palmsonntag, möchte ich aus dem Gottesdienst hinausgehen mit den Worten und den Tönen ‚Schweige und höre‘ auf den Lippen und im Herzen. Vielleicht tun wir das gemeinsam.
Literatur: Predigtstudien 2018/2019 1. Halbband S. 208ff
Link zur Online-Bibel
11.08.2019 - 8. So. nach Trinitatis
30.06.2019 - 2. So. nach Trinitatis
14.04.2019 - Palmsonntag / Palmarum
Die unsichtbare Wand - Predigt zu Jesaja 51, 1 + 2 + 4-6 von Ulrich Kappes
Seit Jahrzehnten wird für den Silvestertag unter den sechs Predigtreihen ein Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja ausgewählt. Es ist genau gesagt, der sog. „Zweite Jesaja“, der die Tradition der „Ersten Jesaja“ fortsetzt I1I , von dem wir hören. Aus dem 51. Kapitel des Jesajabuches stammt der heutige Predigttext.
Wir hören darin keine Worte zum letzten Tag eines Jahres. Unsere Stimmung, die wir beim Jahreswechsel zumeist haben, bleibt unerwähnt. Es geht aber dennoch um Themen, die zu Silvester gehören: einen Rückblick, eine Übergangssituation und einen Ausblick.
Ich halte es zum Verständnis des Textes für sinnvoll, wenn ich vorab einige wenige Worte über den Autor sage. Der zweite Jesaja, auch „Deuterojesaja“, ist in der babylonischen Gefangenschaft aufgewachsen I2I und wirkte im letzten Abschnitt des babylonischen Exils, also etwa zwischen 550-540 v. Christus. I3I
Ein Kapitel vor unserem Predigttext (50,5) wird berichtet, dass sich der Prophet einem Gerichtsverfahren unterziehen musste. Danach wandten sich offenbar nicht wenige Juden von ihm ab. Selbstzweifel, ob seine Mission gescheitert war (49,4), ergriffen ihn. War sein Dienst als Prophet umsonst? Die Lieder vom leidenden Gottesknecht entstehen. I4I Er ringt um Gefolgschaft, um Menschen an seiner Seite, die ‚Gott suchen‘, und (mit ihm) „der Gerechtigkeit nachjagen“.
Hört mir zu, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den Herrn sucht: Schaut den Fels an, aus dem ihr gehauen seid, und des Brunnens Schacht, aus dem ihr gegraben seid. Schaut Abraham an, euren Vater, und Sara, von der ihr geboren seid. Denn als einen einzelnen berief ich ihn, um ihn zu segnen und zu mehren. Merkt auf mich, ihr Völker, und ihr Menschen, hört mir zu! Denn Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht der Völker machen. Denn meine Gerechtigkeit ist nahe, mein Heil tritt hervor, und meine Arme werden die Völker richten. Die Inseln harren auf mich und warten auf meinen Arm. Hebt eure Augen auf gen Himmel und schaut unten auf die Erde! Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie die Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.
„Hört mir zu, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den HERRN sucht.“ Es ist eine Rede an die, die an der Seite des Knechtes geblieben sind und an der Zukunft Jerusalems festhalten. Ihre Gegenwart ist „Babylon“. Babylon bedeutet, dass die freie Rede eines Propheten gnadenlos mit Gericht und Gefängnis geahndet, ja mit dem Tod bestraft wird. Als ihre Zukunft sehen die Getreuen an einem fernen Horizont Jerusalem. Das bedeutet, die Hoffnung nicht fallen zu lassen und eine zweite Wüstenwanderung zurück nach Judäa nicht zu scheuen. Jerusalem muss neu aus seinen Trümmern entstehen.
Zwischen diesem „jetzt noch in Babylon“ und „morgen oder übermorgen in Jerusalem“ ist der Kompass zur Hand zu nehmen und zu prüfen, ob der Glaube stimmt. Zwei anspruchsvolle Bildworte gebraucht Deuterojesaja.
‚Ihr, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den Herren sucht: Schaut den Fels, aus dem ihr gehauen seid und des Brunnens Tiefe, aus der ihr herkommt.“ „Schaut den Fels, aus dem ihr gehauen seid …“
Woran lässt der Prophet denken, was assoziiert er mit diesem Bildwort? Die Deutung ist nicht einfach. Ich meine, dass er an Skulpturen denkt, die aus einer Felswand herausgehauen werden. I5I Ein Bildhauer schlägt aus einem Felsbrocken eine Gestalt heraus. Die Friese der antiken Tempel beispielsweise hatten bisweilen Menschen – und Göttergestalten, die unmittelbar aus dem Stein heraus gehauen wurden. Fertige Statuen von Pharaonen, Königen und Priestern wurden nicht nur nachträglich vor eine Attika gestellt und befestigt, sondern bildeten eine in Stein gehauene Einheit mit der Wand hinter ihnen. Das war höchste Bildhauerkunst.
„Schaut den Fels, aus dem ihr heraus gehauen seid …!“ Die „nach Gerechtigkeit streben und Gott suchen“, sind wie aus einem Stein herausgearbeitet. Sie stehen nicht für sich. Sie stehen, indem sie mit dem „Fels“, aus dem sie geschlagen wurden, fest verbunden sind. „Schaut den Fels, aus dem ihr gehauen seid …!“ Was ist nun der „Fels“?
Was steht hinter uns, gibt uns Halt und Standfestigkeit? Ist es Gott? Das liegt nahe, wird doch Gott vor allem als der Fels der Frommen in vielen Psalmen beschrieben. Ist das hier anwendbar? Sind wir aus „Gott“ heraus geschlagen wie aus einem Felsen? Das könnte ich nicht sagen.
Was ist dann mit dem Felsen gemeint, aus dem heraus wir geformt wurden? Was war es, aus dem heraus Abraham gebildet wurde, auf den Deuterojesaja verweist? Ich denke, sein Glaube war sein Fels, sein Glaube an den Gott, der ihn aus Ur wegführte und dann wunderbar in dem neuen Land bewahrte. Uns wird gesagt, dass Glaube eine unsichtbare Wand ist, die uns den Rücken stärkt und Sicherheit gibt.
Das Bildwort sagt uns, dass der Glaube an Gott die Felswand hinter uns ist, die uns hält. Wir sind nicht aus „Lehm und Ton“ herausgeformt wie einst Adam nach der Schöpfungserzählung. Darüber geht der Prophet hinaus. Das passt nicht zu dem, was er seinen Gefolgsleuten sagen wollte. Der Glaube ist ein Fels, der uns vor dem Absturz und Abgleiten schützt. Er lässt uns in Wind und Wetter feststehen. Mit dem Glauben im Rücken, oder „aus dem Glauben herausgehauen“ gewinnen wir Sicherheit und Festigkeit.
Das zweite Bildwort führt uns in eine andere Dimension: ‚Schaut in des Brunnens Tiefe, aus dem ihr gehoben seid‘.
Ich werde an Worte erinnert, mit denen Thomas Mann seiner Romantrilogie „Joseph und seine Brüder“ beginnt: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.“. Thomas Mann fordert die Leser auf, hinabzusteigen in den Brunnen der Vergangenheit, um sich nach diesem Weg in die eigene Vergangenheit neu zu verstehen. Es gelte für die Gegenwart, Orientierung aus der Geschichte zu holen. I6I
Blicken wir in die nähere Vergangenheit zurück, so liegt das Jahr 2018 hinter uns. Es war für uns als evangelische Kirche das Jahr „danach“, das Jahr Eins nach der 500-Jahr-Feier der Reformation. Was ist geblieben? Geblieben ist aus meiner Sicht mehr als eine Äußerlichkeit: wir dachten gemeinsam mit den Katholiken an Luther zurück. Das „Feindbild Luther“, bisweilen zur eigenen Profilschärfung aufgebaut, ist gewichen.
Was bedeutet das „Jahr Eins“ inhaltlich für uns?
Zentral für unseren Glauben ist Luthers Rechtfertigungslehre, von Gott ohne Leistungen und ohne Erfolge angenommen zu sein. Das gleiche gilt für seine Lehre vom Abendmahl, bei dem uns Christus in Brot und Wein real begegnet. Eine Kirche ohne die Begegnung mit Christus über die Brücke von Brot und Wein wird verkümmern. (Meine ich.)
Blicken wir tiefer in den Brunnen der Vergangenheit, so sehen wir, dass sich Generationen von Christen zweitausend Jahre am Neuen Testament ausrichteten. Sie haben vieles falsch gemacht. Das ist wohl war. Es hat aber immer wieder Menschen gegeben, die, von diesem Wort geleitet, die Kirche auf den biblischen Weg zurück brachten. Ja, noch einmal, wir haben Fehler gemacht - was wäre jedoch eine Welt ohne Menschen, die trotz Schwächen und Fehlern immer von neuem den Weg der Liebe zu gehen versuchen?
‚Schaut in den tiefen Brunnen eurer Vergangenheit!‘ Wir sind Teil einer unübersehbaren Kette derer, die den Brunnen Gottes aufsuchen und aus ihm das Wasser des Lebens empfingen.
Im letzten Teil unseres Predigttextes gibt es einen Bruch, der etwas Schockierendes an sich hat. Wir hören Worte, die uns verstören. Ein schlimmes Szenario wird entrollt, bei dem die Welt vergeht, die Erde in Rauch sich auflöst und die Menschen wie die Mücken sterben.
Auf dem Weg dorthin, auf dem Weg in eine neue Welt, die Gott auf den Ruinen der alten Welt schaffen wird, befindet sich das pilgernde Volk Gottes. Die Rückkehr nach „Jerusalem“ ist nur eine Station. Vor diesem düsteren Horizont, den der Prophet entfaltet, wird freilich so etwas wie ein Zielband ausgerollt. Es ist als sollten wir darauf vor allem unsere Augen richten. Auf diesem Spruchband oder Banner schreibt er die Worte: „Lebt in Gerechtigkeit!“
Erinnern wir uns! Gott spricht: „Weisung wird von mir ausgehen, und mein Recht will ich gar bald zum Licht für die Völker machen. Meine Gerechtigkeit ist nahe. Meine Gerechtigkeit wird nicht zerbrechen.“ Weil Gott in seiner Gerechtigkeit nahe ist, schließt das ein, dass auch seine Menschen in Gerechtigkeit leben I7I, auf Gottes Gerechtigkeit antworten.
Was ist mit Gerechtigkeit gemeint? I8I Was heißt das für uns, die wir auf dieses Ziel hin streben sollen?
„Gerechtigkeit“ drückt für den Hebräer und den Urchristen in der Schule des Paulus eine Beziehung, ein Verhältnis aus. Der „Gerechte“ sucht eine feste Beziehung zu Gott, ein immer neues Verhältnis: „Ich hier und DU, Gott da, aber nichts geschehe ohne Dich.“ Gottes Gerechtigkeit zu entsprechen, heißt in aller Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit ihn nachahmen, ihm gerecht werden.
Gerechtigkeit ist also in erster Linie nicht, Gottes Geboten gerecht zu werden, so wichtig sie als Regel in unserem Leben sind. Gerechtigkeit ist zuerst, Gott als ein Gegenüber zu sehen und dabei seinem Willen gerecht zu werden.
Dieses Leben im Angesicht des gerechten Gottes kann heute das und morgen ein anderes bedeuten, weil Gott von uns heute das und morgen jenes will.
Wir laufen, folgen wir Deuterojesaja, auf das Banner „Lebt in Gerechtigkeit!“ zu. Wir stolpern dabei, wir fallen, wir zweifeln. Wir gehen weg von diesem Ziel und wählen ein anderes Das ist bitter. Das Banner sagt uns: „Steh wieder auf!“ Gott spricht: ‚Meine Gerechtigkeit ist nahe. Das wird sich immer von neuem als unsere Rettung erweisen.
ANMERKUNGEN
Anm.1 Nach Hans-Jürgen Hermisson: Deuterojesaja. In: Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Band, Tübingen 1999, Sp. 684-688., Sp. 684.
Anm. 2 Arthur Weiser: Einleitung in das Alte Testament, Berlin 1963, S.177.
Anm. 3 Hermisson Sp. 684. Anders Weiser, S. 182, der Deuterojesaja bis 530 n. Chr. (Eroberung Babylons durch Kyros) datiert.
Anm. 4 Mit Weiser, S. 182.
Anm. 5 Das von mir gewählte Bild ist sehr hypothetisch. Ich stehe dazu. Ulrich Berges überträgt die Metaphorik Fels „Fels und Brunnen“ auf den Schiloahtunnel. Ulrich Berges: Jesaja 49-54. Übersetzt und ausgelegt. Freiburg/Basel/Wien (HThKAT), S. 119.
Anm.6 Es dauert einige hundert Seiten, bis sich nach meinem Dafürhalten der Kreis in dem 1. Band des Romans zum Eingang schließt: „Der Mann (erg. Abraham) hätte zu sich selber sagen können … Es genügt, dass ich irgendeinem Elchen oder Ab- und Untergott diene, es liegt nichts daran. ‘ So hätte er es bequemer gehabt. Er aber sprach: ‚Ich, Abram, und in mir der Mensch, darf ausschließlich dem Höchsten dienen.‘ Damit fing es an. (Dem Joseph gefiel es.)“ Thomas Mann: Joseph und seine Brüder, Berlin und Weimar 1972, S.424.
Anm. 7 „Nicht nur formal, sondern auch semantisch sind die vier Strophen (V1-3.4-5.7-8) eng aufeinander abgestimmt. Alle durchzieht das Leitwort … Gerechtigkeit …, gefolgt von den ebenfalls theologisch zentralen Begriffen …. Tora, … Recht…, Rettung.“ Berges, S. 114.
Anm. 8 Eine kurze, prägnante Darstellung dieses Gerechtigkeitsbegriffes gibt Thomas Schumacher: Der Römerbrief als Wechselspiel philologischer Entscheidung und theologischer Aussage. In: www.bibelwerk.de.
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Wunderbares: im Entstehen begriffen - Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Markus Nietzke
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth. (Lutherbibel 2017)
I.
„Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“ heißt es im Weihnachtsevangelium nach Johannes. Immer, wenn Gott spricht, ist Wunderbares im Entstehen begriffen. So war es, als alles anfing. Als Gott sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis...“ Da wurde aus Abend und Morgen der erste Tag. Mal entsteht Wunderbares mit Blitz und Donner und Erdbeben und großem Hagel, wenn ein Kind geboren wird (Offb. 11,19-12,2), mal geschieht es in einer stillen, ja heiligen, Nacht.
II.
In einem Raum mit abgetönten Licht wiegt eine junge Mutter ihr Kind im Arm sanft hin und her. Das Kind schmiegt sich an die Brust der Mutter. Die durch die tägliche Arbeit auf dem Feld rau gewordenen Finger der Frau streifen kurz das Gesicht des Kleinen. Sie hat ihr Kind mit warmen Wasser gewaschen. Alles riecht frisch und neu. Sie wiegt ihr Kind im Arm und leise spricht die junge Mutter auf ihr Kind ein und flüstert: „Aus Dir wird mal ein großer, starker Junge. Du wirst wunderbare Pläne ausdenken! Du bist jetzt schon ein Held. Du sorgst dich um die Deinen. Treu und zuverlässig. Du bist einer, der sich für den Frieden einsetzt. Für Recht und gerechtes Handeln im Reden und Tun. Nicht aus Dir selbst – aus Gott.“ Dann drückt sie das Kind, dass über diese herrlichen Zusagen der Mutter sanft eingeschlafen ist, kurz an sich und legt es in die Wiege. In ihren Augen spiegelt sich die Hoffnung, das durch dieses Kind endlich alles anders werden wird. Die Mutter sagt das, obwohl in unmittelbarer Nähe Stiefel von Soldaten auf der Straße dröhnen, schwer bewaffneten Soldaten mit grauen Mänteln bekleidet eilig vorüberziehen. Angetrieben von Befehlen von Männern mir grober Stimme. Trotz solch widriger Umstände durch Unterdrückung und Fremdherrschaft: Die Hoffnung bleibt: Durch die Geburt eines Kindes ist Wunderbares im Entstehen begriffen.
III.
So mag es gegenwärtig sein, in Ländern, wo heute keine friedlichen Weihnachten, sondern Krieg herrscht. So mag es heute sein in Ländern, in denen Christen Anfeindungen und Übergriffen anderer ausgeliefert sind. So mag es 1939 an der Oder und Neiße, so mag es 1917/18 an der Somme und Marne gewesen sein. So mag es zur Zeit des Pharao gewesen sein, als Mose geboren wurde, zur Zeit des Herrschers Herodes als Jesus geboren wurde. So mag es zur Zeit der Propheten Israels gewesen sein. Eine Mutter, die fast gedankenverloren ihr kleines Kind in den Armen wiegt, allen Umständen zum Trotz. Immer wieder voller Hoffnung auf Neues, auf Veränderung. Befreiung von aller Not.
IV.
„Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben“ Wer mag dieses Kind sein? Hiskia, ein König zur Zeit des Propheten Jesaja (so Rashi, Ibn Ezra)? Jemand anderes? Auf wenn auch immer diese Aussage: „Uns ist ein Kind geboren“ zur Zeit des Propheten zutreffen mag - es schwingen eine Reihe von Erwartungen mit. Er wird als Befreier erwartet, als Hoffnungsträger, der durch sein Auftreten als erwachsener Mann wie ein König und Herrscher mit Macht Wunderbares entstehen lässt.
V.
Wir sind jetzt da, bei der Krippe, am Tannenbaum und haben den Altar in der Kirche vor Augen. Wir sind da in „unserer“ Kirche, die das ganze Jahr über tagsüber geöffnet ist. Pilgerinnen und Touristen gehen hier ein und aus, Gäste und Besucher aus aller Welt tragen sich im Gästebuch ein. Sie ist ja irgendwie immer da, die Kirche, bzw. das Kirchengebäude. Ob wir selbst hingehen oder nicht. Jetzt feiern wir Gottesdienst. Hier, in dieser Kirche. Herrlich geschmückt ist sie. Müde und zugleich aufgeregt, ungeduldig und voller Erwartung sind wir hier. Wir suchen den Weg zur Krippe. Wir kommen herzu und bestaunen Wunderbares, dass im Entstehen begriffen ist, weil diese Worte im Raum nachklingen: „...uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben...“ Wir schauen in die Krippe und sehen weit darüber hinaus ein Kind, das uns als erwachsener, 33-jähriger Mann durch seinen Tod am Kreuz von Golgatha befreit. Von Sünde. Von Schuld. Seine offenen Arme am Kreuz wollen sich um uns schließen, er will uns annehmen, wo wir rot vor Scham erkennen: Ich habe ihn durch mein Verhalten beschämt.
VI.
„Große Freude" verkündet der Engel den Hirten auf den Feldern von Bethlehem. Von „großer Freude“ weiß auch schon der Prophet Jesaja. Gott macht sie möglich, in beiden Fällen. Wir kennen das: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Jeder und jedem im Land gilt diese große Freude, die Gott schenkt. So sagt der Engel es den Hirten an. Geteilte Freude ist doppelte Freude, wenn gemeinsam geteilt wird, was geerntet wurde. So erleben es die Menschen zur Zeit des Propheten Jesaja. Geteilte Freude ist doppelte Freude, wenn die Hirten später anderen von dieser Erfahrung mit dem Kind in der Krippe berichten. Geteilte Freude ist doppelte Freude, wo wir uns gegenseitig beschenken. Geteilte Freude ist dankbare Freude, wo wir uns freuen vor Gott. In dieser Kirche, in dieser Gemeinde. Wir freuen uns miteinander über das, was Gott tut. Was er uns schenkt. Uns. Ausgerechnet uns. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben“. Dieser Sohn Gottes, - er ist für jede, für jeden da - aber für keinen nur allein.
VII.
Wir beziehen den Jubel und die Freude darüber, dass Gott ein Kind schafft, „das uns gegeben ist“ auf Jesus Christus. Wir halten uns damit die Hoffnung auf Gottes immer neues Handeln offen. Selbst wenn es Befreiung aus Unterdrückung und Fremdherrschaft gibt, und schon oft gegeben hat, wird sie weiterhin von Gott erhofft und erwartet, von uns: jetzt, hier und heute, und von Menschen, die heute Bedrückung erleiden und darunter am Heiligen Abend eher seufzen und leiden als jubeln und singen.
VIII.
Was sind das für Namen für dieses Kind? Kosenamen? Vielleicht. Anhand der vier Namen des Kindes, für uns das Christuskind ist, lässt sich Hoffnung vierfach durchbuchstabieren:
a) Planer von Wundertaten: Erwarten wir sie noch, Wundertaten? Rechnen wir damit, das wunderbare Dinge im Entstehen begriffen sind? Erwarten wir sie noch, solche wunderbaren Dinge, von Gott? Rechnen wir damit, dass wunderbare Dinge von Gott her im Entstehen begriffen sind? Das mag ein unverhoffter Anruf eines Angehörigen sein. Ein unerwartet friedliches Zusammentreffen in der Großfamilie. Kurze, fröhliche Festmomente, trotz Krankheit.„Fröhliche Weihnachten“, während wir das Sterben eines Menschen in der Weihnachtsstube oder am Bett im Krankenhaus begleiten: Als Ehepartner. Als Kinder und Schwiegerkinder. Als Enkel. Als Gemeindeglieder, die daran Anteil nehmen, wenn einer von uns in diesen Tagen stirbt und uns vorausgeht und erlebt wie Wunderbares im Entstehen begriffen ist.
b) Starker Gott: Was für ein Name! Ein Gott voller Macht und Kraft und Stärke. Allerdings, Gott, der seine Stärke ganz anders zeigt als erwartet. Da, wo wir wir die Krippe vor Augen haben, und trotzdem unser Kreuz im Alltag tragen. Starker Gott, der verspricht: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!" (2. Kor. 12,9)
c) Ewig-Vater: Was schwingt da nicht alles mit? Ein Attribut Gottes: Von Ewigket zu Ewigkeit ist er Gott. Treu. Voller Fürsorge. Wir bitten ihn im Vater Unser um alles, wir zum Leben brauchen – und er ermöglicht es – auch in diesem Weihnachtstagen.
d) Fürst des Friedens: Groß ist die Sehnsucht nach Frieden, Frieden in den Familien, Frieden zwischen Einheimischen und Zugewanderten, Migranten und Geflüchteten. Groß ist die Sehnsucht nach Frieden in Syrien und Myanmar und anderswo. Auch nach dem Frieden auf Erden, von dem die Engel zu Weihnachten singen. Frieden bei Gott und den Menschen seines Wohlgefallens.
IX.
Weihnachten als Fest der Freude ist für die meisten Menschen ein Ereignis. Weihnachten ist auch ein Fest ehrlicher Erfahrungen. Gott macht einen den Glauben nicht unbedingt leicht. Manchmal fällt die Hoffnung schwer. Sehr, sehr schwer. Wir leiden an Gott, seinen Engeln, die versprochen sind und die doch so weit entfernt sind. Gerade dann, wenn wir in den Strudel der Untergänge geraten. Es gibt sie, die großen und unüberbrückbaren Widersprüche zwischen den Versprechungen und Verheißungen Gottes und den Zustand dieser Welt. Hoffnung garantiert nicht immer einen guten Ausgang aller Dinge. Aber sie bleibt uns bei, die Hoffnung, dass es möglich wäre. Weil Weihnachten in uns diese Hoffnung bestärkt. Wir bleibe (als Christen und Juden) voller Hoffnung. Offen für Gottes Handeln. Voller Hoffnung für diese Welt. Voller Erwartung, was Gott, der Ewige, tun kann und tun wird. So wie Gott es getan hat, als er sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit führt. So wie Gott am Sinai versprochen hat: Ich bin der Herr, dein Gott. So wie er garantiert: „ich bin bei euch, alle Tage!“
X.
Noch einmal schaut die junge Mutter in die Wiege, in der ihr kleiner Junge liegt. Mit der Geburt des Kindes wird es hell. Jedenfalls im Leben dieser Familie. Ein Ende der Finsternis ist abzusehen. Ein Ende von Gewalt wird erhofft. Eine Befreiung. Wir schauen in die Krippe, sehen im übertragenen Sinne, wie es hell wird. In unseren Leben. Durch Jesus Christus. Amen.
Benutzte Literatur:
Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe IV. Plus. Nun gehe hin und lerne! Herausgegeben von Studium in Israel e.V. Berlin, 2017.
Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe I. Plus. Jüdische Theologinnen und Theologen liegen die Bibel aus: Die neuen alttestamentlichen Texte der Reihe 1. Herausgegeben von Studium in Israel e.V. Berlin, 2018.
Goldschmidt, Stephan: Denn du bist unser Gott. Gebete, und Impulse für die Gottesdienste des Kirchenjahres. Zur neuen Perikopenordnung 2018. Neukirchen-Vluyn, 2018.
Steffensky, Fulbert: Was unsere Hoffnung nährt. Vortrag am 11. Juni 2016 auf dem 7. Ostfriesischen Kirchentag in Rhauderfehn.
Link zur Online-Bibel
Unerwartet – Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Barbara Bockentin
Vollkommen unerwartet kommt die Nachricht, nach der sie sich so sehr gesehnt haben. Endlich ist sie schwanger. Sie kann es kaum erwarten, es ihm zu erzählen. Als sie die Haustür öffnet, kommt er ihr entgegen: „Und?“ Sie strahlt ihn an. Später schmieden die beiden Pläne: für das Kinderzimmer, wann sie es den anderen sagen, wie das Kind heißen soll…
In den Wochen und Monaten darauf beginnt sich ihr Leben zu verändern. Zuerst merken sie es kaum. Mit der Zeit fällt es ihnen immer mehr auf. „Wenn unser Kind erst da ist, ...“ so reden oder denken sie oft. Manches erscheint in einem ganz anderen Licht. Anderes wiederum nehmen sie besonders bewusst war. Die vielen schwangeren Frauen zum Beispiel. Oder die Kinderwagen, die von Vätern geschoben werden. Auch sie selbst beginnen, sich zu ändern. Wenn es ihnen auffällt, dann lachen sie darüber: „Das sind nur die Hormone.“ Insgeheim freut sie sich darüber, dass er aufmerksamer geworden ist. Und er genießt es, dass sie ruhiger ist.
Die Zeit bis zur Geburt können sie kaum abwarten. Wenn sie daran denken, überzieht ein Lächeln ihre Gesichter mit einem besonderen Glanz.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Früher – ja früher, da haben sie oft darüber gesprochen, ob es verantwortungsvoll ist, ein Kind in diese Welt zu setzen. Was sie sich da nicht alles ausgemalt haben! So vieles ist nicht in Ordnung auf der Welt. So vieles muss besser gemacht werden. So vieles gehört gestoppt. Der Klimawandel, die Kriege, die nicht in Gang gekommene Energiewende, und, und, und … Da sind sie sich einig gewesen, in so eine Welt soll kein neuer Erdenbürger geboren werden. So haben sie gedacht und geredet. Bis dann doch die Sehnsucht nach einem Kind in ihnen gekeimt ist.
Jetzt ist vieles anders. Sie sind voller Ideen, wie sie etwas verändern können. Es ist, als ob das Kind neue Energie in ihnen freisetzt. Sie werden sich auf den Weg machen. Sie wollen Vorbild sein für ihr Kind. Dass die Welt verändert werden kann, davon sind sie fest überzeugt. Dass treibt sie an. Davon reden sie jetzt und suchen andere zu überzeugen.
Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Dann ist es soweit: das Kind, ein Junge, erblickt das Licht der Welt. Es ist ein verregneter Tag. Im Radio ist zu hören, dass die Hungersnot im Jemen sich immer mehr ausweitet. Dass alles nehmen sie nur am Rand wahr. In dem Moment als sie ihrem Sohn in die Augen blicken, bleibt die Welt draußen. Für diesen Augenblick bleibt sie stehen. Später am Tag kommen die ersten Besucher. Alle bewundern das Baby. Wetteifern darin, eine Ähnlichkeit zu Mutter, Vater, Großeltern festzustellen. Versuchen das Kind zum Lachen zu bringen. Vor allem aber lachen sie sich gegenseitig an. Die Freude und das Glück über dieses kleine Wunder will geäußert werden.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.
Später, als wieder Ruhe im Zimmer eingekehrt ist, fragt sie ihn, wie denn ihr Sohn heißen soll. „Lass uns einen Namen wählen, der aus unseren Familien kommt.“ schlägt er vor. „Ich erinnere mich gerne an meinen Opa. Von ihm habe ich viel gelernt. Wie wäre es mit seinem Namen?“ Sie möchte einen zweiten Namen hinzufügen. Sie stellt sich einen Namen vor, der jetzt und auch noch in dreißig Jahren zu ihrem Sohn passt. Einen Namen, der in sich eine Botschaft trägt, der eine Bedeutung hat.
Er heißt Wunder-Rat, Gott- Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er´s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Monate später schauen die beiden die Bilder aus den ersten Tagen ihres Sohnes an. Gotthilf heißt er nach dem Großvater und Benjamin mit Rufnamen. Die Nachrichten sind im Hintergrund zu hören. Der Krieg in Syrien ist auf einem neuen Höhepunkt. In immer mehr Schulen wird am Freitag gestreikt. Jugendliche protestieren so gegen die Politik, die dem Klimawandel zusieht. Von solchen Aktionen werden sie ihrem Sohn erzählen. Und davon, wie sehr seine Geburt, ihre Einstellung verändert hat. Sie vertrauen darauf, dass sie etwas in Gang bringen können. Wer, wenn nicht sie. Wenn Benjamin erwachsen ist, werden sie mit Stolz auf das blicken, was sich dann verändert hat.
Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.
Vollkommen unerwartet kommt die Nachricht, nach der sie sich so sehr gesehnt haben. Ein Kind ist geboren worden, dass alle Welt in Bewegung setzt. Viele werden sich von ihm begeistern lassen. Viele werden sich von seinem Glauben anstecken lassen, dass schon heute Gott da ist. Viele werden dafür brennen, dass seine Worte wahr geworden sind.
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Christvesper - Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Bernd Vogel
I. Er saß über dem leeren Blatt Papier. Seit Tagen ging die Arbeit nicht voran. Nach dem Anfang, der da stand, ging es nicht weiter. Es ging einfach nicht weiter.
„Da es nun schon viele unternommen haben, Bericht zu geben von den Geschichten, die sich unter uns erfüllt haben, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Wortes gewesen sind, habe auch ich's für gut gehalten, nachdem ich alles von Anfang an sorgfältig erkundet habe, es für dich, hochgeehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, auf dass du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist“ (Lukas 1, 1 ff.).
Das stand da schon schwarz auf weiß. Und weiter – nichts. Das Vorhaben war ihm völlig klar: Es musste einfach jemand wagen, die Jesus-Geschichte noch ein Mal ganz neu zu erzählen. Keine Ergänzungen nur, keine Anmerkungen, sondern zurück auf Anfang. Ein neues Buch. Eine neue Erzählung.
Das, was bisher im Umlauf war, reichte einfach nicht aus. Insbesondere ging es Lukas darum, die Sache mit Jesus, den Glauben der Christusleute in der Geschichte zu verankern und im konkreten politischen Geschehen seiner Zeit.
Bei aller Wertschätzung für den Römer Markus und sein epochales ‚Evangelium‘ von vor 20 Jahren: Das war in diesem in vieler Hinsicht einerseits herrlich knappen, andererseits geheimnisvollen Markus-Text nicht deutlich geworden: Was hat die Jesus-Geschichte „für uns heute“ (Dietrich Bonhoeffer 1944) zu bedeuten – und zwar im Zusammenhang von Geschichte, Politik und sozialer Wirklichkeit?
Wie soll man diesen geheimnisvollen ‚Christus‘ des Evangelisten Markus verstehen, von dem ausgerechnet der römische Hauptmann unter dem Kreuz sagt, ausgerechnet dieser Geschundene und qualvoll Gestorbene sei ‚Gottes Sohn‘ ‚gewesen‘? Wie das denn? Was heißt denn das? Das kapiert doch kein normaler Mensch! Und christlicher Glaube – das war dem Historiker Lukas glasklar – hatte nicht nur etwas mit einem frommen Erlebnis zu tun, sondern vor allem mit durchaus vernünftiger ‚Erkenntnis‘
Die Aufgabe war ihm klar, Allein, es ging nicht voran. „Da es nun schon viele unternommen haben, Bericht zu geben von den Geschichten, die sich unter uns erfüllt haben, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Wortes gewesen sind, habe auch ich's für gut gehalten …“
Ja, was denn nun, du Großmaul? Den Mund zu voll genommen? „Habe auch ich es für gut gehalten …“ Ja, was denn? Von „Anfang an aller erkundet“ … Ja, was heißt denn das?
Wo ist denn der Anfang dieser Geschichte? So ging das tagelang. Kein Vorankommen. Nur Grübelei.
II. Dass es das Lukas-Evangelium und in ihm die Weihnachtsgeschichte überhaupt gibt, verdanken wir im Rahmen dieser Erzählung über den Evangelisten Lukas wohl zweierlei:
Lukas war willens, alles von Anfang an und d. h. ganz NEU zu denken. Er hatte den Mut dazu und ließ den Mut dazu nie ganz sinken.
„ … habe auch ich's für gut gehalten, nachdem ich alles auf’s NEUE … erkundet habe …“ So lässt sich das „von Anfang an“ eben auch und vielleicht besser als bei Luther übersetzen.
Es ist Neues möglich. Viel stärker gewagt gesagt: Das Neue ist die eigentliche Wirklichkeit. Es können die Verhältnisse unter den Menschen sich zum Guten erneuern. Es kann Versöhnung geben, wo Feindschaft war. Es kann Friede werden, wo Streit, Krieg und Gewalt waren.
Es kann ein Mensch neu anfangen mitten im Leben. Ein Kind, ein Mann, eine Frau, ein alter Mensch, Inländer und Ausländer, Bekannte und Fremde, So- und Anders-Denkende, Religiöse und Nichtreligiöse, Kirchgänger und Nicht-Kirchgänger, Naive und Zyniker, Muntere und müde gekämpfte Leute … es ist möglich; und es ist auch so, dass in ihnen und zwischen ihnen NEUES geschieht.
Lukas war zweitens ein genauer Mensch. Mit ‚Akribie‘ – so lautet unser deutsches Lehnwort für den von Lukas verwendeten griechischen Begriff – ging er an die Sache heran. Ein akribisch arbeitender Historiker und Erzähler liest zunächst einmal genau, was vor ihm schon andere geschrieben haben. Da gab es nicht nur Markus und diverse mündliche und schriftliche Quellen über den Mann aus Nazareth. Vor allem gab es das Erste Testament, die jüdische Bibel, und darin den großen Geschichts-Propheten Jesaja. Der hatte sich in seiner Zeit, fast 800 Jahre vor Lukas, mit einer ähnlichen Fragestellung beschäftigt, die wir versuchsweise einmal so formulieren:
Wie kann es unter den Menschen zu den so ersehnten wie notwendigen Neuanfängen kommen? Stimmt das, dass Gott in der Geschichte handelt? Oder ist das nur ein frommer Traum, genau genommen eine Illusion?
Lukas – das meine ich hinter den ersten Kapiteln im uns bekannten Lukas-Evangelium ausreichend klar zu erkennen – hat Jesaja aufmerksam studiert. Und er schreibt die Geschichte Jesu weiter in dem Augenblick, als ihm Jesajas Botschaft deutlich wurde. Eines Tages begriff er. Da ‚erkannte‘ er den Sinn der alten Worte. Dann schrieb er auf:
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging …“ Auf Befehl des die Welt beherrschenden Potentaten seiner Zeit setzt sich ein Geschehen in Gang, das eines Tages sich als weltumstürzend und welterneuernd erweisen wird. Ironischer, humorvoller und geschickter lässt sich Gottes Geschichte in der Menschengeschichte kaum darstellen. Lukas überblendet seine eigene Zeitgeschichte, genauer: Die Zeit ungefähr 50 Jahre vor seiner eigenen Geburt, mit der Geschichte der Geburt des Gottessohnes in einem Futtertrog.
Lukas schrieb von diesem ‚Anfang‘ an alles der Reihe nach auf. Er komponierte sein Werk frisch und neu, setzte Texte darein, die bisher niemand kannte, entwarf ein Bild von Jesus Christus als der Mitte von Zeit und Geschichte. Er erzählte gleich noch die Geschichte der frühen Kirche hintendran, von Petrus und Paulus, von namhaften Frauen, die halfen, das Evangelium vom Juden Jesus Christus in die heidnische Völkerwelt zu tragen.
III. Einen der entscheidenden Jesaja-Texte, bei denen dem Lukas tausend Lichter aufgegangen sein mussten und wohl auch aufgegangen sind, sollt ihr hören. Ihr könnt ihn euch zu Herzen nehmen und mit dem Kopf verstehen wollen:
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth“ (Jesaja 9,1-6).
Ein Text zu groß für ein paar dürre Worte. Für ein paar kleine Versuche, ihn auf unser Leben praktisch ‚anzuwenden‘. Anders herum mag ein Schuh draus werden. Steigen wir ein in die Welt dieses großen Textes und schauen wir, was uns geschieht …
Eine kleine Vorbemerkung dazu, zum Verhältnis von großen Texten und uns Menschen, die wie sie lesen – oder auch nicht: Neulich habe ich mit meinen Religions-Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 8 und 9 Integrierte Gesamtschule Lüneburg den Weihnachtsgottesdienst gefeiert. Es ist bei Kindern und Jugendlichen kaum anders als bei Erwachsenen. Einige sind ganz bei der Sache. Sie haben den Bibeltext studiert oder ihren eigenen Text gut formuliert und ihn laut zu lesen geübt. Sie haben sich auf meine Hilfestellungen eingelassen und ihren Teil mit Konzentration und Hingabe abgeliefert. Andere rappeln ihre zwei Sätze schnell herunter. Sie schämen sich ihres Auftritts. Viele sind dazwischen: Dass Gott in diesem Gottesdienst zu vernehmen sein könnte, wie der Pastor vorab sie eingestimmt hat – das können sie nicht wirklich glauben; aber trotzdem macht man irgendwie gute Miene zum Spiel und liefert was Ordentliches ab.
Lukas wusste, wie Menschen sind. Den Jesaja, dachte er sich, musst du deinen Lesern und Leserinnen verdaulich in einer Geschichte erzählen. Je spannender und bildreicher, desto besser. Die Geschichte des Jesus Christus kannst du ihnen nicht in Form einer akademischen Vorlesung vor den Kopf knallen, mit philosophischen Begriffen gespickt und allerlei schweren Gedanken. Die meisten Leser und Leserinnen werden das Buch gar nicht erst lesen, wenn sie nicht auf den ersten Seiten schon in der spannend erzählten Geschichte ‚drin‘ sind.
„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell …“
Da ist ein aufmerksamer Leser sofort ‚drin‘. Es ‚scheint‘ „hell“. Die das jetzt lesen, denen leuchtet das Licht schon. Lukas hat sein Evangelium so geschrieben, als hätte er so gedacht. So kamen die Hirten ins Spiel, die natürlich „des Nachts“ ihre Herden hüten auf den Feldern Bethlehems. Des Nachts, denn nur dann ist für uns vorstellbar, was das wohl bedeutet haben könnte für sie, als da plötzlich dieses ‚große Licht‘ (Jesaja 9,1) war:
„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lukas 2,8 f.).
Die Hirten sind nun durch des Lukas Erzählung die Vertreter des ‚Volkes, das im Finstern‘ wandelt.
Kann sich jede und jeder von euch die eigenen Dunkelheiten hineindenken. Ich mag keine Litaneien erzählen von zerbrochenen Ehen, gestorbenen Lieben, von Aleppo und rechten Aufmärschen überall in Europa, von Klimawandel und Despoten … Das finstere Land … das helle Licht … kann sich jeder seinen Reim drauf machen.
Lukas wusste um die Not nicht nur der Hirten auf dem Felde, sondern von viel, viel Not und Schmerz und Geschrei im Land Israel und in Rom. Er wusste das alles, aber er verwirrte sich nicht in dem heillosen Wirbel endloser und heilloser Klagen. Er erzählte stattdessen und trotzig eine unverschämte Gegen-Geschichte gegen die Weltgeschichte seiner Zeit.
Noch ein Beispiel aus seiner mutmaßlichen Vorlage Jesaja:
„Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich …“ (Jes 9,5 f.)
Das Kind, das Jesaja in einer Vision sehnsuchtsvoller Zuversicht als den zukünftigen Friedenskönig Israels gesehen hatte, ist für Lukas das Krippenkind, der Heiland. „Uns … geboren“ hieß bei Jesaja: Uns im Hause Juda, in Israel. Für den Evangelisten ist der Jude Jesus das Licht für alle Völker aller Länder der ganzen Welt. Er, Jesus Christus, ist das Licht, der Wunder-Rat, der Gott-Held.
Bei ihm ist „Rat“ in allen wesentlichen Fragen des Lebens und des Sterbens. Stärker als Depression, Verzweiflung, Finsternisse im Herzen und im Geist, leuchtet sein Licht. Dieses Licht erneuert die Vernunft. Es klärt das Denken auf. Auch das Denken der Politiker und Politikerinnen. Auch das der Bürger und Bürgerinnen, Verbraucher und Verbraucherinnen, das Denken aller Berufstätigen und aller Rentner und Rentnerinnen. Der „Wunder-Rat“ ist der Gedanken-Erneuerer. Jesus wird es „Metanoia“ nennen. Luther übersetzte ‚Buße‘. Es heißt aber: Etwas neu denken, eine aufgeklärte Vernunft bekommen, weiter und neu denken, möglichst jeden Tag neu.
Lukas erzählt in seinem Evangelium diverse Geschichten, in denen es um das Umdenken, Weiterdenken, Neudenken und daraus dann: Neu-Handeln geht. Der barmherzige Samariter ist nicht nur mit einem großen Herzen gesegnet. Er ist auch lebensklüger. Der ‚verlorene Sohn‘ hört in sich die Stimme seines Vaters, die Stimme des ‚Wunder-Rates‘, der ihn nach Hause ruft. Das ist klug; denn die tatsächliche Alternative wäre gewesen, bei den Schweinen zu krepieren und vor die Hunde zu gehen.
Jesus Christus ist für Lukas der ‚Gott-Held‘ des Jesaja. Während Jesaja wohl an einen echten König dachte, der nach gewonnenem Krieg die Nachfahren seiner von ihm getöteten Feinde zur Versöhnung einlädt, denkt Lukas an Jesu Kreuz und Auferstehung. Der „Gott-Held“ ist der Sieger über jeden Tod, über den Tod überhaupt. Wer diesem von Gott gesandten Helden, welcher selber Gott ist (Wunder über Wunder …) sich anvertraut, wird hineingenommen in die Geschichte dieses Gottes mitten in der Geschichte. Der Tod hat trotz aller Schrecken nicht das entscheidende Wort. Im Sterben vergibt der lukanische Jesus seinen Feinden. Nach der Auferstehung schickt er seine Zeuginnen und Zeugen in die Welt, den Sieg des Lebens über den Tod in all seinen Formen anzusagen.
Das ist Weihnachten. Heilige Nacht. Das Licht der ganzen biblischen Botschaft Ersten und Neuen Testaments leuchtet in dieser Nacht besonders deutlich. Die Erzählung davon ist offen für uns alle. Wir kommen mit den Hirten zur Krippe mit unseren Geschichten. Das Neue geschieht.