Predigt zu Mt 5,3-10 von Christiane Borchers
Liebe Gemeinde!
Die Seligkeit wird den Armen verheißen. Welch große Freude! Der Evangelist Matthäus ergänzt die Verheißung der Selig-preisung an die Armen mit dem Zusatz: Selig sind, die geistlich arm sind. Die geistlich Armen, das sind nicht die, die einen verminderten IQ haben, sondern damit sind wir alle gemeint, da wir im Hinblick auf das Himmelreich arm sind und die Herr-lichkeit Gottes noch nicht schauen. Angesprochen sind damit wir, die hier auf Erden leben und die zukünftige Welt Gottes erst erwarten. Wir sind arm im Vergleich zum Himmelreich. Jesus verheißt es uns. Alle, die um ihn herumstehen, die seine Reden hören wollen, lechzen nach solchen befreienden hoffnungsvollen Worten, denn ihre Welt sieht anders aus. Matthäus verlegt die Rede Jesu auf einen Berg. Es ist kein bestimmter Berg. Er knüpft an die Sinai-Tradition an. Auf dem Sinai redet Mose mit Gott, auf dem Sinai empfängt Mose die 10 Gebote. Auf dem Sinai geschieht die Offenbarung Gottes. So auch hier. Jesus begibt sich auf einen Berg. Jesus tut seinen Mund auf und lehrt. Matthäus lässt Jesus in der Gestalt eines Rabbi auftreten, der seine Schüler lehrt. Ein Rabbi unterrichtet im Sitzen, die Schüler scharen sich um ihn. Auf bildlichen Darstellungen der Bergpredigt wird Jesus zumeist gezeigt, wie er auf der Höhe eines Hügels steht. Viele Menschen haben sich um ihn versammelt, weitere sind zu ihm auf dem Weg auf der Anhöhe. Ein anziehendes Bild: Jesus lehrt die Menge, in Scharen laufen sie zu ihm, sehnen sich nach Worten der Liebe und des Trostes.
Sie ist zu Hause, hat sich auf dem Sofa eingerichtet so gut es geht. Selbst die bequemste Lage verschafft ihr keine rechte Erleichterung. Sie hat multiple Sklerose. Als sie Mitte dreißig war, hat sich diese Krankheit bei ihr herausgestellt. Das ist ein großer Schock gewesen, hat sie und ihre kleine Familie, ihren Mann und ihren Sohn, aus der Bahn geworfen. Sie hat sich über die Krankheit informiert, über den möglichen Verlauf, über die Hilfsmöglichkeiten, sie in Schach zu halten. Heilung für die Krankheit gibt es nicht. Seitdem ist sie in ärztlicher Behandlung. Sie musste ihrem Arbeitgeber Bescheid geben, sie konnte sogar noch jahrelang ihrer Arbeit nachgehen. Sie hat Krankenschwester gelernt und den Beruf mit Leib und Seele ausgeübt. Irgendwann fühlte sie sich nicht mehr sicher in der Medikation. Damit ihr kein Fehler unterlief, vergewisserte sie sich jedes Mal vor der Ausgabe bei ihren Kolleginnen und Kollegen. Das war natürlich kein Dauerzustand. Sie merkte selbst, dass es absehbar war, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben konnte. Sie veranlasste alles Nötige selbst, zog die Konsequenzen, gab ihren Beruf auf. Das war schwer für sie. Nun sitzt sie hier auf dem Sofa im Wohnzimmer. Das ist ihr hauptsächlicher Aufenthaltsort geworden. Der Sohn ist in-zwischen erwachsen, ihr Mann hat fast alle Arbeiten im Haus übernommen. Sie kann nur noch Kleinigkeiten ausführen. Sie blickt durch die Terrassentür in den Garten. Sie und ihr Mann werden hier nicht mehr lange wohnen können. Wer soll die Arbeit übernehmen, das Haus, den Garten pflegen? Sie werden sich verkleinern müssen, sich trennen müssen. Wie lieb ist ihr dieser Blick in den Garten geworden! Die Blumen blühen im Frühling und im Sommer in den prächtigsten Farben. Die Büsche und Bäume, die sie und ihr Mann selbst gepflanzt haben, sind inzwischen ansehnlich groß geworden. Im Sommer ist das üppige Grün eine Wohltat für das Auge, im Herbst erstrahlen Büsche und Bäume in ihrem bunten Kleid. Schön ist es hier, sie wird diesen Blick aufgeben müssen.
Sie bekommt Besuch, eine Freundin von früher hat sich angemeldet. Sie freut sich auf sie, hat sie gleich vorgewarnt, dass sie sie nicht so bewirten kann, wie sie es gern möchte. „Das macht doch nichts“, hat die Freundin am Telefon verlauten lassen. „Deswegen komme ich doch nicht. Ich komme, um dich zu sehen und mich mit dir zu unterhalten.“ Die Freundin kommt von hinten über die Terrassentür. Das ist einfacher. Sie klopft an die Scheibe. Mühsam erhebt sich die Frau und öffnet die Tür. Die beiden freuen sich über das gegenseitige Wiedersehen, erzählen von früher. Sie waren ehemalige Nachbarskinder, sind zusam-men zur Schule gegangen, haben sich angefreundet, hatten sich mehr oder weniger aus den Augen verloren. Die unterschiedlichen Lebenswege hatten sie auseinander geführt; sie hatten sich nur in großen Abständen getroffen. Die beiden Frauen versinken in Erinnerungen „Du konntest immer so schön singen. Du hättest eine Karriere als Opernsängerin anstreben sollen“, schwärmt die Freundin. Die Frau lächelt und erinnert sich: „Der Hauptlehrer war damals sogar mehrfach bei meinen Eltern, um ihnen ans Herz zu legen, dass ich eine Gesangsausbildung machen müsse. Das war bei uns zu Hause natürlich nicht denkbar. Mein Vater war ein einfacher Arbeiter, meine Mutter Hausfrau, die uns sieben Kinder großgezogen hat. Gesang galt als brotlose Kunst. Jetzt singe ich im Chor. Es ist immer ein besonderes Erlebnis, am Heiligen Abend in der Kirche zu singen.“ „Singst du ein Solo?“ „Das habe ich zuerst gemacht, jetzt reicht meine Stimme dafür nicht mehr, die Krankheit hat auch hier ihre Spuren hinterlassen.“ Der Nachmittag neigt sich dem Ende zu, die Freundin verabschiedet sich.
Die Frau bleibt zurück. Es ist still im Haus. Bald kommt ihr Mann von der Arbeit nach Hause. Sie wird ihm erzählen müssen, was der Arzt bei ihrem letzten Besuch gesagt hat. Sie haben bei ihr eine Stelle entdeckt, die entfernt werden muss. Sie hört ein Schlüsselgeräusch an der Tür, ihr Mann kommt von der Arbeit nach Hause. Sein erster Weg führt ihn sofort ins Wohnzimmer zu seiner Frau. Er setzt sich zu ihr aufs Sofa. „Ist dein Besuch schon wieder weg?“ „Ja.“ „War's schön?“ „Ja.“ Schweigen. „Du hast doch etwas?“, fragt der Ehemann. „Ich muss ins Krankenhaus“, gesteht sie, „sie haben bei mir eine Stelle gefunden, die operiert werden muss.“ Sie weint. Ihr Mann nimmt sie in den Arm, streichelt liebevoll über ihren Kopf und ihren Rücken: „Wir haben schon so viel geschafft, das schaffen wir auch noch.“ In gegenseitigem Verstehen klingt der Tag aus.
„Selig sind die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“, schreibt Matthäus in den Seligpreisungen. Dürfen wir das glauben? „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“ Das Erdreich besitzen, das bedeutet genügend Nahrung zu haben, einen Platz und eine Bleibe, wohin ich gehöre. „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Ein wunderbarer Gedanke, er ist Trost und Aufgabe zugleich. Der Evangelist Lukas benennt in seiner Feldrede eine Seligpreisung, die Matthäus nicht aufführt: „Selig sind die Weinenden, denn sie werden lachen (Lk 6, 21b).“ Weinende werden bald lachen, weil sich ihr Unheil in Heil verwandeln wird. Vielleicht nicht jetzt und sofort, vielleicht nicht so, dass wir sofort gesund werden, wenn wir krank sind, aber vielleicht indem wir getröstet werden, wenn wir in Not sind, dass uns jemand in den Arm nimmt, wenn wir Trost und Zuwendung brauchen. „Selig sind die, die geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich“, so beginnt Matthäus seine Seligpreisungen. Die erste Seligpreisung ist eine Art Überschrift. Die Menschen, die selig gepriesen werden, benennen Menschen in ihren Nöten, die ganz unterschiedlich sind. Da sind Leidtragende, Hungernde nach Gerechtigkeit, da ist von Menschen die Rede, die um Jesu und um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, die geschmäht und gegen die Lügen verbreitet werden. Die geistlich Armen sind keine anderen als diese Gruppe. Es sind Menschen, die mit schweren Schicksalsschlägen leben müssen, denen Unrecht getan wird, die Vertreibung und Gewalt ausgesetzt sind, die in einer Lage sind, in der ein Mensch eigentlich nicht überlebensfähig ist. Die geistlich Armen sind die Leidtragenden, die Verfolgten, die Hungernden und Dürstenden nach Gerechtigkeit. Manch ein leidtragender Mensch stellt selbst die Frage nach der Gerechtigkeit: Womit habe ich das verdient, das ich so viel Unglück erleben muss. Sie sind geistlich arm, denn das Himmelreich ist fern. Aber auch die werden selig gepriesen, die aufgrund ihrer guten Taten das Himmelreich ein wenig auf Erden aufleuchten lassen: die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die reinen Herzens sind, die Friedensstifter.
Jesus redet in der Bergpredigt deutliche Worte. Er nimmt die Lebenswirklichkeit auf, in denen Menschen leben, verstärkt die menschenfreundlichen und Leben stiftenden Taten, lässt Men-schen, die im Unglück sind, nicht allein, tröstet, baut auf. Jesus nimmt Sehnsüchte, Herzenswünsche und Hoffnung nach einem heilvollen Leben auf, redet nicht klein, was groß ist, macht nicht klein, was schwer wiegt. Jesus wertet Taten der Barmherzigkeit als Früchte des Himmels. Menschen, die Gutes tun, werden ins Himmelreich eingehen. Jesus nimmt Menschen mit ihren Sorgen ernst, kleidet die Sehnsucht nach Heilwerden in Worte, gibt der Hoffnung der Leidtragenden Ausdruck und Zukunft. Die Bergpredigt ist aber auch eine ethische Forderung, Frieden zu halten, Barmherzigkeit zu üben, sich nicht an Verfolgung, Lügen, Schmähungen und Ungerechtigkeit zu beteiligen. Die Seligpreisungen fußen im Judentum. Der hymnische Stil findet sich in Texten aus dem Ersten Testament wieder, z. B. in den Psalmen und in dem Buch der Sprüche wieder. „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder, ..., sondern der Lust hat am Gesetz des Herrn“ (Ps 1,1). „Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln“ (Ps 84,6). „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (Ps 126,5). „Wohl dem Menschen, der Weisheit erlangt, und dem Menschen, der Einsicht gewinnt“ (Spr 3,13).
Der ersttestamentliche Hintergrund schimmert bei allen Seligpreisungen durch, ohne dass wörtlich zitiert wird. „Wohl dem Menschen, der dies oder jenes tut“ und „Selig sind, die …“ sind vergleichbare Einleitungsformeln. Es geht darum, nach Gottes lebensstiftenden Geboten zu handeln, Gottes Weisheit, Barmherzigkeit und Frieden sichtbar zu machen. Durch aufrichtiges, barmherziges und friedensstiftendes Verhalten leuchtet die Güte Gottes selbst. Wenn Gottes Gebote befolgt werden, leuchtet schon jetzt der Himmel in die gegenwärtige Situation. Das Himmelreich wird sichtbar auf Erden. Eine besondere Seligpreisung ist die fünfte: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Diese Seligpreisung steht nicht zufällig zwischen zwei Seligpreisungen, die sich auf das Verhalten gegenüber anderen ausrichten, nämlich barmherzig zu sein und für den Frieden zu arbeiten. Anklänge aus Psalm 24 werden deutlich: „Wer darf auf Gottes Berg gehen und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug..., der wird den Segen Gottes empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils“ (Ps 24,3-5). Gern nimmt Matthäus den Gedanken der Herzensreinheit in seinen Seligpreisungen in der Bergpredigt auf. Herzensreinheit ist eine Geisteshaltung, die aufrichtig handelt und keine bösen Absichten verfolgt. Wahrhaftigkeit im Reden und Tun spiegeln Gottes Verlässlichkeit, Treue und Güte wider. Gott zu schauen, ist die große Sehnsucht eines frommen Juden, einer frommen Jüdin. Beim Besuch des Tempels schaut der Fromme Gottes Angesicht. Daraus erwächst in späterer Zeit die Erwartung, dass die Seelen der Gerechten Gott im himmlischen Paradies schauen werden.
„Die reinen Herzens sind, werden Gott schauen“ ist die einzige der acht Seligpreisungen, die Gott direkt als Ziel der Verheißung nennt. Die anderen sieben Seligpreisungen sprechen verhüllt von Gott. Den Seliggepriesenen wird das Himmelreich verheißen, sie werden das Erdreich besitzen, sie sollen satt werden, sie werden Barmherzigkeit erlangen, sie werden Gottes Kinder heißen. Die Schau Gottes, die hier auf Erden dem Menschen verborgen bleibt, wird im künftigen Reich Gottes Wirklichkeit. Im Himmelreich kommt es zur vollen Schau, wie sie jetzt nur Engeln zuteil wird (Mt 18,10). Was wir jetzt glauben, werden wir einst sehen. Der Apostel Paulus schreibt in seinem 1. Korintherbrief: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin“ (1.Kor 13,12).
Die Seligpreisungen sind keine billige Vertröstung auf das Jenseits, ihre Erfüllung ereignet sich schon jetzt auf Erden. Wer selig gepriesen wird, der wird die Seligkeit Gottes sehen. Gottes Welt leuchtet in die Menschen Welt hinein, wirft ein helles Licht auf dunklem Weg. Gott sendet Menschen, die helfen und trösten, die Barmherzigkeit üben und Frieden stiften. Selig sind, die die Liebe Gottes in der Welt sichtbar werden lassen.
Amen.
EG-Nr. 675,1-4: Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen, dein Reich komme ... (Ev.-ref. Ausgabe)
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Auf der Achterbahn der Seligpreisungen - Predigt zu Matthäus 5,1-10 von Wolfgang Vögele
"Als [Jesus] aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. (...)
Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind."
Sommerabend
Liebe Schwestern und Brüder,
spätestens wenn es kälter und stürmischer wird, am Reformationstag Ende Oktober, wird die Einsicht unausweichlich, daß mit Frost und Schneeflocken der Winter kommen wird. Diese gute Gelegenheit will ich nutzen, um ein letztes Mal an Wärme und Sonnenstrahlen des Sommers zu erinnern. Wegen der Hitze waren die Mittagszeiten unerträglich. Erst wenn die Sonne sich dem Untergang zuneigte, kamen verschwitzte Menschen aus dem Schatten heraus und bevölkerten sanft Parks, Liegewiesen, Fußgängerzonen und Biergärten.
Ich genoß es sehr, mich an solchen Sommerabenden, wenn die Luft ein wenig abgekühlt war, unter die Menge zu mischen. Ich mochte es, mich abends auf eine Bank im Schloßpark zu setzen, ein ungelesenes Buch in der Hand, und wahrzunehmen, was um mich herum geschah: die spielenden Kinder, die mit Begeisterung im Brunnenwasser plantschten; die Freundinnen, die sich, auf eine Decke gelagert, lebhaft miteinander unterhielten; die Jungs mit den Skateboards, die ein Zitroneneis schleckten; das verliebte Paar, das Federball spielte; der ältere Mann im weit geschnittenen schwarzen Baumwollanzug, der seine Chi Gong Übungen praktizierte und sich um die Blicke der Menge nicht scherte; die beiden Abiturienten, die sich mit zwei Flaschen Bier zuprosteten; die vorsichtigen Mütter, die sich um ihre schlafenden Babies im Kinderwagen kümmerten und die Ruhe genossen; die beiden gebrechlichen Damen, die mühsam mit ihrem Rollator unterwegs waren.
In der Wärme und im orangenen Licht des vergehenden Abends konnte man Ruhe und Leben spüren und riechen und tiefen Atemzügen genießen. Alles war in geduldiger, friedlicher Bewegung, keinesfalls in Aufregung. Allmählich kehrten die Geduld und die Gelassenheit ein, die einen in Hitze überstandenen Tag kennzeichnen. Das Schwierige des Hitzetags lag hinter den Menschen, der Rest bis zur Dunkelheit, war Genießen und Ausruhen gewidmet.
Ich mußte die Augen nicht offen halten, um die Gegenwart der vielen Menschen zu spüren. Und ich fragte mich: Wo unter diesen vielen Menschen sind die Friedfertigen, von denen die Seligpreisungen reden? Wo die Leidtragenden? Wo die Friedensstifter? Wo die Menschen, die nach Gerechtigkeit streben? Ich wußte nicht, wer sie waren. Aber ich war mir sicher: Sie befanden sich auch in dieser Menschenmenge, die ein Sommerabend im Schloßpark zusammengebracht hatte.
Was ist auf dem Berg geschehen?
Der Evangelist Matthäus hat aus der Bergpredigt eine größere, theatralische Szene gemacht. Oft ist das gemalt worden: Der heilige Redner auf dem Berggipfel stehend, um ihn herum wie eine Leibwache die Jüngergemeinschaft, weiter weg die große Menge des Volkes. Oft ist das gemalt worden, leider sehr oft kitschig, zu viel falsche Demut, zu viel übertriebener Glaube, so als müßten die Volksmenge auf den Bergpredigtbildern ausdrücken, was den Gottesdienstbesuchern fehlt.
Viele Menschen finden heute reine Wortbeiträge, Vorträge, politische Reden und auch Predigten langweilig. Ihnen reicht das Wort nicht mehr. Mindestens die Bebilderungsmaschine von Powerpoint muß noch dazu kommen, so als würden die Redner ihren eigenen Worten nicht mehr trauen. Dann projizieren sie die Zerstreuung lieber auf einen Bildschirm. Denn die Augen des Zuhörers lassen sich leicht ablenken.
Ich bin ganz überzeugt, daß Jesus von Nazareth seinen eigenen Worten und ihrer Wirkung getraut hat. Genauso bin ich überzeugt, daß er die Worte der Bergpredigt, insbesondere die Seligpreisungen nicht gebrüllt hat. Er mußte dazu auch nicht wild mit den Armen rudern. Er brauchte die bunten Bilder von Powerpoint nicht. Ich stelle mir vor, daß Jesus von Nazareth die Seligpreisungen der Bergpredigt mit ruhiger, klarer, unaufgeregter Stimme gesprochen hat. Kein Einpeitscher, kein Aufwiegler, kein Krawallbruder, keiner, der Hetzparolen geifert oder sich des zackigen Kommandotons bedient. Ich stelle mir auch vor, daß die Menschen am Fuß des Berges, seine Zuhörer nach den Seligpreisungen nicht applaudiert haben. Die Seligpreisungen sind stille, tröstende Worte. Das fehlende rhetorische Getöse nimmt ihnen nichts von ihrer nachhaltigen Wirkung.
Achterlei
Eigentlich stehen da neun Seligpreisungen. Acht davon sind grammatisch ganz gleich gebaut, deswegen hat sich die Rede von der Serie der acht Seligpreisungen durchgesetzt: die geistlich Armen, die Leidtragenden, die Sanftmütigen, Menschen, die nach Gerechtigkeit hungern, die Barmherzigen, die Menschen reinen Herzens, die Friedensstifter, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten.
Acht gilt im Christentum als eine besondere Zahl: Sieben Tage hat Gott für die Schöpfung benötigt, darunter den letzten Tag zum Ausruhen. Am achten Tag beginnt etwas Neues. Es beginnt die Fülle des Lebens auf dieser von Gott geschaffenen Welt. Es beginnt das Neue der Auferstehung, die das Seufzen der Kreaturen beendet. Deswegen sind berühmte Taufkirchen, darunter auch der karolingische (1) Teil des Aachener Doms, stets achteckig geplant worden. Denn der Tauftag ist der symbolische achte Tag, an dem mit der Taufe die Schöpfung neuen Glaubenslebens beginnt. Die acht Seligpreisungen zielen auf die Menschen, die nach dem Himmelreich, nach Gerechtigkeit und Frieden suchen. Ich bin überzeugt: Zu diesen Suchern gehören nicht nur die Getauften.
Moralische Verachtung
Man kann die Seligpreisungen leider auch im Sinne qualitativen Wachstums lesen, im Sinne eines moralischen Appells: Werdet barmherziger! Werdet friedlicher! Werdet sanftmütiger! Aber Barmherzigkeit, Frieden und Sanftmut vertragen keine Befehlssprache, auf gar keinen Fall die klerikale.
Deswegen gehören die Seligpreisungen zum Reformationstag. Der Glaube, der sich an den Seligpreisungen schult, muß unter allen Umständen verhindern, daß die klerikale Bürokratie Zugangskontrollen zum Reich Gottes errichtet (2). Denn über den Zugang zu Gottes Reich entscheidet allein Gott. Deswegen fällt jedes kirchliche Vorschriftengebäude, das den Zugang verwehren will, zuletzt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Aus Vorschriften und Verordnungsblättern lassen sich keine klerikalen Absperrbänder drechseln und keine bigotten Stacheldrahtzäune errichten. Eine Kirche, die Mauern errichtet, hat von den Seligpreisungen, von Jesus von Nazareth und von Gottes Reich nichts verstanden. Dieser Jesus, der predigend auf dem Berggipfel stand, wollte den Menschen nicht Regeln einpeitschen. In den Seligpreisungen forderte er keinen Gesetzesgehorsam. Jesus sah Gott nicht als Obrigkeit, der Gehorsam zu leisten wäre.
Preisen
Man muß auf den Namen achten: Die Seligpreisungen wollen Menschen preisen. Sie heben sie auf Worten in den Himmel. Irgendwo in der Menschenmenge, auf dem Berg, wo Jesus redet, aber auch im Park in der Sommernacht, da verbergen sich unerkannt die Barmherzigen, die Friedensstifter, die Sanftmütigen. Jede Gemeinde und jede Gesellschaft braucht sie dringend als Gegengewicht zu all den glaubenden Mauerbauern, den kirchlichen Einzäunern, den frommen Türwächtern, Türhütern und Türstehern, zu den spirituellen Grenzpolizisten, den dogmatischen Besserwissern und vielen anderen, die den Gemeinden das Leben schwer machen.
Keine Frage: Der Jesus der Bergpredigt redet auch über das Gesetz, gerade über das Gesetz, das zum Glauben verhelfen soll. Aber diese Passagen gehören für ihn nicht an den Anfang. Am Anfang der Bergpredigt stehen Loben und Preisen. Preisen ist solch ein altmodisches Wort geworden, der Prediger traut sich kaum, es aufs Papier zu schrieben. Preisen übertrifft das banale und achtlose "Gefällt mir" der sozialen Netzwerke. Wer einen anderen Menschen preisen will, der muß ihn erst kennen lernen, der muß Ahnung haben von seinem Handeln, Denken und Fühlen. Noch viel mehr gilt das, wenn Jesus sagt: Gott preist die Menschen, die barmherzig sind. Gott preist die Menschen, die leiden. Gott preist die Menschen, die Frieden stiften.
Selig sind die Trauernden
Einen Tag nach dem Reformationstag beginnt der November. An seinem Ende steht der Ewigkeitssonntag, wenn die Trauernden Blumen und Kerzen auf die Gräber der Verstorbenen stellen. Der letzte Oktobertag erinnert an die Wärme des vergangenen Sommers und er weist voraus auf das traurige Totengedenken.
Ich kenne eine Pfarrerin, die liest die Seligpreisungen immer wieder bei Trauergottesdiensten vor. Als wir uns darüber unterhielten, sagte sie: "Mir helfen diese Zusagen in meiner Trauer. Ich finde mich darin wieder. Ich fühle mich durch diese Preisungen geborgen bei Gott. Und ich bin überzeugt, deswegen helfen diese Zusagen den Trauernden. Im Grunde helfen sie auch den Toten. So schlechte Menschen kann es gar nicht geben, daß sie nicht wenigsten ab und an in ihrem Leben Barmherzigkeit geübt oder ein wenig Frieden gestiftet hätten." Seitdem ich von der Pfarrerin gelernt habe, so auf die Seligpreisungen zu vertrauen, höre ich die Worte mit anderen Ohren, mit mehr Zuversicht und Vertrauen. Sie sind für mich zu einem Zeichen geworden. Gott läßt keinen Menschen allein. Das hat auch Martin Luther erkannt: Gott erweist seine Gnade ohne Vorbehalt. Und es genügt, wenn sich die Glaubenden auf diese Gnade verlassen.
Ohne Einreisegenehmigung
Selig sind die, die Gottes Gnade einfach und schlicht (ein zweites altmodisches Wort) im Herzen annehmen. Für das Reich Gottes benötigt niemand eine Aufenthaltserlaubnis, ein Visum, einen Reisepaß oder ein Gesundheitszeugnis. Selig seid ihr. Das Reich Gottes steht allen offen, die sich Gottes Gnade gefallen lassen.
Wer die Seligpreisungen ruhig und meditierend an- und nachhört, der erkennt mitten im Leben der Menschen Gottes Gnade, stets dann, wenn sich in Kleinigkeiten oder im Großen Barmherzigkeit, Gnade und Friede verwirklichen. Das ist nicht auf die wenigen Inseln frommen Glaubens beschränkt, ganz im Gegenteil. Die Seligpreisungen decken überall die kleinen Lichter im großen Schatten von Krankheit, Leiden und Unbarmherzigkeit auf. Ich bete zu Gott, daß solche Lichter auch in Syrien und im Irak brennen, bei den Menschen, die um ihres Glaubens (nicht nur des christlichen) willen verfolgt werden, bei den Menschen auf den Krankenstationen in Liberia, Sierra Leone und Guinea, die sich, gequält vom Ebolafieber, nicht mehr aufrichten können, bei den Menschen, die im Sterben liegen und das Bewußtsein schon halb oder ganz verloren haben.
Die Seligpreisungen leiten uns an, Leiden und Unbarmherzigkeit nicht zu vergessen. Aber machen sie uns genauso gewiß, daß am Ende Leid und Elend nicht triumphieren werden. Gott stiftet Menschen zu Barmherzigkeit, Frieden und Gerechtigkeit an, ohne moralischen Zeigefinger. Das macht die Schönheit, die Reinheit (das dritte altmodische Wort) der Seligpreisungen aus: Sie zeigen Trost und Schrecken gleichzeitig. Sie zeigen beides in ihrer ganzen Macht. Und sie zeigen, daß der Trost ein klein wenig größer ist als der Schrecken.
Amen. So soll es sein.
Wenn es doch so wäre! Keine noch so schön formulierte Seligpreisung wird die Zweifel, die sich im Angesicht von Epidemien, Terror und Bürgerkriegen melden, endgültig beseitigen. Und doch stiften die Seligpreisungen eine Wirklichkeit. Sie sprechen von bestimmten Menschen, den Barmherzigen, den Friedensstiftern, den Armen im Geiste. Liebe Schwestern und Brüder, der Trost verbirgt sich nicht allein in den Worten. Der Trost verbirgt sich darin, daß Ihnen diese barmherzigen, friedfertigen und geistlich armen Menschen täglich begegnen. Lassen Sie eine solche Gelegenheit nicht achtlos vorübergehen.
Segnen Sie ihn. Amen.
(1) Zu Karl dem Großen und der achteckigen Struktur des Aachener Doms vgl. die lesenswerte Biographie von Johannes Fried, Karl der Große, München 2013, besonders 419ff..
(2) Zum Verhältnis von Theologie und Kirchenleitung vgl. Wolfgang Vögele, Das Abendmahl der Aktenordner, Ta Katoptrizomena, Heft 90, 2014, http://www.theomag.de/90/wv12.htm.
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Bilder gelingenden Lebens - Predigt zu Matthäus 5,1-10 von Søren Schwesig
Bilder gelingenden Lebens
Liebe Gemeinde,
der deutsche Protestantismus ist gegenwärtig gefragt in den Medien. Zweierlei Themen sind es, die Menschen gegenwärtig in unserem Land umtreiben und bei denen auch die Meinung der Kirche gefragt ist.
Zum einen die Diskussion um die Sterbehilfe. Wie sollen Christen in der Debatte um ein menschenwürdiges Lebensende entscheiden? Was sagt die Kirche? Die Mehrheit der Theologen spricht sich gegen einen ärztlich assistierten Suizid aus. Allerdings zeigt der Fall des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider das Dilemma auf, in dem Menschen stecken können. Schneiders Frau ist an Krebs erkrankt. Deswegen beschloss er sein Amt als Ratsvorsitzender der EKD niederzulegen. In einem Interview sagte Schneider, er würde, falls seine Frau den assistierten Suizid wünsche, sie auf diesem Weg begleiten. „Aus Liebe“, auch wenn er damit gegen seine Überzeugung handeln würde.
Das andere Thema: Sollen Waffen an Kurden geliefert werden zur Abwehr der Terrororganisation „Islamischer Staat“? In der EKD ist man über diese Frage gespalten. Als Beispiel dienen zwei ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. Margot Käßmann spricht sich als Pazifistin gegen Waffenlieferungen aus. Deutschland solle Frieden statt Waffen exportieren, erklärt sie in einem Interview. Wolfgang Huber dagegen fordert ein klares Bekenntnis zum Eingreifen im Nordirak. Die Menschen, die dort ihrer elementaren Rechte beraubt und auf grausame Weise umgebracht werden, müssen in ihrem Leben und ihren elementaren Rechten geschützt werden. So Huber.
Ja wirklich: Der deutsche Protestantismus ist gegenwärtig gefragt.
Aber nicht wegen dieser Themen sind wir heute hier. Heute ist Reformationstag. Heute erinnern wir uns an die alte Geschichte von Martin Luther, der sich im Kloster Tag und Nacht fragt: „Was muss ich tun, um selig zu werden? Was muss ich tun, um es Gott recht zu machen?“ Luther versucht alles, was ein frommer Mensch nach den damaligen Maßstäben tun kann: Er fastet, beichtet, kasteit sich, gibt sein Bestes. Aber das, was er sucht, einen gnädigen Gott, findet er nicht.
Bis er den Römerbrief liest – vor allem diesen Satz: „Die Gerechtigkeit von Gott kommt allein aus dem Glauben...“ Luther hört die Worte, sieht sie vor sich und weiß: Das ist es. Darum geht es. Sich Gnade zusagen lassen. Sich von Gott sagen lassen: „Du bist mir recht, bist mir lieb.“ Sich gerecht fühlen. Allein aus Glauben. Das ist es!
Heute hören wir ähnliche Worte wie dieses „Du bist mir recht.“ Ich lese aus der Bergpredigt Jesu die Seligpreisungen, Verse aus Mt 5:
1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: 3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. 4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. 5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. 6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. 7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. 8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. 10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Jesus malt uns in diesen Seligpreisungen großartige Bilder von gelingendem Leben vor Augen. Bilder von einem anderen, besseren, glücklichen Leben. Einem Leben, wie Gott es will und wie es Jesus in der Bergpredigt und in seinen Gleichnissen beschreibt.
Aber entspricht unser Leben dem, was wir in den Seligpreisungen hören? Doch eher nicht. Unser Leben war nie so voller Sanftmut und Barmherzigkeit. Unser Leben war nie so angefüllt mit brennender Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nie so voller Hingabe für den Frieden.
So schön die Bilder der Seligpreisungen auch sind – sie bleiben Bilder. Bilder, denen wir nicht entsprechen und denen auch die Menschen vor uns nicht entsprochen haben. Dennoch sehnen wir uns nach einem gelingendem Leben.
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Woher kommt diese Sehnsucht? Vielleicht daher, dass wir spüren, dass unsere Welt nicht so ist, wie Gott sie will. Eine Welt, in der es oft hart und erbarmungslos zugeht. Eine Welt, in der die einen zurechtkommen, andere aber auf der Strecke bleiben. Eine oft menschenfeindliche Welt, die einer mal so umschrieben hat: Verraten sind die Armen, denn sie haben nichts einzubringen. Verraten sind die Leidtragenden, denn sie sind ausgeschlossen aus der Gesellschaft. Verraten sind die Sanftmütigen, denn sie werden an die Wand gedrückt. Verraten sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn Macht geht vor Recht und Geld regiert die Welt. Verraten sind die Barmherzigen, denn Undank ist der Welt Lohn. Verraten sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden übers Ohr gehauen. Verraten sind die Friedfertigen, denn sie werden zwischen die Fronten geraten. Verraten sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn am Ende ist alles umsonst.
Harte Worte. Aber sie geben wieder, was unzähligen Menschen täglich auf dieser Welt widerfährt.
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Aber inmitten dieser oft menschenfeindlichen Welt beschreibt Jesus in seinen Seligpreisungen, was für ihn gelingendes Leben ist. Gelingendes Leben ist für Jesus, wenn wir angesichts dieser Welt nicht resigniert sagen: `Das war schon immer so, da kann man nichts machen!´- sondern wenn wir dieser Welt entgegentreten und dabei nicht auf unsere eigene Kraft vertrauen, sondern alles von Gott erwarten. Das ist für Jesus gelingendes Leben. Und er malt uns für dieses gelingende Leben Vorbilder vor Augen. Aber was für Vorbilder! Es sind sämtlich Menschen, die nach den Maßstäben dieser Welt alles andere als Siegertypen sind.
Da sind die Armen. Armut ist eine Geißel der Menschheit und zugleich ihr ständiger Begleiter. Zwar nimmt die Zahl der Armen weltweit ab, aber man ist weit weg vom sogenannten Milleniumsziel der Vereinten Nationen, die bis zum Jahr 2015 die Zahl der Armen halbieren wollte. Armut gibt es auch bei uns in Deutschland. Die Diakonie gibt die Zahl der Straßenkinder in der Region Stuttgart mit 700 an. Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Schlägen, Missbrauch, Kinderheim oder anderer Hintergründe auf der Straße gelandet sind. Arme tauchen bei uns in der Kirche kaum auf, höchstens in der Vesperkirche. Jesus richtet seinen Blick auf sie und sagt: Das Himmelreich ist ihrer. Es kommt eine Zeit, da wird es ihnen an nichts fehlen.
Dann die, die Leid tragen. Übergroß ist das Leid, das uns in den Ereignissen dieses Jahres begegnen. Wir starren wie paralysiert auf die Ereignisse im Irak und in Syrien. Fassungslos nehmen wir die Kämpfe in der Ukraine wahr und erleben, wie gefährlich rasch die Beziehungen zwischen Europa und Russland drohen sich in Richtung einer neuen Eiszeit zu bewegen. Und dann die Ebola-Katastrophe in Westafrika. „Es ist, als ob die Welt aus den Fugen gerät“, hat unser Außenminister angesichts dieser Ereignisse gesagt.
Im Leid verlieren Menschen vieles, manchmal alles, manche sogar sich selbst. Jesus sagt: Ihr sollt getröstet werden. Es wird eine Zeit kommen, da euer Lebensmut zurückkehren wird.
Die Sanftmütigen. Sanftmütig wird oft mit Schwäche verwechselt. Aber sanftmütige Menschen sind kostbar. Sie öffnen uns mit ihrem Tun unseren Horizont. Sie öffnen mit ihrem Tun für uns ein Fenster, durch das wir schauen und erahnen können, wie das Leben auch sein könnte. Unsere Welt braucht die, die darauf verzichten, ihre Ellbogen zu benutzen. Die sich weigern, anderen zu schaden. Jesus sagt: Ihr werdet das Erdreich besitzen. Ihr werdet die Welt bebauen und bewahren.
Dann die, die hungern nach Gerechtigkeit. Der Hunger nach Gerechtigkeit ist wesentlicher Bestandteil unseres Glaubens. Dass ein Christ für das Recht, Leben und Würde des Anderen eintritt, ist nicht sein persönliches Hobby. Der Hunger nach Gerechtigkeit ist Kernstück unseres Glaubens. Mit unseren Gaben für Brot für die Welt und andere Hilfsorganisationen versuchen wir diesen Hunger zu stillen. Manchmal aber verlieren wir den Kampf um Gerechtigkeit wieder aus den Augen. Möge es uns gelingen, dass wir den Hunger nach Gerechtigkeit in uns wachhalten. Jesus sagt: Wer so hungert, wird satt werden.
Die Barmherzigen. Scheinbar ist uns der Begriff `unbarmherzig´ viel geläufiger ist als das Wort ´barmherzig´, weil Unbarmherziges in unserer Welt so oft vorkommt. In der Bibel aber spielt `Barmherzigkeit´ eine bedeutende Rolle. Das Alte Testament nennt vor allem Gott selbst barmherzig, weil er seinem Volk hilft und vergibt, ohne daran Bedingungen zu knüpfen. Tun wir es ihm nach. Wenden wir uns dem Mitmenschen zu. Wenn wir in die Gesichter der Menschen schauen, werden wir das Ebenbild Gottes erkennen. Jesus sagt: Wer solches tut, wird Barmherzigkeit erlangen.
Die reinen Herzens sind. Das Herz ist das Innerste eines Menschen. Vielleicht ist das reine Herz die größte aller Sehnsüchte. Vielleicht beten Menschen deshalb bis heute: "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz." Wer ein reines Herz hat, sieht die Welt und die Menschen anders. Wer ein reines Herz hat, sieht die Welt und die Menschen als von Gott geschenkt. Wer so sehen kann, kann dann auch seine Verantwortung erkennen. Jesus sagt: Die reinen Herzens sind werden Gott schauen. Dann wird alles licht sein und gut.
Die Friedensstifter. Menschen, die Frieden im Alltag schaffen, so dass Menschen wieder miteinander reden und leben und einander in die Augen schauen können. Das geschieht manchmal unspektakulär im Alltag oder auch durch einen Schritt, der Völker und Kulturen und Religionen einander näher bringt und das Kriegsbeil begräbt. Jesus adelt sie und sagt: Sie werden Gottes Töchter und Söhne heißen.
Zuletzt die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten. Menschen, die oft vergessen sind. Die für ihre Überzeugungen in Verließen und Gefängnissen sitzen. Jesus sagt: Die Verfolgten, aber auch die, die sich für sie einsetzen - ihnen gehört das Himmelreich.
Nach den Maßstäben dieser Welt alles keine Siegertypen. Aber für Jesus sind sie Vorbilder gelingendes Leben: Weil sie vor der Welt nicht resignieren, sondern ihr entgegentreten und dabei nicht auf ihre eigene Kraft vertrauen, sondern alles von Gott erwarten.
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Jesus verkündet sein gelingendes Leben im Horizont des Reiches Gottes. In der Erwartung, dass diese Welt nicht Gottes letzte Wort ist, sondern dass er ihr ein Ende setzen und sein Reich aufrichten wird. Ein Reich, in dem Menschen einander kein Leid mehr zufügen, weil sie sich von Gottes Geboten leiten lassen. Ein Reich, in der man keinen Hass mehr kennt und das Unrecht keinen Platz mehr hat. Ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit und der Liebe.
Zwar sind die Seligpreisungen gesprochen im Horizont des kommenden Reiches Gottes, sie sind aber keine Vertröstungen auf eine kommende Welt – im Sinne von: „Haltet aus, dann wird es euch besser gehen und ihr belohnt werden!“ Vielmehr reden sie davon, dass Gottes Kraft oft genug ausgerechnet in den Schwachen mächtig ist. Diese Schwachen preist Jesus glücklich. Denn Gottes Kraft soll sie zu einem eigentlich paradoxen Verhalten befähigen: Sie sollen in aller Schwachheit den Aufstand wagen. Sie, die Armen, die Barmherzigen, die Friedfertigen – sie sollen den Aufstand wagen gegen eine gott- und menschenfeindliche Welt.
Dieser Aufstand beginnt oft ganz im Kleinen, im Gebet oder im mutigen Bekennen der eigenen Überzeugung. Auch Luther wusste im Jahre 1517 nicht, welchen Orkan seine 95 Thesen auslösen würden. Aber als später die mächtige Papstkirche ihn, den kleinen Mönch aus Wittenberg, bedrohte, erwartete er alles von Gott - bis hin zu seinem berühmten Satz vor Kaiser und Reich: „Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir.“
In dieser Nachfolge feiern wir heute den Reformationstag. Wir wollen ihn feiern als solche, die wir angesichts mancher Realitäten in dieser nicht Welt resignieren, sondern die sich diesen Realitäten entgegenstellen und dabei nicht auf ihre eigene Kraft vertrauen, sondern alles von Gott erwarten. Von ihm, der in den Schwachen mächtig ist. Von ihm, der sagt: „Ihr Armen, die Barmherzigen, die Friedfertigen – selig seid ihr!“
Amen.
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Predigt zum Thema: "Was macht Macht?"
Was macht Macht? Stellen Sie sich doch mal vor, wie es wäre, wenn Sie Macht hätten. Ich meine, nicht nur so ein bisschen Macht. Sondern richtig viel Macht. So dass es in Ihrer Macht läge, die Dinge wirklich zu verändern. Also dafür zu sorgen, dass …zB: in Israel und Palästina dauerhaft Frieden ist. Zum ersten Mal. Im Heiligen Land.
Wäre das nicht reizvoll? Und nehmen wir mal an, Sie würden eine solche Macht angeboten bekommen? Müssten Sie das nicht geradezu annehmen?
Das Matthäus-Evangelium erzählt eine Begebenheit, da hat Jesus ein solches Angebot bekommen. Hören Sie:
Lesung Matthäus 4, 1-11
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach:
Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
Er aber antwortete und sprach:
Es steht geschrieben: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“
Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm:
Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: „Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“
Da sprach Jesus zu ihm:
Wiederum steht auch geschrieben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm:
Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“
Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Pastorin Anne Gidion:
Das waren doch verlockende Angebote, die Jesus da bekommt! Steine zu Brot – nie wieder Hunger. Stürzen ohne Schmerz – totale Unverwundbarkeit. Richtig König sein. Wirklich bestimmen können.
Aber Jesus reizt das nicht. Dreimal lehnt er ab. Dreimal entscheidet er sich gegen die Macht. – Was macht denn Macht?
Antonia Baitz ist heute unser Gast in diesem Gottesdienst. Sie ist weiblicher Sanitätsoffizier - so heißt das wirklich, es heißt nicht Sanitätsoffizierin, sondern weiblicher Sanitätsoffizier – bei der Bundeswehr.
Frau Dr. Baitz tritt vor.
Pastorin Anne Gidion: Frau Dr. Baitz, sie haben sich als junge Frau entschieden, in einem typischen Männer-Macht-Bereich zu arbeiten. Zurzeit sind Sie die einzige Frau im Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr. Was reizt Sie eigentlich genau daran? Macht auch – oder?
Antonia Baitz:
Mich hat immer die Kombination gereizt zwischen Offizier und Zahnarzt. Offiziere haben Verantwortung für die Führung, die Ausbildung und den Einsatz von Soldaten. Als Sanitätsoffizier Zahnarzt bin ich verantwortlich für die Gesunderhaltung und Einsatzfähigkeit unserer Soldaten und Soldatinnen.
Dies ist für mich Ehre und Belastung zugleich. Ja klar habe ich als Sanitätsoffizier in meinem Bereich eine gewisse Macht. Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass damit eine große Verantwortung einhergeht. Je größer die Macht umso nachhaltiger sind die Folgen, die man zu verantworten hat. Mich stört manchmal, wenn der Begriff Macht ausschließlich negativ gebraucht wird. Wir alle haben ja in gewisser Weise Macht. Ein Lehrer hat Macht. Eltern haben eine gewisse Macht. Für mich kommt es darauf an, sich der Macht bewusst zu sein und verantwortlich damit umzugehen.
Pastorin Anne Gidion:
Ein Führungsoffizier bei der Bundeswehr ist ja schon etwas anderes als eine Lehrerin in Hamburg oder ein Zahnarzt hier in Blankenese. Beim Militär gibt es eine klare Hierarchie, Befehl und Gehorsam. In der Ausbildung arbeiten Sie nicht nur mit Zahnseide, sondern auch mit Waffen.
Klar, Sie sind Sanitätsoffizier. Aber trotzdem können Sie auch mit Waffen umgehen, wenn es wirklich darauf ankommt.
Ist Macht nicht doch gefährlich?
Antonia Baitz:
Mir ist wichtig, dass man sich immer wieder bewusst ist, warum man etwas tut. Also wenn jemand eine militärische Machtposition um der Macht willen anstreben würde, wäre er hier falsch am Platze. Alleine mit Macht wird alles Mögliche auf der Welt geführt: Schurkenstaaten, Arbeitslager, Diktaturen.
Ich finde, dass Macht durchaus ihre Gefährdungen hat. Und die muss man kennen. Und man muss damit umgehen, muss sie reiten wie ein Pferd beim Rodeo. Auch ein guter, erfahrener Reiter hat sein Pferd nicht immer zu hundert Prozent unter Kontrolle, aber er muss es versuchen, so gut es geht. Und dabei hilft eben, dass man sich der Verantwortung bewusst ist und immer weiß, dass man es mit Menschen zu tun hat. Ein pensionierter Offizier hat mir einmal gesagt: man führt die Soldaten zunächst mit Liebe und Humor. Auch wenn das mit Blick aufs Militär vielleicht zunächst komisch klingt – aber das ist hier wie überall für eine gute Führungskompetenz unabdingbar.
Pastorin Anne Gidion:
Was macht Macht? In der Geschichte von der Versuchung bietet der Teufel am Ende Jesus die totale Macht an. Er zeigt ihm alle Reiche dieser Erde und verspricht ihm die Herrschaft über das alles. Bei den ersten beiden Versuchungen zitiert der Teufel die Thora und die Psalmen – „Steine werden Brot“ – „die Engel werden dich auf Händen tragen“. Und Jesus kontert – Schrift gegen Schrift, wie ein Streit zwischen Rabbinern.
Beim dritten Überzeugungsversuch lässt der Teufel die Maske fallen. Er zeigt, wer er ist. „Das alles will ich dir geben, wenn du in die Knie gehst und mich anbetest.“ Sagt er.
Die totale Macht gibt es eben nur im Pakt mit dem Teufel.
Frau Baitz, eine Frage: gäbe es für Sie einen Punkt, wo Sie „Nein“ sagen würden? Also eine Versuchung, der Sie nicht erliegen möchten, selbst wenn es für Sie persönlich große Vorteile bringen würde?
Antonia Baitz:
Ich bin Sanitätsoffizier und Zahnarzt. Und da behandle ich sowohl einfache Soldaten als auch Vorgesetzte. Irgendwann mal hat mir jemand im Scherz gesagt, wenn da so jemand auf meinem Behandlungsstuhl sitzt, der Dir mal Unrecht getan hat – dann kannst Du Dich ja rächen.
Also, im Ernst: ich möchte niemals meine Stellung für mich selbst oder für etwas ausnutzen, was ich nicht gutheißen kann. Und zu der Versuchungsgeschichte von Jesus fällt mir ein, dass es zu einem verantwortlichen Umgang mit der Macht gehört, dass man auch um seine Grenzen weiß. Wenn jemand viel Macht hat, könnte ja ein Problem sein, dass man anfängt zu denken: jetzt kann mir keiner mehr etwas. Oder dass man anfängt, sich selbst zu überschätzen und zu denken, man könne und dürfe nun alles. Vielleicht kann man den Hinweis von Jesus ja so verstehen, wenn er sagt: man soll Gott allein anbeten. Also, dass wir menschlich bleiben müssen und unsere Grenzen kennen müssen.
Pastorin Anne Gidion:
Christenmenschen müssen wohl immer macht-skeptisch sein. Egal wo. „Denn Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit „ – nicht umsonst beten wir das im Vaterunser. Wir geben Gott die Macht.
Aber ganz ohne Macht geht es auch nicht, oder? Nur begrenzen müssen wir sie. Balance of Power – Macht balanciert durch Gegenmacht. Also kontrollierte Macht. Wichtig ist für Christen: Macht ist auf der Welt nur geliehen. Wir bekommen sie nicht für uns. Nicht um sie zu haben. Sondern zum Schutz für die, die keine Macht haben. Die sonst untergehen. Macht ist genau das Gegenteil vom blanken Recht des Stärkeren. Sie muss helfen, das Zusammenleben zu fördern.
Noch ein Gedanke: Wenn ich den Fernseher anstelle, flackern in diesen Wochen ständig die Bilder von Krieg und Kampf auf – in Gaza, in der Ostukraine, im Irak. Ich sehe Männer mit Waffen, Männer in Panzern, Männer in Flugzeugen. Frauen werden gezeigt, wenn sie ihre toten Söhne beweinen und ihre Säuglinge schützen. Eine letzte Frage, Frau Baitz: Gehen Frauen mit der Macht vielleicht anders um als Männer?
Antonia Baitz:
Ich glaube nicht, dass der Umgang mit Macht geschlechtsspezifisch ist. Versuchung unterscheidet nicht zwischen Geschlecht oder Herkunft oder Nationalität. Dennoch agieren und reagieren Frauen und Männer manchmal unterschiedlich, die Machtmotive sind nicht immer die gleichen.
Pastorin Anne Gidion:
Der Begriff Macht bleibt schillernd. Macht kann dazu dienen, Schwächere zu schützen. Sie kann aber auch schlimm missbraucht werden. Jesus war im Umgang mit den Mächten und Gewalten ziemlich klar. Er wird König genannt und reitet auf einem Esel.
Der Teufel bietet ihm alle Macht der Welt und er will sie nicht. Seine Macht ist eine andere Voll-Macht. Sie kommt aus seinem Vertrauen in Gott. Und weil er den Leuten nah ist. Fischer verlassen ihre Boote, Kranke schöpfen in seiner Nähe Hoffnung, Frauen und Kinder fühlen sich ernst genommen. Aber die Ordnungsmächte seiner Zeit lassen seine Art Macht nicht zu. Der Gottessohn muss sterben. Die Herrschafts-Macht darf nicht in Frage gestellt werden. So kommt Jesus ans Kreuz statt auf den Thron. Weithin kann man ihn sehen – im Tod, statt im Prunk. Er wollte seine Macht nicht sichern.
Und dann? Aber das Grab wird leer und der Gottes Sohn lebt.
Er sagt seinen Leuten: Wenn ihr zusammen esst, wie wir gegessen haben, Brot und Wein, und wie Geschwister zusammen lebt – dann bin ich da. In meiner Weise. Mit all meiner Macht. Mit all meiner Liebe.
Amen.
Ein Lied, das nach Kampf klingt. Ein Lied, in dem Gott allein die Macht zugesprochen wird. Ein Lied des Glaubens. Wir singen: Ein feste Burg ist unser Gott.
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"Ich kann nicht anders" - ZDF-Predigt zu Matthäus 14,13-21
Bibeltext: Die Speisung der Fünftausend (Matthäus 14, 13-21)
Als das Jesus hörte, fuhr er von dort weg in einem Boot in eine einsame Gegend allein. Und als das Volk das hörte, folgte es ihm zu Fuß aus den Städten. Und Jesus stieg aus und sah die große Menge; und sie jammerten ihn und er heilte ihre Kranken.
Am Abend aber traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Die Gegend ist öde und die Nacht bricht herein; lass das Volk gehen, damit sie in die Dörfer gehen und sich zu essen kaufen. Aber Jesus sprach zu ihnen: Es ist nicht nötig, dass sie fortgehen; gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen zu ihm: Wir haben hier nichts als fünf Brote und zwei Fische. Und er sprach: Bringt sie mir her! Und er ließ das Volk sich auf das Gras lagern und nahm die fünf Brote und die zwei Fische, sah auf zum Himmel, dankte und brach's und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und sammelten auf, was an Brocken übrig blieb, zwölf Körbe voll. Die aber gegessen hatten, waren etwa fünftausend Mann, ohne Frauen und Kinder.
Liebe Gemeinde,
wann gab es in Ihrem Leben so eine Situation, in der Sie dachten: Diesen Schritt muss ich gehen! Ich muss jetzt was sagen! Hier darf ich doch nicht wegsehen! Ich bin überzeugt, solche Momente gibt es in jedem Leben. Da wird jemand angepöbelt und ich kann mich doch nicht raushalten. Du liest über die Rüstungsexporte und denkst: Doch, zu der Demonstration gehe ich hin. Das Kind nebenan schreit wieder so erbärmlich - dieses Mal klingelst du und fragst, ob du die Mutter vielleicht entlasten kannst. Oder: Nein, das Schnäppchen werde ich nicht machen, ich weiß doch, wo und wie sowas produziert wird. Ich kann anders! Hier spricht mein Gewissen!
Es tut gut, für uns selbst, solche Schritte zu gehen, ja Mut tut gut. Aber er kostet auch Kraft. Du musst die Hemmschwelle überwinden, um dich einzumischen, für andere da zu sein. Etwas sagen, Zuhören, Zeit finden, das ist nicht immer leicht. Und im Alltag, da gibt es doch eher die entmutigenden Stimmen: Was kann ich schon tun? Was soll das denn bringen fürs große Ganze? Da lässt sich halt nichts machen!
Das ist genau das Problem der Jünger in der Erzählung, die wir gehört haben. Sie sehen all die Menschen, die hoffen, Jesus kann ihnen helfen, ihre Krankheiten heilen, ihrem Leben Sinn geben. Da steht er nun und "sie jammerten ihn". Er kann nicht anders. Jesus könnte sagen: Verscheucht die Leute, ich brauche Ruhe. Aber er empfindet Empathie, Mitgefühl. Sie erwarten so viel von ihm, da will er die Menschen nicht enttäuschen. Als der Abend kommt, beginnen die Jünger sich Sorgen zu machen. Die Leute müssen doch etwas essen! Kein Supermarkt weit und breit. Wie soll das werden?
Deshalb wollen sie alle wegschicken. Jesus aber fühlt sich verantwortlich. Die Menschen sind so weit gelaufen, der Tag war lang. Er kann nicht anders und sagt: Gebt ihr ihnen etwas. Die Jünger sind skeptisch, was haben sie schon, fünf Brote und zwei Fische. Das reicht niemals, das ist nicht genug! Sie sind befangen, weil sie nur den Mangel sehen; das kann doch nicht reichen!
Jesus aber wird zum Gastgeber. Er nimmt die fünf Brote und zwei Fische, dankt und gibt sie den Jüngern, damit sie verteilen. Wer sich jetzt an das Abendmahl erinnert fühlt, liegt richtig. Genau das will der Evangelist Matthäus doch andeuten: Jesus lädt ein. Menschen sollen satt werden ganz real, aber auch im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung.
Ja, manchmal haben auch wir nicht den Mut. Da hab ich Angst, vor den Typen in der U-Bahn oder angeschnauzt zu werden von den Eltern des Kindes, was mich das denn wohl anginge. Oder wir denken: nein, heute nicht! Es war genug bei der Arbeit, ich hab keine Kraft, mich einzumischen. Oder: Wenn ich es nicht kaufe, dann kaufen es andere, was soll´s? Es ist doch geradezu tröstlich, dass sich auch die Jünger, die Jesus so nahe waren, oft so verzagt zeigen.
Das hilft uns heute, wenn wir nicht so heroisch sind, wie wir gerne wären. Auch unser Scheitern, unsere Ängstlichkeit können wir vor Gott bringen. Ja, wir können sogar Schuld bekennen und auf Vergebung hoffen. Das gilt für diejenigen, die 1914 den Krieg befürwortet haben, die 1939 der Nazi-Ideologie auf den Leim gingen, die 1989 nicht auf den Straßen von Leipzig, Dresden und Ostberlin demonstrierten. Das christliche Menschenbild weiß um die Schwäche von Menschen. Aber es traut Menschen zu, sich zu ändern, zu lernen, Neuanfänge zu wagen. Das ermutigt, finde ich.
Und die Erfahrung ist doch: Teilen verändert alle! Wie wird dieses Gefühl gewesen sein: Es reicht. Tatsächlich! Wow!
Gemeinsam sind wir stark oder mit einem Liedvers von Xavier Naidoo: Was wir alleine nicht schafften, das schaffen wir dann zusammen. Das muss doch wohl die Erfahrung gewesen sein, als auf einmal alle satt wurden.
Was war das nun damals am See Genezareth? Ein Wunder? Haben sich fünf Brote und zwei Fische vervielfältigt, einfach so? Oder war es vielleicht auch das Erleben, dass der eine noch ein Brot für den Notfall in der Tasche findet, die andere einen Fisch eingepackt hat und in dieser wunderbaren Stimmung der Egoismus wegbrach und ein Gemeinschaftsgefühl entstand, das alle getragen hat?
Wunderbar, solche Momente. Sie sind selten im Leben, aber sehr kostbar. Ich habe das einmal erlebt 1983 als Jugendliche aus aller Welt am Gedenktag für die Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima am Pazifikufer standen und für den Frieden gebetet haben. Andere haben das erlebt, als sie 1989 auf die Straßen gingen in der DDR. Menschen haben das erlebt auf dem Tahirplatz in Kairo und auf dem Maidan in Kiew.
Solche Hoffnung wird immer wieder enttäuscht, das wissen wir in diesen Tagen, wenn wir Richtung Ukraine blicken. Was können wir schon tun? Wie soll Frieden werden? Die Geschichte von der Speisung der 5000 macht uns erst mal Mut. Wir können etwas tun – und wenn es auch nur ein paar Brote und wenige Fische sind, die wir haben. Wir legen sie in die Hände Jesu – und siehe da, es entsteht Gemeinschaft und am Ende ist es mehr als wir gedacht hätten. Das ist nicht Ablenkung durchs Jenseits, sondern Ermutigung fürs Diesseits! Das ist gerade nicht Opium des Volkes mit dem sich Menschen betäuben, die Angst vor den Realitäten des Lebens und noch mehr Angst vorm Sterben haben.
Nein, das ist eine radikale Hoffnung, die es wagt, gegen die Gegebenheiten der Welt anzudenken auch über Enttäuschungen hinweg. Das ist der Mut, sich nicht mit "Was kann ich schon ändern" zufrieden zu geben. Das ist die Kraft zu sagen: "Und wenn es nur ein kleiner Schritt ist, ich werde ihn gehen."
Für diesen Mut steht auch Martin Luther, vor dessen Denkmal wir heute in Wittenberg Gottesdienst feiern. Es heißt, dass er 1521 auf dem Reichstag zu Worms gesagt hat: "Ich stehe hier, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen." Das ist verkürzt, aber dieser Satz wurde schon kolportiert, als er von Worms auf dem Weg zur Wartburg war, vogelfrei nun, und Schutz fand unter den Fittichen von Friedrich dem Weisen. Kaiser Karl V. hatte ihn ja gefragt, ob er seine Schriften "Von der Freiheit eines Christenmenschen" und "An den christlichen Adel deutscher Nation" widerrufen wolle.
Wörtlich hat er geantwortet: "… wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde - denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben -, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!"
Solche Haltung ist auch heute möglich: Ich kann nicht anders! Wir haben die Beispiele gehört von den "rollenden Zahnärzten", Herrn und Frau Mannherz. Sie waren es leid, dass vielen schon an den Zähnen anzusehen ist, wie sehr sie sozial am Rande stehen. Von Frau Eckart, die erlebt, wie auf dem Land keine Angebote mehr für Kinder und Jugendliche zu finden sind, und jede Woche an einem Nachmittag die Kinder des Dorfes einfach einlädt. Oder denken wir an Herrn Steffen, der maßgeblich beteiligt war an einem Musikprojekt hier in dieser Region Wittenberg. Das alles sind Schritte, die zeigen: Menschen wie du und ich können etwas tun, um die Welt zu verändern.
Solches "Nicht-Anders-Können" kostet Kraft und Glaubensmut. 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges denke ich an diejenigen, die dem Kriegstaumel widerstanden haben. Die zum Frieden riefen, als die Mehrheit den Krieg schön redete. 75 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges denke ich an diejenigen, die nicht eingestimmt haben in die Ideologie des Nationalsozialismus, sondern eingetreten sind für Juden, Homosexuelle, Kommunisten, Roma. 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution denke ich an diejenigen, die in der DDR für freie Rede eingetreten sind, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Um diese Haltung geht es. In Fragen von Glauben und Gewissen ist jeder Mensch frei! Sie wurde für Protestanten immer wieder zum Vorbild, wenn sie Widerstand wagten, wann immer sie sich in der Spannung sahen zwischen dem Gebot, der Obrigkeit untertan zu sein, das der Apostel Paulus vorgibt, und dem Satz aus der Apostelgeschichte: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen".
Am Ende waren es diejenigen, die den Widerstand wagten, die für unsere Kirche zu Vorbildern wurden. Diejenigen, die sich angepasst haben, das Leid ignorierten, die Opfer missachteten - sie zählen zur Schuldgeschichte unserer Glaubenstradition. Wir können beides hineinnehmen in unsere Geschichte und aus ihr lernen. Und wir können darum beten, dass wir den Mut und die Kraft haben, immer wieder, im Kleinen wie im Großen zu sagen: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Amen.
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Predigt zur Konfirmation über Matthäus 7,24-27 von Georg Freuling
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Festgemeinde!
Fast ein Jahr Konfirmandenunterricht liegt jetzt hinter uns. Und in den letzten Wochen vor den Osterferien haben wir über den Tag heute, über Eure Konfirmation gesprochen. Was bedeutet die Konfirmation?
Konfirmation – das kommt von einem lateinischen Wort: confirmare – das bedeutet „fest machen, bekräftigen.“ Und darum geht es in diesem Gottesdienst: Ihr bestätigt Eure Taufe, Ihr bestätigt, dass Ihr zu Gott gehören, dass Ihr Euch an ihm „fest“ machen wollt.
Ihr entscheidet, welche Bedeutung Gott in Eurem Leben haben soll. Es ist wie bei vielen anderen Fragen. Ihr werden langsam erwachsen, nehmt Eurer Leben selbst in die Hand. Der Glaube ist dabei eine wichtige Hilfe.
Dazu passt eine Geschichte, ein Gleichnis, das Jesus erzählt hat. Da geht es um den Bau eines Hauses. Und ich gebe Euch diese Geschichte heute mit, damit beim Bau Eures „Lebenshauses“ alles gut geht. Ich lese Mt 7,24-27:
24) "Wer meine Worte hört und sie befolgt, ist wie ein kluger Mann, als er sein Haus baute: Er errichtete es auf felsigem Boden.
25) Dann kam ein Wolkenbruch. Die Flüsse traten über die Ufer, die Stürme tobten und rüttelten an dem Haus. Doch es stürzte nicht ein – denn es war auf Fels gebaut.
26) Wer diese meine Worte hört und sie nicht befolgt, ist wie ein dummer Mann, als er sein Haus baute: Er errichtete es auf sandigem Boden. 27) Dann kam ein Wolkenbruch. Die Flüsse traten über die Ufer, die Stürme tobten und prallten gegen das Haus. Da stürzte es ein – es fiel völlig in sich zusammen."
Wenn ich morgens aufstehe, wenn ich die Füße vor das Bett setze, gehe ich davon aus, dass ich festen Boden unter den Füßen habe. Jede und jeder von uns macht das so. Die Erde trägt uns. Das ist eine Selbstverständlichkeit, da denkt keiner drüber nach.
Aber im Leben insgesamt sieht das anders aus: Wenn etwas Schlimmes passiert, dann sagen wir schon mal: „Das zieht mir den Boden unter den Füßen weg.“ Dass unser Leben auf sicherem Boden steht, ist nicht selbstverständlich. Manchmal denken wir gar nicht darüber nach. Aber manchmal wird uns das bewusst. Das verunsichert uns. Wir fragen dann: „Was gibt mir Halt und Sicherheit? Worauf kann ich in meinem Leben setzen?“
Ihr, liebe Konfirmanden, kennt das auch. Die Erwachsenen machen Euch das klar, dass Ihr jetzt schon an Eurem Lebenshaus baut. „Mach was draus! Übernimm Verantwortung! Du wirst jetzt erwachsen.“ Auch ich habe das im Unterricht eingefordert: Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Manchmal haben wir darum gerungen.
Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Aber – das kann einen auch verunsichern:
Bin ich auf dem richtigen Weg? Wie kann ich mir sicher sein? Keiner will sein Leben in den Sand setzen! Keiner von uns will es machen wie der zweite Mensch in dieser Geschichte: Sein Haus stürzt ein, weil er es auf Sand gebaut hat.
Keiner von uns wünscht Euch Konfis das! Eure Eltern nicht – ich auch nicht! Deshalb schauen wir besser auf den Menschen, bei dem es gut geht! Denn da finde ich das, was ich Euch heute mitgeben will:
Einen Bauplan für ein Lebenshaus, das sicher und fest steht!
Es ist ein Bauplan mit drei Regeln, die ich Euch in dieser Predigt mitgeben möchte:
Regel Nr. 1: Es kommt auf das Fundament an.
Das erste Haus stürzt nicht ein, weil es auf festem Boden steht, auf Felsen. Deshalb ist der Mensch, der es gebaut hat, klug: „Er errichtete sein Haus auf felsigem Boden.“
Auf das Fundament kommt es an. Was ist das für ein Fundament? Mir fällt auf: Diese Felsen sind schon da, bevor der Hausbau beginnt. Der kluge Bauherr hat nach einem guten Platz gesucht. Und er hat diesen Felsen gefunden.
Genau so ist das, wenn Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, an Eurem Lebenshaus baut. Das ist wichtig, dass Ihr das nicht vergesst: Den Grund unseres Lebens legt keiner von uns selbst. Der ist schon da.
Warum?
Keiner von uns kann leben, ohne dass ihn jemand bejaht - ohne wenn und aber. Keiner von uns kann leben, ohne dass ihn jemand liebt. Das gibt uns Menschen Sicherheit, das gibt uns einen festen Boden unter die Füße.
Und Ihr habt das schon erlebt: Ihr feiert heute mit den Menschen, die Euch wichtig sind. Die sind Euch wichtig, weil Ihr das bei denen gespürt habt, weil die Euch Halt und Sicherheit gegeben haben.
Da sind Eure Eltern. Natürlich habt Ihr immer öfter andere Ansichten, natürlich kracht es immer wieder mal. Aber eigentlich meinen die es gut mit euch, die haben euch lieb. Selbst dann wenn sie sich über Euch aufregen, und wenn Euch das nervt - die täten das ganz bestimmt nicht, wenn Ihr ihnen gleichgültig wärt.
Verlässliche Beziehungen geben uns Sicherheit und Halt. So erlebt Ihr das auch bei guten Freunden. Auf die könnt Ihr zählen, auf die könnt Ihr Euch verlassen. Solche Freunde sind wichtig, auch wenn sie einem ungeschminkt die Wahrheit sagen.
Kein Mensch kann leben, ohne dass ihn jemand bejaht. Kein Mensch kann leben, ohne dass ihn jemand liebt.
Was wir durch andere Menschen erfahren, das ist genau so bei Gott: Er will für Euch da sein, weil Ihr ihm wichtig seid. Sein Ja gilt auch dann, wenn Ihr Fehler macht. Dieses Ja Gottes zu uns Menschen – das ist ein solides Fundament. Darauf könnt Ihr setzen. Das ist der Grund, auf dem Ihr Euer Lebenshaus bauen könnt!
Ihr habt schon ein Fundament, ohne dass Ihr selbst etwas dazu beigetragen habt. In der Taufe wurde Euch Gottes Ja zugesprochen, weil SEIN Ja allen unseren Entscheidungen vorausgeht. Dieses Ja Gottes – das ist wie ein solides Fundament, auf dem wir unser Lebenshaus bauen können. Wer darauf baut, der hat festen Boden unter den Füßen.
Regel Nr. 2: Auf diesem Fundament ist viel möglich.
Wie Euer Lebenshaus eines Tages im Einzelnen aussieht, das hängt von Euch ab. Hauptsache ist, dass das Fundament stimmt.
Wie viele Zimmer es da gibt, wie viele Stockwerke – das könnt Ihr entscheiden. Auch die Wahl der Inneneinrichtung ist Eure Sache. Ihr dürft Euch aussuchen, welche Tapeten an die Wände kommen, wie die Fliesen im Bad aussehen, welche Möbel Ihr aufstellt – Ikea oder Maßarbeit.
Lasst Euch dabei nicht von dem irritieren, was andere denken und sagen. Das braucht Ihr nicht – solange das Fundament stimmt.
Das gilt auch für Sie, liebe Eltern. Vielleicht verfolgen Sie ja den Bau mit Sorgen. Aber – auf das Fundament kommt es an. Wie das Haus dann schließlich aussieht, das werden Sie nach und nach Ihren Kindern überlassen. Jedes Detail werden Sie nicht bestimmen können. Versuchen Sie es besser erst gar nicht. Wahrscheinlich werden Ihnen die Klamotten ihrer Kinder nicht immer gefallen. Wahrscheinlich wird Ihnen die Musik manchmal zu laut sein. Aber: Das ist Geschmackssache. Das sind Kleinigkeiten, sie sagen nichts über die Stabilität des Hauses aus – da kommt es auf das Fundament an.
Liebe Konfis, Ihr habt ein festes Fundament. Auf Gott könnt Ihr Euch verlassen. Und wie Ihr dann Euer Lebenshaus dann baut, das werdet Ihr immer mehr selbst entscheiden. Da seid Ihr frei!
Es gibt nur eine Bauvorschrift, die Ihr berücksichtigen müsst. Deshalb – dritte und letzte Regel:
Die einzige Bauvorschrift ist - die Liebe.
Es ist genauso einfach, wie ich es jetzt gesagt habe. Es ist auch kein Zufall: diese Bauvorschrift trägt denselben Namen wie das Fundament.
"Wer meine Worte hört und sie befolgt, ist wie ein kluger Mann, als er sein Haus baute: Er errichtete es auf felsigem Boden“ So beginnt diese Geschichte vom Hausbau. Sie steht am Ende der Bergpredigt. Und da geht es um nichts anderes.
Das ist die Botschaft Jesu: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Oder als gut zu merkende Faustregel mit den Worten Jesu: „Was ihr wollt, das Euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“
Es ist wichtig, dass wir unser Lebenshaus nicht auf Kosten anderer bauen. Deshalb: Vergesst nicht die Menschen um Euch herum! Es ist wichtig, dass Ihr denen die Verlässlichkeit bietet, die Ihr Euch selbst wünscht, die Ihr selbst zum Leben braucht!
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wenn Ihr Euch das zu Herzen nehmt, dann wird der Bau Eures Lebenshauses gelingen. Mehr als das: Wenn Ihr Euch das zu Herzen nehmt, dann werdet Ihr auch Freude haben an diesem Haus. Und das wünsche ich Euch von ganzem Herzen. Amen.
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11.5.14 Berlin: "Was ist Dein Fundament?"
Vom Hausbau
Jesus spricht: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß. (Matthäus 7, 24-27)
Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein:
Liebe Gemeinde,
was für ein dramatisches Bild, das Jesus da am Ende seiner Bergpredigt benutzt: das Haus, das auf festem Grund steht und deshalb Sturm, Wind und Regen trotzen kann. Und das andere Haus, das auf Sand gebaut ist und in sich zusammen stürzt, sobald die Kräfte der Natur an ihm rütteln.
Schon als Kind hat mich diese Geschichte beeindruckt. Ich war mir sicher, dass ich nicht so dumm sein würde, mein Haus auf Sand zu bauen. Nun bin ich schon lange kein Kind mehr und weiß: im Leben ist es nicht immer ganz so einfach. Fels und Sand, richtig und falsch, so deutlich identifizierbar ist das Material des Lebens meistens nicht Was trägt und was nicht, das merkt man manchmal erst viel später.
Und trotzdem fasziniert mich das Bild und wahr bleibt für mich: es braucht im Leben einen tragenden Grund. Gerade weil es ja die Stürme gibt, die uns durchschütteln. Und das Wasser, das über uns zusammenschlagen kann.
Und das gilt genauso für die Gesellschaft. Wenn man Nachrichten hört, kann man schon ab und zu den Eindruck haben: die Probleme, die da auf uns zukommen und vor denen unsere Politikerinnen und Politiker stehen, die gleichen manchmal einem Meer bei Windstärke sieben oder acht. Und die Weltprobleme erst recht. Und da ist es noch nicht ausgemacht, ob unser Haus auf Fels gebaut ist oder vielleicht doch auf Sand.
Worauf also bauen wir? Und was leitet unser tagtägliches Tun? Wie ist das bei Politikerinnen und Politkern? Wir haben unsere drei Gäste gebeten, uns zu sagen, was diese Jesus-Geschichte für sie und für ihr Leben und Arbeiten bedeutet. Kerstin Griese macht den Anfang:
Kerstin Griese (SPD):
Ich überlege, was mein Fels ist, auf den ich gebaut habe. Mein christlicher Glaube ist ein solcher Fels, ein Wertefundament. Mein Glaube wirkt wie ein Kompass, den ich selbst aktiv orten muss und der eine Grundlage für meine politische Arbeit bietet. Aber der Glaube ist nicht wie ein Navi, das wie die Stimme aus dem Auto genau ansagt, wo es lang geht. Das muss man selbstverantwortlich entscheiden.
Ich wünsche mir Politik, die auf Fels gebaut ist, die auf Werten und Grundsätzen beruht. Nachhaltige und gute Politik ist eine, die nicht auf Sand gebaut hat, sondern die stabil ist. Eine Politik, die auch die künftigen Generationen in den Blick nimmt und die über den Tag hinaus denkt. Für mich bedeutet das politische Engagement aus meinem Glauben heraus, mich für die Menschen einzusetzen, zu den Schwachen, den Armen, den Arbeitslosen gehören, damit alle in diesem Land eine gute Chance haben, damit sie Solidarität und Gerechtigkeit erfahren.
Dr. Franz Josef Jung (CDU):
Ich glaube, wir können Jesus bedingungslos vertrauen, indem wir uns an seine Worte halten - gerade auch dann, wenn wir durch eine schwierige Zeit gehen. Und uns Dinge das Leben erschweren, die wir nicht selbst beeinflussen können, wie Wind und Wasser. Wenn wir ihm und den Worten der Bergpredigt folgen und sie auch in unseren Taten zeigen, bauen wir auf festem Grund. Wer Gott vertraut und nach ihm handelt steht somit auf festem Grund, ist geerdet, findet Halt.
Für mich ist der Text daher ein Leitfaden für mein tägliches Leben – als Politiker aber selbstverständlich auch als Privatperson. Zum einen sind die Worte für mich in den schnellen Tagesabläufen und bei wichtigen Entscheidungen ein Kompass, der mir stets den Weg zeigt. Zum anderen waren und sind sie mir Trost und Kraftquelle auf schwierigen Wegstrecken des Lebens.
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen):
Am Ende der Bergpredigt geht es Jesus um die Praxis: Hört nicht nur zu und nickt verständnisvoll, sondern handelt. Besonnen und klug zu handeln ist gerade in der Politik eine ständige Herausforderung. Manchmal geht es mehr um Machtstrategien, als um die Sache.
Als Politikerin oder Politiker ist man meistens davon überzeugt, dass das eigene Haus felsenfest steht. Und erst in der Diskussion und vor allem in der Praxis wird klar, ob man wirklich auf Fels gebaut hat, oder eben doch auf weichem Sand. Als klug erweist sich dann das, was nachhaltig den Menschen Nutzen bringt, was eben auch nach Sturm und Regen noch trägt.
Wie so oft finden wir bei Jesus keine detaillierten Handlungsanweisungen. Das bedeutet für mich, dass ich mich immer wieder neu fragen muss: Entspricht das, was ich hier tu, wirklich dem, wovon ich überzeugt bin, woran ich glaube? Klug sein heißt dann – nicht starren Regeln folgen, sondern immer neu das Gute suchen, das Alte hinterfragen, zweifeln, sich selber und den Grund, auf dem man steht, prüfen…
Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein:
Liebe Gemeinde,
"Bei Jesus finden wir keine detaillierten Handlungsanweisungen"- haben wir eben gehört. Stimmt. Er hat zum Beispiel nichts dazu gesagt, ob es richtig ist, dass langjährig Versicherte mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können. Und auch für die Frage, wie man nun im Konflikt mit der Politik Putins in der Ukraine umgeht, finden wir bei ihm keinen Hinweis. Hier muss man selbstverantwortlich entscheiden. Und es gibt keine Garantie dafür, mit der eigenen Entscheidung richtig zu liegen. Und doch ist es gut, wenn man für diesen schwierigen Weg so etwas wie ein Fundament, eine Orientierung am Glauben hat.
Ich bin froh, dass es in der Politik Männer und Frauen gibt, die sich bewusst zu ihrem Glauben bekennen und es sich damit nicht immer leicht machen. Gerade weil unser demokratischer Staat von sich aus weltanschaulich neutral ist, braucht er Menschen, die sich immer wieder bewusst an Werte binden.
Was sonst hilft uns denn, den Gedanken eines solidarischen Miteinanderlebens in der Gesellschaft zu verteidigen gegen das immer mehr um sich greifende "Jeder ist sich selbst der Nächste"? Und in dem Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar", dem wichtigsten Satz in unserer Verfassung, begegnen wir einem Menschenbild, das im Schöpfungsglauben vorgegeben ist, in der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Wie wollen wir auf Dauer diese Menschenwürde verteidigen, wenn wir nichts mehr wissen wollen von dem Glauben, aus dem sich dieser Gedanke speist?
Mir würde es vor einer Gesellschaft grausen, in der es nur noch um Interessen und nicht mehr um Werte ginge. Wenn uns das Fundament des christlichen Menschenbildes abhandenkäme und wir uns nur noch von Ökonomie und den Gesetzen des Marktes regieren ließen. Das wäre für mich wie ein Haus, das auf Sand gebaut ist und von dem die lateinische Bibelübersetzung am Ende sagt: Et fuit magna ruina, am Ende steht also der große Ruin.
Politische Entscheidungen zu treffen ist ein schweres Geschäft. Das war mir lange nicht klar. Ich dachte: "Wunderbar, da hat man Macht und steht auch noch im Rampenlicht." Heute sehe ich viel stärker die Verantwortung: was ist, wenn die Entscheidung, an der ich mitwirke, die ich fälle, doch nicht die bestmögliche ist? Ich beneide Politiker und Politikerinnen nicht. Denn es wiegt schwer, gute verantwortbare Entscheidungen zu treffen. Dafür braucht es festen Boden unter den Füßen, einen tragfähigen Grund.
Der Untergrund, auf den mein Lebenshaus gebaut ist, besteht aus verschiedenen Schichten: Die tiefste Schicht ist das Vertrauen: Ich bin ein Kind Gottes.Das ist das Fundament meines Glaubens. Gott ist größer als alles, was wir erdenken können. Dieses Vertrauen schützt -hoffentlich!- vor jedem Größenwahn und jeder Selbstherrlichkeit.
Daraus erwächst eine weitere Schicht: eine gewisse Demut in Bezug auf meine Entscheidungen. Sie sind und bleiben menschlich und begrenzt, können falsch sein. Selbst bei bestem Wissen und Gewissen: solange die Welt so ist wie sie ist, solange muss ich damit leben, dass es Entscheidungen gibt, die nicht allen gerecht werden. Es ist Größenwahn zu glauben, wir könnten es immer richtig machen. Und deshalb ist es gut, wenn wir noch eine dritte Schicht im Fundament unseres Lebens kennen: Vergebung. Vergebung von Gott, Vergebung von unseren Mitmenschen und Vergebung für unsere Mitmenschen.
Wenn diese verschiedenen Schichten, dieses - ich nenn es mal - "Glaubensmaterial" sich gut vermischen und verdichten, dann steht mein Lebenshaus auf festem Grund. Und nicht nur meins, ich baue ja nicht alleine. Es gibt überall Verbündete. Leben und Politik ist eine gemeinsame Sache. Das griechische Wort politeuestai heißt übersetzt: "als Bürger leben". Und das bedeutet weder: ich akzeptiere die Welt wie sie ist und mein Glaube gehört ins private Kämmerchen! Noch heißt es: wir schaffen das Reich Gottes aus eigener Kraft. Im Koalitionsvertrag der CDU und SPD von Thüringen 2009 steht es sehr treffend: "In der Politik geht es nicht um letzte Fragen, sondern um richtige Lösungen".
Damit bleibt Politik auf dem Boden. Zu hohe Erwartungen an sie führen nämlich zu großen Enttäuschungen. Und dann gibt es einerseits heftige Politikerschelte, andererseits der Ruf nach einem starken Staat, der alles richten soll. Wir brauchen eine neue Kultur im Umgang miteinander. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen müssen die Chance haben, sich selbst zu korrigieren, ohne gleich medial abgeschossen zu werden. Politiker, die auch mal sagen können: da habe ich etwas falsch gemacht! die beeindrucken mich. Und wir brauchen Bürger und Bürgerinnen, die Politiker kritisch, aber respektvoll begleiten und anerkennen, was sie tun. Wir brauchen ein Klima in dem das möglich ist, damit Menschen den Mut und die Lust haben, Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu fällen. Damit wir biblisch gesprochen: "Tun was uns vor die Hände kommt" (1. Sam. 10,7).
Amen.
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Soldaten fallen einfach um. Entwaffnende Ostern! - Predigt zu Matthäus 28,2-8 von Margot Runge
Soldaten fallen einfach um. Entwaffnende Ostern!
Plötzlich bebte die Erde. Ein Engel Gottes stieg vom Himmel herab, trat an das Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf. Der Engel sah wie ein Blitz aus und seine Kleidung war weiß wie Schnee. Die Wächter wurden von Furcht geschüttelt und fielen wie tot um.
Der Engel sagte zu den Frauen: »Ihr sollt euch nicht fürchten! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier. Denn er ist aufgestanden, so wie er es gesagt hat. Kommt her und seht die Stelle, wo er gelegen hat! Und jetzt geht schnell los und sagt zu seinen Jüngern, dass er von den Toten aufgestanden ist! Er geht euch voran nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Seht, ich habe es euch gesagt. «
Die Frauen gingen eilig von der Grabkammer fort in Ehrfurcht und großer Freude und rannten, um es den Seinen zu sagen. (Matthäus 28,2-8, Bibel in gerechter Sprache)
Liebe Kinder, liebe Erwachsene,
wann passiert es schon einmal, daß Soldaten vor Schreck umfallen? Sie schlottern, bis die Rüstung scheppert, das Visier klappt herunter und die Schwerter poltern zu Boden. Ein Bild zum Lachen, dabei sollen sie doch Angst und Schrecken verbreiten. Das ist doch ihre Aufgabe als Soldaten.
Angst und Schrecken verbreiten Soldaten auch heute. Die ganz alten Leute könnten davon noch erzählen, was sie als Kinder erlebt haben im letzten Weltkrieg. Aber weil es so schrecklich war, reden sie nicht gern darüber.
Oder wir könnten Kinder aus anderen Ländern fragen, deren Eltern als Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Die haben ihr Leben manchmal nur mit knapper Mühe gerettet und träumen nachts immer noch davon, wie Männer mit Gewehren oder Stöcken an ihre Tür wummern.
Den Soldaten rutschen die Waffen aus den Händen. Das wäre ein richtig guter Tag für die verstörten Gesichter hinter den Wohnungstüren dieser Erde. Ihnen kann nichts mehr passieren. Die Soldaten haben nichts mehr, mit dem sie drohen und prügeln können, erpressen und verhöhnen. Sie gucken selbst verblüfft und klappen die Augen verdutzt auf und zu. Keine Schwerter, keine Pistolen, keine Schlagstöcke, keine Anrufe in der Nacht. Das wäre ein richtig guter Tag. Ein Ostertag. So war es ja.
Ostern fallen die Wachen am Grab einfach um. Der schwere Stein vor dem Eingang ist weggerollt. Das Grab ist leer, der Gefangene frei. Ein richtig guter Tag, an dem selbst der Tod seine Macht verliert.
Ostern steht Jesus auf und entwaffnet alle, die anderen Angst und Schrecken einjagen. Auch bei uns. Solche kennt ihr vielleicht auch. Die sich aufspielen. Die hämisch lachen, dumme Witze reißen, die Kleinen piesacken, alle nach ihrer Pfeife tanzen lassen, andere heimtückisch hereinlegen. Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer, heißt es in der Bibel (Psalm 46,10).
Die Erwachsenen denken vielleicht an weltweite Konzerne, die die Erde ausplündern. Sie scheren sich nicht darum, wenn ganze Länder in Elend und Gewalt versinken. Sie bedrohen alle, die ihr Recht auf Gewinn beschneiden wollen, und lassen sich von Heerscharen gutbezahlter Anwälte verteidigen. In Südamerika habe ich das beobachtet. Wir in Europa profitieren von diesem System. Aber wir merken inzwischen, wie es auch uns auffrißt.
Ostern steht Jesus auf und entwaffnet alle, die anderen Angst und Schrecken einjagen. Auch bei uns. Großmäulern verschlägt es die Sprache. Die Wehrlosen lassen sich nicht mehr einschüchtern. Verspottete lachen zurück. Scheue machen plötzlich den Mund auf und protestieren. Dann wird auch bei uns ein bisschen Ostern. Jesus ist aufgestanden, aus dem Gefängnis, ja von den Toten. Jesus ist aufgestanden gegen den Tod. Er macht den Kleinen und Machtlosen Mut. Er macht uns Mut, gibt uns Kraft, damit auch wir aufstehen. Amen.
Liedvorschlag: Das könnte den Herren der Welt ja so passen (Kurt Marti)
Gebet mit Ps 46,10 (gesprochen) als Kehrvers:
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Menschen in Ländern, in denen Krieg und Terror herrscht.
[ein Stab wird zerbrochen]
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Kinder, die zuhause Gewalt erleben, äußere und innere.
[ein Stab wird zerbrochen]
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Menschen, die eingeschüchtert, erpreßt oder unter Druck gesetzt werden.
[ein Stab wird zerbrochen]
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Menschen, die mutig der Gewalt entgegentreten.
[eine Blume wird gelegt]
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Menschen, die Verspotteten beistehen und sie in Schutz nehmen.
[Eine Blume wird gelegt]
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Wir beten für Menschen, die sich für Versöhnung einsetzen.
[Eine Blume wird gelegt[
Gott setzt den Kriegen ein Ende, zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer.
Liedvorschlag: Alle Knospen springen auf, fangen an zu blühen
Vater unser im Himmel ...
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KONFI-IMPULS zu Matthäus 27,31-56 von Thomas Ebinger
„Hinter dem Vorhang des ‚Warum?‘“
In der württembergischen Continua-Reihe sind lange Predigttexte zu bedenken – für den Karfreitag ist das die Darstellung von der Verspottung Jesu bis zu seinem Tod. Zwei Punkte erscheinen mir dabei bedenkenswert, um mit Konfirmandinnen und Konfirmanden den Gottesdienst zu gestalten: Die Frage Jesu „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (v.46) und das Zerreißen des Vorhangs im Tempel im Augenblick seines Todes (v.51).
Ich lasse Konfirmandinnen und Konfirmanden zu Beginn des Konfi-Jahres notieren: „Wenn ich Gott eine Frage stellen könnte, würde ich fragen …“ Da kommt die Frage nach dem „Warum“ des Bösen in verschiedenen Variationen vor: „Warum lässt Gott das Elend vor Lampedusa zu?“ „Warum leiden bei uns Menschen unter Übergewicht und woanders verhungern sie?“ „Warum musste meine Mutter so früh sterben?“ … Das Gefühl, von Gott verlassen zu sein oder dass er gar nicht da ist, ist durchaus präsent und damit auch eine Nähe zur Klage Jesu – die sich aber trotz des Gefühls der Verlassenheit an Gott wendet.
Die Fragen und Glaubenszweifel sind wie ein Vorhang, der uns Gott verhüllt. Dazu gehört bei Konfirmanden auch die Frage nach der Zukunft. Dazu formulieren sie immer wieder ebenso ihre Fragen an Gott: „Werde ich ein VIP?“ „Bleiben in meiner Familie alle gesund?“, manchmal auch: „Wie lauten die Lottozahlen am Samstag?“
Das Kreuzesgeschehen weist den Weg, mit diesen Fragen Jugendlicher umzugehen. Jesus, der mit seiner „Warum-Frage“ (oder „Warum-Klage“) an Gott festhält – trotz aller Verlassenheit. Und der Tempelvorhang, der zerreißt und damit den Blick und Weg öffnet zu Gott.
Zur Gottesdienstvorbereitung beschriften die Konfirmanden einen Vorhang mit ihren Fragen an Gott. Damit werden Altar und Kreuz verhüllt. Vor der Textlesung wird das so gesagt: „Manchmal kommt uns Gott weit weg vor. Wie verhüllt durch einen Vorhang. Wir sind getrennt von ihm durch unsere Fragen und Zweifel.“ Dann tragen die Konfirmanden einzelne ihrer Anfragen vor. Danach wird der Bibeltext mit verteilten Rollen gelesen (Erzähler, Volksmenge, Älteste, Jesus, Hauptmann) – eventuell durch Liedstrophen unterbrochen. Bei Vers 51 wird der Vorhang zerrissen, Altar und Kreuz sichtbar. In der Predigt wird das thematisiert: Gott macht sich sichtbar im Leiden seines Sohnes, der uns durch unser Leiden hindurchführt.
Falls das Verhüllen des Altars nicht möglich ist, können die Konfirmanden auch einen „lebenden Vorhang“ vor dem Altar bilden und ihre Fragen auf Schildern hochhalten. Bei der Lesung von Vers 51 gehen sie dann auseinander.
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‚Alles auf eine Karte?!‘ - Predigt zur Konfirmation über Matthäus 13,44-46 von Jochen Riepe
‚Alles auf eine Karte?!‘
‚ Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte , und kaufte sie‘.
I
‚Himmelreich‘ – was ist das eigentlich? ‚Je ne sais pas ( quoi )‘, sagt man in Frankreich und ‚It’s difficult to explain‘ in England. Bei uns in Westfalen zuckt man cool mit den Schultern : ‚Schon `mal gehört‘. Nicht wahr : Es gibt Menschen , die wissen viel und haben doch keine Ahnung.
II
Jesus war kein Historiker aus Alexandria. Er war kein Philosoph aus Athen und kein Jurist aus Rom. Jesus war ein Handwerkersohn vom Lande . Wahrscheinlich hatte er kein großes Wissen in unserem Sinne. Er las die Schriften und sang und betete die Lieder Israels. Er sah den Menschen zu , den Kindern , den Bauern , Fischern und Kaufleuten , und aus all dem formte sich und formte er die Sprache seiner ‚Ahnung‘, seiner Hoffnung. Das Himmelreich gleicht einem Schatz im Acker. Es gleicht einer Perle, für die man alles hingibt , nur um ihrer teilhaftig zu sein.
III
Ihr , liebe Konfirmanden, fühltet euch von diesen Bildworten oder Gleichnissen angesprochen , und als ich fragte , was es denn sei, was euch da anspricht , da klangen eure Worte eher französisch : ‚Je ne sais pas quoi‘. Das kommt ja oft im Leben vor , daß einem etwas gefällt und man weiß nicht genau , warum . ‚Warum liebst du mich?‘ fragt sie und er antwortet : ‚Reicht es nicht , daß ich dich liebe? Mußt du auch noch wissen , warum?‘ Vieles im Leben ist Ahnung , Hoffnung , Schwingung , Klang . Man fühlt sich angezogen wie von einer unnennbaren Kraft und tut dann Dinge , ja, die auch etwas schräg sein können.
IV
Denn besonders wahrscheinlich , geschweige denn vernünftig ist es ja nicht, wie der Kaufmann da agiert . Eine Perle für alles andere? Mag sie noch so kostbar sein … was werden seine Angestellten gedacht haben ! Was wird seine Familie geschimpft haben : ‚Du ruinierst uns!‘ Das ist ja wie eine
Sucht , wie ein Spleen – diese verrückte Versessenheit , diese Ergriffenheit von der einen Sache , die es sein muß. Man mag sich die Folgen gar nicht ausmalen. Im Alltag handeln wir anders , maßvoller : Wir streuen sozusagen unseren Einsatz , setzen darauf , darauf aber auch … Es ist schön , gut im Sport zu sein , aber Mathe und Deutsch sind auch wichtig … Alles auf eine Karte , alles auf ein Fach – eher unwahrscheinlich.
V
‚und er verkaufte alles , was er hatte, und kaufte sie‘ – das ist wie Himmelreich , sagt der vielleicht nicht viel wissende, aber ahnungsstarke Jesus .Sie , liebe Eltern , fanden neulich anläßlich unseres Elternabends eine besonnene , soz. zivile Auslegung dieses etwas schrägen Verhaltens – etwa so : Dieser Kaufmann, der alles für eins gibt, ja, er gibt seinem Leben gewissermaßen einen Schwerpunkt , eine Haltung und Ausrichtung. Er vollzieht ein Ranking : Was steht oben an und was kommt danach an zweiter , dritter Stelle. Im Angesicht der vielen Möglichkeiten , die uns wie ein Mückenschwarm umschwirren ; in der ständigen Angst, das Falsche zu wählen , in dieser Lähmung , sich entscheiden zu müssen und dann doch wieder einmal das Wichtige im Leben zu verpassen , da hat er geistesgegenwärtig seinen Fund gewichtet, einen Schnitt gemacht und den Augenblick glücklich ergriffen … frei nach Udo Lindenberg : ‚Nimm dir das Leben / und laß es nicht mehr los.‘
VI
Eure besonnenen Eltern sind sogar noch einen Schritt weitergegangen und danke , lieber Konfirmandenvater , daß Sie uns die Richtung gaben : Liebe. Das , was wir so schwer erklären können, wo uns die Sprache versagt , was wir aber erahnen und erhoffen unser ganzes Leben lang , das ist eben jene Macht der göttlichen und menschlichen Liebe. Wenn wir sie finden , oder besser : von ihr gefunden werden, dann bekommt alles andere erst seinen Platz und das rechte Gewicht. Solange ich ohne diesen Schatz bin – oder mich ohne ihn fühle - , kann vieles mich gefangen nehmen oder besetzen, mir Angst machen und mich in Schach halten. Mein Leben ist dann voll, aber ohne das ‚gewisse Etwas‘ ; und eben : ohne dieses ‚gewisse Etwas‘ , diesen Frühlingsblüten-Schimmer der Dinge, ohne dieses Geheimnis ist alles grau und gleichgültig. ‚Himmelreich‘, sagt Jesus, Gottes Reich , denn Gott und Liebe gehören zusammen ; sie halten sich gegenseitig.
VII
Jetzt denkt mancher Patenonkel vielleicht :‘ Ich wußte es . In der Kirche endet alles wieder bei der Liebe‘. Darum muß ich jetzt am Ende meiner Rede aufpassen. Auf das Wort kommt es nicht unbedingt an . Sagt statt Liebe , Gott oder Himmelreich einfach eine Zeitlang : Mein X , meine Unbekannte , meine Ahnung , mein ‚Je ne sais pas quoi‘ *, mein Rosenschimmer, meine Wunde und Verletzbarkeit – jene Unbekannte , die mich sucht und der ich in allem auf der Spur bin. Zum Leben gehört Lernen und Arbeiten , es gibt Zeiten der Entbehrung , des Leidens und des Verzichts. Es gibt
Zeiten des Aufbaus und der Erfolge … möge in Eurem Leben , liebe Konfirmanden , dies alles ein Vorzeichen haben , ein X eben … it’s difficult to explain , aber es ist dir begegnet und es wird dir begegnen und dann greif zu und stelle anderes hintenan.
VIII
Es gibt Menschen , die wissen viel und haben doch keine Ahnung. Jesus war kein Wissenschaftler oder Philosoph. Jesus lebte aus und erzählte von einer großen Hoffnung : die Liebe Gottes wird diese gewaltsame Welt gut machen und versöhnen. Himmelreich. Mit der Taufe haben wir uns in den Machtbereich dieser Hoffnung gestellt . Der Gott , den wir suchen , ER wird uns finden. ER hat uns gefunden . Ihn soll nun unser Bekenntnis loben.
*Markus 4,27