Predigt zu Lukas 5,1-11 von Joachim Hempel
'Hast du das auch gut überlegt?' - meine Güte, denke ich heute, wie oft haben es Gutmeinende dir ins Gewissen eingesprochen: 'Hast du das auch gut überlegt? - denn nur nach reiflicher Überlegung lässt doch Unsereiner alles stehen und liegen und haut einfach ab; oder etwa nicht?
Die Geschichte von den übervollen Netzen, von Wunder und Erschrecken endet ja in erstaunlicher Weise mit einem Knüller: „Und sie brachten die Boote an Land und verließen alles und folgten ihm nach.“ - Nun gut, Jesus-Geschichten Gewohnte werden schnell sagen, bei ihm, dem Meister, dem Gottgesegneten ist nicht immer alles logisch und rational überlegt, gerade das mögen wir ja an ihm, dieses spontane, aus Gottes gutem, heil machenden Heiligen Geist entspringende Reden und Tun.
Aber ehrlich, Hand auf's Herz: ...verließen alles und folgten ihm nach – wie oft haben Sie und ich im Leben so entschieden, so gehandelt – auch gerade wir in Jesu Nachfolge uns 'Christen' Nennende?
Lukas verleiht der Geschichte einen mehrfach gebauten Spannungsbogen, der aus des Alltag Alltäglichkeit in die Begegnung mit Gottes Wirklichkeit reicht: Der Zulauf der Zuhörer ist so groß, der Andrang der Nachdrängenden ist so gewaltig, dass Jesus auf Abstand gehen muss, sonst könnte er im Gedränge Atemnot kriegen und sein Wort in der Bedrängnis unhörbar werden. Im Abstand Halten liegt die Kraft! - Dann: die Netze flickenden Fischer, die nach der Nacht-Arbeit erfolglos zurück müde am Ufer Notwendiges tun, rudern mit und für ihn nochmal auf den See. Was soll's, werden sie gedacht haben, und im abwinkenden Zweifel füllen sich die Netze mehr und mehr; nur mit vereinten Kräften können sie ihr Glück in Netzen fangen.
So würde die Geschichte vom Gutes tuenden Menschenfreund Jesus ja schon reichen. Aber Lukas setzt noch eins obendrauf, denn jetzt geht es um Furcht und Schrecken, um Gewissensnöte im Unfassbaren; und Jesus: „Fürchte dich nicht!“ Lukas nimmt auf, was er schon am Beginn seines Evangeliums von Jesus Christus in der Geburtsgeschichte in Bethlehems Stall aus himmlischen Höhen hatte quasi als Überschrift verkünden lassen: Fürchtet euch nicht, denn siehe ich verkündige euch große Freude... - Diese große Freude vom Heiland, der der Welt und den Menschen zugute vom Himmel gekommen ist und Fleisch angenommen hat – wie unser Credo das nennt, tut im Alltag der Menschen genau dies: er nimmt Angst und Furcht und wandelt sie in Freude und Hoffnung und macht dadurch Glauben stark.
Dieser Glaube ist bei Simon, Jakobus, Johannes und wohl Simons Bruder Andreas so groß, dass die sich nicht von vollen Netzen, gutem Gewinn und flottem Einkommen faszinieren lassen, sondern den Urheber des guten Lebens so vertrauensvoll ansehen, dass sie in seiner Nähe bleiben und mit ihm und den Menschen noch ganz andere Geschichten der Hoffnung, der Liebe, des Glaubens erleben wollen.
Habt ihr das auch gut überlegt? Werden manche der Umherstehenden, der Freunde, Fischerkollegen, der Familien gedacht oder auch laut gerufen haben, und die Antwort lautet: NEIN! Schlicht und einfach NEIN!
Das Wunder des Lebens geht nicht in der Fähigkeit des Denkens und rationalen logischen Tuns auf; das Leben ist höher und weiter, umfassender und wunderbarer, und es gibt Situationen im Leben, wo 'alles oder fast alles oder mindestens etwas stehen und liegen lassen' dem Leben seine Atemfreiheit zurück gibt, den Blick weitet, das Herz kräftig schlagen lässt: das ist das Reich des Vertrauens, des Zutrauens, der Liebe und Hoffnung. Jedenfalls wären die Fischer vom See nicht Jünger, Apostel, Evangelisten, Gottes Menschenfreunde geworden, wenn sie den Augenblick am Ufer nicht begriffen hätten.
Die Kirche dankt es ihnen bis heute, denn sie stehen bei uns in hohem Ansehen, wir freuen uns über solche Jesu Jünger. Und bei den bedenklichen Nachfolgegeschichten unserer Tage, wo junge Leute sich im Internet von schwarz vermummten Sturmgewehrträgern zum Kampf für einen Gottesstaat locken lassen, um dann in Syrien oder im Irak mal ebenso für einige Monate Menschen tot zu schießen, bei diesen und ähnlich teuflischen Geschichten sind uns Simon, Jakobus, Johannes und Andreas doch noch in ganz anderer Weise 'Väter des Glaubens': 'Fürchte dich nicht' steht gegen 'Furcht und Schrecken mit tödlicher Gewalt' - das dürfen wir nie aus den Augen verlieren: wir sind Gottes Heiligen Geistes Kinder und stehen in der Verantwortung vor ihm und vor uns anvertrauten Menschen!
Amen
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Zieh deinen Weg - Predigt zu Lukas 15,1-3.11b-32 von Manfred Wussow
Zieh deinen Weg
Herbert Grönemeyer, Liedermacher, hat einem seiner Lieder den Titel gegeben: „Zieh deinen Weg.“
Das hört sich dann so an:
Zieh deinen Weg
Folg deinen eigenen Regeln
Zieh deinen Weg
Keine Angst vor richtig und falsch
Wer die Wahrheit kennt
ist niemals überlegen
Vertritt deinen Punkt
aber zeug immer von Respekt
Das Lied erzählt von einer großen Freiheit – und von einer großen Sehnsucht: den eigenen Weg zu gehen, ohne Angst vor “richtig“ und „falsch“, aber auch ohne jede Überheblichkeit. Ganz schön brisant – und bescheiden: „Wer die Wahrheit kennt, ist niemals überlegen“.
Am Ende klingt das Lied aus – es klingt wie ein Resümee:
Lüge nicht
Geh dem Kummer nicht entgegen
Prüfe dich
ob du weißt, wovon du sprichst
Zweifel nicht
Jeder Berg lässt sich bewegen
Gib nie auf
Sei bereit fürs große Glück.
Nicht dem Kummer entgegenzugehen, wird als Wunsch und als Hoffnung formuliert. Für wen? Ist es eine Warnung, eine Ahnung, ein Wunsch? Wer sich auf den Weg macht, nur seinen eigenen Regeln folgt und ohne Angst vor „richtig“ und „falsch“ - könnte dem Kummer entgegengehen. Es gibt Menschen, die sagen im Brustton der Überzeugung: wird dem Kummer entgegengehen!
Im Lied heißt es: Lüge nicht – prüfe dich – zweifel nicht. Eine dichte Folge von Empfehlungen. Ein Dreiklang. Und doch hat jedes Wort ein eigenes Gewicht. Ob es so reicht, passt? „ Jeder Berg lässt sich bewegen.“ Den Satz hat Grönemeyer dem Evangelium abgelauscht. Es ist ein Wort Jesu: Der Glaube versetzt Berge! Wagemut und Vertrauen liegen in diesem Wort – doch: was heißt hier Glaube? Das letzte Wort hat im Lied – das Glück. „Sei bereit fürs große Glück“! Gib nie auf! Nie!
Der Weg in die Fremde und nach Hause
Das Evangelium erzählt heute tatsächlich von einem jungen Menschen, der sich frohgemut, vielleicht sogar kühn, darauf einlässt, sein Glück zu suchen. Er macht es nicht bei Nacht und Nebel, wenn nicht schon mit dem Segen des Vaters, dann doch mit seinem Geld. Gut ausgestattet sehen wir ihn eine weite Reise antreten. Das Glück liegt in der Ferne – und doch nah genug. Und der junge Mann ist ihm auf der Spur. Als er dann wieder aufwacht – Entschuldigung, es ist bei ihm wohl lange dunkel gewesen -, findet er sich bei den Schweinen wieder. Die schönen Mädchen und die „guten“ Freunde – sie kennen ihn jetzt nicht mehr. Zu essen hat er auch nichts mehr. Bis auf das, was auch die Schweine bekommen. Ist das das große Glück?
Jedenfalls sehen wir den jungen Mann, heruntergekommen, abgerissen, seit Tagen nicht mehr gewaschen, den beschwerlichen Weg nach Hause antreten. Beschwerlich nicht nur, weil er aus der ersehnten Ferne kommt, beschwerlich auch, weil ein Verlierer heimkehrt. Von weitem zu sehen! Mit der bescheidenen Option, Tagelöhner bei seinem Vater zu werden. Ohne Erbansprüche – die sind weg. Und mit ihnen die Würde, Sohn zu sein.
Jesus erzählt die Geschichte, die wir unter dem volkstümlichen Namen „verlorener Sohn“ zu kennen glauben. Wir sehen den Vater – er muss wohl schon oft Ausschau gehalten haben – gegen alle Regeln, gegen allen Anstand mit fliegenden Fahnen und ausgebreiteten Armen auf das Häufchen Elend zulaufen, es an sich drücken und abküssen. Und dann muss alles ganz schnell gehen: Neues Gewand, edler Ring, beste Schuhe – und ein großes Fest. Sogar das Mastkalb, extra für einen besonderen Zweck vorgehalten, muss heute daran glauben.
Denn: „Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wieder gefunden worden.“ - Habt ihr etwa Vorhaltungen, Vorwürfe erwartet?
Und Lukas, der die Geschichte überliefert, farbenprächtig und überaus sinnlich, erzählt mitten in seinem Evangelium eine – Ostergeschichte. Die Geschichte von einem neuen Leben. Unverhofft, nicht erwartet. Sogar gegen alle Realität, gegen alle Vernunft.
Wenn uns etwas einleuchtet – bei klarem Verstand, dann das:
„Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“
Verlorener Sohn?
Ist der Typ, den es am Ende doch noch nach Hause verschlägt, ein verlorener Sohn?
Wir sind sehr im Bann dieses Gedankens. Schön moralisch eingepackt, mit Goldschleife „Erfahrung“ zusammengebunden, bedient der jüngere Sohn dann tatsächlich als „verlorener Sohn“ fromme und weniger fromme Erwartungen – und bestätigt alte Ängste. Aber genau betrachtet: Er hat sich auf seinen Weg gemacht. Ohne „richtig“ und „falsch“. Und der Vater hat ihn gehen lassen. Da schwingt auch kein falscher Unterton mit. Es deutet sich auch keine tragische Geschichte an. Der Vater hat schon am Anfang dieses Weges ein mütterliches Herz. Ohne moralischen Zeigefinger, ohne letzte Worte, ohne große Geste. Nicht einmal verhalten äußert sich die Sorge. Der Sohn darf gehen.
Und zurückkehren. Dabei hätte er bei den Schweinen bleiben können. Stolz und unnahbar. Kein Hahn hätte nach ihm gekräht. Klug und clever hätte er – vielleicht – sogar einen Aufstieg hinbekommen. Wieder von unten und von vorne angefangen. Aus eigener Kraft. Jung und unbeugsam. Das Muster eines Stehauf-Männchens. Womöglich hoch angesehen. Und geachtet in fremder Erde beigesetzt. Aber: als der Vater ihn in die Arme schließt, als Sohn, nicht als Tagelöhner, ist er gefunden. Er hat sich selbst auch gefunden. Und den Weg, der ihm das Glück schenkt, das er für sich suchte. Die Geschichte, die Jesus erzählt, ist eine Oster-Geschichte. Nur wer auferstanden ist, kann auf den Tod zurückschauen, kann ihn hinter sich lassen, ist ihm entronnen. Jetzt kann seine Geschichte erzählt werden.
In dieser Geschichte spielt es eine große Rolle, dass der jüngere Sohn das Wagnis eingeht, in der Fremde sein Glück zu suchen. Was er erlebt, erfährt und erleidet, formt nicht nur seine Biographie, sondern wird in dieser Geschichte aufbewahrt. Auch für andere! Und in ein neues Licht gerückt! Ich frage provokativ: Kann ein Mensch stolz sein, verlorener Sohn gewesen zu sein? In den Lebensläufen macht sich so etwas nicht gut … Wir haben unsere Träume gestriegelt, die Schubladen für Klischees fein lasiert, unsere Ängste in große Worte gepackt.
Offene Geschichte
Jetzt habe ich was gesagt! Der ältere Bruder, in der Hierarchie ganz oben, nicht einmal informiert, hört, als er von der Arbeit nach Hause kommt, müde, hungrig und dreckig, die Musik, das Lachen, die Freude. Die Auskunft, die er noch auf dem Feld bekommt, macht ihn wütend. Dass für „den“ – er hat keinen Namen mehr und heißt nur noch „dieser dein Sohn“ – ein Fest gefeiert wird, ist eine Frechheit. Jesus erzählt verhalten davon … uns soll der Mund nicht schäumen.
So sehen wir den Vater wieder hinausgehen. Wieder schwenkt der Lichtkegel auf ihn. Der Vater wendet sich – jetzt - dem älteren Sohn zu. Er, der gute, brave Sohn, ist – jetzt - in der Gefahr, verloren zu gehen. Sich zu verlieren! Aber die beiden scheinen sich nicht zu verstehen. Ob er denn nicht wüsste, dass ihm alles gehören würde, fragt der Vater. Um ihn dann zur Mitfreude einzuladen. Komm, sagt er, dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden … wenn das kein Grund ist, ausgelassen zu feiern? Sich von Herzen zu freuen?
Aber der ältere Sohn …. Ja, was macht er? Kommt er, feiert er mit? Schließt er den jüngeren Bruder auch in seine Arme? Jesus lässt die Geschichte am Ende einfach offen. So, als ob er sie uns anvertraut. Wir müssen sie weiter erzählen. Wir!
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie möchte ich denn die Geschichte weiter erzählen? Wie soll sie denn ausgehen? Welchen Schluss gebe ich ihr? Provokativ tritt ungeschminkt die Frage auf wie ein Star: Kann ein Mensch stolz sein, nicht verloren gegangen zu sein? Wie hört sich das an, wenn er – oder sie – es so sagt? Selbstgerecht? Überheblich? Vielleicht sogar - verbittert? Enttäuscht? Es ist längst nicht ausgemacht, was Glück ist – was Geschenk – was Verdienst. Es ist auch nicht ausgemacht, was im Erfolg Verlust, was im Ruhm Angst, was in der Größe Niedertracht ist. Es ist nicht ausgemacht …
Ich könnte mich um mein Leben reden … Worte verlieren, bevor ich sie gefunden habe… den Ausgang verpassen. Doch: wenn die Geschichte offen bleibt – bleibe ich dann auch offen? Wenn ich ihr kein Ende gebe – kann ich neu anfangen?
Wer stolz ist, nicht so sein wie „der“ oder „die“, bleibt mit sich allein - und kann sich auch nicht freuen, nicht einmal mitfreuen. Die gute Welt gerinnt zu einer kalten … Eine böse Ahnung beschleicht mich: was ist, wenn man draußen bleibt? Nicht mehr dazu gehört? Mit ganz viel Tugend, mit Erfolg, mit dem besten Ruf? Am Ende ist das klar: Das Fest wird – gefeiert! Gastgeber ist der Vater. Er lädt ein. Er lässt sich das Fest etwas kosten. Jetzt wird auch nicht mehr geredet – zumindest nicht vor der Türe! Ich spitze neugierig die Ohren – ob ich etwas von drinnen erhasche?
Das große Mahl
Jesus erzählt ein Gleichnis von dem ganz großen Glück. Das größte Glück in dieser Geschichte ist: ein Mensch, der tot war, ist wieder lebendig geworden – ein Mensch, der verloren war, ist wieder gefunden. Jetzt wird ein festliches Mahl angerichtet! Jetzt wird gefeiert!
Was fällt Jesus ein, uns so durcheinander zu bringen? Die Dinge auf den Kopf zu stellen? Tatsächlich: der ungewohnte, überraschende Blick räumt uns die Möglichkeit ein, uns in dieser Geschichte wieder zu finden und gleichzeitig hinter die Kulissen zu schauen, die wir meisterhaft auf unseren Bühnen errichtet haben. Feiere ich mit? Wer bin ich auf diesem Fest? Wie kommentiere ich das Ungewohnte, das Unerwartete? Kein Mensch geht allein verloren, kein Mensch wird allein gefunden.
Das Evangelium lässt Menschen feiern, ausgelassen und fröhlich sein.
Ich kenne viele Menschen, die Angst davor haben, ihr Leben zu verändern, denen der Mut fehlt, sich „aufzumachen“, die keine Barmherzigkeit erwarten können – und ich kenne viele Menschen, die verliebt in ihre kleine Welt keinen Traum mehr haben – und sich und anderen keinen zugestehen. Sie schlachten das Schwein für ihre – Tugend.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn schenkt uns Worte, darüber zu reden – und barmherzig zu werden.
Übrigens: das Wort „Barmherzigkeit“ meint, hebräisch, den Mutterschoß. Wenn von Gott gesagt wird, er sei barmherzig – wird er als Mutter vorgestellt.
Ein tolles Bild für den – Vater. Am Anfang steht die Geborgenheit. In ihr wächst das Glück. Wie das Leben.
Noch einmal Grönemeyers Lied. Seine letzten Worte:
„Gib nie auf
Sei bereit fürs große Glück“
enden heute an einer langen Tafel.
Ich muss mir jetzt mein Plätzchen am Tisch suchen. Ich habe Hunger.
Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus,
unserem Herrn.
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KONFI-IMPULS zu Lukas 15,1-7(8-10) von Cornelius Kuttler
Der Bibeltext und die Konfis – Perspektiven für die Predigt
Wo erleben Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass sich jemand über sie freut? Immerhin liegt der Fluchtpunkt der Gleichnisse vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen in der Freude. In emotionalen Bildern leuchtet auf, wie sehr sich Gott darüber freut, wenn verlorene Menschen gefunden werden.
Es sind m. E. drei Themen, die im vorliegenden Predigttext Lebensrelevanz für Konfis aufweisen können: 1) Wer freut sich über mich 2) Für wen bin ich so wichtig, dass er sich auf die Suche nach mir machen würde 3) Was ist eigentlich ein Sünder?
1) Konfis erleben wohl eher selten, dass sich Menschen über sie freuen. Kleine Kinder tragen den Nimbus mit sich: „Ist der/die süß“, jüngere Geschwister werden gelobt für Erfolge im Kindergarten oder der Grundschule. Ich frage mich, ob Konfis dies noch erfahren: Dass Menschen sich über sie freuen – einfach deshalb, weil es sie gibt, ohne Erfolge in der Schule oder im Sportverein aufweisen zu müssen?
Jesus erzählt dem gegenüber davon, dass Gott sich über Menschen freut. Einfach deshalb, weil sie (wieder) in seiner Nähe sind. Meiner Erfahrung nach leben Jugendliche im Konfi-Alter im Spagat zwischen der Angst vor einer allzu großen Fokussierung auf ihre Person – es wird als peinlich empfunden, im Mittelpunkt zu stehen – und der tiefen Sehnsucht nach Aufmerksamkeit.
Die Gleichnisse von Jesus könnten diese Sehnsucht nach wohltuender Aufmerksamkeit ansprechen und mit dem Themenkreis der Freude Gottes über einen Menschen in Berührung bringen: Gott freut sich darüber, uns in seiner Nähe zu haben, weil sein Herz für uns schlägt.
2) Die Gleichnisse von Jesus sprechen Menschen eine unverlierbare Würde zu: Gott macht sich auf die Suche nach jedem Menschen, um ihn in die enge Lebensgemeinschaft mit ihm zurückzuholen. Die Frage: „Für wen bin ich wichtig?“, erlebe ich bei Konfirmandinnen und Konfirmanden als sehr präsent. Da mögen es vielleicht Anzahl und Inhalt der WhatsApp-Nachrichten sein, die über die Bedeutung des eigenen Lebens für andere Auskunft geben. Der Botschaft vom liebenden und suchenden Gott eignet eine (nicht nur für Konfis) befreiende und ermutigende Lebensrelevanz.
3) Die Frage nach Sünde und Umkehr besitzt für Jugendliche im Konfi-Alter konkret-operationalen Charakter: Sünde ist das, was verboten und was auch objektiv als Verbrechen einzustufen ist: Höchst spannend ist für mich, wie Konfirmandinnen und Konfirmanden meiner Gruppen den biblischen Begriff des „Sünders“ in einem Konfi-Film darstellten: als Mädchen, das ein Handy klaut. Dass Sünde in biblischer Terminologie eine weit umfassendere Tiefendimension menschlicher Existenz zukommt, ist für Konfis m.E. nicht im Blick. Herausfordernd ist es darum, in der Predigt zu fokussieren, was Sünde meint.
Idee für den Gottesdienst:
Die Konfis könnten die Gleichnisse entweder in einem Film umsetzen oder – wenn dies technisch zu aufwändig ist – in einer Fotostory, die von Konfis im Gottesdienst kommentiert wird. Mein Vorschlag ist, dass die Jugendlichen die Gleichnisse nicht nur reproduzieren, sondern in eigene Lebenssituationen übertragen. Evtl. würde sich der Vorstellungsgottesdienst der Konfis als Rahmen anbieten, z. B. zum Thema „Was bin ich wert?“
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Sind wir nicht angemessene Ersatzgäste? - Predigt zu Lukas 14,15-24 von Katharina Wiefel-Jenner
Sind wir nicht angemessene Ersatzgäste?
Einer, der mit zu Tisch saß, sprach zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei. Der Tisch ist festlich gedeckt. Blumen, Kerzen, gestärkte Servietten, funkelnde Gläser, glänzendes Silber. In der Küche dampft es über den Töpfen, die Platten sind angerichtet, die Schüsseln vorbereitet. Die Gläser für den Aperitif warten auf Tabletts. Der Bote sagt, dass wir kommen sollen. „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wir sind eingeladen. Uns hat der Bote gesagt, dass wir kommen sollen – uns! Wir? Bisher war von uns noch nie die Rede. Aber wir sind offensichtlich gemeint.
Die uns weniger freundlich gesonnenen Kommentatoren sagen uns, dass wir nur Ersatzgäste sind. Sie erzählen uns, dass eigentlich andere kommen sollten, aber abgesagt haben. Von dem einen heißt es, dass er wegen eines größeren Vertragsabschlusses nicht kommen konnte. Irgendeine Immobiliengeschichte. Saß vielleicht noch im Flieger. Solche Leute werden ja ohnehin dauernd eingeladen. Darum würde so einer wahrscheinlich das köstliche Mahl gar nicht schätzen. Wenn sich solche Leute an einen festlich gedeckten Tisch setzen, dann haben sie immer noch ihre Geschäfte im Sinn – von Familienfeiern vielleicht abgesehen. Es heißt, er habe sich immerhin entschuldigen lassen. Gute Manieren haben sie in der Geschäftswelt – das muss man ihnen zugestehen. Doch das Fest geht bis Mitternacht, er hätte doch alle Zeit der Welt gehabt, um noch nachzukommen und mitzufeiern. Wahrscheinlich wollte er von vornherein nicht kommen. Er verachtet den Gastgeber. Auf so einen Gast kann man also verzichten und stattdessen uns einladen.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei.
Es heißt, dass noch ein anderer aus der Geschäftswelt eingeladen war und auch nicht gekommen ist. Dem Vernehmen nach war der aus der Logistikbranche und hatte noch mit der Anschaffung seiner neuen Wagenflotte zu tun. Der war vom gleichen Schlag wie der mit den Immobilien. Schade, dass das Geschäftsleben so abfärbt. Man muss echt aufpassen, dass man nicht auch so wird. Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei. Ein Dritter war noch eingeladen. Der hat sich nicht einmal entschuldigt. War beim Anwalt, um den Ehevertrag mit seiner künftigen Frau zu unterschreiben. Die Anwälte empfehlen das heute ja auch wieder. Hat man Vermögen, schließt man so für den Fall aller Fälle jeden Streit aus. Liebe ist gut, aber besser ist es doch, man sichert sich ab. Wer nur Verträge im Kopf hat, denkt natürlich nicht daran, sich zu entschuldigen.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei.
Warum in aller Welt hat der Gastgeber nur diese vermögenden Geschäftsmenschen eingeladen? Hat er nicht gewusst, dass sie arrogant bis in die Haarspitzen sind? Hat er nicht geahnt, dass sie ihn höflich lächelnd abblitzen lassen? Oder hat er ihnen eine Chance gegeben, obwohl sie so sind, wie sie sind? Hat er gehofft, dass sie hinter der arroganten Fassade herzliche und interessierte Menschen sind. Er hat wohl hinter ihrem fleißigen und glatten Auftreten eine große Sehnsucht gespürt. Hat er gesehen, wie verletzlich auch die Herzen von harten Hunden sind. Unser Gastgeber muss so hoffnungsvoll gewesen sein, so unerschütterlich vertrauensvoll.
Aber es war kein Versehen von den dreien. Sie sind mit voller Absicht weggeblieben. Sie wollten unseren Gastgeber kränken.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei.
Ob sie damit gerechnet haben? Sie haben unseren Herrn gekränkt und provoziert. Ob sie dachten, dass der sich dann eben allein hinsetzt, weint und seinen Wein alleine trinkt? Oder dachten sie, er würde es einfach so hinnehmen. Was kann man tun, wenn die Gäste einen versetzen? Sie haben ihn gekränkt und er ist zornig – mit vollem Recht.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei.
Nein, das Mahl hat noch nicht begonnen und unser Herr trinkt seinen Wein auch nicht allein. Er zeigt lieber, wie göttlicher Zorn aussieht. Auf die Schnelle werden die eingeladen, die noch nie von Meißner Porzellan gegessen haben, die nicht wissen, was Messerbänkchen sind, die noch echten Hunger kennen und deren Geschmack nicht zwischen den erlesenen Weinen unterscheiden kann. So etwas passiert, wenn man den Herrn des Lebens kränken will. Das Kostbarste der Erde wird denen aufgetischt, denen bisher das Glück des Lebens vorenthalten wurde. Der Zorn richtet sich nicht gegen die, die ihn verdient hätten. Der Zorn verwandelt sich in Reichtum für die Armen, in Liebe für die Übersehenen, in Tapferkeit für die Ängstlichen, in Erfolg für die Verlorenen, in Hoffnung für die Trostlosen, in Tanzen für die Trauernden, in Glück, einfach nur Glück. Der Festsaal wird beben vom Jubel. Er wird von Lebensenergie bersten. Mit seinem Zorn schafft der verachtete Gastgeber pure Freude bei denen, die bisher kaum Freude kannten.
Hat das Mahl schon begonnen? Der Bote sagt, dass alles bereit sei. Wir wollen da auch hin, wo der göttliche Zorn eine Welle puren Glücks auslöst. Wir wollen da auch hin, wo wir trotz Erdenschwere in den Himmel tanzen, wo sich die Lebenslust nicht schämen muss, wo wir nicht mehr sein müssen als wir sind, wo es egal ist, wo wir herkommen, welche Sprache wir sprechen, wer wir sind. Wir wollen da auch hin und wir bringen auch unsere Vorfreude mit. Wir bringen unsere Hoffnung mit, unserem Herrn endlich alle Fragen stellen zu können, die uns bisher gequält haben. Wir bringen unsere Wehmut über die verlorene Zeit mit. Wir bringen unsere Schuld mit. Wir bringen unsere Sehnsucht nach Frieden mit. Sind wir nicht angemessene Ersatzgäste? Passen wir nicht gut zu denen, die bisher nur Hunger kannten? Wir kommen. Sag Bescheid, Bote, sag Bescheid, wir kommen so schnell es geht.
Hat das Mahl schon begonnen? Nein, es hat noch nicht begonnen. Der Bote ist noch unterwegs. Auf den Straßen, in Zügen, auf Plätzen, in Foren und Netzwerken, an den Raststätten, Flughäfen, Lagern, auf den Schiffen übers Mittelmeer, im Jobcenter, unter den Brücken. Der Bote muss noch weiter.
Bevor die Sonne untergeht wird unser Herr das Mahl nicht beginnen lassen. Solange können wir mit dem Boten zusammen unterwegs sein. Zwischendurch müssen wir uns noch stärken. Brot und Wein haben wir dabei. Wenn die Sonne untergeht, werden wir rechtzeitig an Ort und Stelle sein. Sicherheitshalber achten wir auf den Boten und hören, auf ihn. Wenn er dann sagt: Kommt, es ist alles bereit, dann werden wir mit ihm bei seinem und unserem Herrn ankommen und essen, trinken, tanzen, jubeln.
Amen.
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Einmal ist es zu spät – darum kommt, denn es ist alles bereit!- Predigt zu Lukas 14,15-24 von Dieter Splinter
Einmal ist es zu spät – darum kommt, denn es ist alles bereit!
(In der Lutherbibel ist der Text überschrieben mit "Das große Abendmahl") 15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! 16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! 18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. 21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
I.
Liebe Gemeinde!
„Kommt, denn es ist alles bereit!“ Das große Fest ist vorbereitet. Die Speisen stehen schon auf dem Tisch. Saftiger Braten, geräucherter Fisch, leckere Beilagen, frisches Obst und kühler Wein sind für die Gäste vorbereitet. Dem Gastgeber selber läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Die Musiker stimmen bereits ihre Instrumente. Sie trinken schon einmal ein Glas Wein, um sich selber in Stimmung zu bringen. Der Gastgeber gibt die letzten Anweisungen. Auf einem Tisch soll noch mehr Brot stehen, auf einem anderen mehr Wein. Zudem lässt er noch Fackeln im Garten und Lampen im Haus anzünden. Zum Fest gehört eine Festbeleuchtung, besonders am Abend. Und dann schickt der Gastgeber den Boten los. Der soll nun die Geladenen zu Tisch bitten: „Kommt, denn es ist alles bereit!“
Einst war das so üblich. Einige Zeit vor dem großen Abendmahl hatte ein Bote schon einmal eine Einladung ausgesprochen. Er hatte den Geladenen Zeit und Ort für das Fest mitgeteilt. Offenbar hatte da keiner der Eingeladenen gesagt: „Es tut mir leid! Ich kann nicht kommen!“ So rechnet der Gastgeber fest mit allen, die er eingeladen hat. Doch dann hagelt es kurzfristig Absagen. „Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen.“ Die Gründe klingen vernünftig. Aber sind sie es? Kein Bauer kauft unbesehen einen Acker. Vielmehr wird er vor dem Kauf wissen wollen, wo das Feld liegt und welchen Ertrag es bringt. Auch der zweite Landwirt hat sicher die fünf Ochsengespanne vor ihrem Erwerb begutachtet. Wozu muss er sie nun ein zweites Mal anschauen? Und schließlich der dritte der Eingeladenen: Er hat vor einiger Zeit geheiratet. Er hätte seine Frau zum Fest mitbringen können. Doch entscheidet er sich anders und bleibt mit ihr zu Hause.
In der Tat – auf die Entscheidung kommt es an! Es geht um die Frage: Welche Freude ist mir wichtiger? Die Freude am erworbenen Land, die Freude am Fuhrpark, also am Besitz? Die ehelichen Freuden? Oder ist mir die geteilte Freude wichtiger? Das gemeinschaftliche Miteinander? Denn eines ist klar: Das Fest kann nur gelingen, wenn die Eingeladenen kommen. Die Eingeladenen, die absagen, haben sich gegen das Miteinander entschieden. Sie haben sich für ihre eigene, stille Freude entschieden.
Nun könnte man fragen: Wo ist das Problem? Die beiden Bauern haben für den Besitz, den sie erworben haben, hart gearbeitet. Warum sollen sie sich nicht an ihrem Erfolg freuen? Zudem werden die Früchte, die auf dem gerade erworbenen Acker wachsen, Menschen ernähren. Mit den neuen Ochsengespannen, die Lasten ziehen, werden Waren transportiert oder Felder bestellt. Und der Mann, der bei seiner Frau bleibt, sorgt dafür, dass das Leben weitergeht. In neun Monaten werden sich alle darüber freuen. Auch vermeintlicher Egoismus kann Folgen haben, die der Gemeinschaft dienen.
Und doch endet das Gleichnis, das Jesus erzählt, schroff. Der Gastgeber aus dem Gleichnis erteilt denen, die ihre Teilnahme an seinem Fest abgesagt haben, seinerseits eine Absage: „Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.“
II.
Diese schroffe Absage kann erschrecken. Doch genau das meint das Gleichnis Jesu: Einmal ist es zu spät! Es ist möglich, den Zeitpunkt für ein gelingendes Miteinander zu verpassen! Gerade die Leistungsträger in einer Gesellschaft laufen Gefahr, diesen Zeitpunkt zu versäumen. Sie sind mit ihren Geschäften beschäftigt. Darüber verlieren sie das Ziel aus den Augen: Freude braucht Gemeinschaft. Das Leben gelingt, wenn das Miteinander gelingt. Wer dazu eingeladen worden ist, durch Anwesenheit seinen Teil zum Gelingen dieses Miteinanders beizutragen, kann nicht durch Abwesenheit glänzen. Es stimmt also, was der Volksmund sagt: „Geteilte Freude ist doppelte Freude. Und geteiltes Leid ist halbes Leid!“ Zum Teilen sind dann besonders jene eingeladen, die auch etwas teilen können! Ihre Teilnahme am Teilen ermöglicht anderen erst die Teilhabe!
Einmal ist es zu spät! Die schroffe Aussage am Ende des Gleichnisses Jesu lenkt
schließlich den Blick auf das Reich Gottes. „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“ Das sagt einer zu Jesus. „Gewiss,“ - entgegnet dieser mit seinem Gleichnis - „doch er tut es nicht allein!“ In Reich Gottes sitzen alle am Tisch der Geschwisterlichkeit. Das Miteinander dort ist wie ein Festmahl am Abend. Alles dafür ist vorbereitet. Es wird herzlich dazu eingeladen: „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Diese Einladung ergeht vor allem an die Starken. Dass sie eingeladen sind, wird im Gleichnis besonders betont. Denn gerade die Starken, so das Gleichnis, stehen in der Gefahr, das Reich Gottes aus den Augen zu verlieren. Wer viel hat, kann immer sagen: „So schön wie hier, kann es im Himmel gar nicht sein!“
So kommen dann die zum Zuge, die dem in Jesus Christus Mensch gewordenen Gott ohnehin besonders am Herzen liegen. Als der Knecht mit der Kunde zurück kommt, dass keiner der Eingeladenen kommt, heißt es: „Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.“
Das kommt schon vorher vor. Vor den Worten, die wir hier miteinander bedenken, fordert Jesus dazu auf, zu einem Mahl besonders jene einzuladen, die die Einladung nicht erwidern können. Und dann werden die genannt, die der Knecht nun zu Tisch bittet. Als das Haus immer noch nicht voll ist, schickt der Hausherr seinen Knecht noch einmal los, um die Obdachlosen, die Landstreicher hereinzubitten – und ebenso jene, die ganz am Rande stehen. Es sind die, die an den Zäunen hängen und aufgenommen werden wollen.
III.
„Kommt, denn es ist alles bereit! Schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist!“ Diese Einladung hören wir, wenn wir in einem Gottesdienst das Abendmahl feiern. „Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wer so zum Abendmahl eingeladen wird, wird immer auch an das große Abendmahl im Reich Gottes erinnert. Das Abendmahl, das wir im Gottesdienst feiern, soll einen Vorgeschmack auf das himmlische und ewige Abendmahl geben. Wir können das Abendmahl im Gottesdienst darum nur feiern, wenn wir die, die am Rande der Gesellschaft stehen oder besondere Hilfe brauchen, nicht aus den Augen verlieren. Jede Teilnahme am Abendmahl erinnert uns daran, dass Teilhabe nur durch teilen möglich wird.
Vielfach geschieht das. So gibt es Vesperkirchen oder Tafeln, die von der Diakonie betrieben werden, um Arme satt zu machen. Es gibt diakonische Einrichtungen für Obdachlose oder kirchliche Einrichtungen für Menschen mit besonderen körperlichen Herausforderungen. Und es gibt, Gott sei Dank, in zahlreichen Gemeinden und diakonischen Einrichtungen Initiativen, um sich der Flüchtlinge anzunehmen, die zu uns kommen.
Die hängen buchstäblich an den Zäunen und wollen aufgenommen werden. Jedenfalls war in Spiegel-online im Oktober des letzten Jahres ein eindrucksvolles Bild zu sehen. Einem spanischen Fotografen war ein verstörendes Foto an der Grenze von Marokko zur spanischen Exklave Melilla gelungen. Afrikanische Flüchtlinge klettern über den Grenzzaun - während dort Golfer ein paar Bälle schlagen.
„Kommt, denn es ist alles bereit!“ Wer dieser Einladung nicht folgt, wer seine Teilnahme am gelingenden Miteinander verweigert, für den schließt sich die Tür zum Reich Gottes. Einmal ist es zu spät! Das will nicht so recht zum vielfach gepflegten Bild vom „lieben Gott“ passen. Das will nicht passen zu der Aussage: „Langmütig und freundlich ist der Herr, geduldig und von großer Güte!“ All das ist Gott. Doch macht das Gleichnis vom großen Abendmahl deutlich, dass auch Gottes Geduld Grenzen kennt. Das hat Folgen. Verpasste Gelegenheiten kommen nicht wieder – auch und gerade, wenn es um Gott und sein Reich geht.
Wir kennen das aus eigenem Erleben. In der Rückschau wird es besonders deutlich. Da sagt sich der eine: „Wenn ich damals anders entschieden hätte, dann hätte ich nicht die Probleme, die ich jetzt habe!“ Oder die andere denkt sich: „Wenn ich ein anderes Fach studiert hätte, stünde ich jetzt ganz anders da!“ Oder ein Verwandter, ein Bekannter, ein Freund ist schwer krank. Man nimmt sich vor, ihn zu besuchen, findet aber wieder einen Grund, es nicht zu tun. Dann ist es zu spät – und so macht man sich Vorwürfe: „O, hätte ich doch!“
Einmal ist es zu spät! Darum verpasst die entscheidenden Gelegenheiten nicht. Nehmt an einem gelingenden Miteinander teil und ermöglicht so die Teilhabe für jene, die am Rande stehen. So seid ihr Zeugen für das Reich Gottes und die Tür dorthin wird für euch weit aufgestoßen. Darum kommt, denn es ist alles bereit! Und seid so das, was Jesus euch verheißen hat: Salz der Erde und Licht der Welt! Amen.
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Himmlisch unkonventionell! - Predigt zu Lukas 14,16-24 von Claudia Krüger
Himmlisch unkonventionell!
Liebe Gemeinde,
Es könnte sein, dass Sie einmal gefragt werden! Dass Sie gefragt nach Ihren inneren Bildern und Hoffnungen angesichts dessen, was einmal kommt, wenn wir diese Erde verlassen. Freilich, das ist kein alltägliches Thema, und gerne schieben wir solcherlei Fragen auch weit von uns und raunen etwas irritiert: „Das hat hoffentlich noch lange Zeit!“
Und doch: es könnte sein, dass wir gefragt werden! Am Krankenbett einer lieben Freundin oder eines Angehörigen: „Was glaubst Du, kommt etwas oder nichts, wenn ich jetzt bald gehe?! Und wenn ja, wie wird es sein?“
Und ganz unabhängig davon, ob wir glauben können, dass es eine Auferstehung, ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht, so können wir uns nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und mit einem Schulterzucken oder einem dürren: „keine Ahnung, ich weiß es auch nicht…“ einen Menschen sich selbst und seiner Frage überlassen.
Berthold Brecht hat in seiner Hauspostille ernüchternde Worte gefunden:
„Lasst euch nicht verführen!
Es gibt keine Wiederkehr.
Der Tag steht in den Türen,
Ihr könnt schon Nachtwind spüren
Es kommt kein Morgen mehr.“ –
So die erste Strophe. Die letzte Strophe endet mit dem schmallippigen Satz:
„Ihr sterbt mit allen Tieren
und es kommt nichts nachher“.
Das ist zu wenig - meine ich. Ein dicker Punkt am Schluss. Dunkles Nichts. Wenigstens ein Fragezeichen könnte am Schluss stehen, oder ein Fragezeichen kombiniert mit einem vagen Doppelpunkt. Wenigstens das.
Wir sind auch uns selbst eine Antwort schuldig. Und wir sind einander eine Antwort schuldig.
Wir könnten nachfragen, ob es Bilder und Hoffnungen gibt, die der Kranke in sich trägt oder ob es eine Vision gäbe, wie das für ihn oder sie im besten Falle aussehen könnte oder was sich jemand im tiefsten Herzen wünschen würde.
Vielleicht ein Sein oder Nicht-mehr-Sein immerhin ohne Schmerz und Leid, ein Sein in der Geborgenheit einer großen göttlichen Liebe, ein Gehen in ein helles freundliches Licht, wie es häufig in der Bildenden Kunst dargestellt ist. Ich meine, wir sind geradezu dazu verpflichtet, wenigstens einige Bilder und Hoffnungen anzubieten, darunter auch Bilder und Geschichten aus der Bibel. Egal, ob wir sie uns zu Eigen machen können oder nicht, wir sollten sie wenigstens kennen und sie einem suchenden Menschen anbieten können. Da sind die kostbaren Auferstehungsgeschichten mit den Engeln am leeren Grab. Da ist die Rede von den Wohnungen Gottes, in welchen Christus uns selbst einen Platz bereitet hat. Da malt uns die Offenbarung das Bild vom himmlischen Jerusalem, einem Ort, an dem es kein Leid und keinen Schmerz und keine Tränen mehr gibt und wir in der unmittelbaren Nähe Gottes uns auf immer geborgen wissen. Es gibt noch viele kostbare Bilder – das Erblicken Gottes von Angesicht zu Angesicht, das Sitzen im Schoße Abrahams. Welches wäre mein Bild, meine innere Vision, was wünsche ich mir?
In unserem heutigen Predigttext geht es um die Frage nach dem Reich Gottes. Es geht um das, was kommen wird, dermal einst. Aber es geht gleichzeitig auch um das, was bereits mit Christi Kommen angebrochen ist, was sich mit ihm in dieser Welt schon heilsam und hoffnungsvoll verändert hat. Und eben auch darum, was wir Menschen tun können, um im Sinne Christi ein Stück Himmel auf Erden beharrlich durchzusetzen. Jede und jeder an ihrem und seinen Ort.
Wir erfahren in unserer Geschichte aus dem Lukasevangelium:
Himmlisch unkonventionell geht es im Reich Gottes zu!
Gottseidank!
Das Gleichnis Jesu vom Reich Gottes steht im Zusammenhang einer theologischen Auseinandersetzung Jesu mit Pharisäern und Schriftgelehrten. Wichtige kluge Leute. Honoratioren. Ehrengäste, man kennt sich. Glaubensexperten. Gesetzestreue. Zum Essen war er geladen im Haus eines Oberen der Pharisäer. Vornehm wird es zugegangen sein. Höflichkeit und Etikette werden gewahrt, selbstverständlich! Aber argwöhnisch stellen sie ihn auf die Probe, sie „belauerten ihn“, heißt es in der Lutherübersetzung. Wir kennen das: Freundliche Minen, aber dahinter finstere Gedanken, wie man jemanden bloßstellen und eines Fehlers überführen könnte. Geistige oder geistliche Überlegenheit demonstrieren, so ganz nebenbei. Machtspiele, bisweilen ganz subtile.
Jesus aber lässt sich nicht beirren, er heilt am Sabbat, nachdem auf seine Frage, ob es am Sabbat erlaubt sei, zu heilen – nur vielsagendes Schweigen kommt. Er heilt. „Wer ist unter euch, dem sein Sohn oder sein Ochse in den Brunnen fällt und der ihn nicht alsbald herauszieht, auch am Sabbat?“
So schlicht sind mitunter scheinbar hochkarätige theologische Fragen zu lösen.
So menschenfreundlich. Die Liebe wird eindeutig der Gesetzestreue übergeordnet.
Die Anwesenden schweigen dazu.
„Sitz- und Rangordnung“ ist das nächste Thema. Jesus stellt fest, dass die anwesenden frommen Leute, wie alle anderen auch, gern den besten Platz einnehmen möchten, aber
die Sucht nach Ehre vergiftet alle Gemeinschaft. Er stellt die himmlische Ordnung dagegen: „Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden.“ Irritierend. Himmlisch anders: Ehrung von Gott erhält nur der, er unten am Tisch sitzt und sich gerade keiner Ehrung für wert hält. Ehre von Gott bekommen wir Menschen durchaus, aber unberechenbar, unverdient, aus reiner Gnade. Aus göttlicher Liebe.
Und dann wird es noch unkonventioneller, wenn Jesus zum Gastgeber sagt:
„Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird. Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten, es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“
Eine Zumutung. Heute wären es Bootsflüchtlinge, körperlich Entstellte, geistig Behinderte, Geschlagene und Missbrauchte. Obdachlose, Bettler dort in den Fußgängerzonen und unter den Brücken. Kinder, deren Blick keinerlei Hoffnung mehr spiegelt. Alte Menschen, die vor dem Fernseher einsam verelenden. Und je mehr wir nachdenken, und je achtsamer wir uns umblicken, desto länger könnten wir die Reihe derer fortsetzen und erschrecken darüber.
Sie alle können eine Einladung nicht erwidern, geschweige denn diese überbieten. Sie können nichts zurückgeben, denn sie haben nichts.
Tischgemeinschaft ist im Orient ein Bild engster Freundschaft. Auch Jesus selbst ist eingeladen und nicht in der Lage, eine Gegeneinladung auszusprechen. Selig preist er den Gastgeber, weil er mit dieser Einladung an ihn die starre weltliche Ordnung durchbrochen hat, in der alles auf Leistung und Gegenleistung zielt. Daraufhin greift einer der Gäste die Seligpreisung des Gastgebers auf und weitet sie aus: „Selig, wer das Brot isst im Reich Gottes.“ Er hat verstanden, dass es hier und jetzt bei diesem Essen am Sabbat um das Reich Gottes geht. Und Jesus erwidert ihm und den anderen Gästen:
Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen, ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen, ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: ich habe eine Frau genommen, darum kann ich nicht kommen.
Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast, es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
Ich gehe gerne auf Feste, wo es ein gutes Essen, kostbare Begegnungen und gute Gespräche gibt. Ja, wer ginge nicht gerne auf ein Fest! Noch dazu zu einem Gastgeber, der wirklich alles daran setzt, dass es ein besonders schönes Fest wird und: der es an nichts fehlen lässt!
Nichts schien dagegen zu sprechen, die Einladung anzunehmen. Sonst hätte man das ja bereits getan, nachdem man die Einladung bekommen hatte. Gründe gibt es ja durchaus, eine Einladung auch abzulehnen. Man fürchtet, es kämen Menschen, mit denen man nicht recht ins Gespräch kommt. Man ist vielleicht dem Gastgeber nicht allzu sehr verbunden ist oder mutmaßt, dass manche einem durch ihre ewig gleichen Geschichten oder ihr Gehabe gewaltig auf die Nerven gehen.
Diese Einladung aber schien verlockend! Auf solch ein Fest freut man sich lange im Voraus und hält sich den Termin frei von anderen Verpflichtungen. Und wie in der damaligen Zeit üblich, ergeht kurz vor dem Fest noch einmal eine persönliche Erinnerung. Ganz und gar ungewöhnlich ist aber nun das Verhalten der geladenen Gäste. Für sich genommen sind die einzelnen Motive und Entschuldigungsgründe durchaus begreiflich: Stress in der Arbeit, dringende Geschäfte, familiäre Beweggründe. Ackerkauf, Ochsengespanne, eine junge Ehefrau, die man aber schließlich auch mitbringen könnte. Aber im Gesamtzusammenhang sind die Absagen weder begreiflich noch vernünftig, sondern geradezu anstößig.
Die Erzählung handelt, wenn Jesus sie erzählt, nicht von einem menschlichen Gastgeber, sondern von Gott. Und ihm gegenüber verhalten wir Menschen uns manchmal ganz und gar unverständlich, stellen die Notwendigkeiten des Alltags über das Fest der Gegenwart Gottes, und halten womöglich die Einladung für einen Dauerkarte, die man auch später noch nutzen könnte. Wir merken nicht, dass gerade jetzt der Moment ist, nichts anderem als dieser Einladung zu folgen! Es gibt keinen Aufschub! Gott gibt sich die Ehre. Wir sollten seine Ehre nicht verletzen!
Die Antwort Gottes auf die Meldungen seines Knechtes ist Zorn! Aber, erstaunlich: der Zorn führt nicht, wie beim menschlichen Kränkungen, zur Absage des Festes. Nicht wie bei den Großen und Kleinen dieser Welt. Im Gegenteil! Er folgt einer anderen Logik. Er folgt der Logik der Liebe. Und die ist, wie wir ja schon festgestellt haben, ganz und gar unkonventionell. Himmlisch anders. Hat einen langen Atem.
Das Fest Gottes findet statt, allem zum Trotz! Es muss unbedingt stattfinden. Seine Liebe zu uns Menschen muss unbedingt gelebt und gefeiert werden. Sie duldet keinen Aufschub, keine Absage.
An die Stelle der zuerst Geladenen treten nun andere Gäste. An ihnen wird deutlich, wie wenig angewiesen der Gastgeber auf den Wert und Rang seiner Gäste ist. Jesus selbst sitzt ja bereits bei Zöllnern und Sündern. Mit ihm hat das Fest schon längst begonnen, ist das Reich Gottes angebrochen! Und nach dieser Regel werden nun Menschen eingeladen, die sonst keinen Platz in der feinen Gesellschaft haben: Blinde, Lahme, Krüppel, Mittellose. Dem Gastgeber kommt es einzig und allein darauf an, die Tafel zu besetzen und sei es durch Leute von der Straße und aus den finstersten Gassen und den stinkenden Unterführungen. Mehr noch: sogar die von den Landstraßen und Zäunen und den Booten auf dem Mittelmeer, die Allerletzten der Aussichtslosen sind eingeladen, auf dass sein großzügiges reiches Haus voll
werde! Ein Gastgeber, der sich, wer weiß, wenn sein Zorn verflogen ist, sich doch noch selbst derer in Gnade erbarmen könnte, die seine Einladung ausgeschlagen haben?!
Sie sollen kommen, die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Juden und Heiden, die Völker weltweit, die Promovierten und die Einfältigen, die Taktierer und die mit Herzensbildung, die zweifelnden Mittelalterlichen, so viele, die auf Platz – und Sinnsuche sind. Alle eben, die der Liebe bedürfen. Und solcher Liebe bedürfen wir doch alle! Junge wie Alte. Arme wie Betuchte, gepiercte Tätowierte und die in feinen Stoffen. Vernachlässigte und gequälte Kinder ganz besonders, aber auch all die Satten Sinnentwöhnten. Wir sehnen uns nach Liebe, die maßlos und bedingungslos ist, die jeden und jeden wahrnimmt. Die wirklich sieht: nur dich, nur mich, „mich ganz allein“, wie Kinder manchmal selig sagen.
Wir sehen uns nach einem Gott, der mir und dir, jedem und jeder nachläuft. Unermüdlich.
Liebe Gemeinde: bei wem sonst wären wir gleichermaßen bedingungslos geliebt?!
Welch ein grandioses Willkommen-Sein, welch übergroße Liebe, die uns nun aber auch dazu drängen müsste, das wir unsererseits Menschen die Freundschaft zu bieten, die üblicherweise nicht mit uns verkehren. Jetzt gilt es, Gottes bedingungslose Liebe zu teilen, und darin alle erfahrene göttliche Liebe weiter zu geben. Überwältigend. Maßlos. Jeder und jede auf eigene Weise.
Der Gastgeber kommt zum Ziel: das Haus wird voll!
Das Fest gelingt, weil die Gäste gerne kommen. Sie haben nichts zu besorgen und insofern nichts zu versäumen. Sie sind ganz und gar präsent. Sie sind präsent, wie nur Kinder es in vollkommener Weise sein können: im Glück seliger Selbstvergessenheit.
Im Moment absoluter Freiheit und vollkommener Erfüllung. Menschen, die dem Druck der Zeit und der Verpflichtungen entnommen sind. Ja, der Feiernde ist ein Urbild des freien Menschen.
Und wir alle sind einladen, frei oder wenigstens freier zu werden, um aus der Fülle gegebener Zeit zu leben, hier und jetzt.
Das Fest Gottes geht weiter! Es geht dort weiter, wo Liebe unter den Menschen gelebt wird, fassungslos großzügig, bedingungslos und ohne nach Gegenleistung zu fragen.
Wer sich aus den Verpflichtungen lösen kann und feiert, der hat auch wieder Kraft für die alltäglichen Herausforderungen.
Das Fest Gottes geht weiter, das Fest der Liebe, das Lied der Liebe in unseren Herzen.
Und das soll kräftig weiter klingen in Ohren und Herzen der Menschen!
Auf einem Glasfenster in einer kleinen Krankenhauskapelle ist das große Festmahl wunderbar dargestellt. Dort ist der Tisch nicht nur in einem hellen strahlenden Saal festlich und überreich gedeckt, sondern dort hängen auch Instrumente, Geigen, Flöten Harfen. Alles ist voll von Musik und Lachen, das Lied der Liebe spielt im Herzen, fröhliches Sitzen am Tisch Gottes, neben geliebten Menschen und in Gottes Nähe.
Für mich ist das auch ein Bild für die Zukunft im Reich Gottes, wenn es einmal vollendet sein wird. Zu sagen: nichts kommt. Dunkel. Schluss.
Das ist zu wenig. Gebt hungrig fragenden Menschen ein Bild mit vom gedeckten Tisch, dem übervollen Tisch, an dem Gottes Freude Raum nimmt und die Liebe alles erfüllt.
Dort mögen wir einmal alle einen Platz finden, an dem wir ohne Wenn und Aber aus tiefstem Herzen willkommen sind und selige Freude herrscht.
Vielleicht müssen wir dafür wieder werden wie die Kinder. Müssen einfach der Einladung folgen: “Kommt, denn es ist alles bereit.“ „kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen sei, ich will euch erquicken. „ Vielleicht können wir wie Kinder voll Vertrauen den offenen Armen eines liebenden Vaters entgegen eilen. Uns selig aufheben und herumwirbeln lassen. Und dann mit strahlenden Augen sitzen an seinem Tisch, bedingungslos geliebt. Amen.
Vorschlag: Lied: 222
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Zweierlei abgerichtete Höllenhunde oder Gottes makelhafte Schönheit - Predigt zu Lukas 16,19-31 von Markus Kreis
Zweierlei abgerichtete Höllenhunde oder Gottes makelhafte Schönheit
Eine Granitarbeitsplatte in der Küche, die Lackierung einer Karosserie, ein je nach Jahreszeit mehr oder weniger großes Stück blanke Haut. Menschen lieben schöne Oberflächen. Wir fühlen uns davon angezogen, das kann man schlechterdings nicht bestreiten. Dabei muss eine Oberfläche nicht unbedingt glatt sein, rau geht auch als schön durch.
Wie ist das zu erklären? Diese Faszination für Schönheit? Vielleicht so: In einer schönen Oberfläche steckt ganz schön viel Arbeit. Sie bringt auf ihre Art ein Leistungsvermögen zum Ausdruck. Das gilt sicher für Granitarbeitsflächen und andere technische Werkstücke, von Kunstobjekten ganz zu schweigen. Darin findet sich eine ganze Menge an Feinarbeit, Knowhow und Theorie.
Ähnliches gilt für alles menschlich Schöne wie z.B. gezeigte blanke Haut. Dahinter verbirgt sich viel Disziplin, Training und Schulung - wie man spätestens seit den einschlägigen TV-Sendungen wie GNTM wissen kann. Das Leben als Model ist wahrhaft nicht nur ein Zuckerschlecken. Die Gott gegebene Begabung allein reicht dafür nicht aus, obwohl sie unabdingbare Grundlage ist. Opernsänger, Geigenspieler, Balletttänzer, alles Virtuose im Bereich der E-Musik ist davon betroffen.
Apropos Gott – wir Christen glauben: Die Schönheit der Schöpfung, die Schönheit von Tieren, Pflanzen und Materie bezeugen sein Werk, stehen für seinen Willen, zeigen sein Leistungsvermögen. Diese Schönheit ist nicht allein ein willkürliches Werk der Natur und der in ihr wirkenden Kräfte.
Schönheit bringt ein Wohlgefallen allerhöchster Stelle zum Ausdruck. Deswegen ist sie Menschen so wichtig. Schönheit und Ansehen gehören zueinander, sie hängen zusammen. Das war zu allen Zeiten und Epochen so. Und es gilt immer noch, egal ob in China oder bei den Aborigines, bei den Eskimos oder den Latinos oder den Europäern. Und es gilt unabhängig davon, welche Merkmale jeweils als Ausdruck von Schönheit empfunden werden. Was schön ist und was nicht, das ist von Kultur zu Kultur durchaus verschieden.
Schönheit und Ansehen gehören zueinander, hängen zusammen. So sehr, so eng, dass Menschen bei Schönheitsmakeln, bei Unansehnlichkeit nachhelfen, sich behelfen. Und d.h.: weniger Schönes mit Schönem verstecken, überspielen, zum Verschwinden bringen. Geminderte Schönheit ist unsere Sache nicht, da reagieren wir empfindlich, eher liegt uns die Betonung von Schönheit. Bleiben wir beim erst Genannten:
Das Verdecken von Schönheitsmakeln spielt in unserem Alltag eine große Rolle, hier sei die Kleidung genannt. Aber auch anderes, was wir uns so kaufen und gönnen. Was wir an Dienstleistung in Anspruch nehmen, den Besuch bei Friseur zum Beispiel.
Ebenso die Art, wie wir uns präsentieren, wie wir miteinander reden, wie wir miteinander umgehen. Unansehnliches, Makel behaftetes gefährden das Ansehen, Anmut und Schönheit stärken es augenscheinlich. Und keiner fühlte sich je so schön, dass er vom erwähnten Verbergen nie Gebrauch machen musste. Ein jeder war als Redner oder als Hörer vom schön Reden betroffen. Kennt plumpes Gerede, Stammtischgeschwätz, das er besser kritisch aufgenommen hätte.
Wir Menschen wissen um die ersehnte Schönheit und um das damit einher gehende Verbergen von Unansehnlichkeit all zu gut. Deshalb erkennen wir ein weiteres: Schönheit kann vordergründig sein! Und wir fragen uns: Was mag dahinter stecken?
Umso mehr, als es in Schöpfung und Natur einige schön und harmlos scheinende Tiere und Pflanzen gibt, die sich in Wahrheit als sehr gefährlich erweisen. Solche Tiere und Pflanzen erfordern einen umsichtigen Umgang;
Entsprechendes gilt natürlich, wenn wir mit schönen Menschen zu tun kriegen. Da ist ebenso Umsicht und Vorsicht vonnöten. Da fragen wir: Geht es um das Erwecken interesselosen Wohlgefallens? Oder stecken Interessen dahinter, soll uns da etwas verkauft werden?
Umgekehrt gilt genauso: Wenn wir mit unansehnlichen Mitmenschen zu tun bekommen, sind wir geneigt zu denken, dass sie was zu verbergen haben. Aber lassen wir uns von Schönheit nicht blenden! Und lassen wir uns gleichfalls nicht von Unansehnlichkeit den Blick auf die Wahrheit entstellen!
Das dürfte uns Christen nicht schwer fallen - sich vom Augenschein nicht blenden zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass einige der schönsten Kunstwerke der Menschheit die Kreuzigung Jesu thematisieren - musikalisch oder in Bildern. Und viele kennen dazu entsprechende Märchen, wie das vom Froschkönig oder das von der Schönen und dem Biest oder das vom hässlichen Entlein.
Also, Christen dürfte es nicht schwer fallen, den Augenschein auf Blendung zu prüfen. Jedenfalls tritt das Thema in unserem Bibeltext auf. Der Reiche erscheint als ein Geblendeter. Der Bibeltext teilt nicht ausdrücklich mit, ob er sich vom eigenen Leben und Wohlergehen hat täuschen lassen. Oder von der Unansehnlichkeit des Lazarus.
Hat er den geschundenen Lazarus erst gar nicht wahrgenommen? Oder hat er ihn erblickt? Und sich angesichts dieses Jammerbildes menschlicher Verletzlichkeit ganz auf sein Wohlergehen in Schönheit gestürzt? Hat sich dabei ganz auf sein Erbe oder auf sein wirtschaftliches Potential und Geschick verlassen?
Und warum? Um seine Verletzlichkeit zu verstecken, um sich als unverletzlich schön zu wähnen? Verwundung hat ja was Ansteckendes! Wie dem auch sei, sein Irrtum macht ihn namenlos, führt ihn geradewegs in eine höllenhafte Unterwelt.
Hat sich Lazarus blenden lassen? Hatte er nur Augen für seine schwärenden Wunden und ins Auge stechenden Verletzungen? Oder schwebte vor seinem Auge nur der Reiche mit seinem makellosen Ansehen und Wohlergehen? Die aussichtslose Hoffnung, von der Party ein paar Krümel abzubekommen? Wie es in der Bibel immerhin den Hunden ab und an gelingt.
Auch darüber sagt der Predigttext nichts direkt aus. Es ist nicht zu erkennen, ob Lazarus ein guter Armer war. Oder ob er ein böser Armer war, selbst schuld an seinem Ergehen. Es könnte ja sein, dass die Innenwelt des Lazarus seiner geschilderten abstoßenden äußeren Erscheinung entsprochen hat - zumindest so lange, bis er in den Himmel aufgenommen worden war.
Klar ist nur, dass Lazarus der Wahrheit ins Auge geblickt haben muss. Wie anders hätte er sonst zu Gott in Abrahams Schoß gelangen können? Und die Wahrheit lautet: Gott hat geholfen. Mit all seiner abstoßenden Schönheit und. Mit der Auferstehung des Gekreuzigten.
Und in Jesu Geist hilft er in Wahrheit und Wirklichkeit weiter: Gott hilft dem Verletzlichen, der seinen schwärenden Wunden ausgesetzt ist und ihrer nicht ledig wird. Gott hilft dem makellos Schönen, der seine Verletzlichkeit vor sich versteckt. Und deshalb Verletzte aus Angst vor Ansteckung und Schönheitsdellen meidet.
Diese göttliche Hilfstätigkeit vorausgesetzt, erscheint eines im Predigttext merkwürdig und befremdlich. Lazarus, was soviel heißt wie mein Gott hat geholfen, Lazarus kann dem Reichen in der Unterwelt nicht helfen. Obwohl dieser darum inniglich bittet. Zu groß ist die Kluft, als unüberwindbar erweist sich dem Reichen der Abstand.
Das ist umso erstaunlicher, als es dem Reichen in der höllenhaften Unterwelt so ähnlich ergeht, wie Lazarus in der Oberwelt. Seine Verletzlichkeit brennt sich ihm ein sowie die Tageshitze einst dem Lazarus zusetzte. Anstelle der Hunde lecken Flammen an seinem schwärenden Körper, anstelle von Hunger peinigt ihn Durst.
Durst, der im Gegensatz zu Hunger etwas Unstillbares hat. Hunger kann befriedigend gestillt werden, davon zeugt unter anderem das Wort satt. Für einen derart gestillten Durst gibt es kein Wort. Und die neuerdings dazu erfundenen Wörter setzen sich im Sprachgebrauch nicht durch.
Klar, der Reiche hätte helfen können. Dann hätte er gemerkt, dass er in Schönheit Recht bekommt, und zwar doppelt Recht und Schönheit bekommt. Der Umgang mit Verletzten ist ansteckend, der macht einem die eigene Verletzlichkeit klar – das ist zugegeben.
Aber ebenso ansteckend ist die erwachende Lebendigkeit und Schönheit des Verletzten, wenn ihm Hilfe zuteil wurde. Die neue Lebensenergie und Freude. Die springt über. Und zumindest in unserem Bibeltext wäre die dazu erforderliche Gabe für den Reichen ein Klacks gewesen, Tischabfall, Krümel.
Keine großen Investitionssummen, keine langfristige Verpflichtung, keine besonderen Fähigkeiten und Talente. Wäre mehr erforderlich, dann würde womöglich der Reiche nur in seinem Größenwahn bestärkt werden. Letztlich wäre sein Tun eine herablassende Hilfe, eine Art von Zuwendung, die an einige Charity-Aktivitäten heutiger Prominenter erinnert.
Die vom Reichen erforderte Gabe lautet Vergebung. Jemandem zu vergeben, dass er an die eigene Verletzlichkeit und Verwundung erinnert. Und so die ersehnte Makellosigkeit und Schönheit gefährdet.
Die Gabe besteht also darin Hilfe zu gewähren, obwohl damit die eigene Verletzlichkeit oder Verwundung auftaucht – wenn nämlich die Hilfe scheitert, an eigenem Unvermögen z.B., Oder weil sie vom Bedürftigen abgelehnt wird. Da kann das schöne Selbstbild ganz unschöne Dellen abkriegen.
Diese Gabe zeigt wahre Schönheit. Von mir aus auch wahre innere Schönheit. Diese zeigt sich meiner Meinung nach, obwohl eine innere, garantiert auch äußerlich: als Anmut im Tun und Lassen. Als Anmut, die ihre Verletzlichkeit offenbart.
Gott gewährt in Kreuz und Auferstehung die Kraft zu dieser Vergebung, indem er uns vergibt. Er vergibt dem armen Lazarus, nimmt ihm Ängste und Wunden und gibt ihm schöne neue Lebenskraft, die den Schmerz erlittener Verletzungen übersteigt. Die ihn trotz aller Enttäuschungen erneut um Hilfe bitten lässt bei Gott und den Mitmenschen.
Auch dem Reichen in seiner Unterwelt gewährt Gott Vergebung. Vergebung, die den Reichen trotz aller Enttäuschung erneut Gott um Beistand bitten lässt. Vergebung, so dass er als Reicher der eigenen Verletzlichkeit standhält, also eventuelle Selbstbilddellen in Kauf nimmt und dem Armen Hilfe gewährt, ganz bescheiden und unspektakulär. Amen.
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Sprich nur ein Wort – und alles wird neu - Predigt zu Lukas 5,1–11 von Sven Evers
Sprich nur ein Wort – und alles wird neu
Gescheitert. Auf der ganzen Linie. Wieder einmal. Er kann die Misserfolge kaum noch zählen. Was hat er nicht alles versucht. Eine Fortbildung nach der anderen. Jeden Feierabend am Schreibtisch verbracht, um besser zu werden, um endlich die Fehler abzustellen, weil es doch an ihm selber lag – oder nicht? Wie viel hatte er sich vorgenommen für diesen Tag, dieses Projekt, diese eine Konferenz, an der so viel hing. Und dann? Wieder nichts. Ausgelacht hatten sie ihn, jedenfalls fühlte er sich so.
Jetzt sitzt er in der Küche. Trinkt einsam seinen Kaffee. Hört gar nicht hin, was die anderen reden. Sieht sie kaum, als sie sich neben ihn setzt mit ihrem Kaffee. Ihm in die Augen schaut. Sich räuspert. Da merkt er auf. „Komm“, sagt sie – „versuch es noch ein einziges Mal“. – Ausgerechnet sie, denkt er. Nett ist sie ja, das schon – aber aus einer ganz anderen Abteilung. Was versteht sie denn von seiner Arbeit, von seiner Verantwortung, von seiner Angst vor dem Scheitern?
Und doch: Ihre Worte machen ihm Mut. Ihr Blick macht ihm Mut. Es liegt so viel Zutrauen darin. Ja, sie traut ihm etwas zu, das spürt er.
Er sagt gar nicht viel. Lächelt zweifelnd zurück und nickt ihr zu. Ein leises „OK“.
Er geht zurück in sein Büro. An den Schreibtisch. An die Arbeit. Zum ersten Mal – mit Erfolg...
5,1Es begab sich aber, als sich die Menge zu Jesus drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth 2und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
Lass ihn reden, denkt sich Petrus. Das war eine richtige Sch...Nacht. Stundenlang haben wir uns die Kälte um die Ohren wehen lassen, haben immer und immer wieder die Netze ausgeworfen, uns mühsam nur auf den Beinen gehalten, weil die Müdigkeit und der Frust so groß waren. Und wofür? Nichts haben wir gefangen, aber auch gar nichts. So langsam wird es dramatisch. Wenn sich nicht bald etwas ändert, dann weiß ich kaum noch, wie ich die Familie ernähren soll. Gescheitert. Auf der ganzen Linie. Wieder einmal....
4Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Warum habe ich eigentlich auf diesen Mann gehört? Das hat Petrus sich im nachhinein oft gefragt, ohne wirklich eine Antwort darauf zu finden. Vielleicht waren es die Worte, die er so nebenbei aufgeschnappt hatte, während er in Gedanken und mit den Händen beschäftigt war und Jesus von seinem Boot aus predigte?
Vielleicht war es der Frust, fast schon Fatalismus, der ihn sagen ließ, dass es darauf ja nun auch nicht mehr ankomme?
Vielleicht war es die Art und Weise, in der Jesus ihn aufforderte. Da lag eine Bestimmtheit in seinen Worten und eine Überzeugungskraft – wider alle Vernunft. Weder hatte dieser Zimmermann Ahnung von der Fischerei, noch konnte er ahnen, wie müde, wie frustriert, wie kaputt Petrus und die Seinen waren, und dass sie eigentlich nur noch nach Hause wollten und den Misserfolg der Nacht vergessen. – Oder konnte er es doch ahnen?
Wie auch immer: Sie haben es gewagt. Er hat es gewagt. Wider alle Vernunft, wider alle Erfahrung den Worten Jesu vertraut – naja, oder ihnen doch zumindest etwas zugetraut. Sie sind rausgefahren auf den See des Misserfolgs. Ein letztes Mal... Und das hat alles verändert.
„Auf Dein Wort will ich die Netze auswerfen“
Die anderen haben schon etwas verwirrt geschaut, als Petrus die Leinen los machte, um wieder auf den See hinaus zu fahren. „Hast Du nicht mehr alle Tassen im Schrank“, haben sie vielleicht gefragt. „Warum lässt Du Dir von dem sagen, was Du zu tun hast? Der hat doch von Fischerei keine Ahnung.“ „Nein“, hat Petrus vielleicht geantwortet. „Aber doch ist da etwas in seinen Worten, das mir Mut macht. Und wie soll ich herausfinden, ob es Sinn macht oder nicht, bevor ich es nicht ausprobiert habe. Was haben wir zu verlieren? Wir waren die ganze Nacht auf See – ob wir nun noch einmal mehr oder weniger hinaus fahren, was macht das für einen Unterschied. Wir haben nichts zu verlieren, aber vieles zu gewinnen. Ist das nicht oft so im Leben? Woher wisst Ihr, dass morgen die Sonne aufgeht, bevor ihr sich nicht mit eigenen Augen seht? Woher wisst Ihr, dass das Versprechen, das andere Euch geben, gehalten wird, bevor es tatsächlich in die Tat umgesetzt ist? Wir fahren hinaus. Vielleicht ändert es nichts – dann fahren wir nach Hause und überlegen in Ruhe, wie es weitergehen kann. Oder es ändert alles. Aber wir werden es nie erfahren, wenn wir nicht auf dieses Wort dieses Mannes hin hinaus fahren.“
Und so fuhren sie hinaus.
6Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. 7Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. 8Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
Es hat alles verändert. Vertrauen verändert alles. Hätte Petrus sich nur auf seine Erfahrung verlassen, und sei sie noch so professionell, sei sie noch so fundiert – niemals hätte er erlebt, was er erlebt hat. Erfahrung ist wichtig – aber sie bringt nie Neues hervor.
Kompetenzen sind wichtig – aber sie alleine schaffen noch keinen Erfolg.
Professioneller Sachverstand, gerade im Beruf – natürlich! Aber sie alleine verändert nichts.
Mut zum Sprung in das Ungewisse; das Bauen auf das, was noch nicht da ist; bedingungsloses Vertrauen dem, was nie durch Erfahrung belegt werden kann, weil es noch keinen Grund hat in der Erfahrung – das verändert. Das macht neu. Nicht nur die Dinge oder die Situation, in der man steht, sondern den Menschen selber.
Petrus ist nicht mehr derselbe, während er hier mit den schweren Netzen kämpft, die wider alle Erfahrung, wider alle Vernunft bis zum Zerreißen gespannt sind. Sie trauen ihren Augen nicht, er und die Kollegen um ihn – sie können ihren Augen nicht trauen, weil ihre Augen noch nie gesehen haben, was hier geschieht, noch gar nicht wissen, wie das Neue aussieht.
So stehen sie verwirrt, erstaunt, verwundert, ratlos, begeistert und in tiefer Demut da. Der Schatz der Erfahrung auf der einen – der Schatz des Vertrauens auf der anderen Seite. Das, was sie sich selber zugetraut haben auf der einen, das, was Gott ihnen zutraut auf der anderen Seite.
Das Neue; das Leben; die Fülle – ersehnt, erhofft, manchmal sogar vorgestellt – und doch kaum zu ertragen in seiner Andersartigkeit, in seiner Neuheit, seiner Lebendigkeit.
9Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, 10ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
Jetzt sind sie bereit für das Neue, für das wirklich Neue. Und das war nun noch weniger absehbar als die vollen Netze, die sie schon nicht für möglich gehalten hätten. Als sei für die das erste Mal die Sonne aufgegangen und würden sie zum ersten Mal das Leben erblicken, wie es wirklich ist – oder wie es sein könnte.
„Fürchte Dich nicht“ – die ersten Worte Jesu, weil Angst macht, was neu ist und nicht vertraut. Weil man uns Menschen nicht einfach in eine neue, unbekannte Welt hineinwerfen und dann allein lassen kann, und sei diese neue Welt auch noch so schön.
Aber jetzt wird alles anders. Die vielen Fische – unerwartet, unverhofft – doch letztlich noch eine Fortsetzung dessen, was war. Früher wenig Fische oder viele – jetzt ganz viele. Das ist noch nichts wirklich Neues.
Und wie bescheiden sind – nicht nur Petrus und die Seinen – sondern auch wir wohl oft, wenn wir Neues erhoffen, alles anders werden soll, nichts mehr so bleiben, wie es ist – und wir insgeheim doch nur hoffen auf ein Mehr von dem, was schon ist, weil wir Angst haben vor dem, was ganz anders sein könnte...
Von nun an wird Petrus die Netze Netze sein lassen. Nicht, weil etwas verkehrt ist am Fischerhandwerk. Jesus stellt auch keine allgemeingültige Regel für das Leben in der Gemeinschaft mit Gott auf, indem er etwa sagt, dass jede und jeder seinen und ihren Beruf zu verlassen hätte, wenn er oder sie sich auf die Seite Gottes stellen will. Aber für Petrus ist genau dieses Neue das, was Gott Jesus für ihn bereit hält. Für ihn ist genau dies das Leben, das er leben darf und – will. Für ihn ist in einem Augenblick alles anders geworden.
Er hatte den Mut, gegen alle Erfahrung zu handeln und gegen die innere Vernunft seines Wissens und Könnens – auf das Wort Jesu hin.
Er hatte den Mut zu vertrauen dem, der keine Beweise in den Händen hielt, um Petrus theoretisch zu überzeugen von dem, was dann praktisch zu vollziehen wäre oder auch nicht.
Er hat den Sprung gewagt, ohne den es keinen Glauben geben kann – ach, was heißt keinen Glauben – ohne den es kein Leben geben kann, das den Namen Leben verdient.
Er geht zurück in sein Büro. An den Schreibtisch. An die Arbeit. Zum ersten Mal – mit Erfolg...er lächelt. Es geht also doch, denkt er. Wenn mir nur endlich jemand etwas zutraut. Wenn ich nur endlich mir selber etwas zutraue. Dann kann ich das, was war, durchbrechen, dass es nicht auch noch das bestimmt, was kommt.
Er packt seine Sachen. Schließt die Tür und macht sich auf den Heimweg. Lächelnd – zum ersten Mal nach langer Zeit.
Weil sich etwas geändert hat. Weil ihm jemand etwas zugetraut hat.
Jetzt müsste ihm nur noch jemand sagen, dass es da einen Gott gibt, der ihm nicht etwas, sondern alles zutraut. Der nicht etwas, sondern alles verändert.
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Predigt zu Lukas 16,19-31 von Eva Rincke
Liebe Gemeinde,
Was im letzten Satz gesagt wurde, geschah vor wenigen Tagen in einer Familie aus unserer Gemeinde: Jemand erstand von den Toten.
Ganz genau dies. Nicht in dem übertragenen Sinn, den wir manchmal benutzen, wenn zum Beispiel eine Beziehung quälend lang wie tot war und dann wieder auflebt. Nein, ganz genau dies: Jemand erstand von den Toten.
Die Geschichte dazu beginnt damit, dass ich zum Taufgespräch am Tisch saß. Mir fiel sofort auf, wie fahrig die Mutter der Kinder war. Ihr Mann erklärte es mir. „Hier steht gerade alles Kopf. Unser Neffe, er ist 14, sollte jetzt konfirmiert werden. Er lebt in Italien. Beim Baden ist er wie alle anderen auch von der Brücke gesprungen. Sein Fuß hat sich am Brückenpfeiler verhakt, als er wieder auftauchen wollte; er war 45 Minuten unter Wasser. Niemand konnte ihn befreien, so viele es auch versucht haben. Nun ist Beerdigung statt Konfirmation.“
Doch nicht sofort. In Italien muss jemand, der während der Wiederbelebungsversuche eine Reaktion hatte, noch drei Tage an den Maschinen bleiben. Da dies bei dem Jungen einmal sehr schwach der Fall gewesen war, kam er ins Krankenhaus. Doch die Ärzte sagten. Es sind keinerlei Lebenszeichen mehr feststellbar. Er ist tot. Doch so deutlich die Ärzte es der Mutter des Jungen auch sagten: Sie glaubte es nicht.
Was tat die Frau? Sie betete. Mit ihr ein ganzer Ort. Sie beteten für das Leben des Jungen gegen alle Fachmeinung. Und so erzählten die Taufeltern am Tisch: „Jetzt, während wir hier sitzen, ist ein toter Junge von betenden Menschen umringt, dort in Italien.“
Der einzige Trost in dieser Geschichte: Dass niemand in seinem Entsetzen allein war, sondern gehalten und gewärmt wurde vom Gebet der anderen.
Drei Wochen später sollte die Taufe stattfinden. Zuvor fragte ich mich, wie es der Familie wohl gelingen würde, trotz der Trauer die eigenen Kinder zu feiern.
Doch ich sah die Mutter der Täuflinge glänzend vor Glück. „Wissen Sie“, sagte sie, „es gibt doch eine Konfirmation in Italien. Als die Maschinen nach drei Tagen ausgestellt werden sollten, atmete mein Neffe plötzlich von selbst. Er schlug auch bald die Augen auf. Jetzt redet er wieder und macht freche Sprüche. Sogar seine PIN weiß er noch. Niemand kann es sich erklären, nichts davon. Sein Gehirn ist ohne jede Schädigung.“
„Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Von diesem unmöglichen Fall spricht Abraham und sagt damit zwei Dinge. Erstens: Mose und die Propheten sind aus sich heraus überzeugend. Zweitens: Die Toten haben keine neue Botschaft für uns. Sie können uns nichts sagen, was wir nicht schon wüssten.
Das erfährt jetzt die Familie des verunglückten Jungen. Während alle überglücklich sind, ihn wiederzuhaben, trägt er Trauer. Denn ihm fehlt ein Unterschenkel. Die schweren Verletzungen am Bein machten eine Amputation nötig. So sehr er auch gefragt wird, was er gesehen hat oder welche Worte ihm gesagt wurden – das ist nicht sein Thema. Er will seinen gesunden Körper wiederhaben. Er will sein Bein zurück. Was er will, ist exakt das, was er schon vor dem Unglück wollte. Er ist ganz und gar der Selbe, und er hat keine neue Botschaft für die Lebenden
Wie Abraham sagt: „Mose und die Propheten“ reden deutlich genug. Sie sagen, was zum guten Leben nötig ist: Gott lieben und seinen Nächsten wie sich selbst. Mehr Botschaft braucht es nicht, und mehr Autorität braucht es auch nicht.
Die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus macht deutlich, dass es trotzdem ein Hindernis gibt: Die große Kluft zwischen Menschen. Auf der einen Seite dieser Kluft befindet sich ein reicher Mann. Er hat kostbare Kleider und herrliche Tage voller Freuden. Einen Namen hat er nicht.
Die andere Seite der Kluft wird beschrieben: Dort ist ein armer Mann. Er heißt Lazarus, er liegt vor der Tür des Reichen, hat Hunger und ist krank. Die Krümel vom Tisch des reichen Hauses würden ihm schon reichen.
Aber da ist die Kluft. Sie ist riesig, trotz der räumlichen Nähe. Sie ist so riesig, dass in ihr verschwindet, was zwischen dem reichen Jedermann und dem armen Lazarus geschieht. Wir hören nichts dazu in der Geschichte. Nur, dass beide sterben und sich dann die Verhältnisse umkehren. Aus der Ferne sieht der reiche Mann Abraham, der ihm deutlich macht: In diesen Sphären sind die Dinge nicht mehr zu ändern. Hier ist die Kluft ist nicht überwindbar. Nur im Reich der Lebenden gibt es die Chance dazu, und sie besteht im Hören. „Sie haben Mose und die Propheten, die sollen sie hören.“
Wir möchten hinzufügen: „Und es dann auch tun.“ Eine Kluft wird nicht allein dadurch überwunden, dass man die Ohren aufgesperrt. Eine Kluft wird dadurch überwunden, dass man den eigenen Steilhang hinab- und den anderen Steilhang hinaufklettert. Eine Kluft wird überwunden durch praktisches Tun.
Jesus, der diese Geschichte erzählt hat, lässt Abraham die Hinzufügung vom Tun nicht aussprechen. Er erzählt diese Geschichte so kunstvoll, dass man erkennt: Hören und Tun sind dicht beieinander. Das Tun kann – wenn das Hören vorhanden ist – leicht und wie von selbst geschehen: Dem armen Lazarus hätten die Krümel gereicht. Das Opfer des Reichen wären nicht diese Abfälle gewesen. Das Opfer des Reichen wäre es gewesen, seine Taubheit aufzugeben.
Wenn wir in jedem Sonntagsgottesdienst Kollekte sammeln, ist das eine Übung in dieser Sache. Es ist eine Geste gegen die Taubheit. Es ist eine Erinnerung an das Hören auf Mose und die Propheten: „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Wenn wir in jedem Sonntagsgottesdienst Kollekte sammeln, ist das auch eine Übung darin, das Ziel nicht zu erreichen und sich dennoch nicht davon abzukehren. Wir lindern nicht die Not der Welt, nicht einmal im Ansatz. Die Übung besteht darin, das nicht als Ausrede zu nehmen.
So ging es auch den Menschen, die um den Jungen herum beteten, von dem die Ärzte sagten, er sei tot. Sie konnten die Not und das Leid nicht ändern. Sie nahmen das nicht als Ausrede. Sie ließen die Mutter und ihr Kind nicht allein. In ihrer Liebe zu Gott und zu ihren Nächsten taten sie, was sie in dieser Lage tun konnten, und beteten.
Jetzt ist der Junge in der Reha. Seine Mutter sagt nicht, er sei dort, weil Gott sich durch die Gebete habe überzeugen lassen. Seine Mutter dankt Gott und den Ärzten abwechselnd. Sie sucht nicht nach einer Erklärung. Sie weiß, dass es keine gibt. Sie belässt es beim Dank.
Wenn wir noch einmal an den reichen Mann aus der Geschichte denken, merken wir: Zu ihm passt Dankbarkeit nicht. Solange er lebt, ist er ganz damit beschäftigt, sich über sich selbst zu freuen.
Vielleicht ist man auf jemanden wie ihn einen Moment lang neidisch. Aber nicht lange, denn eigentlich ist er eine Karikatur – ein bestens gekleideter Mensch, dessen Tage alle herrlich und voller Freude sind. Weil wir die Übertreibung erkennen, ist es leicht, sich in Kontrast zu setzen und anders sein zu wollen. Auch darum ist diese Geschichte von Jesus so gut: Sie hilft hören und sehen, warnt und ermutigt, sie spornt an und erwartet nicht zu viel von uns. Das ist wichtig. Denn wir brauchen leichtes Gepäck, wenn wir das tun wollen, was sie uns aufs Neue aufträgt: Die Kluft überwinden. Gott lieben und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Amen.
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KONFI-IMPULS zu Lukas 16,19-31 von Steffen Kaltenbach
Ausgleichende Gerechtigkeit – „damit wir klug werden“
Nach der novellierten Konfirmationsordnung ist die Zeit der ersten Trinitatissonntage die konfirmandenlose Phase des Kirchenjahres schlechthin. Dazu geraten die Pfingstferien zu einer Familienurlaubssaison ersten Ranges.
Der 7. Juni könnte als Abschluss des Urlaubs verschlafen werden, aber als Abschlusssonntag für den 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag hat er einer Gruppe Interessierter oder neugierig Gewordener etwas zu sagen. Manche waren vielleicht zum Start oder zum Nachklingen des Konfirmandenjahres beim Konfitag des DEKT in Stuttgart. Darum verbinde ich das Sonntagsevangelium mit der Kirchentagslosung.
Jesu Erzählung stellt zwei fundamental von einander getrennte Welten in eine unfassbare Nähe zu einander: Innen, beim Reichen, Luxus pur; draußen, vor des Reichen Tür, die personifizierte, krank machende, Armut.
Wenn es eine Chance der gemeinsamen Vorbereitung des Textes mit den Konfis gäbe, würde ich sie in zwei Gruppen Bilder von Luxus und Armut zeichnen oder als Stichwortsammlung zusammentragen lassen.
Für die Predigt wäre dies das Material für eine dramaturgische Homiletik: Zwei eng nach einander geschnittene Filmszenen entstehen (Drinnen – draußen vor der Tür). Für Konfis würde ich diese Szenen aber nicht als jugendliche Lebenswelten „inszenieren“, denn wie eng liegen in der Konfigruppen - Realität arm und reich beieinander; den Transfer aus meinem „Erwachsenenfilm“ leisten die jungen Hörer/innen automatisch.
Zwei Welten also prallen aufeinander an der Schwelle der Tür der Villa des Reichen. Die Begegnung findet als Almosengabe aus den Speiseresten, womöglich über Hausangestellte, statt. (Ich denke an Lebensmittelspenden der Discouter für die Tafelläden). Von einem Interesse des Einen am Leben des Andern erzählt Jesus nichts. Immerhin kennt man im Kreis der wohlhabenden Familie den Armen dem Namen nach (V. 24). Doch der „garstige Graben“ zwischen arm und reich bleibt.
Die unüberwindbare Kluft zwischen beiden Lebenswelten wiederholt sich im Leben nach dem Tod (V.26: χάσμα μέγα). Jetzt, auf ein Mal, erlebt der anonyme Reiche (Soll ich ihm meinen Namen geben?) die Sehnsucht einer Überwindung des Grabens am eigenen Leid. Eine normale (Thora – gemäße) Portion Mitmenschlichkeit und Empathie hätte schon im irdischen Leben dieses Interesse an einer Begegnung geweckt. Aber es gibt ein zu spät.
Hier setzt der Gedanke an die „Löffelliste“ ein: Was würdest du (noch) unbedingt tun wollen, wenn du in einer Woche / in einem Monat sterben („den Löffel abgeben“) müsstest (Grandios der Film „The bucket list“/Das Beste kommt zum Schluss mit Jack Nicolson und Morgan Freeman, in dem neben vielerlei Erlebnishunger die Überwindung zwischenmenschlicher Gräben zum Thema letzter Erledigungen wird).
Am Ende gibt es also keine Chance für den Reichen (vgl. aber Mk 10, 25-27!), mit Lazarus im Sinn einer Erleichterung der Höllenqualen Kontakt aufzunehmen. Hätte Lazarus aus Mitleid oder gar Dankbarkeit für die Speisereste handeln oder einen Sklavendienst versehen sollen?
Eine Spur gibt sein Name: Lazarus geht auf das hebräische Eleazar zurück: Gott hilft. Wem aber hilft er wie?
Der Schluss von Jesu Erzählung legt den Finger in die Wunde der je eigenen Gewissensbildung: Im Grunde wissen wir, wie wir mit einander leben sollen. Weitere Warnungen helfen nicht. Und: Wahrer Reichtum entsteht in der Begegnung von arm und reich, von gesunden und kranken Menschen, von jung und alt… .
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.
Im Gottesdienst:
· Kirchentagspsalm: Psalm 1
· Dazu als Antiphon (vgl. Kirchentagssonntag): Öffne meine Augen, EG 176
· Lesung in Srecher/innenrollen Apg 3, 1-9
· Fotoserie arm und reich: Wer mir bis Pfingsten eine Mail schickt, bekommt die 23 Fotos als ppt-Präsentation im Kontrast Armut/Reichtum zugeschickt (knapp 4MB): Steffen.Kaltenbach@elkw.de
· Begegnungsaktion: Wertschätzende Begrüßung mit Händedruck und Blickkontakt?
· Lieder: Komm in unsre stolze Welt, EG 428, EG 652: We shall overcome, EG 652, Du bist da, wo Menschen leben, LFJ 498, Da berühren sich Himmel und Erde, WWDL 93, Wir strecken uns nach dir, WWDL 90, Wenn das Brot, das wir teilen, WWDL 86