Predigt zu Matthäus 25,14-30 von Winfried Klotz
Das Gleichnis vom anvertrauten Geld (Neue Genfer Übersetzung)
14 »Es ist wie bei einem Mann, der vorhatte, in ein anderes Land zu reisen. Er rief seine Diener zu sich und vertraute ihnen sein Vermögen an.
15 Einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei und wieder einem anderen eines – jedem seinen Fähigkeiten entsprechend. Dann reiste er ab.
16 Der Diener, der fünf Talente bekommen hatte, begann sofort, mit dem Geld zu arbeiten, und gewann fünf weitere dazu.
17 Ebenso gewann der, der zwei Talente bekommen hatte, zwei weitere dazu.
18 Der aber, der nur ein Talent bekommen hatte, grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn.
19 Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück und forderte seine Diener auf, mit ihm abzurechnen.
20 ´Zuerst` kam der, der fünf Talente erhalten hatte. Er brachte die anderen fünf Talente mit und sagte: ›Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; diese fünf hier habe ich dazugewonnen.‹ -
21 ›Sehr gut‹, erwiderte der Herr, ›du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist mit dem wenigen treu umgegangen, darum will ich dir viel anvertrauen. Komm herein zum Freudenfest deines Herrn!‹
22 ´Dann` kam der, der zwei Talente erhalten hatte. ›Herr‹, sagte er, ›zwei Talente hast du mir gegeben; hier sind die zwei, die ich dazugewonnen habe.‹ -
23 ›Sehr gut‹, erwiderte der Herr, ›du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist mit dem wenigen treu umgegangen, darum will ich dir viel anvertrauen. Komm herein zum Freudenfest deines Herrn!‹
24 ´Zuletzt` kam auch der, der ein Talent bekommen hatte. ›Herr‹, sagte er, ›ich wusste, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast.
25 Deshalb hatte ich Angst und vergrub dein Talent in der Erde. Hier hast du zurück, was dir gehört.‹
26 Da gab ihm sein Herr zur Antwort: ›Du böser und fauler Mensch! Du hast also gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe.
27 Da hättest du mein Geld doch wenigstens zur Bank bringen können; dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückbekommen.‹
28 ›Nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!
29 Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.
30 Doch diesen unnützen Diener werft in die Finsternis hinaus, dorthin, wo es nichts gibt als lautes Jammern und angstvolles Zittern und Beben.‹«
Liebe Gemeinde!
Unser Gleichnis aus dem Matthäusevangelium gehört zu den ärgerlichen Gleichnissen! Angefangen dabei, dass hier manche das kapitalistische Prinzip des Wuchers verherrlicht sehen, bis hin zum Urteil über den dritten Diener. Brecht schreibt z. B. in seiner "Ballade vom Pfund":
„Als unser Herr auf Erden
In Sprüchen sich erging
Da hieß er uns bewerten
Den Wucher nicht gering.
Er riet all den Besuchern
Die er bei sich empfing
Mit ihrem Pfund zu wuchern
So gut es irgend ging. ….
Können sich nicht Hedge Fonds Manager, Investmentbanker, können sich nicht die, die Firmen aufkaufen, zerschlagen, die brauchbaren Teile mit Gewinn veräußern, den Rest in die Wüste schicken, wunderbar auf dieses Gleichnis berufen. Seht Jesus fordert eine unbedingte Gewinnorientierung! Und dann, ist das Urteil über den dritten Diener, den dritten Geschäftsführer oder Teilhaber, nicht brutal und gnadenlos und widerspricht der Botschaft vom gnädigen Gott?!
Man kann in der Tat vieles aus der Bibel heraus – oder hineinlesen! Wie verstehen wir dieses Gleichnis richtig? Matthäus und Lukas haben es in etwas unterschiedlicher Ausführung überliefert, es steht also im Evangelium und es redet vom Reich Gottes. Es redet davon, wie Gott sich durch uns verwirklichen will in dieser Welt, von unserer Aufgabe und Verantwortung. Gottes die Welt veränderndes Handeln soll mit und durch uns geschehen; das wird schon darin sichtbar, dass Jesus uns gelehrt hat zu beten: Dein Reich komme! Unser Gleichnis ist also nicht einfach eine Handlungsanweisung in Richtung Geldvermehrung, sondern es geht um die Gemeinde Jesu in Zeiten der Abwesenheit ihres Herrn!
Zuerst: Jesus – ich rede vom auferstandenen Herrn - hat für die Zeit seiner Abwesenheit seine Gemeinde nicht arm, handlungsunfähig, kraft- und saftlos zurückgelassen. Er hat ihr vielmehr anvertraut, was Gott IHM selbst gegeben hat. Die Diener im Gleichnis macht ihr Herr zu Teilhabern mit umfassender Handlungsvollmacht!
Ich verstehe das im Sinn der Aussage in Johannes 14, 12-13; Jesus sagt:
‚Ich versichere euch: Wer an mich glaubt, wird die Dinge, die ich tue, auch tun; ja er wird sogar noch größere Dinge tun. Denn ich gehe zum Vater, und alles, worum ihr dann in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit durch den Sohn die Herrlichkeit des Vaters offenbart wird.‘
Die Gemeinde Jesu hat nicht nur einen Auftrag in dieser Welt, sie soll nicht nur Gottes Frieden, seine Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit predigen und lehren, sondern durch Jesu Tod und Auferstehung sind ihr diese Gaben Gottes geschenkt, damit sie darin lebt! Jesus hat seine Gemeinde zu Teilhabern an Gottes Reich gemacht durch die Gabe des Heiligen Geistes und die Gewissheit, dass er tut, was sie von ihm erbitten.
Noch einmal: Wir leben oft in einem scheinbar gut christlichen Defizitgefühl. Jesus ist weit weg; die tolle Zeit seines Wirkens auf der Erde ist Vergangenheit oder auch nur von den ersten Christen erfunden. Wir sind bettelarm und können der gottlosen Welt nur noch ein paar christliche Werte und Weisheiten anbieten.
Das Zeugnis der Bibel widerspricht uns hier ganz heftig: Jesus hat seiner Gemeinde nicht nur eine christliche Lehre hinterlassen, sondern seinen Geist gegeben, damit sie tut, was er getan hat! Ja, er selbst tut es da, wo seine Gemeinde darum bittet. Hören wir also auf mit dem „wir haben nichts und wir können nichts“! Hören wir auf mit der Reduktion des Glaubens auf christliche Grundüberzeugungen und Werte. Wir sind nicht vor allem eine lehrende und lernende Kirche, sondern eine in Jesus Christus lebende Kirche, die tut, was er getan hat. Die betet und das Erbetene empfängt. All unser Tun fängt mit dem Gebet an!
Jesu Gemeinde wuchert mit dem, was ihr anvertraut ist. Sie feiert fröhlich Gottesdienst, singt und lobt Gott, vergewissert sich des Evangeliums, pflegt die Gemeinschaft, im Abendmahl, beim Essen und Trinken und achtet darauf, dass niemand ausgegrenzt wird; und vor allem: sie betet, betet, betet. Da werden keine Gebete vorgelesen, sondern die wirklichen Anliegen gemeinsam und von vielen vor Gott gebracht. Aus all dem erwächst der Mut, in der Spur von Jesus zu gehen, unangepasst, frei. Die Not der Menschen kommt in den Blick, ihre Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit, ihre Sehnsucht nach Leben, die nicht zum Frieden kommt durch die Befriedigung der Wünsche. Die aber Frieden findet in Jesus Christus in seiner Gemeinde.
Uns ist so viel anvertraut! Und wenn wir es jetzt nicht sehen, es uns jetzt fremd ist, so lasst uns Jesu Wort trauen und um seine Gaben bitten.
Ich habe nun sehr breit diesen ersten Teil des Gleichnisses ausgelegt. Jesu Gemeinde hat Teil an seinem Reich, an seinen Gaben. Viel mehr Raum nimmt aber im Gleichnis ein Zweites ein: Jesus, unser Herr, fragt danach, was wir als seine Teilhaber aus dem Anvertrauten gemacht haben.
Sie erinnern sich: von den drei Dienern haben zwei jeweils das Vermögen verdoppelt. Sie werden nicht nur gelobt, sondern ihr Herr vertraut ihnen umso mehr an und gibt ihnen noch größere Verantwortung. Er lädt sie ein, mit ihm ein Freudenfest zu feiern und macht sie damit zu seinen Freunden. Im Gleichnis heißt es:
‚Sehr gut‘, erwiderte der Herr, ‚du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist mit dem wenigen treu umgegangen, darum will ich dir viel anvertrauen. Komm herein zum Freudenfest deines Herrn!‘
Hier geht es nicht nur um ein Urteil am Ende der Zeit, wenn Gott richtet; vielmehr, wo Gemeinde Jesu lebt, was ihr gegeben ist, wächst Gutes und manchmal ist da ein Stück Himmel auf Erden zu finden. Himmel auf Erden, Gegenwart Jesu inmitten seiner Gemeinde; da strahlt Licht aus, da ist Ermutigung zum Leben. Das bedeutet nicht „Wachsen gegen den Trend“ durch ein hohes Qualitätsniveau, das zu einer hohen Beteiligung führt, wie es im EKD-Reformpapier „Kirche der Freiheit“ heißt. Das bedeutet „Wachsen in die Tiefe des Lebens mit Christus“; das ist auch gegen den Trend, das ist das, was uns wirklich Not tut! Gemeinde lebt, wo sie ernst nimmt und praktiziert, was ihr versprochen und aufgetragen ist, angefangen bei dem Ruf zur Umkehr bis hin zur Salbung für Kranke, Jakobus 5.
(Zitat: Diese anspruchsvollen Ziele signalisieren den Willen der evangelischen Kirche, gegen den Trend zu wachsen und die eigenen Mitglieder wie Menschen, die noch außerhalb der evangelischen Kirche stehen, durch die Qualität ihrer Kernangebote zu überzeugen. S. 52)
Wir kommen zum dritten Diener; der hat verweigert, schwer zu verstehen:
‚Herr‘, sagte er, ‚ich wusste, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast. Deshalb hatte ich Angst und vergrub dein Talent in der Erde. Hier hast du zurück, was dir gehört‘.
Das kann doch gar nicht sein, möchten wir sagen! Was treibt einen Mitarbeiter, dem viel anvertraut wird, zu solchem Aufbegehren?
Auf diese Frage gibt es keine Antwort, im Gleichnis wird nur ein Tatbestand geschildert. Einer hat sich verweigert, einer hat das anvertraute Kapital vergraben und gibt es bei der Abrechnung zornig zurück. Ich hatte Angst vor dir, sagt er noch entschuldigend. Angst vor was? Vor dem Verlust des Kapitals? Klar ist: die Beziehung des dritten Dieners zu seinem Herrn ist tief gestört. Da ist kein Vertrauen des Dieners; er versteht auch nicht, welches Vertrauen sein Herr in ihn setzt, wenn er ihm diese große Summe anvertraut. Dieser Diener ist beziehungslos gegenüber seinem Herrn, die aber führt in die endgültige Trennung.
Ich habe das Gleichnis immer im Horizont der Gemeinde Jesu verstanden. Ihr ist viel anvertraut, aber nicht, um viel oder wenig oder nichts zu machen, sondern damit etwas von Gottes Erbarmen in dieser Welt sichtbar wird. Menschen sollen die Augen geöffnet werden für den Gott, der weit über alle Weisung, alles Gesetz hinaus Erlösung schafft in Jesus Christus. Kann christliche Gemeinde, können Christen sich diesem Auftrag verweigern? Können sie ihr eigenes Ding machen, je nach Zeitgeist und gesellschaftlicher Lage? Können sie sich Auftrag und Begabung verweigern?
Leider ist das möglich! Es gibt die schöne Geschichte von der Rettungsstation an einer gefährlichen Küste, die erfolgreich arbeitend reichlich mit Spenden versorgt wird und so irgendwann zum gemütlichen Clubhaus mutiert. Von hier fährt keiner mehr raus, um Schiffbrüchige zu bergen. Hier ist es nur noch gemütlich, hier trifft man sich nur noch, um stolz die Geschichten von früher zu erzählen.
Was hilft gegen die Gemütlichkeit? Was hilft gegen die Belanglosigkeit und Fadheit? Die Beliebigkeit von Glauben und Leben in der Gemeinde? Was hilft gegen den Ungehorsam gegenüber dem Auftrag? Bessere Performance, wie man heute sagt, mehr Qualität, mehr Lebensbezug, mehr Veranstaltungen mit Eventcharakter?
Gewiss nicht! Es hilft nur, dass wir in der Gemeinde und als Einzelne darum ringen zu verstehen, wer Jesus Christus ist, den die Bibel „Retter“ nennt. Es hilft nur, gegen den Trend in der Schrift zu graben und sie ernst zu nehmen gerade da, wo sie ärgerlich, widerständig und überholt scheint. Es hilft nur, demütig zu beten, „Herr, hilf mir Dein Wort zu verstehen“. Und leg Deinen Finger auf das, was Dich an mir/ an uns ärgert. Amen.
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Was hast Du gemacht mit Deinem Leben? - Predigt zu Matthäus 25,14-30 von Karin Latour
„Was hast Du gemacht mit Deinem Leben?"
Liebe Gemeinde,
ob die Jugendlichen heute noch Carl Zuckmayer lesen?
Sie wissen schon, den Hauptmann zu Köpenick,
der irgendwann mit Heinz Rühmann verfilmt wurde- die ergreifende Geschichte des Willem Voigt.
Nein, auch als Film ist diese Geschichte den Jüngeren wohl kaum noch bekannt. Von uns werden sich aber die meisten noch erinnern.
Erinnern vielleicht auch an die Worte des Willhelm Voigt, oder auch Willem, wie der Berliner sagt:
Und denn stehste vor Gott dem Vater und der fragt dir ins Jesichte:
Willem Voigt, wat haste jemacht mit deim Leben?
Und da muss ick sagen- Fußmatte, muss ick sagen. Die hab ick jeflochten im Jefängnis und denn sind se alle druff rumjetrampelt.
Muss ick sagen.
Und zum Schluss haste jeröchelt und jewürcht um det bisschen Luft, und denn wars aus.
Det sagste vor Gott.
Mensch.
Aber der sagt zu dir: Jeh wech! sagt er. Ausweisung, sagt er!
Dafür hab ick dir det Leben nich jeschenkt, sagt er.
Det biste mir schuldig! Wo is et? Wat haste mit jemacht?
Eine Gerichtsszene ist das. Eine Gerichtsszene vor Gott:
Was hast du mit deinem Leben gemacht, das ich dir geschenkt habe!
Eine Gerichtsszene, die nicht wenige im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal vor sich selber halten.
Mit 30, mit 50, wenn man alles erreicht hat, oder auch nicht-
in Krankheit, im Alter, oder wenn man dazu kommt nachzudenken im Urlaub, wenn das Rad des Alltags für einen Moment stehen zu bleiben scheint.
Wo ist es, dein Leben?
Was hast du damit gemacht, mit den Jahren, den Tagen, den Stunden, die dir geschenkt waren?
Was hast du gemacht mit deinen Talenten, den Gaben, deinen Wünschen und Träumen?
Und vielleicht beschleicht den einen oder anderen das bittere und traurige Gefühl:
Du bist dir etwas schuldig geblieben, oder deiner Familie, oder der Welt, in die hinein du geboren bist, oder deinem Gott, der dir das Leben geschenkt hat.
Das kann es doch nicht gewesen sein!
Das kann doch nicht alles sein!
Und dann das Gefühl: zu spät, nicht mehr rückgängig zu machen, verspielt.
„In der Todesstunde drückt uns nicht das gelebte und geliebte Leben, sondern das ungelebte Leben und seine versäumten Möglichkeiten“ - hat ein erfahrener Theologe und Seelsorger einmal gesagt.
Und es ist wahr. Eine der traurigen Wahrheiten in wie vielen Trauergesprächen immer und immer wieder das Thema.
In Carl Zuckmayers Szene ist es Gott, der sagt: Geh weg, sagt er.
Keine Chance noch etwas nachzuholen- Ausweisung, sagt er.
Dafür hab ich dir das Leben nicht geschenkt. Wo ist es?
Du bist es mir schuldig!
Eine andere Gerichtsszene wird uns heute vorgestellt.
In der Schule wird sie kaum gelesen und besprochen und dabei gäbe es auch aus ihr so unendlich viel zu hören, zu lernen, zu verstehen für unser Leben:
Predigttext: Matthäus 25, 14-30
Nein, auch hier kein Happy End.
Auch hier ist der Ausgang der Szene nicht besser als im Hauptmann von Köpenick, zumindest für den 3. Knecht.
Und würden wir die Geschichte nicht vielleicht seit Kindertagen kennen-
wir wären irritiert, oder sind es ja vielleicht noch.
Jesus verurteilt den Mann.
Er verurteilt einen Menschen, ja- der doch eigentlich nichts Böses getan hat.
Ein Talent, einen Zentner hatte er erhalten. Einen.
Und dieses ihm anvertraute, er hat es nicht verjubelt,
er hat es nicht verprasst.
Er hat es lediglich vergraben, gesichert und gibt es wohlbehalten auf Heller und Pfennig zurück.
Er hatte Angst ein Risiko einzugehen, weil er die Reaktion seines Herrn voraussah.
Er hatte Angst das Wenige, das er erhalten hatte, zu verlieren und nachher mit leeren Händen dazustehen.
Selbst das Geld auf einer Bank anzulegen war ihm zu unsicher.
Er setzt auf Numero Sicher.
Und verspielt alles.
Seine Chancen,
seine Möglichkeiten,
die Gunst und das Wohlwollen seines Herrn.
Er verliert das Anvertraute, zuletzt die Zukunft:
„Denn wer da hat, dem wird gegeben und er wird die Fülle haben; Und wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Werft den unnützen Knecht hinaus in die Finsternis, da wird sein Heulen und Zähneklappern.“
Eine Geschichte, die schockiert und trifft, vielleicht weil wir geneigt sind mit dem 3. Knecht mitzufühlen, ihn uns vorzustellen. Mir jeden falls geht es so.
Stellen wir uns vor- Vielleicht gehört er zu den Menschen, die still und zurückgezogen leben,
die man leicht übersieht,
die sich nicht in den Vordergrund drängen und nicht verstehen sich interessant zu machen.
Die insgeheim andere bewundern,
denen niemand etwas zutraut,
die ihren eigenen Fähigkeiten misstrauen und Angst haben man könnte negativ auffallen.
Woher hätte so ein Mensch den Mut nehmen sollen einmal etwas zu riskieren
Sich bloß nicht zu weit aus dem Fenster hängen, das geht nicht gut.
Nicht zu viel riskieren- das kann Kopf und Kragen kosten.
Wer hätte nicht Verständnis für dieses ängstliche Gemüt, das uns erzählt: Mein Herr, das ist ein harter Mann, der erntet, wo er nicht gesät hat, der sammelt ein wo er nicht ausgestreut hat.
Und gibt ihm am Ende nicht der Ausgang der Geschichte Recht?
Ein harter unerbittlicher Mann, der sich an die Spielregeln dieser Welt hält.
Wo etwas ist, da kommt immer noch etwas hinzu!
So sind eben die Gesetzmäßigkeiten im wirtschaftlichen Bereich:
Bringst du was, dann bekommst du mehr,
bringst du nichts, dann fliegst du raus!
Ausweisung, Jeh wech! Lässt Zuckmayer Gott sagen.
Den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus. Lässt Jesus den Herrn sagen.
Ein ganz weltliches Ende. So ist es eben in dieser Welt. Könnte man sagen.
Man könnte aber auch fragen: Aber diese Geschichte ist doch nicht von dieser Welt?
Sie wird von Jesus erzählt vom Reich Gottes.
Sie erzählt von einem Herrn, der schließlich kein anderer ist als der Menschensohn selbst, Jesus Christus.
Auch hier sollen Leistung und Zuwachsraten und Mehrwert die bestimmenden Kriterien sein für das Leben und Zusammenleben von Menschen?
Auch hier soll zählen allein was du bringst, leistest, unterm Strich raus kommt aus deinem Leben?
Müsste es bei Jesus Christus nicht andere Kriterien geben als am Schuljahresende?
Oder einem Betrieb, der ums Überleben kämpft und angewiesen ist auf die Leistung jeden einzelnen Mitarbeiters- ich versuche es mal so zu sehen und zu verstehen.
Nein.
Es will nicht passen zu dem, was wir sonst von Jesus wissen.
In wie vielen Geschichten steht er auf der Seite der Schwachen, der Zukurzgekommenen.
Was also steckt hinter dieser Geschichte und was mag es sein, das er damals seinen Hörern auf den Weg gab.
- Den Pharisäern und Schriftgelehrten, denen Gottes Gesetz und Verheißung anvertraut waren.
Warnt er sie, den Menschen die ihnen anvertraute Gabe vorzuenthalten?
Oder den Jüngern, die um ihn waren.
Wollte er sie davor bewahren nur für sich selber zu leben, ihren Glauben für sich zu behalten und sich mit dem Bewahren des Empfangenen zu begnügen?
- Den ersten Gemeinden, sollen sie angehalten werden sich einzurichten auf eine längere Zeit, in der der Herr außer Landes geht, eine Zeit der Bewährung, des Einsatzes für die Sache Jesu Christi.
- Und uns heute?
Diese Geschichte ist eine Parabel.
Eine Parabel hat einen einzigen Vergleichspunkt, von woher sie sich erschließt.
Im Mittelpunkt steht hier jener unglückselige Knecht.
Und sein Unglück beginnt- nein, nicht im Moment, in dem er die Gabe, das Talent, das Anvertraute empfängt, sondern wo er beginnt zu rechnen:
Mein Herr ist ein harter Mann.
Was wird am Ende dabei herauskommen für mich?
Sein Unglück beginnt, wo er die Angst sein Handeln bestimmen lässt:
Ein harter Mann, oh Weh. Wenn ich zu viel riskiere.
Weh mir, wenn ich verliere!
Weh mir, wenn ich mich einlasse und versage.
Sein Unglück beginnt, wo er versucht sich schadlos zu halten.
„Wir streben nach einem Leben ohne Leiden, nach einer Freude ohne Schmerzen, nach Gemeinschaft ohne Konflikte,“ hat Jürgen Moltmann einmal gesagt. Hat er Recht?
Ein Leben ohne Leiden und nennen es Glück.
Leben ohne Risiko, ohne Engagement, Empathie. Ist das Glück?
Zumindest scheint es Ruhe, scheint es Sicherheit zu sein.
Wenn ich mich jederzeit in mein privates, persönliches Schneckenhaus zurückziehen kann,
wenn ich mich raushalten kann,
wenn ich soweit Distanz bewahre, dass mich die Probleme der anderen nicht zu sehr tangieren, wenn ich mich gar nicht zu sehr einlasse auf andere, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden.
Wenn ich mir sage, ich kann an den Problemen der Welt und der Gesellschaft sowieso nichts ändern, dann muss ich mich nicht berühren lassen, dann sehe ich das Elend nicht und muss nicht fertig werden mit der eigenen Ohnmacht.
„Nicht das gelebte und geliebte Leben drückt uns in der Todesstunde sondern das ungelebte Leben und seine versäumten Möglichkeiten“
Wo Menschen nicht wagen sich auf die Liebe eines anderen einzulassen aus Angst verletzbar oder enttäuscht zu werden.
Wo Menschen nicht wagen ihre Meinung zu vertreten aus Angst angreifbar zu werden.
Wo Menschen nicht wagen sich einzusetzen für eine Sache oder einen Anderen aus Angst selbst dabei etwas zu verlieren.
Mit dieser Parabel von den 3 Knechten- nein, ich glaube es nicht, dass unser Leben unter den Druck von Leistungen gesetzt werden soll.
Durch diese Geschichte vom ängstlichen, vielleicht auch ein Stück trägen Knecht, der sichern und bewahren wollte um nur nichts zu verlieren,
da schimmert das Geheimnis des Lebens: Wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren. Wer es aber einsetzt, hingibt, der wird es gewinnen.
Sein Leben behalten, das heißt sich selbst festhalten aus lauter Angst vor dem Tod, vor dem Verlust, vor dem Leiden das Leben nicht wagen, aus Furcht vor Enttäuschung nicht zu lieben wagen.
Wer auf diese Weise sein Leben behalten will, der lebt am Leben vorbei. Vergräbt sich, seine Gaben, Fähigkeiten, seine Verantwortung, sein Leben.
Dies mag für unser ganz persönliches Leben gelten in seinen kleinen überschaubaren Kreisen, in denen es sich bewegt.
Erst recht mag es gelten für unser Leben vor Gott, meines, ihres, das unserer Gemeinden, das unserer Kirche.
Jesus, so glaube ich, verurteilt mit dieser Geschichte keinen Menschen.
Er verurteilt die Angst, die uns das Leben und unserer Verantwortung nicht wagen lässt.
Nicht Angst, nicht Sicherheit, nicht Bequemlichkeit, nicht sich vergraben sondern Mut, Courage, Mitdenken und Leiden sind gefordert. Dazu lädt Jesus ein.
Eine Kirche, die nicht für andere da ist ist keine Kirche, hatte Bonhoeffer gesagt, damals im Blick auf die unterdrückten und verfolgten Juden im Dritten Reich.
Und sein Wort hat im Blick auf Menschen, die auf unsere Hilfe und Engagement warten nicht an Bedeutung verloren.
Kritisch müssen auch wir uns fragen:
Wie oft bilden wir mit unseren Gottesdiensten, Kreisen, Gruppen, Festen, eine geschlossene Gesellschaft, Pflegen unsere Traditionen, bewahren das uns anvertraute. Das ist nicht nichts und es ist auch nicht unwichtig- aber wie viel setzen wir nach außen für die am Rand, weit entfernt von uns, ein.
Die Geschichte mahnt auch uns in den Gemeinden uns nicht in unserem Gemeindealltag zu vergraben, zu verstecken, es gut sein lassen mit der Pflege unserer Traditionen allein und ein bisschen Geselligkeit.
Und uns dabei vor den Problemen unserer Zeit und der Menschen in den Strassen, gerade auch derer, die nicht mehr kommen, zu verschließen.
Jesu Gleichnis lädt ein zum Mut. Zu klaren Worten. Zu deutlichen Zeichen. Nicht zaghaft, sondern sicher und umgehend, wie jene zwei Knechte, die Einsatz und Engagement zeigen mit dem, was ihnen anvertraut ist.
Wem viel anvertraut ist, von dem wird man viel fordern.
Was aber ist uns anvertraut?
Den Knechten, der Kirche, unserer Gemeinde, Ihnen, mir?
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Die Mühe nimmt uns keiner ab dies selbst herauszufinden.
Aber ich bin sicher, es würde sich lohnen aus dieser Geschichte dann nämlich zu hören:
Nicht Ausweisung, nicht „Geh weg“ wie bei Zuckmayer, wohl aber:
Komm und grab es aus und entdecke und wuchere und hause mit dem, was ich dir anvertraut habe und versuch es noch einmal, es ist ja noch nicht zu spät.
Dann, dann wäre für uns noch alles offen.
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Ihr seid das Salz der Erde - Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Wilhelm v. der Recke
Ihr seid das Salz der Erde
I. Ihr seid das Salz. Ihr seid das Licht, sagt Jesus. I h r , ihr hier in der Kirche! — Wir? — Ja, Ihr! … Sie gucken ein bisschen verwirrt und erschrocken. —
Wir hier? Wir alle? Also auch ich?! … Das kann nicht sein. So fühle ich mich nicht. Jetzt nicht, eigentlich überhaupt nicht … So hat es Jesus wohl nicht gemeint. —
Und wenn doch? Wenn das nicht nur eine alte Geschichte ist? Wenn es sich nicht nur um ein Zitat handelt, um etwas, was Jesus vor langer Zeit einmal gesagt hat? Wenn er heute tatsächlich u n s damit meint: Wir - das Salz der Erde, wir das Licht der Welt?
Wir sind hier im Gottesdienst. Alle wissen, das ist nicht irgendeine kulturelle, literarisch musikalische Veranstaltung. Sie hat es mit uns zu tun. Wir sprechen zwar gerne von Gottesdienst-Besuchern und halten damit einen gewissen Abstand. Tatsächlich sind wir nicht Gäste, sondern Teilnehmer, Menschen die mitsingen, mitbeten, die auch zum Abendmahl gehen und die sich ziemlich direkt anreden lassen: Du oder Ihr oder Sie, die Sie hier alle versammelt sind und mitmachen.
Wollen wir das – so nah? Wir ahnen, dass man uns vereinnahmen will. Deshalb fragen wir: Wozu ist das gut? Was bringt mir das? Und die Frage ist berechtigt, auch wenn es häufig nur um die augenblickliche Lust oder Unlust geht. Jesus dreht den Spieß um: Nicht wir fragen, was wir wollen – er stellt einfach fest: Ihr seid das Salz, ihr seid das Licht. Es geht nicht darum, ob wir Gott brauchen – Gott braucht uns!
II. An was für Menschen richtet sich Jesus damals, als er die Bergpredigt hält? – An die, die sich von ihm angezogen fühlen. Die aufgewühlt sind von dem, was sie sehen und hören. Die merken: Das hat etwas mit uns zu tun. Das könnte unser ganzes Leben verändern. – Sie gehören keinem Verein an, sie haben nichts unterschrieben. Es sind einfache Leute, die hart arbeiten müssen. Nirgends steht, dass sie besonders fromm sind.
Ihr, sagt Jesus zu ihnen, Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Doch damit beginnt er nicht seine Rede, das kommt erst später. Er beginnt mit dem Wort selig. Selig sind die geistlich arm sind, sagt er. Selig sind die Leid tragen; selig sind alle, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten; die Sanftmütigen; die Barmherzigen, die Friedfertigen. Gerade für sie hat Gott eine Vorliebe. – Alles Menschen, die benachteiligt sind und die am Zustand dieser Welt leiden. Die sich wünschen, dass es gerechter und freundlicher zugeht. Und es sind Menschen, die mit ihren begrenzten Möglichkeiten selbst etwas dafür tun. Diese Frauen und Männer, diese Kinder und Alten, diese Kranken und Gebrechlichen, diese Bereitwilligen und Unermüdlichen nennt Jesus selig.
Selig ist nicht dasselbe wie glücklich. Es bedeutet mehr. Jesus nennt sie selig, weil sie recht haben und recht bekommen sollen. Sie liegen völlig richtig, auch wenn sie das selbst gar nicht glauben können. Wenn Jesus das behauptet, ist es nicht seine Privatmeinung. Er beruft sich auf Gott, also auf die letzte, die höchste Autorität. Gott gibt ihnen recht. Und er wird dafür sorgen, dass sie auch recht bekommen.
III. Hat Jesus recht, wenn er gerade die Kleinen, die Schwachen, die ewigen Verlierer als selig bezeichnet und ebenso die Gutwilligen und Freundlichen, die sich durch nichts entmutigen lassen? – Wenn wir uns umsehen, wie es in unserer nächsten Umgebung und wie es in der großen weiten Welt zugeht, wohl eher nicht. Denken wir nur an unsere eigenen Gefühle, die oft spontan von uns Besitz ergreifen. Denken wir an die Erfolgsgeschichten, die wir uns so gerne ausgemalt haben als wir noch jünger waren: wir als die Helden und Supermänner. Schauen wir uns doch um, wer zählt und was zählt. Es sind die Starken, die Reichen, die Gesunden, die Schlauen, die Skrupellosen. Alle, die die richtigen Leute kennen. Die wissen, wie man es anstellt. – Wenn wir uns an den Augenschein halten, können wir nur feststellen: Jesus hat sich geirrt. Und er hat sich schon damals geirrt, denn auch zu seiner Zeit waren die Menschen keinen Deut anders als heute.
Wenn wir aber in tief in uns hineinhorchen, wenn wir unser Herz sprechen lassen, dann sieht es anders aus. Dann wissen wir es besser. Dann ahnen wir, wie es zugehen müsste, wenn alles mit rechten Dingen zuginge. Richtig bewusst wird es uns, wenn wir plötzlich selbst zu den Verlierern gehören. Wenn alles schief läuft – mit der Ausbildung und dem Beruf, mit der Ehe und den Kindern. Oder wenn wir gesundheitlich angeschlagen sind, wenn unsere Kräfte nachlassen und es aufs Ende zugeht. Spätestens dann wissen wir, dass das nicht das gute Leben ist, was in Lifestyle-Illustrierten oder in der Fernseh-Werbung uns vorgegaukelt wird. Das allein schafft noch kein erfüllendes, sinnvolles Leben. Wir wissen das im Grunde, aber wir lassen uns ungern daran erinnern.
Diejenigen, die Jesus selig nennt, sind nicht die Miesepeter, die alles schlecht reden. Es sind auch nicht die Schwächlinge, die aus ihrer Unfähigkeit eine Tugend machen. Sondern es sind alle jene, die wirklich ehrlich mit sich sind. Die sich keine Illusionen machen – nicht über sich selbst und nicht über die allgemein geltenden Spielregeln in unserem Zusammenleben. Sie machen sich nichts vor, deshalb haben sie ein offenes Ohr für das, was Jesus sagt. Sie wissen, dass er recht hat. Tief in ihrem Inneren wissen sie es und vertrauen ihm, dass er auch einlöst, was er verspricht.
IV. Ihr seid das Salz der Erde, Ihr seid das Licht der Welt. Ihr habt verstanden, was Jesus damit meint. Ihr habt verstanden, dass er davon nicht nur geredet, sondern es auch getan hat. Dass er den Weg gebahnt hat. Dass er selbst der Weg ist – der Weg zu einem besseren, einem lebenswerten Leben. Ein Leben, das nicht immer einfacher ist, aber das auf Dauer mehr befriedigt.
Jesus sagt von sich selbst, dass er das das Licht der Welt ist. Wenn wir uns von diesem Licht anziehen lassen, wenn wir in seinen Lichtkegel treten, dann werden auch wir hell, dann strahlen wir sein Licht ab. Wir geben es weiter – selbst wenn es nur ein schwacher Abglanz seines Lichtes ist. Die Welt wird nicht plötzlich taghell. Wir sind eher wie Straßenlaternen, die im Dunkeln gerade einmal den Pfad vor unseren Füssen erleuchten. Aber das ist doch schon etwas!
Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus. Er m a c h t uns dazu, von uns aus bringen wir das nicht fertig. – Wozu ist Salz gut? Zum Würzen, damit das Essen nach etwas schmeckt. Salz reinigt, es macht Nahrungsmittel haltbar und bekömmlich – wie eingelegten Fisch und gepökeltes Fleisch. Mehr noch: Salz ist lebensnotwendig. Ohne den Zugang zu Salz kommen Menschen und Tiere um. Es ist mehr wert als Gold, auch wenn Salz heute weit weniger kostet. Jesus verheißt kein kurzes Glück, sondern ein sinnvolles, menschenwürdiges Leben. Ein gewürztes/würziges Leben, das nach etwas schmeckt, das nicht fad und schal bleibt.
Wenn man nicht aufpasst, kann man das Essen schnell versalzen. Ist das auch bei dem Salz möglich, von dem Jesus spricht? Kann man des Guten zu viel tun, kann man den Glauben übertreiben? Manche Menschen haben ihre christliche Erziehung als eher finster und abschreckend in Erinnerung. Vieles war verboten, weniges erlaubt. Aber das ist nicht die Schuld von Jesus. Im Gegenteil – er ist aus dem Weg geräumt worden, gerade weil er sich gegen die frommen Zwänge gewehrt hat. Gegen alle Widerstände hat er seine Vision vom wahren Leben in die Tat umgesetzt und dafür einen hohen Preis bezahlt.
V. Ihm blieb nur wenig Zeit. Doch das, was er in dieser Zeit gesagt und getan hat, das hat zahllose Menschen mit Bewunderung erfüllt. Sein Vorbild hat sie angesteckt, sie haben es ihm nachgemacht – so gut sie konnten und soweit es ihnen ihre begrenzten Möglichkeiten erlaubten. Die einen sind über sich hinaus gewachsen, sie sind ihm tatsächlich gefolgt – mit allen Konsequenzen. Sie haben ihre bürgerliche Existenz und alle damit verbundenen Sicherheiten riskiert, manche haben dabei ihr Leben verloren. Das Beispiel, das sie gegeben haben, beeindruckt uns noch nach Jahrhunderten. Sie sind zu hellen Planeten am Nachthimmel geworden. Die meisten anderen Christen sind Jesus nur zaudernd und unsicheren Schrittes gefolgt – auf zwei Schritte vorwärts kam ein Schritt zurück. Doch Jesus ist nicht der Mann, der sie deswegen verurteilt. Er anerkennt, dass sie an ihrem Ort im Leben ihr Fähnlein hoch gehalten haben, dass sie immer wieder versucht haben, gegen den Strom zu schwimmen. Dass sie ein hoffnungsvolles, wenn auch kleines Licht auf dem Wege und ein Prise Salz in der Suppe waren. Sie alle – wir alle haben sicher nicht genug getan, und trotzdem haben wir zusammen die Welt ein bisschen heller und menschenfreundlicher gemacht.
Der Schriftsteller Heinrich Böll hat die Frage gestellt, wie traurig es wohl in unserer Welt aussähe, wenn sich nicht Christen immer wieder für mehr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit eingesetzt hätten. Und weiter fragte er: Doch wie wäre es, wenn wir wirklich Jesus konsequent Jesus folgten – als Salz der Erde und Licht der Welt. Wir könnten das Antlitz der Welt verändern.
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Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Michael Rambow
Liebe Gemeinde!
In der Hansestadt Lüneburg ist deutlich zu erkennen, welcher praktische Nutzen und Lebensreichtum aus dem Salz zu gewinnen sind. Die wunderschönen Häuser der Altstadt, die imposante St. Johanniskirche mit ihrem wuchtigen Turm am Sand zeugen nach Jahrhunderten von einer Stadt, deren Stolz und Leben aus dem Salz gewonnen wurden. Und wer gar das Glück hat, das mittelalterliche Ratssilber im Rathaus gezeigt zu bekommen, dem gehen die Augen über und der Mund vor Staunen nicht mehr zu angesichts der kunstvollen Pracht. Das Salz der Erde hat die Stadt reich und zu einem bleibenden Anziehungspunkt gemacht.
Würzen gegen das fade Einerlei. Körper und Geist anfeuern. Konservieren vor dem Verfall. Das vor allem kann Salz. Und Licht gibt Orientierung und leuchtet Ziele aus.
Helle Köpfe mit Klugheit und Orientierung, die dem Leben bleibende Würze geben. So sollen nach Jesu Worten Christinnen und Christen sein, damit auch alle anderen Lebensnutzen daraus ziehen können.
„Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt“. Jesus predigt hier gegen leere Geschwätzigkeit und beliebiges Grau. Nicht alles in einen großen Pott schmeißen und zusammenrühren. Die entscheidende Prise macht aus, ob es zum Leben nützt. Glaube ist eine scharfe, klare Sache. Strahlt und würzt wo ihr seid und könnt! So wird Gott richtig gepriesen. Hier begegnet Jesus mal wieder von der scharfen Seite. Das konnte er.
Setzen wir mittlerweile lieber auf Glaubensdiät? Salzlos glauben hält auch fromm und den Blutdruck niedrig. Hier und da herumsuchen im Supermarkt religiöser und vor allem pseudoreligiöser Fülle ist auch ganz nett. Bloß keine zu klare Aussprache. Um Himmels willen keine zu deutlichen Abgrenzungen. Glaubenslichter auf kleiner Flamme halten. Es könnte jemanden stören. Ausgetretene haben auch ihren Glauben. Nichtgläubige, Verehrerinnen und Verehrer allgemeiner Religiosität sind auch ganz nett.
Manchmal muss den Leisetretern, die niemandem zu nahe treten wollen die Suppe versalzen werden. Und den Empfindsamkeitsapostelinnen und -aposteln, die Glauben zu Gefühlsreden verwässern soll mal jemand die drei Verse aus der Bergpredigt wieder vorlesen. Die aus lauter Toleranz alles aufgeben, denen muss das Salzfass der Jesuspredigt hingestellt und daran erinnert werden, dass Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“. Das wahre Leben findet niemand ohne diese Prise Glaubenswahrheit. Das Licht des christlichen Glaubens muss angeknippst werden, wo Glauben und Leben mit Beliebigkeit verwechselt werden.
Jesu Worte von Salz und Licht sind so gemeint. Die Menschen brauchen Orientierung. Und ihr sollt sie geben. Ihr habt etwas zu konservieren im guten Sinn, das für Leben und Heil unverzichtbar ist: Gottes Worte und Versöhnungstat.
Jesus rief dazu auf, umzukehren und sich mit ganzem Vertrauen dem allmächtigen Gott, der Himmel und Erde, Schuld und Vergebung, zuletzt auch Leben und Tod beherrscht hinzugeben. Die Liebe Gottes als Würze drangeben. Salz ist mächtig. Salz kann erhalten oder verderben. Salz trägt sogar auf dem Wasser. Licht ist gebündelte Energie. Es schneidet und heilt und klärt und erhellt.
Als ich über dieser Predigt sitze veröffentlichen die Medien die alarmierenden Zahlen der Austritte aus den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland 2014. Danach haben sich rund 218.000 Getaufte von der katholischen Kirche und 410.000 von der evangelische Kirche getrennt im letzten Jahr. Nie vorher verloren die christlichen „Volks“-Kirchen so viel vom Volk.
Als Gemeindepastor untersuchte ich über viele Jahre einmal die Gründe des Kirchenaustritts. Ich wollte in meinem Verantwortungsbereich und für mich selbst herausfinden, ob das Geld wie oft behauptet wird der zentrale Austrittsgrund ist. Ich rief also nach jedem Bescheid des Standesamtes bei den frisch Ausgetretenen an und bat sie um ein Gespräch. Erste Verblüffung: Die allermeisten waren spontan und sehr gerne dazu bereit, im Gespräch ihre Gründe zu erläutern. Sie wussten ich will und kann sie nicht umstimmen. Zweite Verblüffung: Sehr viele sagten: die Kirche hat mir nichts mehr zu sagen. Was ihr sagt und tut ist zwar menschlich nett. Aber es spricht mich nicht an und es reicht mir nicht für eine dauerhafte Bindung. Außerdem stimmt euer Alleinvertretungsanspruch für Gutes und die Werte in der Gesellschaft nicht. Da gibt es auch andere. Das Geld aber nannten viele an erster Stelle nicht.
Verlieren wir alle Klarheit und Orientierung? Tappen die verbliebenen Kirchenmitglieder immer mehr im Dunkeln bei den vielen Angeboten, um eine Hilfe zu sein zu einem gepfefferten und orientierungsvollen Leben, das besser schmeckt und weiter sieht?
Natürlich sind Christinnen und Christen keine Welt- und Menschheitsverbesserer. Sie sind oft nicht mehr als ein paar Salzkörnchen. Nach den statistischen Entwicklungen werden sie wohl immer mehr zu kleinen Lichtern auf dem Markt gesellschaftliche Angebote und Maßstäbe.
Gute Werke preisen Gott im Himmel. Sie öffnen Fenster und zeigen, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt. So kommt Geschmack von Gottes Welt in unsere Welt und ein Schimmer dessen, was er für uns bereitet hat fällt auf das Leben.
Ich möchte, dass wir diese Schärfe und Leuchtkraft als Botinnen und Boten Gottes wiederfinden. Wir müssen anderen nicht die Suppe versalzen. Aber die beklagenswerte Unwissenheit von der Erziehung über ganz einfache Lebensgewohnheiten und Werte und Traditionen bis hin zur verbreiteten Unkenntnis über biblische und christliche Inhalte brauchen wir nicht schweigend zu übergehen. Ich möchte, dass wir aufhören alles gleich-gültig zu machen. Die Menschen zu lieben heißt nicht, mit allem einverstanden zu sein. Ich möchte, dass wir zeigen, was genießbar und was unhaltbar ist. Ich möchte das Licht des Kreuzes Jesu als Heilszeichen für die Welt, statt im Dunkeln zu sitzen und über die Dunkelheit zu klagen.
Das steht hier nämlich dahinter mit seiner ganzen ernsten Anfrage an das Leben.
In dem Märchen mit dem seltsamen Titel "Mäusehaut" erzählen die Brüder Grimm vom Wert des Salzes. Wer den kennt, der gewinnt das ganze Leben.
Ein König fragte seine Töchter, welche ihn am liebsten hätte. Lieber als das ganze Königreich habe sie ihn, sagte die älteste. Die zweite Tochter liebe den Vater mehr als Edelsteine. Die dritte sagte, der Vater sei ihr so lieb wie Salz. Darüber ärgerte der König sich so sehr, dass er einem Diener befahl, seine jüngste Tochter umzubringen.
Im Wald bat die Prinzessin um ihr Leben und verlangte von dem Diener stattdessen ein Kleid aus Mäusehaut. Da hinein wickelte sie sich. So ging sie unerkannt an den Hof eines benachbarten Königs Dort gab sie sich als Mann aus. Der König nahm sie als Diener auf.
Später verklagten andere Diener Mäusehaut vor dem König, sie habe einen kostbaren Ring gestohlen. Als der König sie danach befragte, legte sie die Mäusehaut ab. Da stand eine wunderschöne Prinzessin vor dem König. Er setzte ihr die Krone auf und heiratete sie.
Auch der Vater von Mäusehaut kam zur Hochzeit. Er glaubte seine Tochter lange tot und erkannte sie nicht. An der Tafel aber waren alle Speisen, die ihm vorgesetzt wurden ungesalzen. Darüber ärgerte er sich. "Ich will lieber nicht leben, als solche Speisen zu essen", schimpfte er. Die junge Königin wandte sich ihrem Vater zu und gab sich ihm zu erkennen: "Jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz. Doch einmal wolltet ihr mich töten, weil es euch zu gering war als ich sagte ich liebe euch wie Salz."
Der Vater erkannte erschrocken seinen Lebensfehler. Er küsste sein Kind und bat um Verzeihung. Und dass er seine Tochter wiedergefunden hatte war ihm mehr wert als sein ganzes Königreich. (nach Zitate zum Kirchenjahr. Bd. 2, 185) A m e n.
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Ihr seid Salz der Erde - Licht der Welt, Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Thomas Bautz
Ihr seid Salz der Erde - Licht der Welt
Liebe Gemeinde!
Vermutlich haben wir mehr Potential, als wir denken oder für möglich halten. Dabei hängt so vieles davon ab, was wir uns selbst zutrauen, aber auch davon, wie andere uns sehen. Mit Fug und Recht lassen sich zwei extreme Menschenbilder vertreten: a) Der Mensch als komplexes, mit Vernunft begabtes, kreatives Wesen - verantwortlich handelnd gegenüber Tier- und Pflanzenwelt; sorgsam mit Ressourcen umgehend; mit anderen Menschen ungeachtet ihrer Rasse, Kultur oder Religion im Frieden und Einklang lebend. b) Der Mensch als Zerstörer der Natur; als Verächter anderer Rassen, Völker, Kulturen, Religionen; als wahnsinniger Mörder; als Machtbesessener und Kriegslüsterner; als geldliebender, verblendeter Ignorant.
In der Bergpredigt des Jesus von Nazareth (nach Mt 5,13-16) begegnen uns sehr ermutigende Menschenbilder in Form von sprachlichen Bildern, die ich (aufgrund des Universalismus bei Mt) gern verallgemeinern, also nicht nur auf die Kirchengemeinde beziehen möchte. Erlauben Sie bitte dazu eine vorbereitende Hinführung.
Anthropos mikros kosmos - der Mensch ist eine kleine Welt: alle wesentlichen Kräfte und Eigenschaften des Kosmos lassen sich auch im Menschen wiederfinden. Der Gedanke geht wohl auf Demokrit (ca. 460 - ca. 370 v.d.Z.) in der griechischen Antike zurück, wird im MA aufgegriffen und kommt in der Geistesgeschichte immer wieder anthropomorphem Denken entgegen. Dahinter verbirgt sich eine tiefgründige Sehnsucht: Wenn wir den Menschen als kleinen Kosmos erfassen, mag es gelingen, analog das Universum zu ergründen.
Ein Problem besteht nur darin, dass wir den Menschen als Spezies eben nicht begreifen, und es bleibt fraglich, ob wir tatsächlich fähig sind, den unbegreiflichen Dimensionen des Weltalls fundiert näher zu kommen. Es ist denkbar, dass das Universum (manche Forscher sprechen von Universen) weder Anfang noch Ende hat: es existiert ewig und ist unendlich. Die Theorie vom „Urknall“ erweist sich bei kritischer Betrachtung als Hypothese; Experimente bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) im Schweizer Kanton Genf mit dem derzeit bedeutendsten Teilchenbeschleuniger (seit 2008 im Betrieb) beruhen auf Annahmen und theoretischen Voraussetzungen. Die Art der Durchführung eines Experiments beeinflusst stets auch die Ergebnisse; das ist eine wissenschaftstheoretisch anerkannte Erkenntnis.
Gerade in Naturwissenschaften setzen sich manche Meinungen besser und dauerhafter durch als andere; die Gründe liegen oft außerhalb des eigentlichen Wissenschaftsbetriebes. Man darf nicht die Augen davor verschließen, wie Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten die vom Gesetz her garantierte, faktisch aber nur scheinbare unabhängige Hochschulforschung beeinflussen und wohin einseitig interessengeleitete Forschung auf der Basis von Industriegeldern führen kann; s. Christian Kreiß: Gekaufte Forschung. Wissenschaft im Dienst der Konzerne (2015).
Ich finde es verdächtig, wenn sich Hypothesen als scheinbar plausible Theorien präsentieren und unwidersprochen etablieren. Dann werde ich neugierig; mit etwas Glück entdecke ich Vertreter einer Minderheit, die überzeugende Gegenargumente liefern. Fortschritt beginnt mit Kritik am Bestehenden, aber: „Es ist schwieriger, eine vorgefaßte Meinung zu zertrümmern als ein Atom“ (Albert Einstein), zit. n. Manfred Pohl: Die Urknallhypothese, ein Hindernis für die kosmologische Forschung (2011), 3.
Der Mensch als „kleiner Kosmos“: er soll forschen, neugierig sein, energisch vorstoßen in die schier unermessliche Weite des Alls. Er soll dabei nur nicht das Staunen verlieren angesichts der sich den Augen - vermittelt durch Teleskope und Satelliten - darbietenden wundervollen, vielfältigen Pracht und Schönheit immer wieder neu entdeckter Galaxien mit ihren Sonnen und Sternen, ihrem Sterben und Neuentstehen. Einstein mahnt: „Wer sich nicht mehr wundern und in Ehrfurcht verlieren kann, ist seelisch bereits tot“ (zit. n. Pohl, 49).
Warum gibt es die Erde, den blauen Planeten, dessen Artenreichtum und Ressourcen der Mensch leider radikal gemindert hat? Wer sind wir: Pflanzen, Tiere, Menschen - angesichts der unbegreiflichen Größe des Kosmos, des Universums? Bleibt nicht alles ein Mysterium? „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle“ (Einstein; zit. n. Pohl, 33).
„Kosmos“ bedeutet im Griechischen auch „Schmuck“; ich möchte den Menschen einmal als „Schmuck“ - den Menschen mit seinem kreativen, konstruktiven Potential -, als Kunstwerk verstehen. Manchmal bezeichnen wir einen geliebten Menschen als „Schmuckstück“. Was wäre das für ein hoffnungsvolles, positives Menschenbild, wenn wir allgemein und global den Menschen als „Schmuck“ ansehen dürften!
Rabbi Jesus hält andere, gleichwohl ebenso Hoffnung ausstrahlende Bilder für den Menschen bereit: „Ihr seid das Salz der Erde - das Licht der Welt“. „Die Künste sind das Salz der Erde (…)“, schreibt Goethe in Wilhelm Meisters Wanderjahre (vgl. Goethe-HA Bd. 8, S. 242).
Tatsächlich sind es außer den Medien, sofern sie kritische und sachliche Aufklärung betreiben, die Künste, die Widerstand leisten gegen soziale, wirtschaftliche Missstände, gegen politische Unterdrückung, gegen religiösen Fanatismus, gegen pseudopolitischen Extremismus.
Allerdings dürfen weder Medien noch Künste käuflich oder einseitig parteiisch werden, sonst verlieren sie ihre Kraft, ihr subversives Potential. Salz der Erde - nach der rhetorischen Rede des Rabbi Jesus verbietet es sich von selbst, dass das Salz kraftlos werde: „eine unmögliche Möglichkeit“; Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus, EKK I/1 (1985), 222). „Ihr seid das Salz der Erde“ - werdet euch dessen bewusst!
Menschen bringen viel mehr naturgemäße Eigenschaften und Potential mit, als sie glauben. Ich gebe allerdings zu, dass auf der anderen Seite im Leben eines Menschen mitunter von Anfang an seine guten Veranlagungen durch familiäre und gesellschaftliche Einflüsse ganz oder teilweise verschüttet werden oder seine Entwicklung ins Destruktive umschlägt. Doch wenn es gelingt, dass eine solche zwangsläufig gescheiterte Existenz Licht bringende Hilfe erfährt, wird dieser Mensch aller Erfahrung und Erwartungen zum Trotz sein Leben erstmals selbst in die Hand nehmen und dabei seiner Kraft als „Salz der Erde“ gewahr werden.
Salz kann seine chemischen Eigenschaften nicht verlieren; dennoch bleibt die Warnung des Nazareners vor der möglichen Unmöglichkeit berechtigt. Denn das Salz bleibt allemal ohne Wirkung, wo es nicht verwendet wird. Ich muss wieder einmal an Nazi-Deutschland denken: Warum ist es dem deutschen Volk nicht gelungen, dem Führer, Hitler, kräftig „die Suppe zu versalzen“?!! Warum gab es nur wenige Widerstandskämpfer? Wodurch wurde das gewaltige, schlagkräftige Wort aus der Bergpredigt: „Ihr seid das Salz der Erde“ derart entkräftet?
Es ist gut und absolut notwendig, dass über die Gräueltaten der Nazis weiterhin international aufgeklärt wird. Denn es ist eine zum Himmel schreiende Schande, dass zum Kriegsende 1945 und danach die meisten nationalsozialistischen Verbrecher entkommen konnten. Lange Zeit war in Deutschland ohnehin die systematische Ermordung in den Konzentrationslagern kein nennenswerter Anlass zur Selbstkritik. Das notwendige Bewusstsein wurde stattdessen eingeholt von der Entwicklung zum Wirtschaftswunderland.
Nicht nur Einzelne, sondern eine ganze Gesellschaft kann somit vergessen, welches Potential in ihnen steckt - und wenn es niemand ihnen sagt, verfehlen sie ihr Ziel, hilfreich zu sein für ihre Mitmenschen, friedliebend, zuvorkommend, für die Familie und für sich zu sorgen - die Menschen versündigen sich:
Eichendorff dichtet in „Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands“ (vgl. Eichendorff-W Bd. 3, S. 846):
„Wir haben alle schwer gesündigt,
Wir mangeln allesamt an Ruhm,
Man hat, o Herr! uns oft verkündigt
Der Freiheit Evangelium;
Wir aber hatten uns entmündigt,
Das Salz der Erde wurde dumm (…).“
Das Bildwort vom „Salz der Erde“ wird verstärkt durch die Lichtmetaphorik: „Ihr seid das Licht der Welt“; eure Ausstrahlung kann nicht verborgen bleiben: Niemand zündet ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter (Lichtständer). Und doch lässt das bekannte deutsche Sprichwort: „Du sollst oder du musst dein Licht (doch) nicht unter den Scheffel stellen“ aufmerken, weil es uns auf die negative Möglichkeit hinweist.
Was bei Rabbi Jesus als unmögliche Möglichkeit erscheint, ist im Leben vieler Menschen doch unabweisbar nicht nur möglich, sondern knallharte Wirklichkeit. Vom Kindergarten über die Grundschule bis zu den weiterführenden Schulen und seit der Durchführung der Studienreform an den Hochschulen werden Kinder, Jugendliche und junge Leute mit Wissen vollgestopft - und das im Turbogang, der viele auf der Strecke bleiben lässt. Auch das Abitur am Schluss des 12. Schuljahrs bringt keinen realistischen Gewinn. Lernprogramme lassen wenig Spielraum, sogar die Curricula an den Hochschulen. Dem sind Lehrkräfte ebenfalls unterworfen. Ein hohes Maß an Reglementierung, ein geringes Maß an freier Gestaltung.
Weniger spezielles Wissen sollte vermittelt werden, dafür mehr Allgemeinbildung. Komplexe Zusammenhänge verstehen können; Probleme erkennen, Lösungen versuchsweise erarbeiten und Ergebnisse kommunizieren lernen - mit dem Ziel, Aus- und Weiterbildung den Gaben der Einzelnen anzupassen. Ein junger Mensch muss die Chance erhalten, seine Fähigkeiten zu entdecken, um sie dann entfalten zu können. Viele Grundschulkinder erleben aber schon zwei Arten Korsett, die einander bedingen: das Korsett des Leistungszwangs und das Korsett der Gleichschaltung. Jedes einzelne Kind hat nach einem vorgegebenen allgemeinen Maßstab zu funktionieren und sich ihm leistungsmäßig anzupassen. Individuelles wird ausgeblendet.
Wie soll ein Mensch unter solchen Bedingungen überhaupt seine persönlichen Fähigkeiten entdecken und ausbauen? Unter den geschilderten Voraussetzungen werden Individuen nur sehr erschwert, wenn überhaupt, zu originellen, unverwechselbaren Persönlichkeiten reifen. Für sie müssten neue, förderliche Maßnahmen getroffen werden, damit beide Worte in ihrem Fall überhaupt Anwendung finden:
„Ihr seid das Licht der Welt! Eine Stadt, die oben auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter (…).“ - „Du sollst oder du musst (doch) dein Licht nicht unter den Scheffel stellen“!
Man kann diese beiden Gedanken als klar erkennbare Gegensätze verstehen; s. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 3 (2. Aufl. 1995): Licht, 959-963: 960-961. Sprachwirklichkeit oder Sprachgebrauch sehen vor, dass es unmöglich ist, Licht zu verbergen, und vom Nazarener wird auch vorausgesetzt, dass niemand, der z.B. eine Kerze anzündet, das Kerzenlicht sogleich versteckt oder gar wieder auslöscht. Wer sein Licht dennoch unter den Scheffel stellt, gerät sprichwörtlich unter den Verdacht falscher Bescheidenheit.
Im Falle des Rufes in die Nachfolge Jesu versäumt man gar, einen persönlichen Beitrag zur Verherrlichung des himmlischen Vaters zu leisten, wie Rabbi Jesus es aber vorsieht:
„Ebenso soll auch euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der im Himmel ist, preisen.“
Angefangen beim Reformator Martin Luther haben Protestanten immer wieder grundsätzliche Probleme mit „den guten Werken“. Das hat dogmatische Gründe, die zu beleuchten ich mich hier nicht anschicken möchte. Biblisch besteht gar kein Problem, weil Werke und Früchte oft als Synonyme auftreten. Früchte erwachsen oder werden sogar geschenkt, wie die „Früchte des Heiligen Geistes“; auch entspringen „Werke“ nicht allein menschlicher Leistung, sondern haben ihre Ursache im göttlichen Wirken (Eph 2,10):
„Denn sein Gebilde sind wir, geschaffen in Christus Jesus zu einem Leben voller guter Taten (Werke), die Gott schon bereitgestellt hat“, s. Neue Zürcher Bibel (2007), 307.
Natürlich sehen wir unsere hilfreichen Taten, pflichtgemäßen Handlungen, berufsbedingten Werke ebenso wie unsere Defizite und Unterlassungen als unsere ureigensten Belange an. Nur allzu enthusiastische, überspannte oder selbsternannte Charismatiker und fromme Fanatiker wagen es, ihre guten Taten direkt von „Gott“ oder dem „Heiligen Geist“ abzuleiten.
Für Jesus ist es fraglos, dass Menschen in seiner Nachfolge als lichtvolle Existenzen ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern es in Gestalt von „guten Werken“ für Mitmenschen sichtbar leuchten lassen. Der Rabbi verbindet das sogar mit der Hoffnung, wenn nicht gar mit der Gewissheit, dass diese Werke ohne Eigennutz zum Lob des himmlischen Vaters führen.
Der Nazarener ruft Menschen in seine Nachfolge, die darauf vertrauen, dass sie wirklich Salz der Erde und Licht der Welt sind. Diese Identität gilt es nicht lauthals zu verkünden, sondern vielmehr im Leben zu verwirklichen, wobei die Metaphorik sprechend genug ist: Salz ist nur nützlich, wenn es zum Würzen gebraucht wird; es vermag dem Leben der Menschen Würze zu verleihen, es so zu durchdringen, dass es durch Verfeinerung genießbarer, erträglicher wird. Licht ist zum Leuchten da. Es kann in Seenot Geratenen den Weg zurück zur sicheren Küste weisen. Das Licht des Verstandes vermag aufzuklären über verbreitete Irrtümer, Aberglauben, Ideologien, trügerische Versprechungen. Ein erleuchtetes Herz kann Mitgefühl (compassion) wecken für Mitmenschen und die permanent bedrohte Natur. Licht erhellt die dunkelsten Winkel, in die sich verzweifelte Menschen voller Furcht zurückgezogen haben.
Wer vorgibt, „das Licht der Welt“ zu sein, dabei aber selbst im Dunkeln tappt, wird nicht nur ständig ins Stolpern geraten, sondern wird auch Suchenden zum Stolperstein. Wer behauptet, „das Salz der Erde“ zu sein und dabei seinen Mitmenschen ihre Suppe versalzt, wird alsbald weggeschüttet und von den Medien zertreten. „Es ist nicht Sache der Kirche, zu sagen, sie sei das Salz der Erde; ihre Sache ist es, Salz für die Erde zu sein, eben dadurch, daß sie das Beste tut zum Nutzen der Welt“; Hans Weder: Die „Rede der Reden“ (2. Aufl. 1987), 90.
So wie Jesus von Nazareth sich als Bruder seiner Mitmenschen verstanden und ihnen gedient hat, sollen die Jesus Nachfolgenden der Gesellschaft zu Dienste stehen. Dem Dienen stehen offenkundig gewisse Faktoren im Wege; in Deutschland birgt die privilegierte Position der Großkirchen schon ein verführerisches Potential. Staatlich sanktionierter Einfluss der Kirchen gerät für die Gesellschaft und einzelne Menschen nicht immer zum Segen oder allgemeinen Nutzen. Man denke nur an die Sonderstellung des Kirchenrechts.
Andererseits besteht für die institutionalisierte Religion die Möglichkeit, das Potential ihres „Salzseins“ und „Lichtseins“ auszuschöpfen. Kirchenvertreter sollten versuchen, dem faden Alltag ermüdeter und zum Teil resignierter Abgeordneter wieder etwas Würze zu verleihen. Sie sollten überparteilich bzw. ohne Parteizugehörigkeit das Augenmerk der Politiker auf das Gemeinwohl lenken und dazu anregen, einen gemeinsamen Nenner bei den verschiedenen Meinungen der Parteien zu erarbeiten. Dabei sollten die Interessen der Benachteiligten, der Pflegebedürftigen, der chronisch Kranken, der Asylanten und Flüchtlinge, aber auch unserer Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen.
Vor allem sollte die gefährliche, trügerische fundamentale Ideologie intensiv durchleuchtet werden, die wir völlig unkritisch von den USA übernommen haben, die nun in unserem Land herrscht: der Turbokapitalismus oder Mammonismus, einfacher: die Liebe zum Geld (griech. silber-, geldliebend). Ich werde nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen. Der Arzt und Evangelist Lukas führt in dieser Hinsicht die deutlichste Sprache, weshalb sein Evangelium treffend als „Evangelium der Armen“ bezeichnet wird. Die Makarismen beginnen bei ihm mit den Worten (Lk 6,20b): „Glückselig seid ihr Armen, denn euer Teil ist das Reich Gottes.“
Wiederum bei Lukas finden wir den wirtschaftsethisch vielleicht weisesten Ausspruch (16,9): „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon (Reichtum)“, bei Mt heißt es quasi ergänzend (6,24d): „ihr könnt nicht (gleichzeitig) Gott und dem Mammon dienen.“
Die Kritiker des Turbokapitalismus bezeichnen diesen zu Recht als Geldreligion; es handelt sich um eine Universalreligion, die sich schon nahezu den gesamten Globus erobert, wenn nicht gar unterworfen hat. In diesem Sinne ist die Rede vom globalen Denken und Handeln durchaus zweideutig. Der Geldreligion geht es nicht um innere oder auch äußere Werte; sie kümmert sich einzig und allein um alles, was verwertbar ist, was transformiert werden kann in Aktien, Wertpapiere, Immobilien, Geld im weitesten Sinne.
Vertreter der Geldreligion gehen - kurzfristig, vor allem aber langfristig - über Leichen: Sie lassen die wichtigsten Regionen unseres Planeten zertreten, verbrennen, auf jede nur denkbare Art ausbeuten, zerstören; Meere und Böden vergiften, kontaminieren. Sie schließen sich mit dubiosen Regierungen zusammen, die Militärdiktaturen gleichen; gemeinsam beuten sie die armen Arbeiter und Bauern aus, die ihnen gezwungenermaßen als Handlanger dienen.
Die globalen (!) Verflechtungen dieses destruktiven pseudowirtschaftlichen Verhaltens sind derart kompliziert, dass es offenbar verschiedener hoch qualifizierter Gremien, bestehend aus intelligenten Fachkräften guten Willens, bedarf, um zumindest erst einmal aufklärendes Licht in die vielfältigen dunklen Geschäfte und Machenschaften zu bringen. Fragt sich nur, welche Instanz die nötigen Vollmachten erhielte, um Entscheidendes zu ändern!
Selbst der - mir zugegebenermaßen sympathische - aus Lateinamerika stammende, von daher wohl auch prädestinierte Papst Franziskus erhebt zwar seine gewichtige Stimme, aber ob er über die Funktion als Sprachrohr der Armen und Verfechter einer konsequenten Umweltethik hinaus tatkräftigen Einfluss wird ausüben können, ob ihm genügend Menschen folgen werden, indem sie sozusagen erkennen, dass sie Salz der Erde und Licht der Welt sind?
Die schlimmsten Auswüchse der Geldreligion mit ihren direkten Folgen für die Menschen sind Drogenhandel, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Kinderpornographie im Internet, Waffenindustrie und Kriege, von denen die Geldreligion profitiert. Streng genommen, müsste man die fortschreitende Entwicklung nuklearer, chemischer und biologischer Kampfmittel dazu rechnen. Schon längst weiß auch der einfache Arbeiter: Politik wird von Industrie und Wirtschaft regiert, auch hierzulande, ergo bestimmt oder herrscht letztlich die Geldreligion?
Ich formuliere es als Frage, weil ich noch voller Hoffnung bin, dass sich ein rabbinisches Wort hier und dort durchsetzt: „Das Salz des Geldes ist die Wohltätigkeit“ (H. Weder, 87).
Das gleicht dem Wort: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon! Geld lässt sich bekanntermaßen auch für gute Zwecke, für Arme, für Kranke, zur Unterstützung hilfreicher, uneigennütziger Organisationen, Einrichtungen und Verbände einsetzen. Geld als solches ist weder gut noch böse; nur die Gier danach, die Liebe zum Geld ist Wurzel allen Übels.
Mit Salz verleihen wir Speisen - jeweils in der richtigen Dosierung - die gewünschte Würze; sie würden sonst fade schmecken. Wir können mit Salz aber auch Nahrung konservieren, die sonst leicht verderblich wäre. Bei Drewermann finde ich noch einen weiterführenden Hinweis: Salz wirkt, indem es sich auflöst; gesalzene Lebensmittel vermitteln Lippen und Zunge den Geschmack des Salzes. Aber dieser kristalline Stoff ist selber in der Speise wie verwandelt und ist nicht mehr sichtbar, obwohl er natürlich noch vorhanden ist und wirkt. „So offenbar sollen im Sinne Jesu Menschen werden, die an ihn glauben.“ Kein ängstliches Bedachtsein auf „Selbstbewahrung“ „vor jeder Verwechslung und Vermischung“, keine feste „ehrwürdige, normierte Identität“; s. Eugen Drewermann: Das Matthäusevangelium 1. Teil (1992), 429.
Doch weil wir „Salz der Erde und Licht der Welt“ sind, fragen wir uns: Wie nützen wir den Menschen, die uns brauchen? Wie öffnen wir uns so weit, dass es anderen hilft? Wie helfen wir bestehende Schranken unter Menschen abzubauen? Wie vermitteln wir unseren Kindern, dass auch sie „Licht der Welt“ sind, auch wenn sie womöglich in den Augen der Lehrkräfte keine „große Leuchte“ darstellen? Wie ermutigen wir Menschen, die am herkömmlichen dogmenhaften „Glauben“ zweifeln oder sogar verzweifeln, zu dem Selbstbewusstsein, dass gerade sie wie Salz in der Gemeinschaft wirken können.
Wie können wir uns einbringen in Betrieben, Firmen und Konzernen, in denen Menschen kurz- oder langfristig die Arbeitslosigkeit droht? Gibt es in der Wirtschaftswelt noch Raum für Mitmenschlichkeit, gibt es eine gemeinsame Basis für Unternehmer und Beschäftigte? Könnte es Kirchenvertretern gelingen, ihren Einfluss geltend zu machen?
Wäre es uns nach Prüfung all unserer Kräfte möglich, Langzeitarbeitslosen zu helfen, die ständig unter dem Vergleichsdruck mit der arbeitenden Bevölkerung stehen, die zwischen Schamgefühlen, Resignation, Trotz und Sinnlosigkeitsverdacht pendeln? Wie vermögen wir es, diesen armen Menschen zu zeigen, dass sie nicht wertlos sind, dass Erwerbslosigkeit nicht mit Wertlosigkeit gleichzusetzen ist?
Werden wir es schaffen, Menschen aus dem Ausland - Flüchtlinge, Asylanten und anderen Ausländern, die schon länger bei uns leben - eine zweite Heimat zu geben? Wird ihnen ein Licht der Warmherzigkeit, kaltes Polarlicht oder Zwielicht bürgerlicher Selbstzufriedenheit begegnen? Der Wille zur Integration ausländischer Mitbürger, auch von Flüchtlingen, wird dankenswerterweise stärker. Dazu gehört allerdings der Widerstand gegenüber Kräften, die aus welcher Motivation auch immer ihre Ausländerfeindlichkeit demonstrieren und zum Teil mit Gewalthandlungen unterstreichen.
Die Metaphorik des Rabbi Jesus: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt“ mag uns dauerhaft dazu ermutigen, nie im Kampf für das Gute und im Eintreten für Schwächere nachzulassen. Viele Menschen, die sich für Frieden, für die Umwelt, für Menschen in Kriegs- und Krisengebiete einsetzen oder auch in der Heimat für Pflegebedürftige und Behinderte - sie alle bezeugen, wie schön und erhebend es sein kann, wenn man erfahren darf, gebraucht zu werden, jemandem oder einer guten Sache dienlich oder nützlich zu sein.
Amen.
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So lieb wie das Salz - Predigt zu Mattthäus 5,13-16 von Inke Raabe
So lieb wie das Salz
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, ich möchte mit einem Märchen beginnen – möglich, dass Sie es nicht kennen. Es stammt aus der Slowakei, es ist das Märchen von der Salzprinzessin.
Es war einmal ein König, der hatte drei bildschöne Töchter, die er über die Maßen liebte. Als er nun alt wurde und seine Zeit gekommen war, rief er die drei zu sich und sagte: „Meine Lieben, ich bin alt geworden, und ich muss eine von euch als Nachfolgerin bestimmen. Es soll diejenige Königin werden, die mich am meisten liebt, so habe ich es beschlossen.“
Da trat die älteste Tochter zu ihm und sagte: Lieber Vater, ich liebe dich mehr als alles Gold der Welt.“
Und die mittlere Tochter trat zu ihm und sagte: Lieber Vater, ihr seid mir wert als meine kostbaren Geschmeide.“
Und der Vater nickte zufrieden und nachdenklich.
Aber da trat die Jüngste auf ihn zu, nahm seine Hand und sah zu ihm auf: „Lieber Vater, ihr seid mir mehr wert als das Salz.“
Soweit, liebe Gemeinde, der Einstieg in das Märchen der Salzprinzessin. Sie können sich denken, dass der alte König not amused war. Salz, das ist doch nun wirklich schäbig. Ich würde wohl auch sparsam gucken, wenn mein Mann mich statt Rosen mit einem Salzstreuer zum Hochzeitstag beglücken wollte. Ein Paket kostet bei Aldi 19 Cent, im Winter wird es tonnenweise auf die Straßen und Wege geworfen, und wer beim Würzen zu tief in den Salztopf guckt, wird gerne lächelnd als „frisch verliebt“ verdächtigt. Salz – was soll daran schon Besonderes sein?
Hören Sie mit mir den Predigttext aus der Bergpredigt, Kapitel 5. Da sagt Jesus:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Ihr seid das Salz der Erde. Christinnen und Christen sind die Würze in der Weltensuppe, geben dem Einheitsbrei des Weltenwandels einen feinen Geschmack, und, ja, sie können auch mal den Mächtigen und ihren bösen Plänen die Suppe versalzen. Ich hab diese Worte als Jugendliche sehr gemocht: Ich gehörte zu denen, die gegen den Strom schwimmen wollten. Wir demonstrierten für Nicaragua und gegen Pershing II, wir entwarfen Konzepte für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit. Wir fühlten uns berufen, auch im Namen Jesu Christi Salz der Erde zu sein, Widerstand zu zeigen und unsere Finger in die Wunden der Welt zu legen. Aber: Wer mit Salz würzt – und davon spricht Jesus ja - braucht Fingerspitzengefühl – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein versalzenes Essen ist verdorben und ungenießbar – da fehlte uns doch manchmal das rechte Maß.
In der Antike war Salz ein Produkt, das in großer Menge gebraucht wurde. Man benötigte es zum Konservieren von Fleisch, Fisch und Gemüse. Es war kostbar, man spricht bis heute vom „weißen Gold“. Städte wie Lübeck, die Umschlagplätze für den Salzhandel waren, wurden reich und bedeutend. Als Würzmittel – und Jesus spricht ja vom Salz, das würzt – war es in jedem Haushalt vorhanden und galt von jeher als unverzichtbar.
Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid die feine Würze des Lebens.
Wie wichtig das Salz ist, versteht der alte König aus unserem Märchen erst, als es fast zu spät ist. Er jagt seine jüngste Tochter enttäuscht aus dem Haus.
Aber bald kommt es, wie es kommen muss: Das Salz im Königreich wird knapp. Nichts schmeckt mehr, die festlichen Bankette, die früher das Schloss mit Leben gefüllt haben, müssen ausfallen. Das Gold und die Edelsteine der beiden älteren Töchter sind zu nichts nutze – es kommen keine jungen Prinzen, sie zu bewundern. Allmählich wurden Mensch und Tier krank an Leib und an Seele. Das Salz wurde so wertvoll, dass die Menschen eine einzige Prise mit dem Kostbarsten, das sie besaßen, bezahlt hätten. Da erkannte der König, was für eine köstliche Gottesgabe das Salz ist, das ihm wertlos erschienen war. Und er hatte Gewissensbisse, weil er seiner jüngsten Tochter Unrecht getan hatte.
Ihr seid das Salz der Erde. Ohne Salz schmeckt das Leben nicht. Ohne euch ist die Erdensuppe eine fade Brühe. Ihr seid die Würze im Wandel der Welt. Die Welt braucht Salz, sagt Jesus. Die Welt braucht euch.
Ich kann mir vorstellen, wie sie gestaunt haben, die Menschen, die sich auf dem Berg um Jesus versammelt hatten. Sie hörten seine Worte: Selig sind, die geistlich arm sind. Ihnen gehört das Himmelreich. Selig sind, die Leid tragen, sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen, sie werden das Erdreich besitzen.
Ich kann mir denken, dass sie zweifelnd die Stirn runzelten, die Fischer und Zimmerleute, die ungelernten Arbeitskräfte, die Hausfrauen und Kinder, die Mägde und Konkubinen. Wie, er spricht von uns? Wir sind die Gesegneten des Herrn, wir sind die, die Gott selig spricht? Wir sind das Salz der Erde? Kann nicht sein.
Doch, sagt Jesus. Ihr seid das Salz der Erde. Mehr noch. Ihr seid das Licht der Welt. Und dann legt er aus, was das bedeutet: Liebt eure Feinde, und bittet für die, die euch verfolgen. Wenn dir jemand den Rock nehmen will, gib ihm den Mantel. Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. Und: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.
Wir sind das Salz der Erde. Wir sind das Licht der Welt. Das war für die Menschen damals eine unerhörte Botschaft.
Aber ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere hier auch eher zweifelnd die Stirn runzelt. Ich zum Beispiel. Himmel, ich bin über 50! Und meine Zeit der politischen Großeinsätze ist längst vorüber und ist einer gewissen Weitsicht und einem demokratischem Verantwortungsbewusstsein gewichen. Oder Ihr jungen Leute, ihr Konfis: Ihr müsst so vieles bewältigen, Ihr müsst so vieles lernen, man verlangt eh schon so viel von euch. Das Leben ist so komplex geworden – Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, ist das nicht eine Überforderung? Wie sollt ihr das denn auch noch wuppen? Helferinnen, Kirchengemeinderäte, Ehrenamtliche, Küster und Musiker – Sie alle engagieren sich in Ihrer Kirchengemeinde, Sie bemühen sich, das Leben in diesem Ort bekömmlich und wohlschmeckend zu gestalten – aber mehr geht doch wirklich nicht, oder?
Ich glaube, es muss nicht mehr sein. Eher weniger. Ihr seid das Salz der Erde, so steht es geschrieben. Nicht: Ihr müsst es noch werden. Ihr seid das Salz der Erde. Das sieht man daran, wie ihr miteinander umgeht. Das sieht man, wenn ihr jungen Leute euch gegenseitig in der Schule helft und eure Freunde für euch das Wichtigste auf der Welt werden. Das sieht man in der Gemeinde an dem großen Engagement von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Das sieht man, wenn wir Christenmenschen einander von Herzen vergeben. Das sieht man immer da, wo wir einander mit Liebe begegnen. Ihr seid das Salz. Nicht: Ihr müsst es werden. Ihr seid wunderbar gemacht, jedes einzelne von euch. Gott hat euch lieb.
Ihr seid das Salz der Erde. Ihr hier in diesem Gottesdienst seid das Licht der Welt. Worte des Höchsten – gesprochen zu Ihnen, zu Euch und zu mir. Wer, wenn nicht ihr?, sagt Jesus. Und: Man nimmt doch nicht ein Licht, und stülpt darüber einen Scheffel oder einen Eimer, nein man stellt es hoch, damit es den Raum erleuchte.
Dass wir Christinnen und Christen sind, das kann der Welt nicht verborgen bleiben, das wird die Welt schmecken und sehen, sagt Jesus. Und er selbst spricht uns selig, rüstet uns zu, gibt uns die Kraft und die Liebe, die wir brauchen.
Schmecken und sehen muss auch der alte König, bevor er Einsicht hat. Jahrelang bleibt das Mädchen, seine Jüngste, fort und verdingt sich in den Wäldern bei einer gutmütigen, alten Dame, die ihr bald zur Familie und zur Großmutter wird. Als Abschiedsgeschenk und Lohn für ihre Dienste erbittet sie nichts weiter als eine Handvoll Salz und kehrt damit zurück in ihr Elternhaus.
„Ich bringe dem König ein Geschenk, das kostbarer ist als Silber und Gold und das ihn sicher gesund machen wird“ – mit diesen Worten bittet das junge Mädchen um Einlass und gibt sich nicht zu erkennen, als der König sie vorlädt. Brot und Salz – damit hatte er all die Jahre seine Gäste begrüßt. Bekümmert lässt er dem Mädchen zum Willkommen ein Stück trockenes Brot reichen. „Salz haben wir leider nicht“, sagt er traurig.
„Aber, ich habe Salz!“ sagt das Mädchen, streut Salz auf das Brot und übergibt es samt dem Beutel dem König. „Salz!“ ruft dieser erfreut aus. „Ach, Mädchen, das ist eine köstliche Gabe! Sag mir, wie kann ich dich dafür belohnen?“
„Ich verlange nichts, lieber Vater, nur dass du mich lieb hast wie das Salz!“ erwidert das Mädchen und nimmt ihr Kopftuch ab.
Das Salz im Beutel aber wurde niemals leer, das Darben im Königreich hatte ein Ende.
Salz ist wertvoller als Gold und Edelsteine, das hatte der alte König erkannt. Salz ist mehr als es scheint. Salz ist kostbar, wertvoll und unverzichtbar.
Ihr seid das Salz der Erde - wir sind Gott so lieb wie das Salz. Wir sind ihm die feine Würze im manchmal faden Alltag der Menschheitsgeschichte. Durch uns leuchtet die Liebe Jesu Christi in die Welt. So sei es. Das bedeutet: Amen.
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Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Dieter Koch
In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,
Liebe Gemeinde, einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Erdöl: Benzin, Diesel und Kerosin werden daraus gewonnen. Sie sind die Antriebsmittel, ohne die unsere hochmotorisierte Welt nicht im Fließen wäre. Nur dank dieser Treibstoffe können im weltumspannenden Handelsaustausch Güter hin und her, von Pol zu Pol transportiert werden, nur dank ihrer floriert unsere Wirtschaft und decken Brot und Butter, Wohlstand aller Art unseren Tisch.
Liebe Gemeinde, einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Es ist die Basis für viele Kunststoffe, Plastik aller Art und es ist auch eine der Basissubstanzen für Parfüms und Kosmetika, ohne die manches Gesicht nicht in Schönheit aufglühte. Öl ist so grundlegend und so wertvoll, dass nicht zuletzt Kriege um das Öl unseren Globus überziehen.
Einst war Salz so wertvoll und so unverzichtbar wie heute das Erdöl. Bedeutend die Salzstädte in Mitteleuropa, Hallstatt, Salzburg, Bad Reichenhall, Schwäbisch Hall und andere mehr. Orte der Salzgewinnung, Orte des Handelsumschlags von Salzgütern, Orte, die reich wurden, Orte, die es zu sichern galt. Kriege waren Kriege um Salz. Ohne Salz kein Leben. Salz macht Lebensmittel haltbar. Salz dient zum Pökeln, Salz wurde eine reinigende und konservierende Kraft zugesprochen und Salz macht Fades genießbar. Wir wissen um das Salz in der Suppe. Und wir wissen, wie sehr unsere Körper Salz und Mineralstoffe aller Art brauchen, um zu überleben. Salz ist unverzichtbar für den Fortbestand der Welt.
Salz war einst zu biblischer Zeit eine Gabe des Toten Meeres. Nicht nur hat dieser Wasserspeicher, Endpunkt des Jordanflusses, einen extrem hohen Salzgehalt. Man konnte im Salzwasser baden und von Hautkrankheiten genesen. Man konnte auch Salz als Wirtschaftsgut daraus gewinnen. In großen Platten wurde es den Verdunstungsflächen entnommen, in Platten gebrochen und in den Handel gebracht. In Platten wurde es gebraucht, um die Backöfen damals auszukleiden. Kein Brot, kein gutes Brot, kein haltbares, kein genießbares Brot ohne Salz des Toten Meeres. Wenn die Salzplatten dann im steten Feuer eines Backofens schließlich verbraucht waren, dann wurden sie entfernt, auf die Müllhalden geworfen. Nutzloses Gut. „Denn wenn das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen! Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten“(Mt5,13). Wertlos, nutzlos, nichts als Abfall, Salz, das seine Funktion verloren hat.
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,
kann die Christengemeinde so wertvoll, so unverzichtbar sein für das Fortbestehen der Welt? Jesus meint es, Jesus denkt so. Was nur bewegt ihn, dass er so die, die sein Wort hören und annehmen, bezeichnet: Ihr seid das Salz der Erde. Wertvoll und unverzichtbar, gleich dem Salz, mag man denken, wäre für einen Juden einst die Treue zur Thora gewesen. Und genau so dachte man in der Welt der Schriftgelehrten und Pharisäer. Das Überleben hängt an der Einhaltung der Weisungen Israels. Die Thora ist das Weltprinzip, Gehorsam die Überlebenskraft. Seine Satzungen zu verinnerlichen war die Devise Israels, Gerechtigkeit und Bundestreue, Gerechtigkeit und Bundestreue auch und gerade im Widerstand zur thorafernen, thoraarmen Welt der Heiden und Zöllner, der gottlosen Haufen der Sünder, der Masse der Verlorenen, wie man all die sah, die sich nicht dem Gotteswort unterwarfen.
Doch in Jesu Sicht ist nicht die geschlossene Welt der Thora das Fundament des Kosmos, sondern der offene Kreis der zur Gottesliebe erweckten Menschen. In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist der offene Kreis derer, die am Berg der Seligpreisungen sein Wort vernehmen und es sich zu Herzen nehmen. Keine Thora, keine Unterwerfung, kein Gehorsam einem Gottesgesetz gegenüber. Keine Vision eines Gottesstaates, sondern der offene Kreis derer, deren Hoffnung aufgeht, die ihre Hoffnung auf ein Stück Sinn, ein Stück Anerkennung, ein Stück Wertschätzung, ein Stück Frieden wiedergefunden haben und im Geist der Hoffnung, Reich-Gottes-Hoffnung anders miteinander umzugehen beginnen.
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,
Menschen werden angesprochen, die gerade keinen geschlossenen Konventikel bilden, keine sektiererische Gruppe jedweder Flagge. Solche Gruppen meinen immer, sie hätten weil sie die Wahren, Erleuchteten, Reinen, Unbefleckten wären, ein Recht auf den Besitz der Welt. Man kann sich als Salz der Welt dünken, und dabei so engstirnig, so hohl, so fern der Wahrheit leben, solange man im überzogenen Selbstbild sich als Salz der Erde, Licht der Welt feiert. Keine Religion, keine Kirche dieser Welt, keine christliche Gruppe, welcher Couleur auch immer, ist per se das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist im Wort Jesu allein der offene Kreis derer, die sich nicht aufgeben, der offene Kreis derer, die sich auf den Anbruch des Friedens einlassen, der offene Kreis derer, die annehmen, dass Menschen nur als Brüder und Schwester füreinander leben können, der offene Kreis derer, die aus den immer gleichen Legitimationszirkeln der Feindschaft austreten und die nichts, nichts als ihrer Menschlichkeit Raum lassen, weil sie erspüren, dass nur offene Herzen einander annehmen und füreinander einstehen können.
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,
Angesprochen ist nicht eine Institution, ein fester Verband, eine Gemeinde. Angesprochen ist nicht die Gruppe derer, die miteinander das Abendmahl feiern. Angesprochen ist nicht die Gemeinschaft der Getauften. Angesprochen ist nicht ein christliches Zentrum, angesprochen sind, die geistlich arm sind. Angesprochen sind, die da Leid tragen. Angesprochen sind die Sanftmütigen. Angesprochen sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Angesprochen sind die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Frieden stiften, Übles ertragen. Seid fröhlich und getrost. Gott ist euer (siehe Mt 5,3-12). Aber welcher Glanz, welche Zuversicht, welche Hoffnung liegt darin, dass genau wir, die geistlich Armen, wir, die Leid tragen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, wir, die Barmherzigen, die Sanftmütigen, die für den Frieden Wirkenden, die Gemeinde Jesu bilden, die Schar derer, die seinem Wort trauen und in seine Nachfolge treten, miteinander das Brot brechen und aus seiner Hingabe leben, wir, die wir das Siegel des Glaubens empfangen haben und als Getaufte um einen guten Herrn wissen. „Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“(Lothar Zenetti, siehe EGWü, S.905)), sie sind das Salz der Erde, sie sind das Licht der Welt.
Braucht es Beispiele? Menschen wie Marianne Schwegler, eine Frau aus meiner Pfarrgemeinde. Barmherzigkeit hat ein Gesicht. Sie lebt ein bescheidenes Leben, sie hat früh ihren Mann verloren, allein 7 halbwüchsige Kinder ins Leben geleitet. Sie steht fest in den Losungen und im Gebet, ohne irgendein Aufhebens davon zu machen. Ihr Gesicht ist voller Wärme und Anteilnahme. Sie bäckt Kuchen für das Gemeindefest Jahr um Jahr. Wer ein Bett braucht, findet bei ihr eine offene Tür. Sie kann kein Englisch und doch sind über die Jahre so viele Gäste aus den Überseekirchen bei ihr gewesen. Es gibt eine Sprache der Liebe. Frieden entsteht, wo stille, einfache Menschlichkeit sich entfaltet.
Braucht es Beispiele? Menschen wie Gottlieb Duttweiler, ein Kaufmann von hohem sozialem Gewissen. Er baute die Migros in der Schweiz auf, heute eine der größten Handelsgesellschaften. Die Migros ist ein Genossenschaftsverband, mit dem Ziel Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs bei höchstmöglicher Qualität zu ehrlichen und erschwinglichen Preisen für jedermann anzubieten. Gottlieb Duttweiler war zudem einer, der im Namen einer Menschen zugewandten Wirtschaft, sozial, frei und liberal zugleich, sich mit hohem politischem Engagement und experimentellem Denken, nicht ohne Widerstand zu finden, für die Schweizer Bevölkerung einsetzte und immer auch einen festen Teil des Firmengewinns kulturellen Zwecken und der Volksbildung zueignete ,wie die Migros es bis heute tut.
Braucht es Beispiele? Menschen wie Roger Schutz, der einst an der Demarkationslinie zwischen dem Frankreich Petains und dem von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich sein Versöhnungswerk begann, Durchgangsort für Flüchtlinge und Ort des Gebets - Taizé, heute weltbekannt. „Tief im Menschen liegt die Erwartung einer Gegenwart, das stille Verlangen nach Gemeinschaft. Vergessen wir nie: das schlichte Verlangen nach Gott ist schon der Anfang des Glaubens…das Vertrauen auf Gott ist etwas ganz Einfaches. .. Der Glaube ist wie ein Schritt, den wir tausendfach von neuem tun, ein Lang lang, bis zum letzten Atemzug“(siehe unter www.taize.fr/de_article 127 html. ), das trug ihn und der feste Wille, jungen Menschen aus aller Welt Türen zu öffnen in eine geschwisterliche, offenherzige Menschlichkeit, gelebte Liebe. Braucht es mehr zum Fortbestand der Welt als Menschen wie Marianne Schwegler, Gottlieb Duttweiler, Roger Schutz? Braucht es mehr zum Fortbestand als sich wagende, freie, schöpferische Liebe?
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt,
„Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter. Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer. Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht“(Lothar Zenetti), sie sind das Salz der Erde, sie sind das Licht der Welt. Wir sind das Salz der Erde, das Licht der Welt, wir müssen keine Helden sein, nur Menschen. In Jesu Sicht ist nicht die geschlossene Welt der Thora das Fundament des Kosmos, sondern der offene Kreis der zur Gottesliebe erweckten Menschen. In der Liebe erblühte Menschen, sie sieht Jesus als das Salz der Erde, das Licht der Welt. Es ist der offene Kreis derer, die am Berg der Seligpreisungen sein Wort vernehmen und es sich zu Herzen nehmen. Keine Thora, keine Unterwerfung, Kein Gehorsam einem Gottesgesetz gegenüber. Keine Vision eines Gottesstaates, sondern der offene Kreis derer, deren Hoffnung aufgeht, die ihre Hoffnung auf ein Stück Sinn, ein Stück Anerkennung, ein Stück Wertschätzung, ein Stück Frieden wiedergefunden haben und im Geist der Hoffnung, Reich-Gottes-Hoffnung anders miteinander umzugehen beginnen. So sind wir das Salz der Erde, das Licht der Welt.
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Predigt zu Matthäus 28,16–20 von Karin Klement
Liebe Jugendliche und Erwachsene, liebe Gemeinde!
Wie viele Krisengipfel mögen wohl in der letzten Zeit erklommen, immer wieder neu aufgebaut und mühsam erstiegen worden sein? Ukraine-Konflikt. Griechenland-Misere. Die Berge von Toten, die durch Anschläge der Terrormiliz des Islamischen Staates oder von Boko Haram ums Leben kamen, und vieles mehr. Während wir uns hier im Zentrum von Europa auf entspannte, sonnige Sommerferienzeit freuen, hecheln die Politiker unserer Länder von einem Sondergipfel zum anderen. Normale Alltagspolitik sieht anders aus.
Der BERG-Gipfel – in der Bibel ursprünglicher Ort der Gottesoffenbarung – beschreibt zu unserer Zeit eher äußerst makabre Höhepunkte und fast verzweifelte Rettungsversuche. MOSE brachte die 10 Gebote aus allerhöchster Gottesnähe in die Niederungen menschlicher Kleinheit und Schuld. Bei uns proben die Großen in Europa, wie sie mit den Kleinen und manchmal recht unverschämten Regierungschefs umgehen sollen, die sich keiner eigenen Schuld bewusst scheinen.
JESUS selbst spürte und wiederstand der Versuchung zu unbegrenzter Machtausübung, als ihm der Teufel die Reichtümer der Welt zur Füßen legen wollte. Stattdessen lehrte er in seiner Bergpredigt, dass selig ist, wer sich selbst gerade nicht auf dem Gipfel der Glückseligkeit wähnt: Leidtragende, Sanftmütige und Barmherzige, Menschen mit reinen Herzen, Friedfertige und jene, die gerecht bleiben, auch wenn sie Unrecht erfahren.
Auf den Gipfeln weitet sich der Blick; die Aussicht bringt auch ferne, noch unerreichbare Ziele ein Stück näher. Und es eröffnen sich neue Perspektiven, der Ausblick auf weit mehr als uns normalerweise vor Augen liegt. Machen wir also einen Gipfelwanderung mit JESUS! Genießen wir eine ungewohnte Perspektive, den Weitblick über unseren normalen Alltag hinaus. Ein ruhiges Auge ist dafür ganz hilfreich, ein konzentrierter Blick. Und zwei aufmerksame Ohren. Hören wir, was am Ende des Matthäus-Evangelium geschrieben steht:
(16) Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. (17) Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.
(18) Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. (19) Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Eine beeindruckende Szene hoch auf dem Gipfel der Ereignisse – nach Kreuzigung und der wundersamen Auferstehung Jesu. Von jenen Frauen geschickt, die dem Auferstandenen an seinem Grab begegnet waren, kommen die Jünger auf einen Berg in Galiläa. Im Norden Israels, in der Region Galiläa war Jesus aufgewachsen; dort hatte er seine Freunde und Anhänger gefunden. Nun kehren sie dorthin zurück, weil ihnen die Frauen so etwas Unglaubliches erzählten; weil sie behaupteten, den Toten lebendig gesehen zu haben. Und ER, der Auferstandene, habe ihnen, den Jüngern, mitteilen lassen, sie sollen ihn auf dem Berg in Galiläa treffen.
Eigentlich kein Wunder, wenn ihnen Zweifel kommen. Eher ein Wunder, dass sie sich trotzdem auf den Weg machen. Dass sie es trotzdem ausprobieren, ob sich ihre Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit ihrem geliebten Freund, dem Menschenbruder und Gottessohn erfüllen wird. Und, als sie ihn tatsächlich vor sich sehen, fallen sie auf ihre Knie.
In der Politik in die Knie zu gehen bedeutet Macht- und Ansehensverluste. Mühevoll werden im Streit Kompromisse gesucht. Man kommt sich gegenseitig entgegen, bis alle das Ergebnis der Unterredungen so einigermaßen als ihren Erfolg verbuchen können. Die Formulierung der Worte deutet an, welche Gefühle im Spiel sind; je derber die Ausdrücke, desto heftiger die Emotionen. Niemand will sein Gesicht verlieren, selbst wenn er kaum noch Chancen hat seinen politischen Willen durchzusetzen. Ungewohnt, wenn dann ein offensichtlicher Bittsteller, wie der griechische Premier, mit einem selbstbewussten, fast provozierenden Lächeln auftritt. Auf den Höhen der Macht tanzt er scheinbar unerschrocken über die strengen Mienen der meisten seiner Gesprächspartner ihnen auf der Nase herum. Zumindest wirkt es so. Aber seine Lässigkeit gewinnt auch Anerkennung, Respekt gegenüber dem Mutigen in seiner schier aussichtslosen Position. Und anstatt in scharfe Konfrontation und resolute Abwehr zu gehen, nehmen kluge, führende Politiker den Regierungschef mit seinen leeren Händen sehr freundlich in Empfang. Eine Geste der Würdigung, die dem Einzelkämpfer ermöglicht auf Augenhöhe zu sprechen. Vorbildlich, wenn es gelingt, in der Politik wie im zwischenmenschlichen Bereich die Verbindung nicht abreißen zu lassen.
Die Jünger fallen auf die Knie vor ihrem HERRN; ihre Demutsgeste hängt vielleicht auch damit zusammen, dass sie plötzlich ihre eigene Schwäche spüren. Ihre verdrängte Angst, ihren unterdrückten Schmerz. Die grausame Kreuzigung Jesu hatte sie in die Flucht geschlagen. Tagelang widerstanden sie ihrem Gefühl der Verlassenheit, des Versagens und Scheiterns einer großartigen Idee. Sie ertrugen die unmenschliche Entwürdigung und den elenden Tod jenes Mannes, den sie verehrt und geliebt hatten. Und nun stand ER wieder vor ihnen. Eine lichte, sanftmütige Gestalt. Einer, der mit Worten so viel mehr bewegen und erreichen konnte, als die Mächtigen mit ihren anmaßenden Gesten oder ausgeborgter Gewalt. Die Freunde JESU fallen auf die Knie, vielleicht auch, weil sie nicht fassen können, dass es wahr ist, was sie da vor sich sehen.
Doch auch der Zweifel lässt sich nicht weg-„knien“; er bleibt ein Stachel im Wiedererkennen. Der Verstand lässt sich nicht ausschalten, das selbständige Nachdenken nicht ignorieren; der verzagende Kleinglaube nicht beiseiteschieben. Die Angst vor einer erneuten Enttäuschung sucht nach Schutz im Zweifel. Das Zweifeln gehört mit zum Erkenntnisprozess. Auch die Angst, sich fallenzulassen in das, was sie zu sehen glauben. Solange sie sich an der Wirklichkeit des Todes festhalten konnten, hielten sie etwas in ihren Händen. Die Realität des Todes preiszugeben, macht sie ohnmächtig, machtlos und lässt ihnen die Beine einknicken.
JESUS aber geht auf sie zu und sagt die entscheidenden Worte. ER gibt den Verunsicherten eine Wegweisung, erteilt den Fragenden einen klaren Auftrag, schenkt den Zweifelnden eine neue Aussicht. Und jenen, deren Herzen sowieso schon brennen, die vielleicht nichts mehr glauben müssen, weil sie einfach nur glücklich sind und voller Liebe in JESU Gegenwart – ihnen wärmt er das Herz mit Seinem Zutrauen. Mit allen Jüngern gleichermaßen teilt er seine Vollmacht, gibt ihnen Kraft und Stärke mit seinem Auftrag, Menschen im Namen Gottes zu taufen und zu lehren.
Aufstehen und hineingehen in diese Welt. Mit der TAUFE – Symbol für Gottes Gegenwart im Leben wie im Sterben – die Menschen an Körper, Geist und Seele berühren. Und sie unterrichten, ihnen vom Glauben erzählen, von einem Gott, der ihnen hautnahe begegnet, egal in welcher Situation sie gerade leben, was sie belastet, ablenkt oder in Zweifel zieht.
Die Jünger sollen ihre Mitmenschen zu Jüngern und Jüngerinnen machen. Die Lehrlinge in Sachen GLAUBE sollen alle Völker in die Lehre bringen. Niemand soll ausgeschlossen werden. Allen gilt die gute Botschaft, der Friede, die Liebe. Und der Beistand, die Gegenwart Gottes bis ans Ende aller Tage – und sogar darüber hinaus.
Oben auf dem Berg des Geschehens, auf dem Gipfel zwischen Zweifel und Hoffnung, zwischen kritischem Glauben und blindem Vertrauen werden die Jünger aufgefordert, nicht stehen zu bleiben. Sie sollen weder weitentfernte, einsame Gipfelkreuze aufrichten, noch versteckte Hütten bauen für einzelne Gipfelstürmer. Sie sollen das ihnen zugesprochene Wort, das Vertrauen, das Jesus in sie setzt, und den Glauben weitertragen. Hinunter in die Täler und Tiefen des Alltags. Sie sollen erzählen von dem, was sie erlebt, erfahren, durchdacht und immer wieder bezweifelt haben, und was das alles in ihnen auslöste. JESUS teilt ihnen sein Testament zu, seine letzten Worte: Ein Anschubs zum Weitergehen und Nicht-Stehenbleiben. Hin zu ihren Mitmenschen in aller Welt. Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Eine Lern-Aufgabe für uns selbst und ein Lehr-Auftrag gegenüber unseren Mitmenschen. Und Christus ist mittendrin dabei, wenn wir als getaufte Christen und Christinnen vom Glauben reden und Nächstenliebe praktizieren. Wir sind Beauftragte für den jeweiligen Ort, an dem wir zuhause sind: als Eltern, die ihren Kindern ein Vorbild für Vertrauen geben. Als Jugendliche, die oftmals an sich selbst zweifeln und doch wissen sollen: So, wie ich bin, bin ich ok. Denn kein Mensch ist jemals zu Ende mit seinem Lernen.
Auch als gegenseitig Liebende, die beispielhaft Vertrauen praktizieren und ihre Liebe unter Gottes Segen stellen. Als Nachbarn oder als Fremde, die einander helfen und darin diakonisch handeln, also praktische Nächstenliebe üben. Überall und jederzeit lernen wir Gottvertrauen von einander kennen und üben es selbständig ein. Unsere Gemeinde, unsere KIRCHE ist eine lernende und eine lehrende Gemeinschaft in Sachen Gottvertrauen. Wir leben auf dem Gipfel – Gott schenkt uns einen weiten Ausblick und die Freiheit mit Gelassenheit auf andere zuzugehen. So kann und soll das Zusammenleben in dieser Welt zum Segen für alle werden. Gott sei Dank!
AMEN
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Predigt zu Matthäus 28,16-20 von Sven Keppler
I. Lin Aili will keine Angst mehr haben. In ihrem Glauben sucht sie Halt. Katja Eichhorn aus dem ZDF-Studio in Peking erzählt ihre Geschichte.1 Lin kniet vor einer Holzbank in der dritten Etage eines einfachen Hauses. Die Wände sind kahl. Die weiße Farbe blättert ab.
Mit anderen Gläubigen singt sie Kirchenlieder. Inbrünstig, die Finger ineinander verkrampft. Dann betet sie. Vor allem dafür, dass ihr Ehemann Huang Yizi, der Pfarrer der Gemeinde, bald aus dem Gefängnis entlassen wird.
Sie bewahrt sich einen Hauch von Hoffnung, obwohl Huang erst vor ein paar Tagen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Er wollte kein Schuldeingeständnis unterschreiben wie viele andere.
Was war passiert? Die Behörden in China gehen immer stärker gegen Christen und ihre Kirchenhäuser vor: Sie entfernen Kreuze, zerstören Kirchentreppen, reißen Kirchen sogar komplett ein – und sie verurteilen Pfarrer und Gläubige, die sich dagegen wehren, zu Haftstrafen.
Auch Huang Yizi hatte zusammen mit anderen Gläubigen gegen den Abriss einer Kirche protestiert. „Er hatte vorgeschlagen, dass alle zusammen ein Lied singen“, sagt Lin Aili. „Nach diesem Gebet wollte er, dass sich die Menge auflöst. Trotzdem wurde er wegen Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt.“
„Das ist ein Konflikt zwischen den Ideologien“, sagt Huang Yizis Anwalt. „China wird autoritär regiert, das wissen wir alle. In der Gesellschaft wird alles monopolisiert. Sowohl das Materielle als auch das Geistliche und daher eben auch der Glauben. Die Kirche fordert das Glaubensmonopol heraus. Das ist eine Form von Ungehorsam.“
II. Die Verfolgung von Christen ist so alt wie das Christentum selbst. Heute zum Beispiel ist der Gedenktag von 3 Männern, die im Jahr 304 getötet wurden: Felix und Nabor aus Nordafrika und Hermagoras, ein Bischof aus Norditalien.
Sie wurden ermordet, als Kaiser Diocletian die Christen verfolgen ließ. Dieser römische Kaiser hatte versucht, das römische Reich zu reformieren und zu stärken. Das Christentum sah er dabei als Gegner. Als Konkurrenten. Und so startete er die vielleicht brutalste römische Gewaltwelle gegen die Anhänger unseres Glaubens.
Wie kommt es, dass autoritäre Systeme von Rom bis China immer wieder Christen verfolgen? Was ist an unserer friedlichen Religion so gefährlich? Was macht Diktatoren aller Zeiten so unruhig, wenn sie mit Christen zu tun haben? Steht nicht der Friede im Zentrum unseres Glaubens? Und eine gewaltlose Herzensfrömmigkeit?
Wir kommen einer Antwort auf die Spur, wenn wir den heutigen Predigttext lesen. Es ist der berühmte Schluss des Matthäusevangeliums [lesen: Mt 28,16-20].
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Das ist unmissverständlich. Eine klare Ansage. Machet zu Jüngern alle Völker. Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Kein Wunder, dass Machthaber bei solchen Worten unruhig werden. Sie müssen das als eine unerhörte Konkurrenz empfinden. Ihr eigenes Gewaltmonopol trifft auf ein anderes, das überlegene Ansprüche anmeldet. Ihre eigene Forderung nach Gehorsam wird von einer anderen noch überboten.
Es ist also ganz deutlich: Bei den Diktatoren liegt kein Missverständnis vor. Sie schätzen das Christentum nicht falsch ein, wenn sie eine Konkurrenz empfinden. Sondern sie fühlen sich zu Recht infrage gestellt. Je absoluter ihr eigener Anspruch auf Herrschaft ist, umso konsequenter geraten sie mit den Worten des Auferstandenen in Konflikt: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
III. Erstaunliche Worte für einen, der kurz zuvor hingerichtet worden war. Für einen Rabbi, der übers Land gezogen war und Kranke geheilt hatte. Der versucht hatte, Ausgegrenzte wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
Jesus hatte sich damals kritisch gegenüber Macht und Herrschaft geäußert: Die Könige üben Macht über ihre Völker aus, und die Tyrannen lassen sich sogar noch ‚Wohltäter des Volkes‘ nennen. Bei euch muss es anders sein! Der Größte unter euch muss wie der Geringste werden und der Führende wie einer, der dient. Wer ist denn größer: der am Tisch sitzt oder der bedient? Natürlich der am Tisch! Aber ich bin unter euch wie der Diener. [Lk 22,25-27, Gute Nachricht]
Vom Sozialarbeiter zum Weltenherrscher. Innerhalb von einer Woche. So erlebten es seine Anhänger, kurz nach dem Osterfest. Jesus war nun der „Herr“. Mit einem Herrschaftsanspruch, der in dieser Welt keine Grenze kennt: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Wie konnte es zu diesem Umschwung kommen?
Der Tod Jesu hatte alles verändert. Aber nicht eigentlich sein Tod. Sondern dass seine Anhänger überzeugt wurden: Er lebt! Er ist nicht tot geblieben. Deshalb ist es kein Zufall, dass uns der Predigttext als Rede des Auferstandenen begegnet.
Die Mächtigen, die ihn beseitigen wollten, haben ihr Ziel nicht erreicht. Ihre Macht war nicht stark genug für ihn. Sie haben sich an ihm die Zähne ausgebissen. Ja sogar der Allermächtigste konnte ihn nicht bezwingen: der Tod. Der sonst noch jeden Tyrannen und Diktator klein gekriegt hat.
Der Tod ist der grausamste Herrscher von allen. Mit ihm verbünden sich die Gewalthaber, um ihre Schreckensherrschaften auszuüben. Mit dem Tod im Bunde schicken die Juntas ihre Todesschwadronen ins Land. Aber selbst der Tod war machtlos gegenüber Jesus.
Folgte daraus nicht sonnenklar: Jesus, der zarte Prediger, ist in Wahrheit der Mächtigste von allen?! Der sanfte Heiler ist der stärkste Herrscher! Nicht aus sich heraus. Sondern die Gewalt ist ihm gegeben. Von dem, der allein wahre Macht verleihen kann – von Gott. Vom Vater, der ihn von den Toten auferweckt hat.
IV. Wir dürfen das Thema ‚Macht‘ nicht verharmlosen. Nicht klein reden. Es geht nicht bloß um eine irgendwie geistige Macht. Nicht nur um eine Herrschaft über die Gedanken und Seelen. Jesus ist nicht bloß König der Herzen. Ihm ist wirklich alle Gewalt gegeben. Auf Golgatha habe wir gesehen, dass es um einen ganz realen Machtkampf geht.
Auch im nationalsozialistischen Deutschland wurde deutlich, dass das ein ganz realer Machtkampf sein kann. Die Bekenntnisschrift, die mitten in diesem Machtkampf vor 81 Jahren entstand, ist die Barmer Theologische Erklärung. Dort heißt es unzweideutig: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären.“
Sobald ein Staat über den ganzen Menschen herrschen will, gerät er in Konkurrenz zum christlichen Glauben, ja zu Christus selbst. Sobald er einfordert, dass Menschen ihren Glauben in bestimmten Lebensbereichen ausklammern. Sobald er nicht anerkennt, dass es eine Macht gibt, die größer ist als er. Der „Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Diese berühmt gewordene Einsicht des früheren Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde bringt es auf den Punkt.
V. Was heißt das für uns? Ich möchte das in einigen kurzen Sätzen auf den Punkt bringen:
• Wir dürfen uns täglich daran erinnern, wer letztlich die Macht über unser Leben hat. Nicht die Zwänge des Alltags. Nicht die Polizei. Auch nicht unsere Krankheiten. Sondern Jesus, der Auferstandene.
• Wir dürfen für unseren freiheitlichen Staat eintreten, wenn er um seine Grenzen weiß. Wenn auf die Erwähnung Gottes in der Verfassung verzichtet wird, wie zuletzt in Schleswig Holstein, ist das der falsche Weg.
• Wir dürfen unsere Geschwister wie Lin Aili und Huang Yizi nicht vergessen. In China und vielen anderen Ländern der Welt. Nie gab es so viele Christenverfolgungen wie heute. Diese Menschen brauchen unsere Solidarität und unser Gebet.
• Wir dürfen uns aber auch nicht verleiten lassen, Glaubenskämpfe mit den falschen Mitteln zu führen. Hassprediger und islamische Fundamentalisten spüren natürlich, dass der Anspruch Christi auch ihnen entgegentritt. In jeder Auseinandersetzung sollen wir uns erinnern, was die angemessenen ‚Waffen‘ des Glaubens sind: Wahrheit, Gerechtigkeit, Friede und Vertrauen [Eph 6,14-16]. Wenn Jesus sagt, dass wir lehren und leben sollen, was er uns befohlen hat – dann meint er genau dies.
• Und vor allem: Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus bei uns ist. Dass seine liebevolle, menschenfreundliche Macht uns trägt. Alle Tage. Bis an das Ende der Welt. Amen.
1 Quelle: http://www.heute.de/christenverfolgung-wie-christen-in-china-drangsalie…
Link zur Online-Bibel
05.07.2015, Karlsruhe: "Was setzt sich durch?"
Liebe Gemeinde,
da wird nicht lange gefackelt in der Motette von Heinrich Schütz. Das Unkraut wird gebündelt und verbrannt. Der Weizen bleibt übrig. Fertig.
Will Gott am Ende aller Tage wirklich kurzen Prozess machen? Hat Jesus das gemeint? Da kann einem ja richtig unheimlich werden!
Hören wir darum erstmal, in welchem Zusammenhang Jesus davon sprach:
Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf den Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.
Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan.
Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?
Er sprach: Nein! Damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune!
Matthäus 13, 24-39 Lutherübersetzung 1984
Liebe Schwestern und Brüder, man muss kein Bauer sein und kein großes Feld besitzen. Auch wenn Sie einen Garten haben, vielleicht nur einen Balkon oder eine Fensterbank:
Da können Sie genauso liebevoll vor ihren Pflanzen stehen wie dieser Hausvater. Es ist doch überall das gleiche Wunder: Ein guter Same geht auf. Einfach so. Ohne mein Zutun.
Und genau so ist es mit Gottes Reich, sagt Jesus: Gott sät es aus und es wächst und wächst und wächst. Manchmal an Stellen, wo man es gar nicht erwartet hätte.
Auf dem Schulhof, wenn Streithähne lernen, sich zu tolerieren, wie Robin vorhin erzählt hat. In der Ehe, wenn sich Paare wieder versöhnen, bevor die Sonne unter geht, wie Frau Hock sagte.
Und es wächst in unserer Stadt:
Hier in Karlsruhe kommen fremde junge Männer, ganze Familien bei uns an und hoffen, hier in Sicherheit zu sein.
Manche Einheimische fühlen sich von ihnen bedroht, weil sie Angst haben, dass auch gewaltbereite Islamisten unter ihnen sind.
Da kommen manche an die Grenze ihrer Toleranz und würden sie am liebsten zurück schicken.
Andere Karlsruher gehen mutig auf die Fremden zu: Familien nehmen minderjährige Waisen aus Afrika auf und lernen mit ihnen Deutsch. Junge Syrer stehen im Staatstheater auf der Bühne und zeigen, was ihn nach allen Schicksalsschlägen Kraft und Hoffnung gibt.
Als ich sie gesehen habe, habe ich mich gefragt: Schickt Gott uns die Flüchtlinge vielleicht, um uns die Augen zu öffnen, was im Leben wirklich zählt? Ja, mit einem Mal wächst Gottes Reich mitten unter uns.
Solche Begegnungen haben in unserer Stadt eine Vorgeschichte: Karlsruhe wurde vor genau 300 Jahren gegründet. Und weil der Landesherr wollte, dass seine Stadt wächst, hat er Menschen aus Nah und Fern mit seinem sogenannten „Privilegienbrief “ angelockt und ihnen die freie Ausübung ihrer Religion versprochen: Auch hier ging gute Saat auf. Denn sie sind gekommen: Die Juden mit ihrer Tora und fremde Christen mit ihren Bibeln. Vom Landesherrn als freie Bürger anerkannt und darauf verpflichtet, in Frieden zusammenzuleben. Und diese gute Saat gedeiht bis heute bei uns.
Und trotzdem reicht es nicht, einfach alles wachsen zu lassen und sich daran zu freuen.
Denn das Unkraut wächst mit und kann dem Weizen gefährlich werden. In Jesu Gleichnis. Und in unserm Leben. Manche meinen deshalb, sie müssten das vermeintliche Unkraut vernichten:
In Thailand treiben Buddhisten Angehörige der muslimischen Minderheit gnadenlos aufs offene Meer.
Im Irak sprengen Muslime Kirchen in die Luft.
In Nordirland die Älteren werden sich daran erinnern haben sich evangelische und katholische Christen bis auf´s Blut bekämpft.
In unserem Land werden immer wieder jüdische Friedhöfe geschändet.
In unserer Stadt werden engagierte Christen angegriffen, wenn sie sich für den Dialog mit anderen Religionen einsetzen.
Das alles wäre sicher nicht im Sinne des Hausvaters, von dem Jesus im Gleichnis erzählt. Der schaute sich nämlich in aller Ruhe an, was da auf seinem Feld wuchs.
Als guter Landwirt wusste er, dass er auch den Weizen gefährdet, wenn er das Unkraut herausreißt. Denn beide sind durch ihre Wurzeln im Boden verbunden.
Geduldig wachsen lassen ein naiver Rat? Keineswegs. Denn das heißt nicht, die Augen verschließen, sondern sich an dem weisen Hausvater zu orientieren. Ich stelle mir vor, dass er immer wieder mal durch sein Feld ging und nach dem Rechten sah. Für Wasser, Luft und Dünger sorgte, damit es am Ende eine gute Ernte gibt. Er hat sich gekümmert, ohne das Unkraut radikal zu vernichten.
Und so könnte auch unsere Aufgabe sein, den Acker zu pflegen. Vielleicht lässt Gott ja seine gute Saat gerade da aufgehen, wo wir uns um seine Pflanzen kümmern. In unserer Kirche. Und im Gespräch der Religionen.
Das passiert hier in Karlsruhe bald ganz praktisch:
Alle Religionsgemeinschaften laden im September in einen gemeinsamen Garten der Religionen ein. Dazu gab es einen Architektenwettbewerb.
Jede Religion hat dann dort ein Beet. Da wachsen die Früchte ihres Glaubens und locken zu einem Blick über das eigene Beet in das Beet des Nachbarn. Erstaunlich, was da alles so wächst.
Was dem einen Kraut ist, mag dem anderen Unkraut sein. Besonders unter Gärtnern ist die Versuchung groß, im Beet des anderen auszureißen, damit sich das vermeintliche Unkraut nicht auch noch im eigenen Beet breitmacht. Der klassische Konflikt in allen Schrebergärten!
Statt jedoch einfach handgreiflich zu werden, gehört es dort zum guten Umgang, dass man sich über den Gartenzaun hinweg austauscht. So stelle ich mir auch die Gespräche im Garten der Religionen vor: Jeder informiert den anderen über seine Religion und ist offen für den Austausch.
Da kommen dann durchaus auch kritische Fragen auf: Zum Beispiel: Warum ist das Kopftuch bei euch im Islam so wichtig? Und: Wie seht ihr die Gewalt der Islamisten und was sagt ihr euren Kindern dazu?
Als Christen müssen wir uns umgekehrt fragen lassen, warum unser christlicher Glaube so viel Kraft in unseren Familien und in unserer Stadt verloren hat? Das alles geht über den Privilegienbrief unseres Stadtgründers weit hinaus: Weil wir uns nicht einfach gegenseitig in Ruhe lassen wollen, sondern durchaus auch danach fragen, darüber diskutieren, wie Gott in unserer Stadt wirkt und wie jeder in seiner Religion und wir alle zusammen dem Frieden dienen können. Das heißt ganz konkret: Wie junge Frauen und Männer bei uns glücklich werden können, anstatt auf Propaganda von Extremisten herein zu fallen. Jeder einzelne Mensch soll Freiheit, Respekt und Schutz erfahren, damit sein Leben wie auf einem guten Ackerboden gedeiht.
Bleibt die Frage, warum der Hausvater so geduldig war und einfach alles wachsen ließ, statt wie ein emsiger Kleingärtner einzugreifen. Die verwachsenen Wurzeln von Unkraut und Weizen waren es wohl nicht allein. Er hatte auch eine große Zuversicht: Am Ende wird der gute Weizen übrig bleiben. Gottes Reich wird sich durchsetzen.
Darum sei tolerant!
Nicht gleichgültig: Schau aufs Unkraut, sprich deutlich an, was dich beschwert, aber reiß es nicht vorzeitig aus.
Wer sagt denn, dass du der gute Weizen bist?
Was zum Unkraut gehört und was zu Weizen, erweist sich erst am Ende.
Dann wird Gott seine Schnitter schicken und das Unkraut jäten und verbrennen. Das darf keiner von uns tun.
Bis dahin halten wir aus, was um uns herum wächst und vertrauen darauf, dass Gottes Reich mitwächst und alles überlebt.
Amen.