13.07.14 Darmstadt: "...denn das Gute liegt so nah?"

13.07.14 Darmstadt: "...denn das Gute liegt so nah?"
12,16-21

Der ZDF-Fernsehgottesdienst am 13. Juli 2014 kam vom Hofgut Oberfeld bei Darmstadt. Das Hofgut Oberfeld ist ein Bauernhof "zum Anfassen". Getreidefelder besichtigen, Korn mahlen, Brot backen: Hier können Kinder und Erwachsene mit Kopf, Herz und Hand erfahren, wie Lebensmittel entstehen. Oder sie geben umgekehrt eigene Erfahrungen weiter, denn das Hofgut ist eine Stiftung und als solche ein Ort, an dem sich viele Darmstädter Bürger ehrenamtlich für einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung engagieren. Der ZDF-Gottesdienst fand zur Getreideernte statt und beschäftigte sich mit der Frage, was ein Leben wirklich "reich" macht.

Alle Informationen zum ZDF-Fernsehgottesdienst von 13. Juli 2014 erhalten Sie hier auf der Webseite des ZDF-Gottesdienstes.

Liebe Gemeinde,

Frau Reder macht sich gerne mal die Hände dreckig. Hier auf dem Oberfeld. Da hat sie ein eigenes Beet. Dreimal in der  Woche kommt sie zum Pflanzen und Gießen mit dem Fahrrad aus Darmstadt hierher. Ihre Kinder radeln mit. Denn sie finden ihre eigenen Karotten richtig lecker. Und sind immer ganz gespannt, was wieder Neues aus ihrem Beet zum Vorschein kommt.

Und Frau Becker parkt neuerdings viel vorsichtiger ein. Jedenfalls wenn sie ihr Auto vor ihrem Haus in Andernach abstellt. Denn am Rand der Parkbucht in ihrer Straße wachsen Zucchini. Andernach ist zur sogenannten „essbaren Stadt“ geworden. Die Bewohner dürfen und sollen alle Grünflächen der Stadt zum säen, pflanzen und - natürlich - selber ernten nutzen.

Herr Karl aus Berlin dagegen mag seinen Garten lieber beweglich. Als Beet nutzt er einen Laubsack. Er hat Erde hinein gefüllt. Der steht auf dem ehemaligen Flughafen in Berlin-Tempelhof. Mitten in der Stadt ist dort ein Gartenprojekt entstanden, bei dem er von Anfang dabei ist. Jetzt ranken sich die Erbsenschoten hoch - bald ist Erntezeit.
Alle diese Leute sehnen sich nach intakter Natur: Nach Blüten und Grün am Straßenrand. Und nach dem Gefühl, stolz und staunend das erste eigene Gemüse zu ernten. Von dem sie wissen, was drin steckt.

Aber solch ein Beet in einem Stadt- oder Saisongarten reicht nicht für Frühstück, Mittag-, Abendessen. Und schon gar nicht für das tägliche Brot. Denn Getreide braucht viel Platz. Da kommt man mit einem Beet nicht weit. Um eine ganze Stadt zu ernähren, sind große Felder nötig. Und die Bauern, die dort säen, pflügen und mähen. Im Schweiße ihres Angesichts. Während der Ernte fast rund um die Uhr. Manchmal ohne Sonntagspause.

Sicher, Landwirtschaft ist eine schöne Aufgabe, so direkt im Kontakt mit der Natur. Aber sie ist auch hart. Und macht manchmal richtig Kopfzerbrechen: Immer abhängig vom Wetter sein. Hoffen, dass kein Ungeziefer Schaden anrichtet. Und dazu noch der Papierkram. Versicherungen, Genehmigungen, die Anträge an die EU.

Darum möchte ich den Bauern aus unserem Gleichnis erst mal in Schutz nehmen. Er hat eine große Ernte eingefahren und führt daraufhin ein begeistertes Selbstgespräch: „Ich habe so gut geerntet! Ich will mir größere Scheunen bauen und darin all mein Korn und meine Vorräte sammeln!" sagt er sich. Das ist vernünftig, verantwortlich und vorausschauend. Aber doch keine Habsucht, wie diesem Bauern oft unterstellt wird!

Was also kritisiert Jesus an ihm?

Der zweite Teil seines Selbstgespräches verrät es. Da kreist der Bauer  in seinen Gedanken immer nur um sich selbst. „Ich habe nun ausgesorgt“ sagt er sich, und „jetzt hat meine Seele Ruh“.

An andere denkt er nicht, nur an sich. Er übersieht seine Mitarbeiter, die monatelang für ihn  auf den Feldern geschuftet haben. Mit krummen Rücken unter sengender Sonne.

Er übersieht die verwitwete Nachbarin, die kaum über die Runden kommt und manchmal, wenn es dämmert, um die Felder schleicht. Weil sie hofft, dort noch etwas Essbares zu finden, was andere weggeworfen haben.

Nicht einmal seine Kinder hat er im Blick, obwohl er für sie verantwortlich ist. Mit seiner guten Ernte könnte er sie schon heute davon befreien, von der Hand in den Mund zu leben. Oder er könnte wenigstens dafür sorgen, dass sie später ihr Auskommen haben, indem er das Erbe regelt. Denn wie oft geht ein Vermögen durch Erbstreitigkeiten verloren!

An diese Möglichkeiten denkt der Bauer nicht. Das ist kurzsichtig und dumm. Denn in all seinem Glück über seinen Besitz vergisst er, dass sein Leben begrenzt ist. Wenn ihn noch heute Nacht der Tod ereilt, steht er mit leeren Händen vor Gott. Sein ganzer Reichtum wird ihm nicht helfen, eine gute Lebensbilanz zu ziehen.

Doch dazu ist der Bauern noch nicht fähig. Denn er ist mit niemandem im Kontakt. Nicht mit den Menschen. Und nicht mit Gott. Er glaubt, so wie sein Besitz gehöre ihm auch seine Seele. Aber die gehört seinem Schöpfer. Gott, der ihn eines Tages ins Leben gerufen hat und eines anderen Tages sein irdisches Leben beenden wird.

Wie der Bauer auf diese harte Ansage reagiert hat, wissen wir nicht. Wahrscheinlich war er ziemlich geschockt und hat zu seiner Frau gesagt: „ Ich muss mal raus, etwas Luft schnappen.“ Und dann sehe ich ihn, wie er ratlos vor seiner Haustür steht, den Kopf schüttelt  und traurig auf seine Scheunen guckt. Ich stelle mir vor, dass ich dort leise neben ihn trete und ihn frage, ob ich ihn auf andere Gedanken bringen darf. Indem ich ihn zu uns einlade, hierher auf das Hofgut. „Ich hab ohnehin nichts mehr zu verlieren“, sagt er vielleicht und kommt zögernd mit.

Hier auf dem Hofgut ist wie immer reges Leben und Treiben. Frau Reder und ihre Kinder sind da, weil sie nach ihren Beeten sehen wollen. Ich mache den Bauern mit ihr bekannt. Die beiden beginnen bald, zu fachsimpeln. Dabei hört er verwundert, dass nur wenige Kinder heute noch erleben, wie Lebensmittel entstehen. Und es ihnen darum soviel Freude macht, ihre eigenen Möhren zu ziehen.

Einige Meter weiter begegnet er vielleicht einem Kollegen von Herrn Goebel. Und erfährt von ihm, dass es heutzutage als Bauer viel einfacher ist, volle Scheunen zu bekommen. Große Maschinen und Düngemittel machen das möglich. Das ist auch nötig. Denn mit immer weniger Fläche müssen immer mehr Menschen ernährt werden. Landwirte sind darum heute meist wissenschaftlich ausgebildet. Sie nehmen regelmäßig Bodenproben, um den Nährstoffgehalt zu überprüfen. So kann der Boden ganz gezielt verbessert werden.

Aber dieser Fortschritt hat auch seine Schattenseiten. Der Lebensmittelhandel nimmt den Bauern nur noch beste Qualität ab, nach klaren Vorgaben. So darf eine Kartoffel nur eine bestimmte Größe haben, sie darf nicht den kleinsten Fleck aufweisen, sonst wird sie nicht gekauft. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Landwirt. Viele Bauern sagen: Letztlich sind Lebensmittel hier zu billig.

Trotzdem wird es vielen Landwirten inzwischen immer wichtiger, „nachhaltig“ zu wirtschaften. Sie verbieten sich, das Letzte aus dem Boden oder ihrem Vieh herauszuholen. Weil Wasser, Boden und Tiere Gottes Schöpfung sind. Gott hat sie dem Menschen nicht überlassen, um damit Raubbau zu betreiben, sondern um sie zu hegen und bewahren. Diese Bauern schlagen im Wald nicht mehr Holz, als nachwächst. Entnehmen dem Boden nicht mehr Nährstoffe, als ihm zurückgegeben werden kann. Und halten ihre Hühner so, dass sie genug Licht und Luft und Platz haben. Maßhalten statt volle Scheunen um jeden Preis ist ihr Grundsatz. Maßhalten, an die nachkommenden Generationen denken und dabei trotzdem auch selbst sein Auskommen haben  – ein anstrengendes und lohnenswertes Ziel,  das  manche Tage zur großen Herausforderung wird.

Nicht nur für die Landwirte. Auch für Verbraucher wie Herrn Kalbfuss und Frau Jourdan, die unser Bauer später im Café trifft. Sie erzählen ihm vielleicht, wie gerne sie hierher kommen. Weil dieser Ort ein kleines Paradies ist, in dem sie sich sehr wohl fühlen. Wo sie aber zugleich immer wieder merken, wie schwer es ist, zuhause in ihrem Alltag konsequent zu leben.

Maß zu halten, damit sich Gottes Schöpfung nicht erschöpft. Weil Lebensmittel viel zu aufwändig verpackt sind und dadurch so viel Plastikmüll entsteht. Weil es oft soviel bequemer ist, mal eben mit dem Auto zum Einkaufen zu fahren, als zu Fuß zu gehen.  Und wir den Kaffeebauern in Guatemala nicht persönlich kennen, von dem wir Kaffee zu fairen Preisen bekommen könnten. Sicher wären wir schneller bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn er mit uns an einem Tisch säße und aus seinem Leben erzählen könnte. Aber er ist weit weg und wir vergessen schnell, welche Menschen und welche Arbeit hinter den Dingen liegt, die wir verzehren.

Wir haben viel zu wenig Kontakt zu dem, was wir nutzen. Darum ziehen uns Orte wie dieser so an. Denn hier können wir erleben, was uns woanders fehlt: Jetzt gerade zum Beispiel Herrn Deist mit den Kindern drüben in der Backstube. Da backen sie ihre Brezeln und Brötchen fertig. Mit glühenden Wangen und leuchtenden Augen. Weil es am Ofen heiß ist. Aber vor allem, weil es soviel Freude macht, etwas selbst herzustellen. Oder der nächsten und übernächsten Generation eigene Erfahrungen weiter zu geben.

Nach diesem Rundgang über den Hof würde ich unseren Bauern natürlich gerne auch zu unserem Gottesdienst einladen. Auf dem Weg dahin könnte er im Blumenfeld schnuppern, an diesen Blüten, die einfach so da sind, schön und bunt, ohne Nutzen, Gottesgeschenk und Augenschmaus.

Diese Pracht vor Augen und dazu das Lebensglück all derer, die sich vergnügt in Gottes Schöpfung tummeln,  lässt ihn vielleicht jetzt doch mit Gott Kontakt aufnehmen und dankbar einstimmen, wenn wir die alten Psalmworte wiederholen: Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Herr mein Gott, die bist herrlich. Du machst das Land voll Früchte, lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen. Dass Du Brot aus der Erde hervorbringst und es des Menschen Herz stärke.

Heute Nachmittag käme dann irgendwann der Zeitpunkt, Abschied zu nehmen. Ich stelle mir vor, wie der reiche Kornbauer wieder nach Hause geht. Immer noch nachdenklich, aber nicht mehr mit eingezogenen Schultern.

Bevor er am Horizont verschwindet, nehme ich mir vor, ihn zu besuchen. In einem Jahr um die gleiche Zeit. Ich bin mir sicher, dass er dann noch lebt.

Denn Jesus wollte ihn und uns mit ihm bestimmt nur aufrütteln. Damit wir unsere Lebenszeit nutzen für das, was uns wirklich reich macht:

In Liebe und Freundschaft mit anderen zu leben. Teilen, was wir haben mit denen, die Mangel leiden. Staunend und achtsam empfangen, welche Wunder Gottes Schöpfung hervorbringt. Behutsam an die nächste Generation weiter geben, was uns anvertraut ist. Und Gott danken für das, was er uns täglich schenkt. Amen.

Perikope
13.07.2014
12,16-21

ZDF-Predigt von Vorsteher Christoph Radbruch

ZDF-Predigt von Vorsteher Christoph Radbruch
17,11-19

Predigt zu Judika (06.04.2014) von Vorsteher Christoph Radbruch, Pfeiffersche Stiftungen Magdeburg

Predigttext: Lukas 17,11-19

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

1. Können Sie sich die Szene vorstellen. Jesus und 10 Aussätzige. Da stehen sie am Rande eines Dorfes, ausgegrenzt. Die Aussätzigen in ihren Lumpen. Und Jesus steht da und schaut sie an und bemerkt ihre blutige Haut und ihre Lumpen.

So beginnt unsere Geschichte. Und die 10 Aussätzigen erheben ihre Stimme: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Wir können das verstehen, oder nicht. Es gibt in jedem Leben Zeiten, wo wir mit unserem Latein am Ende sind und nur noch um Hilfe rufen können. Es gibt Punkte im Leben, da wissen wir, dass unsere Not groß ist und unsere eigene Kraft zu schwach und dann rufen wir um Hilfe.

Das muss gar nicht so lautstark und dramatisch sein, wie bei den zehn Aussätzigen: Ich hatte vor einigen Monaten  Schmerzen im Oberschenkel. Am Freitag denke ich noch, dass wird schon wieder. Aber am Samstag werden die Schmerzen immer stärker. Ich weiß nicht weiter und google mal: Schmerzen – Oberschenkel. Da kommt das Stichwort Thrombose. Ich denke, jetzt fragst du doch besser einmal einen Arzt um Hilfe. Ich gehe in die Notaufnahme hier im Krankenhaus. Da wird Blut abgenommen, eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Thrombose ist es nicht. Ischias. Gut Schmerztabletten und Physiotherapie haben dafür gesorgt, dass nach ein paar Tagen wieder fit war. Aber irgendwie war ich auch beleidigt, mein Körper hat zu funktionieren, dass mein Körper mir Grenzen setzt, das gehört sich nicht.  Und ich habe dies Erlebnis auch als einen Schuss vor den Bug empfunden. Du musst jetzt akzeptieren, dass du auch in das Alter kommst, wo dein Körper nicht mehr so will, wie du willst.

Und auch in einem diakonischen Unternehmen wie die Pfeifferschen Stiftungen erleben wir Grenzen: Das Geld, das wir für unsere Aufgabenausgeben können, wird immer begrenzt sein. Da können wir noch so erfolgreich mit den Kostenträgern verhandeln. Die Zeit, die unsere Krankenschwestern  für die Patienten haben ist nicht unbegrenzt,  der Tag hat nur 24 Stunden.

Und zu unserem menschlichen Leben gehört, dass es begrenzt ist, die lassen sich manchmal ein bisschen nach hinten verschieben, aber wir müssen letztendlich Grenzen akzeptieren. Am Schluss ist unser Leben durch den Tod begrenzt, das erleben wir nicht nur im Hospiz und den Pflegeheimen unserer Stiftungen.  Der Tod die eine große Unverschämtheit und der  erbarmungsloser Zerstörer. Er zerstört den Leib. Er schneidet die Fäden durch, die Menschen miteinander verbunden haben. Die  letztendliche Grenze  des Lebens.

Wenn wir so an unsere Grenzen kommen – was dann? Wie gehen wir damit um? Einfach so weitermachen, solange es nur irgendwie geht. Sich möglichst nichts anmerken lassen – das versuchen viele. Und manche geben sich auch auf. Die zehn Aussätzigen in unserer Geschichte machen etwas anderes. Sie rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser. An der Front unseres Krankenhauses ist dieser Ruf zu lesen.

Manchmal wenn's einem die Sprache verschlagen hat ist dieses Rufen  auch nur ein Seufzer. Vielleicht eher ein leiser zögerlicher Gedanke  Gar nicht so sichtbar, wie die Inschrift über dem Eingang unseres Krankenhauses oder so unüberhörbar laut wie bei den  zehn  Aussätzigen die Jesus gegenüberstehen, die sich nicht schämen laut um Hilfe zu rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!

2. Und was antwortet Jesus? Man kann sich vieles vorstellen, aber völlig überraschend gibt er einen Befehl: Geht. Wir stellen uns Jesu ja immer als einen mitfühlenden und einfühlsamen Mann vor. Der die Sorgen der Menschen aufnimmt. Aber nein, hier gibt er einen Befehl: Geh.

Immer wieder kommen Menschen zu Gott völlig gefangengenommen von unseren Problemen. Voll mit unserer Klage über unsere Nöte. Und was bekommen wir von Gott als Antwort: einen Auftrag: Geh, mach dich auf den Weg. Meine  Rückenschmerzen vor einigen Monaten habe ich als die Aufforderung verstanden,  mich auf den Weg zu machen, indem ich mich mit dem Älterwerden auseinanderzusetze, darüber nachdenke, was es heißt, dass meine Vergangenheit größer ist als meine Zukunft und als den Auftrag, wieder regelmäßig Sport zu machen.

Wir glauben ja oft, dass es Gott es Aufgabe ist, uns  zu trösten, ein Trostpflaster auf unsere Seelen klebt. Aber er erfüllt uns diesen Wunsch nicht immer. Manchmal Gottes Antwort auf unsere Klagen ist ein klarer Befehl. Mach dich auf den Weg.   So wie bei den Aussätzigen, sie  riefen bei Jesus um Hilfe. Und was bekamen sie als Antwort. Jesus drehte sich um und sagte. Geht! Geht und zeigt euch den Priestern. Er gab einen Befehl: Macht euch auf den Weg.

3. Die Aussätzigen machten sich auf den Weg und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der tut, was ihm befohlen ist. Die Aussätzigen gehorchten dem Wort Jesu. Sie glauben ihm. Ja es geht hier um Glauben. Glauben ist dem Wort Jesu gehorchen.

Wir meinen ja oft, glauben wäre etwas für wahr halten. Also zum Beispiel etwas das man mit dem Verstand nicht erklären kann und deswegen eben nur Glauben kann. Und dann kommt es eben  zu Missverständnissen, dass Glauben verstanden wird als das Für-Wahr-Halten der Tatsache, das Jesus über Wasser gehen kann oder Maria eine Jungfrau war.

Oder wir halten Glauben für ein Gefühl, das unsere Herzen erfüllt. So ein frommes Gefühl von Gott, das uns ganz erfüllt. Aber das ist nicht der Glaube in dieser Geschichte aus der Bibel. Dieser Glaube, der hat Hände und Füße. Dieser Glauben ist tun und gehorchen. Glauben ist nichts weniger als sich auf Gottes Wort hin auf den Weg machen. So wie sich zum Beispiel Gustav Adolf Pfeiffer, der Gründer unserer Stiftungen auf den Weg machte um Geld zu sammeln für die Versorgung von Krüppeln, wie man damals behinderte Menschen nannte. Als er 1881 als Pfarrer und Superintendent nach Cracau kam, einem Vorort für Industriearbeiter am Rande Magdeburgs kam sah er sehr schnell, dass  die meisten Einwohner – Männer wie Frauen, um zu überleben in den großen Magdeburger Fabriken auf der anderen Seite der Elbe arbeiteten mussten.   Er erkannte sehr schnell, dass sich niemand um diejenigen kümmerte, die nicht arbeiten konnten: die Kinder, Kranken und Alten.  Diese Situation verstand er als Auftrag und machte sich auf den Weg über die Elbe in die Stadt Magdeburg. Dort sammelte er Spenden bei den Fabrikbesitzern,  richtete einen kleinen Kindergarten ein und baute 1889 das Johannisstift als Pflegeheim.

Sie wie sich zum Beispiel die Mitarbeiter der Behindertenhilfe unserer Stiftungen immer wieder auf den Weg machen zu den Behörden, um sich dafür einzusetzen, dass Familien in denen die Eltern behindert sind und einen unterschiedlichen Hilfebedarf haben, trotzdem zusammen wohnen können.  Heute noch muss ein junger Vater, nennen wir ihn Markus, abends sein Kind und die Mutter verlassen, weil auf seinem Förderbescheid ambulantes Wohnen steht. Er braucht nur wenige Stunden Hilfe in der Woche, z.B. zum Schreiben der Einkaufsliste.  Seine Lebensgefährtin und ihr gemeinsames Kind brauchen intensivere Betreuung, deswegen steht auf ihrem Förderbescheid "intensiv betreutes Wohnen" Und da Vater und Mutter in verschiedenen Leistungstypen der Behindertenhilfe einsortiert sind, erlauben die Kostenträger nicht, dass sie in derselben Wohnung wohnen.

Die Mitarbeiter der Behindertenhilfe und Gustav-Adolf-Pfeiffer haben sich auf den Weg gemacht, so wie die Aussätzigen sich auf den Weg machten und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der sich auf den Weg macht.

4. Und was für ein Skandal! Jesus schickt die Aussätzigen los ohne geheilt zu sein, um sich den Priestern zu zeigen. Nach jüdischem Gesetz mussten sich Aussätzige, falls sie doch einmal wieder gesund wurden, von einem Priester offiziell als rein deklarieren lassen Aber die blutigen Knoten im Gesicht und an den Händen sind noch sehen und trotzdem sagt Jesus sag zu Ihnen: Geht zum Priester!  Und die Aussätzigen gehorchen Jesus und vertrauen ihm. Sie gehen los um sich etwas beim Priester bestätigen lassen, was noch gar nicht mal ansatzweise passiert ist. Und auf dem Weg  werden sie dann geheilt, noch bevor sie ankommen. Der Zeitpunkt der Heilung geschieht also erst, als sie sich aufmachen, als sie  losgehen, um sich vom Priester die Heilung bestätigen zu lassen. Losgehen im Vertrauen, dass sich auf dem Weg etwas verändert.

Anders als in dieser Geschichte, kann es sein, dass wir losgehen im Vertrauen auf Gott und die Krankheit doch nicht loswerden. Vielleicht haben wir nicht genau hingehört,  dass Gott uns den Auftrag gegeben hat, zu lernen mit dieser körperlichen Grenze zu leben. Und sich erst etwas verändert, wenn wir uns auf diesen Weg machen.

Sich so auf den Weg machen, im Vertrauen, dass Gott etwas verändert. Von diesem Glauben sagt Jesus  zum Schluss der Geschichte: Steh auf und geh, dein Glaube hat dich geheilt.

5. Für neun ist die Geschichte damit zu Ende. Nur einer, der kehrt um und kommt wieder zu Jesus. Er preist Gott mit lauter Stimme. Dankt Jesus als Ein-Mann-Lobpreischor.

Und deswegen feiern wir jetzt auch gemeinsam Gottesdienst, um  Gott zu loben mit Liedern und Gebeten. wir werden nach diesem Gottesdienst wieder in unseren Alltag gehen und sind aufgerufen, dort zu versuchen Gottes Willen zu tun.

Aber jetzt, jetzt ist der Zeitpunkt Gott die Ehre zu geben und unseren Lobgesang anzustimmen. Hier sind wir, die christliche Gemeinde, die umdreht, zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Lasst uns Gott loben und gemeinsam singen...

Das Textbuch zum Gottesdienst finden Sie hier.

Perikope
06.04.2014
17,11-19

Konfi-Impulse zu Lukas 13,22-30 von Ulrich Erhardt

Konfi-Impulse zu Lukas 13,22-30 von Ulrich Erhardt
13,22-30

 

 

Der Bußtag bietet sich besonders dafür an, mit Konfirmandinnen und Konfirmanden zusammen einen Gottesdienst zu gestalten, denn er fällt immer auf einen Mittwoch. Der Predigttext bietet einige Anknüpfungsmöglichkeiten.

Die enge Tür zu Jesus (V. 24f)

Es entspricht der Erfahrung Jugendlicher, dass die Tür zu Jesus sehr eng ist. Glaubenszweifel, die Theodizeefrage oder die (empfundene) Spannung zwischen Glaubensbekenntnis und naturwissenschaftlichen Behauptungen machen den Zugang zum Glauben schwer. Selbstkritisch haben wir uns als Verantwortliche zu fragen, wo wir diesen Zugang verengen oder gar versperren.

Daran kann man mit Konfirmanden arbeiten, indem man ihnen Plakatkartons in Form von Verkehrszeichen gestaltet (man kann natürlich auch beim kommunalen Bauhof nach ausrangierten echten fragen). Auf Vorfahrtsstraßenschildern kann notiert werden: „Was mir den Zugang zum Glauben an Gott erleichtert …“, auf „Durchfahrt verboten“-Schildern: „Was mir den Zugang zum Glauben erschwert …“ Beides wird im Gottesdienst der Gemeinde vorgestellt und in der Predigt reflektiert: Wie gelingt es, sich ums Hereinkommen zu bemühen? (v.24) Wo sind unsere „hausgemachten“ Hürden im Weg?

Die Ausgeschlossenen (V. 25-28)

Dass Türen verschlossen sind und man nicht hereinkommt, erleben Konfirmanden immer wieder. Weil sie zu jung sind für einen Kinofilm oder eine Party, weil Erwachsene Dinge unter sich ausmachen wollen, weil sie von Gleichaltrigen ausgegrenzt werden. Daran lässt sich anknüpfen: Warum macht Jesus eigentlich hier so einen exklusiven Club auf? Gibt es Gründe, jemand auszuschließen? Vielleicht entdecken wir, dass  wir in unseren menschlichen Gruppen und Cliquen aus verständlichen, aber eigentlich zu überwindenden Gründen andere ausgrenzen. Gibt es aber umgekehrt eine „Ungerechtigkeit“ (V. 27), durch die sich jemand selbst zu Recht ausschließt? Wie gehen wir damit um, dass wir nicht der Hausherr sind, der „Ausschlussgründe“ wirklich beurteilen kann?

Die Eingeladenen (V. 29-30)

Eine bunte Gemeinschaft bisher Letzter die nun Erste werden, steht hier vor Augen. Die Frage, wer von uns auf die „Pole-Position“ gerankt wird und wer als „Looser“ gilt, ist für Konfirmanden immer aktuell. Dann weiterdenken: Würde Jesus ein anderes Ranking vornehmen? Beide „Hitlisten“ präsentieren sie der Gottesdienstgemeinde. Ebenso kann mit dem Bild von Sieger Köder „Tischgemeinschaft mit den Ausgegrenzten“ (über www.versacrum.de) gearbeitet werden: Wer sitzt hier mit am Tisch? Würde ich mich dazusetzen? Warum (nicht)?

 

 

 

Perikope
20.11.2013
13,22-30

Predigt zu Lukas 13, 22-27.30 von Ralph Hochschild

Predigt zu Lukas 13, 22-27.30 von Ralph Hochschild
13,22-27

 22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.  23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen:  24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?  26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt.  27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Herr, segne unser Reden und Hören. Amen

Liebe Gemeinde,

Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich stehe im Flur auf der 8. Etage des Hotels und will in mein Zimmer. Wieder und wieder habe ich meine Karte durch das Lesegerät gezogen. Die Leuchtdiode blinkt rot statt grün. Mein Zimmer bleibt verschlossen. Ich will aber durch die Tür hinein.

Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich gebe zu: Es ist spät. Es ist ein schöner Abend gewesen, unser Klassentreffen. Gut gegessen, nicht zu viel getrunken, viele alte Geschichten, manche vergessene Geschichte, Freude aneinander, Staunen, was aus dem einen oder anderen geworden ist, kleinere Angebereien, viel Gelächter und: Meine ganze Lebensgeschichte ist mir an diesem Abend gegenwärtig wie selten. Aber jetzt, spät in der Nacht, ginge ich gerne ins Bett. Und jetzt geht diese Tür nicht auf!

Unser Predigttext spielt mit diesem Wunsch - durch die Tür zu kommen. Und wir spüren die Angst, vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Jeder von uns kennt beides. Jeder Konfirmand kennt den Wunsch hinein zu kommen, ein fester, wichtiger Teil seiner Gruppe zu werden, einfach dazu zu gehören. Und schon jeder Konfirmand weiß, wie verletzend, wie gemein es ist, wenn jemand ausgeschlossen ist, draußen gehalten wird, draußen bleiben muss. Was es heißt, vergeblich anzuklopfen. Und was mancher Jugendliche auf sich nimmt, um dazu zu gehören.

Niemand kann den Jüngern und Sympathisanten Jesu vorwerfen, dass sie nichts auf sich nehmen. Sie wollen Jesus begegnen. Sie haben Haus und Hof verlassen. Sie gehen mit mit ihm mit. Sie haben in den Städten und Dörfern ihre Arbeit stehen und liegen gelassen. Sie wollen ihn treffen. Sie wollen ihn hören. Er ist auf dem Weg nach Jerusalem, er geht Schritt für Schritt an den Ort, an dem sich sein Leben am Kreuz vollenden wird, er zieht an den Ort, an dem er für uns Menschen durch seine Auferstehung einen neuen Anfang setzen wird.

“Gibt es auch für mich einen neuen Anfang? Für mich, nur einer unter diesen vielen, die intensiver glauben, frömmer leben, moralischer handeln als ich? Oder werden nur wenige selig?” Es ist die Frage des Buß- und Bettages, die hier einer für uns stellt: “Bin ich festgelegt auf mein altes Leben? Verfolgen mich meine alten Fehler ein Leben lang? Muss ich meine Fehlentscheidungen ein Leben lang mit verlegenen Entschuldigungen wie alte Schulden abstottern?”

Wie gerne hörten wir jetzt ein deutliches “Nein! Musst du nicht! Nein! Deine Fehler werden dich nicht verfolgen. Du bist nicht ein Leben lang festgelegt! Erfinde dich einfach neu!” Aber so einfach geht es nicht. Vielleicht wäre das auch zu billig. Denn Jesus antwortet: “Ringt darum, wetteifert darum, kämpft darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht.” 

Und bei mir geht jetzt auch noch das Licht aus. Funktioniert die Tür nicht richtig? Ein Programmierfehler? Oder habe ich die Karte aus Versehen mit meinem Tischnachbarn getauscht? Was soll ich tun? Wohin jetzt gehen? Wen jetzt suchen? Da stehe ich nun vor Tür, nach einem wundervollen Abend, meiner Lebensgeschichte bewusster als sonst, aber auf dem schmalen Magnetstreifen steht das Falsche: die falsche Zimmernummer, die falsche Person, das falsche Leben. Nicht nur die Tür, auch ich bin auf einmal blockiert.

Was hindert uns eigentlich, durch die Tür zu gehen? Was hindert uns, den Schritt zu wagen? Was blockiert den Weg durch die Tür ins richtige Leben? Wer macht uns die Pforte eng? Ich glaube, wir sind es selbst. Es fällt uns oft schwer, unseren Glauben ganz selbstverständlich zu leben. Vielleicht hemmen schlechte Erfahrungen unsere Schritte auf andere zu. Manchmal empfinden wir einen zu großen öffentlichen Druck und wir halten mit unseren Überzeugungen, Traditionen und Werten lieber hinter dem Berg. Gern bleiben wir unter uns. Wir sehen die Menschen, die mit dem Evangelium nichts oder nichts mehr anfangen können, mehr als Last denn als Aufgabe. Oft nehmen wir nicht wahr, was andere Menschen an uns befremdet, an unserer Sprache, an unserem Verhalten, an unserem Auftreten. Entspricht unser Leben unserem Auftrag? Es kommt mir manchmal bei uns so vor, als kämen die richtigen Erkenntnisse und Überzeugungen nicht in unserem Leben an, als passten unser Leben und unser Glauben nicht zusammen. Es ist, als stünden wir auch als Kirche vor der Tür und auf unserem Magnetstreifen stünde nicht “getauft”, nicht “gehört zu Jesus Christus”, nicht “zur Hoffnung berufen” - ein verkrampftes, unfrohes Leben. Nicht das Leben von freien Christenmenschen, nicht ein Leben, das Jesu Gegenwart in uns spüren lässt, kein Leben, das sich von Jesu Weg und Lehre hat ermutigen lassen, kein Leben, das andere ermutigt, sich mit uns auf den Weg zu machen.

“Ich glaube wir haben unsere Karten vertauscht”. Das Licht geht an. Ein lachendes Gesicht, ein fröhlicher Wechsel unserer Karten. Ich ziehe den Magnetstreifen durch das Schloss, grünes Licht, die Tür geht auf. Endlich, wie erlöst und befreit. “Danke!”

Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um unsere Blockaden zu lösen. Die äußeren und unsere inneren. Der Evangelist Lukas, der uns unseren Predigttext überliefert, erzählt viele Geschichten, in denen Menschen ihre Blockaden überwinden. Die meisten kennen wir gut.

Der barmherzige Samariter überwindet Glaubensgrenzen und Gleichgültigkeit. Er versorgt das fremde, verletze Opfer, gibt ihm zu essen und zu trinken. Er bekleidet ihn und verschafft ihm eine Herberge. Klassische Werke der Barmherzigkeit. Jesus holt den Zöllner Zachäus von seinem Baum herunter und lädt sich bei diesem unsympathischen Menschen ein. Der Besuch schenkt Zachäus Einsicht in sein Unrecht und die Kraft, Unrecht wieder gut zu machen und von jetzt an gerecht zu leben. Die beständig bittende Witwe bricht das Herz des harten, gleichgültigen Richters. Lukas weiß: Was im Verborgenen vom Glauben gesprochen wird, wird doch den Weg über die Dächer in die Öffentlichkeit finden. Und es tut uns gut, wenn er uns daran erinnert, dass wir einen barmherzigen Vater haben, der Türen wieder öffnet, die wir einmal hinter uns zugeschlagen haben.

Liebe Gemeinde,

sie waren das Letzte, diese Menschen in diesen Geschichten des Lukas. Verabscheute Fremde, Gauner, lästige Witwen, Leisetreter, gescheiterte Existenzen. Ihren Wechsel vom alten ins neue Leben, vom falschen ins richtige Leben kann man sich nicht ohne intensives Kämpfen und Ringen vorstellen. Und doch ist er ihnen gelungen, und doch sind sie nach vorn gekommen, sind aus letzten erste geworden, sind ihre Geschichten für uns wichtig geworden, als Beispiele, die uns motivieren können, als Erfahrungen, die uns wieder nach vorn bringen können, als Ermutigung jetzt selbst fröhlich zu einem freien, mutigen Christenleben zu wechseln und nicht ängstlich, sondern durch sie gestärkt auf die enge Pforte zugehen. Sie wird uns offen stehen. Amen

Perikope
20.11.2013
13,22-27

Erwählung zur Verantwortung - Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Ammermann

Erwählung zur Verantwortung - Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Ammermann
13,22-27

22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.

23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen:

24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können.

25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?

26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.

27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!

Liebe Gemeinde!

Ich bin ein lebensoffener Mensch. Ich esse und trinke gern, nehme mir Zeit für die angenehmen Momente und zum Genießen. Ich mache mich breit im  Leben - in freundlicher Beziehung zu anderen, versteht sich. Enge Durchgänge, in denen man stecken bleiben kann oder sich erst klein machen muss um weiterzukommen, sind mir aus Prinzip zuwider. Sie erinnern mich an die verbissenen Münder von Menschen, die sich nicht zu sagen trauen, was in ihnen vorgeht, doch deren abweisende Blicke eine eigene Sprache sprechen. Nicht gerade der Zungenschlag des Evangeliums, würde ich meinen.

Doch im Hinblick auf die verheißene Seligkeit redet plötzlich auch Jesus von einer „engen Pforte“, um deren Passierung man „ringen“ muss – womöglich in Konkurrenz zu all den anderen, die hindurch wollen? - und von einem misstrauischen Hausherrn, der geneigt ist, einem die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Dabei dachte ich immer, die Tore zu Gottes Gegenwart seien weit geöffnet – wie seine Arme und vor allem sein Herz!?

Habe ich mich in Blick auf das Wesen Gottes geirrt? Muss ich umdenken, dem freien Leben abschwören, um diesem Gott zu gefallen? Muss ich den Gürtel enger, die Stirn faltiger und die Mundwinkel tiefer ziehen, um zu jenen zu gehören, die in seiner Nähe willkommen sind?

Was ist überhaupt mit „selig werden“ gemeint? Das ewige Leben?

„...Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können...“

Tatsächlich ist hier die Rede von einer letztendlichen Auswahl. Wenn´s drauf ankommt, kommen nicht alle an!

Dabei orientiert sich Jesu endzeitliches Bild von der engen Pforte an den Wehranlagen befestigter Städte, wie es sie früher überall gab. Wenn am Abend die großen Stadttore geschlossen wurden, blieb für die Nachzügler, jene, die sich draußen verspätet hatten, nur noch ein kleiner Durchschlupf übrig, der mit einer bewachten Pforte gesichert war. Um dort eingelassen zu werden, musste man dem Wächter, der wahrscheinlich tatsächlich durch eine Schießscharte blickte, bekannt sein oder ihn auf andere Weise vom Recht und Nutzen seines Eingelassenwerdens in die geschlossene Gesellschaft der Festungsgemeinschaft überzeugen. Keine leichte Sache. Gesichtskontrolle. Gesinnungsprüfung!

In unseren heutigen Städten erleben so etwas nur noch jene Nachtschwärmer, die zu später Stunde Einlass in eine angesagte Diskothek oder einen verheißungsvollen Nachtclub begehren. Ausgerechnet! Sollte es so etwa auch bei Gott zugehen? Womöglich mit dem Erzengel Michael als bizepsprotzendem Türsteher – „Eintritt nur für Clubmitglieder!“?

Wer ist überhaupt gemeint mit jenem Hausherrn in Jesu Gleichnis, der nachts extra noch mal aufsteht, um die Tür eigenhändig zu verschließen. Wirklich Gott? – Ich habe da so meine Zweifel. Denn die Szenerie, welche Jesus hier entwirft, scheint eher ein Gleichnis zu sein für das „Weltgebäude“ und die Gesetze des Daseins, die darin gelten.

Aber wie auch immer, der Tenor dieses Appells ist eindeutig: Wo es um die Seligkeit geht, also um einen Zustand höchstmöglicher Erfüllung und Vollkommenheit, ist Anstrengung gefordert. Jesus spricht da, wie gesagt, vom „Ringen“ um Einlass. Und nicht jeder schafft das, denn allein dadurch, dass man sich mitreißen lässt vom allgemeinen Strom der Straße, ist es nicht getan. Eigeninitiative ist gefragt. Man muss das wirklich wollen, sich aktiv entscheiden und in diesem Sinne klar Position beziehen. So etwas ist immer unbequem, denn gegebenenfalls ist damit die Notwendigkeit verbunden, jene im Alltag lieb gewonnen festen Standpunkte abseits gefährlicher Auseinandersetzungen aufzugeben – mit vollem Risiko. Denn die bringen einen – buchstäblich - nicht weiter voran.

Umdenken und gegebenenfalls Umlenken lautet die Devise. Jene meist sanften Wege verlassen, auf denen man viel zu lange - im Grunde ziellos - unterwegs gewesen oder einfach mitgegangen war - gedankenlos, aus Trägheit oder Furcht – und die sich in Blick auf das Ziel echter Erfüllung als „Holzwege“ entpuppt haben.

Ums Umdenken und Umlenken dreht sich auch das alte deutsche Wort „Buße“. Heute ist Buß- und Bettag. Buße bedeutet: Einsicht mit Folgen!

Ein kleines Wort für ein großes Programm: „Buße tun“ verlangt, dass ein Mensch sich selbst kritisch ins Visier nimmt. Dass er offen bekennt, was ihm im Leben wichtig ist und nüchtern erkennt was er de facto daraus gemacht hat, um sodann aus seinen Fehlern zu lernen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und es künftig besser zu machen als bisher. Kurz: Buße heißt Ringen mit sich selbst! Sich überwinden und neu ausrichten. Die eigene Seele kalibrieren.

Wenn Jesus in unserem Text rät: ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht...“, dann ist das wohl in diesem Sinne zu verstehen: Macht euch klar, was für euch wirklich wichtig ist und unterzieht vor diesem Hintergrund eure bisherige Lebensführung einer kritischen Prüfung. Sodann aber zeigt Einsatz, überwindet, was euch so lange im Wege stand – allem voran euch selbst – und handelt!

„Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Liebe Gemeinde, in der Frage dieses Unbekannten mochte Jesus mehr gespürt haben als die oberflächliche Neugier eines im Grunde teilnahmslosen Passanten: Echtes Interesse, aufrichtige Suche, sicher auch ängstliche Sorge um die Zukunft, aber vor allem Entschlossenheit. Der wollte es wirklich wissen und keine Zeit mehr verlieren. Beste Voraussetzungen also für eine „Buße mit Biss“, die zur Entwicklung befreit und Veränderungen – das Neue - nicht nur zulässt, sondern freudig begrüßt. Außerdem sprach dieser Mensch aus, was auch viele der anderen bewegte. Ihm - ihnen allen, die in Bewegung geraten waren - rief Jesus nun zu: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht...“ Weicht jetzt nicht zurück, verliert keine Zeit, denn schon morgen kann es für euch zu spät sein!

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ hatte einst (sinngemäß) der russische Präsident Gorbatschow in Richtung der kalkstarren Politköpfe des DDR-Regimes ausgerufen und damit eine Art Naturgesetz formuliert: Wer nicht wahrhaben will, was die Stunde schlägt, dem hat die seine schon geschlagen. Denn Leben heißt Veränderung. Sich entwickeln. Wer jedoch die Zeit nicht nutzt, die ihm bleibt, kann selbst nicht bleiben...  

Bei Jesus klingt das so: „Wenn ... ihr (dann) anfangt, ... an die Tür zu klopfen und ... zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt ... wird (er) zu euch sagen: Ich kenne euch nicht...!“ – Jesus ruft es in unsere Richtung...

Doch er tut dies nicht, um uns zu verunsichern oder gar zu verurteilen, sondern um uns aufzurütteln. Ich bin überzeugt, dass es nicht in Gottes Natur liegt, die Unentschlossenen und Ängstlichen, all jene, die sich zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Leben buchstäblich „nicht durchringen“ können, brutal zurückzuweisen – im Gegenteil: Gottes Herz bleibt für alle offen -, sondern in der Natur des Daseins auf dieser Welt. Unseres Daseins, das nutz- und ziellos im Leerlauf dahintuckern wird bis uns der Sprit ausgeht, wenn wir uns nicht endlich ein Herz fassen, einkuppeln und Gas geben, um, hinterm eigenen Steuer, Menschen und Menschlichkeit in dieser Welt ein gutes Stück voran zu bringen. - Umdenken und Umlenken!

Sicher, nicht jeder bekommt noch rechtzeitig „die Kurve“ dazu - „...viele“, sagt Jesus, „...werden's nicht können...“ (Zukunft „nur für Clubmitglieder“!) - aber jeder, der am Ende auf der Strecke bleibt, ist für Gott einer zuviel! Wer zu spät kommt, den bestraft – nein, nicht Gott, sondern - das Leben!

Vor solcher „Strafe“ will Jesus uns bewahren, indem er uns auffordert, endlich ernst mit Besinnung und Buße zu machen. Seine drastischen Worte über jene Nachtschwärmer, die sich so peinlich verspätet haben und jetzt an der Pforte drängeln, sind nämlich nicht bloß als Drohung gemeint. Im Kern bergen sie vielmehr eine Verheißung: „Ihr könnt es noch schaffen“, lautet diese. „Noch ist Platz im Haus des Herrn und ein Schlupfloch offen für jene, die mutig und flexibel genug sind, sich auf das zu besinnen, wozu alle berufen sind!“

Indes sind Genussfeindlichkeit oder ein Verzicht auf Lebensfreude kein Beweis der Rechtschaffenheit im Sinne dieser Berufung. So wenig wie irrationaler Selbsthass und tränenreiche Erniedrigungsrituale. (Von wegen „sich klein machen“, um weiter zu kommen...) Im Gegenteil: Echte Buße braucht freie Menschen mit klaren Köpfen. Solche, die mutig zu ihren Schwächen stehen, die nicht leugnen, was in ihrem Leben falsch läuft – keine Ausflüchte mehr! – und Größe zeigen, wenn es mal wieder eng wird an der „Pforte zum Glück“.

Jene Buße, wie sie uns Jesus ans Herz legt, ist ein Akt nüchterner Vernunft und mutiger Entschlossenheit. Wer sie nicht scheut, kann mit offenem Blick nach vorn sehen (nicht wie durch Schießscharten!) und beherzt in Angriff nehmen, was nun zu tun ist.

Anlass dazu haben wir wohl alle. Denn – seien wir mal ehrlich - oft ist uns ja längst bekannt, wie die fällige „Lebenskorrektur“ aussehen müsste, was ich tun müsste, um die eingefahrenen Geleise zu verlassen und mit den alten Fehlern aufzuräumen. Bloß konnte ich mich bisher noch nicht dazu durchringen. Stattdessen hatte ich stets eine ganze Reihe von Erklärungen und Ausreden parat... - Die alltägliche Heuchelei des Verstandes vor dem (schlechten) Gewissen!

Da weiß z.B. einer seit langem, dass er gesünder leben sollte und weniger rauchen, regelmäßig zur Vorsorge gehen usw., aber bisher hatte er immer „gute“ Gründe, das schlechte Gewissen zu ignorieren und weiter zu machen wie bisher. Bis der Befund kam. Und dann war es zu spät...

Da ist eine Familie, Eltern und Kinder, die seit Jahren nicht mehr offen miteinander reden. Unausgesprochene Vorwürfe, Missverständnisse und tief sitzende Kränkungen machen den Kontakt schwer. Dabei wäre eine Aussprache, der erste Schritt zur Versöhnung, dringend geboten, denn alle leiden unter der Situation. Aber den „richtigen Zeitpunkt“ dafür haben sie nie gefunden. Und den Mut auch nicht. Bis der Vater starb... – Zu spät!

Da sind wir alle, die wir um den Zustand dieser Welt wissen, um die hemmungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Dienst einer zweifelhaften Wachstumsideologie, um Klimaerwärmung und den Handel mit Emissionspapieren, um den Hunger in der Welt und Spekulationsgeschäfte mit Lebensmitteln und und und... Wir wissen das alles, ahnen oft auch, was zu tun nötig wäre und lassen es trotzdem bleiben. Stattdessen lassen wir uns immer wieder abspeisen mit den halbherzigen Absichtserklärungen und folgenlosen Kompromissen vermeintlich machtvoller Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft. Weil es schwer ist, sich aufzuraffen und selber den Anfang zu machen. Weil es Angst macht, im allgemeinen Strom innezuhalten, um den Kopf zu erheben und Mut, der Masse genormter Meinungen  ein eigenständiges Urteil entgegenzuhalten. Weil Schweigen allemal bequemer ist als anderen unbequem zu werden...!

Aber genau das verlangt Gott von uns - im Namen des Lebens! Denn wirkliches Leben – Leben mit Gott, jenseits der Enge - kann langfristig nur gelingen, wo Menschen sich beizeiten aufmachen, um die Herausforderungen des Daseins anzunehmen. Wo sie klar Position beziehen und mit vollem Einsatz darum ringen, dass sich etwas ändert. Dass es besser wird für sie selbst und für andere.

Hat jemand behauptet, dass das Leben einfach ist? ...

Liebe Gemeinde,

es ist wahrhaftig ein enger Durchgang, den einer auf dem Weg der Läuterung passieren muss. Denn wo es ums wahre Leben geht – biblisch gesprochen: um die Erlangung der „Seligkeit“ - ist buchstäblich kein Platz mehr für Ausflüchte und emotionale Eiertänze. Aber diese „Engführung“ lässt nun keine Assoziationen mehr an menschliche Verbissenheit und ablehnende Blicke aufkommen. Ich verstehe sie als Ausdruck jener Konzentration auf das Wesentliche, wie sie für den gelingenden Vollzug unseres Lebens miteinander und vor Gott wünschenswert ist. Absolute Ehrlichkeit uns selbst gegenüber und konsequente Verantwortung für unser Tun... - so lautet heute meine Deutung jenes Bildes von der engen Pforte, die man nur ringend überwinden kann. Das ist, wie gesagt, recht mühsam und nicht ohne Risiko. Beinahe wie eine Geburt. Aber die Anstrengung lohnt sich, denn es ist der einzige Weg um Erfüllung und Frieden – um, wie bei einer Geburt, neues Leben – zur Welt zu bringen. Und genau das ist unsere Berufung. Dazu sind wir erwählt. Willkommen im Club!

AMEN

 

Perikope
20.11.2013
13,22-27

Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Bautz

Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Bautz
13,22-27

So wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, indem er lehrte und nach Jerusalem wanderte. Da fragte ihn jemand: „Herr, es sind wohl nur wenige, die gerettet werden?“ Jesus antwortete ihnen:

„Ringet danach, durch die enge Pforte (vgl. Mt 7,13-14) einzugehen! Denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen suchen und es nicht vermögen. Wenn ihr erst dann, nachdem der Hausherr sich schon erhoben und die Tür abgeschlossen hat, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen beginnt und ihm zuruft: ‚Herr, mache uns auf!‘, so wird er euch antworten: ‚Ich weiß von euch nicht, woher ihr seid.‘ (vgl. Mt 25,11-12)

Dann werdet ihr anfangen zu versichern: ‚Wir haben doch vor deinen Augen gegessen und getrunken, und du hast bei uns auf den Straßen gelehrt‘ (Mt 7,22-23); aber er wird erwidern: ‚Ich sage euch: ich weiß nicht, woher ihr seid; hinweg, steht ab von mir alle, die ihr die Ungerechtigkeit übt!‘.“ (Ps 6,9)

Liebe Gemeinde!

Ungeachtet  des ernsten Anlasses im Kirchenjahr: Buß- und Bettag ist die Botschaft bei Lukas von einer für viele Kirchgänger ungewöhnlichen Härte geprägt, die zunächst so gar nicht zur „Frohbotschaft“ des Evangeliums zu passen scheint. Und tatsächlich haben wir es heute eher mit einer prophetischen „Drohbotschaft“ im Sinne einer eindringlichen Mahnung zu tun.

Die Teilhabe am Reich „Gottes“, am Königreich der Himmel, kann sich nicht anders als im Ausüben der Gerechtigkeit („Gottes“) vollziehen. Die Tora, die wertvolle Weisung für das Leben, will gelebt werden. Nach dem Evangelium, der Frohbotschaft, soll man leben, handeln; sonst wird es verkannt.

Wenn man Unrecht tut, insbesondere seinem Mitmenschen gegenüber, wenn man ungerecht wird im Umgang mit Mitarbeitern oder auch Vorgesetzten, wird das Unrecht zur „schreienden Anklage gegen sich selbst“ (Bovon). Das „Ausschlussverfahren“ geht auf eigene Kosten, und es bedarf keines „höheren Richters“, der uns die Gemeinschaft der „Gerechten“ verwehrt.

Allerdings sind wir alle immer wieder mit der lauernden Gefahr konfrontiert, einmal oder mehrmals im Leben Unrecht zu tun, Ungerechtigkeit statt Gerechtigkeit zu walten oder jemandem angedeihen zu lassen. Der lapidare Satz: „Wir sind alle keine Engel!“ birgt eine sachliche, bei Licht betrachtet, erschreckende Wahrheit.

Deshalb spiegelt die lukanische Mahnung, hinter der sich durchaus die ernste Botschaft Jesu verbergen mag, einen nüchternen Realismus: das Trachten nach dem Reich „Gottes“, ja, das Leben nach dem Evangelium, wie das Leben überhaupt, ist ein permanenter Kampf.

Wir fallen bei diesem Kampf immer wieder auf die Nase, brechen uns manchmal fast den Hals. Dennoch dürfen wir diesem Ringen um Gerechtigkeit nicht ausweichen, sollten nicht konfliktscheu werden. Freilich, es ist nicht nur unangenehm, sondern kostet sehr viel Kraft, sich einem Konflikt selbstkritisch zu stellen und ihn auszuhalten. Deshalb fliehen viele Menschen vor solchen Auseinandersetzungen, und zwar aus unterschiedlichen Gründen.

„Das bringt ohnehin nichts, führt zu nichts.“ „Das bringt nur zusätzlichen Ärger.“ „Dann werden mir noch mehr Nachteile entstehen.“ „Ich riskiere doch keine Kündigung!“

Verständliche Reaktionen, die auch deutlich werden lassen, dass man nicht unvorbereitet dem jeweiligen Konflikt begegnen sollte; heutzutage ist oftmals Rechtsbeistand von Nöten.

Die Dimension, die der lehrende Rabbi Jesus von Nazareth (vermittelt durch Lukas) anspricht, reicht allerdings noch tiefer: Es geht (ihm) um die Verwurzelung unseres Lebens und um die Früchte, die wir erbringen. Teile der Bergpredigt sind mit Gedanken der Mahnrede bei Lukas geistesverwandt, bringen aber zusätzlich mehr Klarheit (Mt 7,15-20):

„Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, im Inneren aber räuberische Wölfe sind.

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Kann man etwa Trauben lesen von Dornbüschen oder Feigen von Disteln? So bringt jeder gute (gesunde) Baum gute Früchte, ein fauler Baum (mit verdorbenen Säften) aber bringt schlechte Früchte; ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen, und ein fauler Baum kann keine guten Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Also: an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Nicht alle, die ‚Herr, Herr‘ zu mir sagen, werden ins Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meines himmlischen Vaters tut.“

Zu denen, die sich selbst dem „Hause Gottes“ gegenüber verschließen, denen der Einlass verwehrt wird, gehören die Heuchler. Wer vorgibt, etwas geistlich darzustellen, vielleicht sogar ein Würdenträger, ein von Amts wegen bestellter und berufener Geistlicher oder ein Presbyter (Kirchenvorsteher), in Wirklichkeit aber seine Position vorwiegend dazu benutzt, um Machtgelüste oder eigene Vorlieben auszuagieren, der hat kein Anteil am Reich Gottes.

Ich denke dabei nicht in erster Linie an Verschwendung von öffentlichen Mitteln oder gar Veruntreuung von anvertrauten Geldern, sondern eher an ungerechtes Verhalten gegenüber Untergebenen, vor allem aber an Verabsolutierung der eigenen Meinung und Verbreitung einseitiger und damit falscher Lehre. Wer ein falsches Evangelium oder Pseudoprophetentum vertritt und verkündigt, wird vom Reich Gottes ausgeschlossen, weil er die Unkundigen und Gutgläubigen indirekt am Hineinkommen hindert.

Wer meint, mit der kirchlichen Taufe bereits fest im Reich Gottes verwurzelt zu sein, gleichsam wie ein Baum zu stehen und jeglichem Sturm weltanschaulicher Infragestellung und Kritik an seinem Lebenswandel ohne weiteres trotzen zu können, schließt sich selbst aus.

Kirchenmitgliedschaft ist nicht identisch mit Teilhabe am Reich der Himmel. Übrigens hat man einmal festgestellt, dass in der Kirche relativ wenig vom Königreich Gottes gesprochen und noch weniger gesungen wird.

Natürlich sind viele Menschen in allen Kirchengemeinden sehr bemüht, Gerechtigkeit walten zu lassen; Gutes, nämlich das jeweils Passende, zu tun und Unrecht zu vermeiden. Insofern bringt ihr Leben „Früchte“ hervor, und es ist bedauerlich und nicht korrekt, wenn sie dafür nur selten gelobt werden. Viele Gemeindeglieder engagieren sich sogar mit Freude und bieten ihre Dienste ganz freiwillig und unentgeltlich an; ich denke an all die Ehrenamtler und andere, oftmals geradezu namenlosen Helfer in den Gemeinden. Ohne sie würde „Kirche“ kaum funktionieren. Diese sind gewiss nicht vom Reich Gottes ausgeschlossen.

Zusätzlich aber bedarf es noch eines weiteren Kriteriums, um ein „Ausschlussverfahren“ (im negativen Sinne) von vornherein abzuwenden. Es reicht offenbar nicht aus, Ungerechtigkeit in jeglicher Hinsicht zu vermeiden. Vielmehr ist es mindestens ebenso unerlässlich, das eigene, angelernte Bekenntnis („Herr, Herr“ sagen) und damit auch den Kirchenglauben nicht zu verabsolutieren.

Ich habe seit vielen Jahren den Eindruck, dass Bedeutung und Wert der guten Taten und Werke im Protestantismus etwas geschmälert werden. Diese geringere Einschätzung, nicht: Geringschätzung, könnte von daher rühren, dass man mitunter vergessen hat, dass Glaube ohne Werke tot ist bzw. dass eine Verwurzelung im Reich der Himmel „automatisch“, bei entsprechender Pflege, gute Früchte hervorbringt.

Die Mehrheit in unserer Gesellschaft hält sich zu keiner Kirche; ich bin aber keineswegs davon überzeugt, dass diese Menschen ein fruchtloses Leben führen.

Ich meine, dass „Kirche“ selbst ausschließend, ausgrenzend wirkt, solange sie andere Menschen zum „Herr, Herr sagen“, zu ihren Bekenntnisformen, anhält. Ich selbst habe von Haus aus keine kirchliche Anbindung gehabt. Meine Fragen als Konfirmand hatte niemand beantwortet. Inzwischen habe ich „Kirche intern“ immer wieder als eine in bestimmten sprachlichen Konventionen verwurzelte Gemeinschaft erfahren, die sich offenkundig unendlich schwer tut, allgemein verständlich und selbstkritisch Menschen anzusprechen, die „von außen“ kommen.

Nach meiner Einschätzung haben die meisten Gemeinden einfach Angst, Mitglieder aus der sog. Kerngemeinde, die klassischen Kirchgänger, zu verlieren. Wird diese Befürchtung aber geradezu kultiviert, werde ich auch kaum „Menschen von außen“ gewinnen. Sehr gefährlich wäre gar eine Haltung der sog. Kerngemeinde, wenn sie sich als bewährte Kirchgänger mit den „Geretteten“ identifizierten, im Unterschied zu jenen, denen der Zugang durch die Tür zum „Hause Gottes“ verschlossen bleibt.

Wäre aber eine solche Identifizierung ausgeschlossen, was ich stark hoffe (!), verstünde ich das Problem ganz und gar nicht: Was (oder wer!) hindert’s, die Kirchensprache in sog. „Gottesdiensten“ und bei sog. Amtshandlungen aufzubrechen und radikal zu verändern?!

Wovor hat man Angst? Mich ärgert es zutiefst, dass es längst ein Umdenken, entsprechende  Entwürfe und Modelle dazu gibt, die zum Teil in manchen Gemeinde bekannt sind, aber nicht oder vergleichsweise nur von wenigen umgesetzt werden. Zum großen Teil werden solche offenbar als revolutionär oder gar „ketzerisch“ geltende Gegenentwürfe zu den „klassischen“ mit Ignoranz oder Missachtung gestraft. Die Anregungen entstammen meist der Praktischen Theologie.

Der Buß- und Bettag ist mit Umkehr und Umdenken verbunden; für Martin Luther bedeutet dies, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei. „Das Christsein sei ein Christwerden“: „Ein Christ ist im Werden, nicht im Gewordensein.“

Das bedeutet auch, dass uns immer wieder bewusst werden sollte, „dass jeder konkrete Ausdruck religiösen Glaubens geschichtlicher Bedingtheit und Relativität unterworfen ist. Diese Erkenntnis schafft einen Geist der Toleranz und lässt jede religiöse oder kulturelle Bewegung zögern, offizielle Gültigkeit für ihre Eigenart zu beanspruchen oder ein offizielles Monopol für ihren Kult zu fordern.“ (Reinhold Niebuhr, 1974; s. J. Wachowski)

Genau das ist aber immer wieder geschehen und bleibt stets aktuell. Daher ist das Trachten nach der Herrschaft Gottes und nach seiner Gerechtigkeit (Mt 6,33) ein beständiger Kampf. Man muss regelrecht darum ringen, hineinzugelangen. Immerhin verspricht der Rabbi von Nazareth, dass wir dazu alles zum Leben Nötige erhalten.

Amen.

Hilfsmittel:

Bibelübersetzung nach H. Menge und Th.B. (vgl. „wibilex“)

François Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/2 (1996), 425-436.

Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe V (2006), 369-374 (Johannes Wachowski; stark auf den Kasus ausgerichtet).

 

Perikope
20.11.2013
13,22-27

ZDF Predigt zu Lukas 18,1-8 von Manfred Rekowski

ZDF Predigt zu Lukas 18,1-8 von Manfred Rekowski
18,1-8

"Wir müssen reden, Gott" 
Die Predigt vom Eröffnungsgottesdienst der EKD-Synode 2013

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Gemeinde hier in der Düsseldorfer Johanneskirche und zu Hause.

Wuppertal besucht Brandenburg-Ost. Wir sitzen mit unserer Partnergemeinde im Pfarrhaus und singen. "Ich möchte gerne Brücken bauen, wo alle tiefe Gräben sehen. Ich möchte über Zäune schauen und über hohe Mauern gehen."  Ein gesungenes Gebet. Doch irgendwas klingt schief, stimmt nicht an diesem Lied. Es sind nicht die Töne. Wir singen routiniert und geübt. Aber ohne echte Hoffnung, dass sich unsere Worte erfüllen.

Wenige Wochen später in Wuppertal. Der Bibelgesprächskreis trifft sich. Plötzlich kommt die Nachricht: Die Mauer ist offen! Wir schauen uns  ungläubig an: Endlich durch diese hohe Mauern gehen? Von Ost nach West?

Einer spricht aus, was viele denken: Ob Gott unsere Gebete erhört hat?

Wenn Gott damals auf der Seite der Menschen war, die sich so sehr nach Veränderung, nach Recht und Freiheit, sehnten, sollte er dann nicht auch bei denen sein, die ihn heute so dringend brauchen?

Wir haben noch eine Partnerkirche, in Afrika, im Osten des Kongos. Von den Menschen dort wird wenig in den Nachrichten berichtet. Dabei schreit es zum Himmel, wie sie leben müssen: Seit Jahrzehnten sind sie in Bürgerkriege verstrickt.

Wir wissen von Frauen, die gemeinsam versuchen, ihre Vereinsamung nach einer Vergewaltigung durchzustehen. Was ihnen Hoffnung gibt, sind Mikrokredite. Und eine Bibel, die sie geschenkt bekommen haben. Kleine Lichtblicke in großer Dunkelheit.

Sie leben am Rande der Stadt Goma in riesigen Flüchtlingscamps. Auch dort, in den beengten Zelten ist niemand sicher vor Gewalt.

Wenn ich sehe, wie sie leben müssen kommt mir ein zorniges Gebet auf die Lippen: "Gott, greif ein! Sorge für Recht und Gerechtigkeit! Mach unserer Ohnmacht ein Ende! Lass unsere Gebete endlich wirken!"

Wie viele kommen in dieses Gotteshaus mit dem Gefühl: Wir müssen reden, Gott! Wem kann ich sonst sagen, was mich im Innersten bewegt? Wo ist ein Platz für das, was mich umtreibt?

Und auch draußen vor der Kirchentür: Unzählige Stoßgebete. Am Krankenbett. Im Büro. Auf der Straße, dem Schulhof…

Doch ändert sich auch etwas? Muss ich vielleicht mehrere Zettel anheften, dringlichere Bitten aufschreiben, damit was passiert? Oder ist das hier nur ein leeres Ritual, und alles bleibt doch so, wie es ist?

Jesus meint: Nein. Es ändert sich etwas, wenn wir zu Gott beten. Aber er argumentiert nicht, wenn es um das Beten geht. Sondern erzählt stattdessen die Geschichte von der Witwe und dem Richter.

Diese Witwe hat es satt. Ihr geschieht Unrecht, doch nichts bewegt sich. So ergreift sie die Initiative und sucht den zuständigen Richter auf.

Gut, wenn man die Adresse kennt, an die man sich wenden kann. Wie oft gibt es gar keinen Zuständigen?

Dagegen hat die Witwe fast schon Glück. Sie hat die richtige Instanz gefunden. Aber die mauert. Und so kommt die Witwe der Lösung keinen Zentimeter näher. Sie gerät offenkundig an einen Richter, der nach Gusto Recht erfüllen oder Recht beugen kann. Daumen hoch oder runter? Oder die Akte besser nur liegenlassen, bis sie sich von selbst erledigt?  So sieht Willkür aus, die sich als Unabhängigkeit tarnt.

Der Richtet fürchtet sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Bis die Witwe an seiner selbstsicheren Fassade kratzt:

 

Einwurf 1 (Der Richter): Ich tue meine Pflicht, bin allein Recht und Gesetz verpflichtet. Ich bin Richter, und da ist es mein Job, frei und unabhängig zu entscheiden, unbeeinflusst auch von Mitleid. Natürlich fühlen sich manche ungerecht behandelt. Sie wissen schon: Einzelschicksale, Leute, die meinen, sie müssten der unabhängigen Rechtsprechung jetzt mal so richtig die Leviten lesen...

Klar habe ich Spielräume! Ob und wie ich diese nutze, entscheide ich ganz allein. So einfach ist das! Manchmal, wenn ich nachts wachliege, frage ich mich schon: wieso ziehst du das so durch, bist so eiskalt-professionell von dieser Rolle überzeugt?

Was ist eigentlich mit den Menschen, über die du zu Gericht sitzt? Warum berühren dich deren Sorgen und Ängste überhaupt nicht?

Nur diese Frau da, diese Nervensäge, ausgerechnet die hat mich ganz gehörig zum Nachdenken gebracht...

 

Was sorgt für Veränderung und Bewegung? Nicht immer die Kraft der besseren Argumente. Das zeigt die Politik. Und auch bei uns in der Kirche ist es nicht anders. Manchmal bringt Angst, von der wir ja sagen, sie sei kein guter Ratgeber, etwas ins Rollen.

Nun, es gibt sicher bessere Kräfte als Angst, um erstarrte Verhältnisse in Bewegung zu setzen. Mut z.B. setzt auch viel in Gang. "Mut ist die Angst, die gebetet hat", stand in diesen Tagen an einer Kirche. Das haben unsere Schwestergemeinden im Herbst 1989 erlebt. Und sich damals in mancher Gemeinde diese Witwe zum Vorbild genommen. Sie wächst ja über sich hinaus und merkt: Ich bin gar nicht so wehrlos, wie ich dachte:

 

Einwurf 2 (Die Witwe): Ich war es wirklich leid. Für mein Recht brauchte ich diesen Richterspruch. Sonst hätte ich es nicht  durchsetzen können.

Was mir die Kraft zum Kämpfen gab? Vielleicht die Achtung vor mir selbst. Unrecht darf doch nicht die Oberhand behalten nur weil der Zuständige seine Aufgabe nicht erfüllt! Dieser Richter hat mich an meine Grenzen gebracht.

Aber immerhin weiß ich jetzt, dass sich meine Hartnäckigkeit gelohnt hat. Daran werde ich denken, wenn ich wieder in solch eine Situation komme. Ich weiß jetzt, was mich stark macht und kann die Furcht überwinden.

 

Beide, weder die handgreifliche Witwe noch der selbstherrliche Richter sind  charmante Sympathieträger. Trotzdem taugen sie in Jesu Augen offenkundig als Beispiel.

"Hört, was der ungerechte Richter sagt", fordert Jesus seine Zuhörer auf. Und unterstreicht damit nochmal, dass sogar dieser starrsinnige Mann am Ende Recht sprechen wird. Das ist ja seine Aufgabe.

Wenn also schon dieser hartherzige Richter seiner Aufgabe nachkommt, wie wird erst Gott für Gerechtigkeit sorgen! Denn Gott, der Vater Jesu Christi, ist ja ganz anders. Er hat uns in Jesus Christus sein barmherziges Gesicht gezeigt.

Er ist in Jesus Christus von den Toten auferstanden und hat damit gezeigt, dass er der Herr über alle ist, die Leben beschädigen. Gott hat das letzte Wort. Auch wenn jetzt noch alles dagegen spricht: Gott tritt für seine Menschenkinder ein. In jedem einzelnen Leben. Denn wenn irgendwo auf der Welt Recht gebrochen wird, steht für Gott in jedem einzelnen Fall alles auf dem Spiel.

Trotzdem steht am Ende der Geschichte kein Triumph, sondern eine Frage: Wird der Menschensohn Glauben finden auf Erden? Diese Frage stellte sich 1989 in Brandenburg-Ost. Sie stellt sich in unseren Tagen besonders schmerzlich an den hohen Mauern und Küsten Europas.

Sie stellt sich in den vielen Ländern, in denen Menschen um ihr Leben kämpfen müssen wie dem Kongo oder Syrien. Sie stellt sich Männern und Frauen, die es in unserer Stadt schwer haben. Sie bewegt Kinder und Jugendliche, die an dieser Welt leiden. Sie stellt sich den Mitgliedern der EKD-Synode, die unsere Kirche leiten und für unsere Gesellschaft Verantwortung übernehmen.

Überall auf der Welt antworten Menschen auf diese Frage, indem sie das Vaterunser beten. Wenn wir gleich sprechen  "Dein Reich komme...."  ist in diese Bitte auch der Ruf eingeschlossen: "Gott, greif ein! Sorge für Recht und Gerechtigkeit!"

In diesen alten Worten bleibt unser Glaube wach. Und in diesen Worten wird Gott bei uns Glauben finden. Er selbst hält die Hoffnung unter uns lebendig. Und er wird Recht schaffen.

Und wir? Wir beten. Wir beten und warten. Wir beten und hoffen. Wir beten und hoffen und tun, tun das, was Not wendet. Amen.

Perikope
10.11.2013
18,1-8

Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Peter Schuchardt

Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Peter Schuchardt
18, 1-8

Liebe Schwestern und Brüder!

Bilder beeinflussen unser Denken und Fühlen. Sie machen uns traurig. Sie erzeugen Wut. Sie trösten uns. Wir erinnern uns als Volk voller Scham an die Bilder der zerstörten Geschäfte und Synagogen in unserem Land vor 75 Jahren. Die Nationalsozialisten hatten in der Reichspogromnacht gezielt diese Aktion gegen die jüdischen Bürger zur Einschüchterung und als Vorläufer der Vernichtung durchgeführt. Von vielen Schaulustigen  erhielten sie damals Beifall. Das lag auch an den hasserfüllten und diffamierenden Bildern, die sie von den Juden etwa im „Stürmer“ verbreitet hatten. Bitten wir Gott heute, dass die Bilder der Zerstörung uns wachsam sein lassen gegen jede Unterdrückung und Diskriminierung.

Aber Bilder können noch mehr als Hass und Wut, Trost und Traurigkeit hervorrufen. Bilder können uns auch irritieren und zum Nachdenken anregen. Unser Herr Jesus Christus malt mit seinen Gleichnissen Bilder. Sie nehmen uns mit auf eine Gedanken- und Herzensreise, heraus aus dem Gewohnten hin zu einer Welt, in der Gottes Reich schon sichtbar wird. Der Hirte etwa, der das verlorene Schaf sucht – und auch uns. Der Vater, der seinen Sohn wiederfindet – und auch uns. Heute hören wir ein Gleichnis Jesu aus dem 18. Kapitel des Lukasevangeliums:

1Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, 2und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. 3Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, 5will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. 6Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?

Ein Gleichnis über einen Richter und eine Witwe. Sofort tauchen Bilder in uns auf bei diesen Worten: ein ehrenwerter, angesehener Mann und eine arme, ganz in schwarz gekleidete, verhutzelte alte Frau. Der Richter, dieses Bild ist uns, sorgt für Gerechtigkeit, ist unantastbar, allein dem Recht verpflichtet. Die Witwe dagegen ist für uns der Inbegriff des schutzlosen hilfsbedürftigen Menschen. Witwen und Waisen sollen besonders geschützt werden, so zieht es sich durch das Alte Testament. Und ein Richter, das prägt ja unser Verständnis gerade in unserem heutigen Rechtsstaat, soll allein dem Recht sich verpflichtet fühlen. Und wohlmöglich noch Gott.

Doch in diesem Gleichnis Jesu ist alles anders: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Dieser Richter ist ein Despot, der willkürlich, ohne jede Bindung an Recht und Gesetz und Gott seine Urteile fällt. Wehe dem Menschen, der bei diesem Richter Hilfe sucht, kann ich nur sagen. Denn er ist ihm und  seiner Willkür völlig ausgeliefert. Dieser Richter ist so ganz anders als das Bild, dass wir haben. Wir sehen die honorigen Männer und Frauen in den roten Roben des Bundesverfassungsgerichts – und hier ist ein fieser und gemeiner Kerl. Zur Zeit des Neuen Testaments gehen  Gerechtigkeit gegen Menschen und Gottesfurcht Hand in Hand. Nur wer gegen Menschen und gegen Gott Antwort geben kann für sein Tun, handelt verantwortungsvoll. Dieser Richter tut das gerade nicht. Er handelt verantwortungslos. Und so jemanden nimmt Jesus als für sein Gleichnis!

Und die Witwe? Wir erfahren nicht viel über sie. Sie wird eben nicht als alt, verhutzelt, und hilflos beschrieben. Das eine, was wir hören, ist: Sie meint im Recht zu sein gegen ihren Widersacher. Das andere ist: sie ist hartnäckig. aber wie! Immer wieder kommt sie und bedrängt den Richter. Der aber will ihr lange Zeit nicht helfen. Und  nun erfahren wir das dritte: Sie ist ziemlich gewaltbereit. Der Richter befürchtet, sie könne ihm ins Gesicht (im Griechischen steht wirklich ein „Veilchen“) schlagen! Eine energische Frau, die im Recht zu sein meint und vor Gewalt nicht zurückscheut, die gern mal eine langt. Und so eine nimmt Jesus für sein Gleichnis! Am Ende sagt der Richter zu sich selbst: Kein Mensch, auch nicht Gott, könne mir etwas sagen, und doch will ich dieser Witwe Recht schaffen, bevor sie mir ein blaues Auge haut.

Nun würden wir das Gleichnis und unseren Herrn völlig falsch verstehen, wenn wir meinten, so wie die beiden sollen wir auch sein. Aber das Faszinierende an diesem Gleichnis ist: Jesus nimmt es aus einer gottlosen, unbarmherzigen Welt, um uns Gottes Barmherzigkeit zu zeigen. Lukas gibt uns eine Einleitung für dieses Gleichnis. Jesus will uns damit veranschaulichen, dass wir, seine Jüngerinnen und Jünger, allezeit beten und nicht nachlassen sollen. Die rabiate Witwe schafft es durch ihr Verhalten, den despotischen Richter zum Einlenken zu bewegen. Wie viel mehr dürfen wir dann auf Gott hoffen, der es doch so gut mit uns meint! Tag und Nacht dürfen wir zu Gott rufen, und er wird uns erhören. Ja, mit wie viel mehr Glaubensgewissheit dürfen wir uns an Gott, unseren Herrn wenden. Und Jesus Christus sagt es uns: Gott wird uns Recht verschaffen in Kürze. ER wird es nicht lange hinziehen, wie dieser Despotenrichter.  Soviel Zuspruch, so viel Hoffnung, soviel Zuversicht spricht aus diesen  Worten Jesu. Soviel verspricht euch Gott, soviel Hoffnung, soviel Zuversicht könntet ihr haben.

Und doch fragt Jesus uns – und es ist das einzige Gleichnis, das mit einer Frage endet:  Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden? Was meinst du? Damit spricht Jesus uns direkt an. Wird er Glauben finden auf der Erde? Jesus fragt hier nicht nach großem  Glauben, er fragt grundsätzlich nach Glauben bei uns, bei seinen Jüngerinnen und Jüngern durch alle Zeiten hindurch. Es ist falsch zu meinen, zu Lebzeiten Jesu hätten die Menschen mehr Glauben gehabt als heute. Das Neue Testament spricht da eine andere Sprache. Und mit diesem Gleichnis stellt Jesus seinen Jüngern zu allen Zeiten die Frage: Werde ich Glauben finden bei euch, wenn ich wiederkomme? Die Sonntage am Ende des Kirchenjahres lenken unseren Blick über diese Zeit und diese Erde hinaus auf Gottes Ewigkeit. Wir wissen: Diese Erde und diese Zeit hier sind begrenzt. Auch das Wort von der Wiederkehr Christi malt ein Bild, ein sehr tröstliches Bild. Selbst wenn diese Welt untergeht, geht sie doch nicht verloren. „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand“: das, was wir als Trostlied bei unseren Beerdigungen so oft singen, gilt ja für diese Welt als Ganze. Christi Hände werde auch diese Welt auffangen, wenn sie dereinst nicht mehr sein wird. Glauben wir das? Vertrauen wir darauf, dass alles Sterben und Vergehen, auch unser eigenes, auch das dieser Welt, in Christi Händen letzte Geborgenheit findet? Darum fragt er : „Werde ich Glauben finden?“ Wie bei allen Gleichnissen Jesu gilt auch hier: Achten wir darauf, wer uns hier fragt. Es ist nicht der gestrenge Verurteiler, nicht ein Despotengott, der willkürlich über uns herrscht. Es ist Christus selbst, Gottes Sohn, der uns mit seinem Leben und Sterben und Auferstehen Gottes Liebe zeigt. Die gilt für unsere Welt wie für unser Leben. Und er will uns nicht drohen, sondern einladen und ermutigen zum Gebet und zum Vertrauen auf Gott. Beides gehört zusammen. Weil wir Gott vertrauen können, können wir ihm im Gebet alles sagen. Und weil wir Gott alles sagen können, wird unser Vertrauen zu ihm wachsen und tiefer werden. Lasst euch darauf ein, das ist Christi Einladung heute an uns. Wie viel mehr als der Richter im Gleichnis wartet Gott auf unserer Gebete! Noch haben wir doch Zeit, uns mit unserem Gebet an Gott zu wenden. Noch haben wir Zeit, die ermutigenden Bilder der Gleichnisse Jesu in unser Herz aufzunehmen. Wir sollten es tun. Denn es sind Bilder der Gnade und der Barmherzigkeit. Es sind Bilder, die uns von Gottes  Walten und Wirken in unserer oft gottfernen Welt erzählen. Es sind Bilder, die die Hoffnung und den Trost in uns wachhalten. Und diese Bilder brauchen wir. Denn sie zeigen uns: Das, was jetzt ist, ist nicht alles. Auch die beschämenden Bilder der Reichspogromnacht nicht. Gottes Gnade und Barmherzigkeit kann selbst das überwinden und verändern. Und darum braucht unsere Welt nichts so sehr wie das Wort von Gottes Gnade  und Barmherzigkeit. Jesu Gleichnisse nehmen uns mit auf eine Herzensreise, in der diese neue Welt Gottes schon sichtbar wird. Und damit schon verändert sie unsere Welt hier. Seine guten Bilder stellen unsere so unbarmherzige Welt und auch uns immer wieder in Frage.

Lassen wir uns von Jesu Gleichnisbild heute anregen zum Nachdenken, zum Vertrauen und zum Gebet. Denn Gott ist doch da mit seiner heilvollen Nähe. Er wartet auf uns und unsere Gebete. Wir sollten ihn nicht warten lassen. Öffnet ihm ruhig euer Herz. Ihr braucht nur Vertrauen! Und dann könnt ihr ihm unablässig sagen, was ihr auf dem Herzen habt. Das ist die große Einladung Gottes, für jeden von euch. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen

Perikope
10.11.2013
18, 1-8

Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Heinz Behrends

Gute Nachricht für jedes Kind: Quengeln lohnt sich. Du musst nur lange genug jaulen und betteln und drängeln, dann bekommst du, was du haben willst. „Bitte, Mama, lass mich heute abend bis 1 Uhr weg bleiben. Die Disco fängt doch erst um 11 Uhr an“.

„Ach, du nervst mich schon wieder.“ – Bitte, bitte, Mama“. „Du bleibst zu Hause“. – „Bitte Mama, einmal nur“. „Na, gut, dies eine Mal“. „Und kann Papa mich abholen“? – „Muss er dann ja wohl. Er holt Dich um1 Uhr ab“.  Und dabei wollten wir heute mal früh ins Bett, gemütlich lesen und noch ein bißchen kuscheln, denkt sie. Immer unsere süßen Blagen. Wie Plagegeister kommen die lieben Kinder daher. Um endlich Ruhe zu haben, gibt die Mutter nach. Die Strategie ist aufgegangen, weiß die Tochter. Die Erziehung ist im Eimer, denkt Mutter. Sie war wieder mal nicht konsequent, hat sich weich kochen lassen. „Ja, ich weiß, es war falsch“, sagt sie, als sie ihrer Freundin davon erzählt.

Es fällt mir nicht schwer, mich in das Gleichnis Jesu vom Inkonsequenten Richter hinein zu denken und zu –fühlen.

Da ist offensichtlich eine junge Witwe -man heiratete früh,- der ein Teil ihres Erbes vorenthalten wird. Sie kann dem Richter kein Geschenk machen. Er ist ein unbestechlicher Mann. „Er fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen“.  Ihr Prozessgegner ist ein reicher Mann. Sie hat nur eine Waffe im Prozess: Ihre Beharrlichkeit.

Der Richter erfüllt ihre Bitte um Recht, weil sie ihn nervt und weil er befürchtet, dass sie ihm eine runter haut. Eine kernige Geschichte.

„Er sagte ihnen aber ein Gleichnis drüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten“, so leitet Jesus das Gleichnis ein.

Bete beharrlich, drängele Gott und Deine Bitte wird erfüllt, das ist die Botschaft.

Viele Erfahrungen sprechen dagegen.

Sie war eine sehr intensive Beterin. Jeden Morgen nannte sie alle Namen, derer, um die sich sorgte, ihren Kindern legte sie betend die Hand auf den Kopf, wenn sie sie morgens zum Schulbus verabschiedete. Wenn sie am Wochenende zur Mittagsruhe mit geschlossenen Augen auf dem Sofa lag und er flüsterte: „Schläfst Du, Schatz“, dann antwortete sie: „Nein, ich bete.“

Doch es kam die Krise, ihr Mann bekam Prostata-Krebs. Während seiner Operation in der Klinik saß sie betend in der Krankenhaus-Kapelle. Zwei Jahre später war sie dran: Gebärmutter-Krebs. Es verunsicherte sie noch mehr. „Das Beten fällt mir sehr schwer“, sagte sie. „Dann bete ich jetzt für Dich“, entgegnete ihr Mann und sprach vor und nach der Operation die Gebete an ihrem Bett.

Als die jüngste Tochter die Diagnose MS bekam, schrie sie laut: „Warum, Gott?“ und verstummte fortan. Das Vertrauen war schwer gestört. Sie blieb ratlos: „Ich kann nicht mehr beten. Das ist schlimm. Ich verzweifle“. Die Verbindung zu Gott war unterbrochen.

Im Stillen las sie die Gedanken in andere Menschen hinein. „In guten Zeiten für andere beten, keine Kunst.“ – „Ja, wo ist denn jetzt Dein Gott?“ – „Sie tut mir leid. Sie hatte so einen festen Glauben“.  

Hat sie vorher zu viel vertraut? War sie nicht krisenfest genug? Wollte Gott sie prüfen und stärken?  Kein schöner Gedanke.

Hatte sie zu wenig Geduld gehabt? „Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze“, sagt Jesus.

Wenn schon der leicht korrumpierbare Richter sich erweichen läßt, was dann erst Gott.

Hatte sie sich zu klein gemacht?

Die Witwe im Gleichnis tritt sehr resolut auf. Auf Augenhöhe. Das beeindruckt mich, das Selbstbewusstsein der Witwe. Sie läßt sich von gesellschaftlichem Abstieg, von Diffamierungen nicht irritieren. Sie drängelt und bittet. Gott will keine kleinen Kriecher, die sich selbst demütigen, sondern kraftvolle Beter.

Sie ist stark gegenüber Gott. Sie lässt sich nicht mit frommen Sprüchen abspeisen.

Wenn Gott mich als sein Gegenüber geschaffen hat, dann will ich in meinem Leid ernst genommen werden.

Leichte Zweifel sind angebracht. „Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden“?

Doch warum hat die drängelnde Tochter um einen späten Disco-Besuch Erfolg bei ihrer Mutter? Weil sie eine lebendige Beziehung miteinander haben, verbunden bleiben, was immer auch ist.

Das Beten und die Erfüllung der Bitten sind ein weites Feld. Nach dem Gleichnis von dem Richter und der Witwe erzählt Lukas das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner, der sich hinten im Tempel stehend an die Brust schlägt und sagt: „Gott sei mir Sünder gnädig“. Einer der sich im Vergleich zum Pharisäer selbst erniedrigt und deshalb erhöht wird.

Ich halte mich an die Witwe und an die Frau, die drei Einschläge in kurzer Zeit hinter sich hat.

Sie hat ein halbes Jahr gebraucht, um wieder in Kontakt zu kommen.

Heute übernimmt sie wieder das Gebet am Morgen. Sie nennt die Namen derer, um die sie sich sorgt.

Und damit sie niemanden vergisst, hat sie die Namen aufgeschrieben.

Diese Woche sind es acht.

Perikope
10.11.2013
18, 1-8

Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Gerda Altpeter Rappaport

Predigt zu Lukas 18, 1-8 von Gerda Altpeter Rappaport
18, 1-8

1 Er sagte ihnen ein Gleichnis, dass sie immer wieder beten sollten und nicht aufhören damit:
2 „Es war ein Richter in einer Stadt, der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute.
3 Es war eine Witwe in jener Stadt, die kam zu ihm und sprach:“ Verteidige mich gegen meinen Gegner!“
4 Und er wollte es nicht zunächst. Danach aber sagte er sich:“ Wenn ich auch Gott nicht fürchte
und mich vor keinem Menschen scheue,
5 so macht mich doch diese Witwe ganz kaputt. Ich werde sie verteidigen, damit sie nicht schliesslich komme, mich ins Gesicht zu schlagen.“
6 Da sprach der Herr:“ Hört, was der ungerechte Richter sagt!“
7 Aber Gott sollte nicht Recht schaffen seinen Auserwählten, die Tag und Nacht rufen, und langmütig sein ihnen gegenüber?
8 Ich sage euch: „Er wird ihnen schnell Recht schaffen. Wenn der Menschensohn kommen wird auf die Erde, wird er Glauben finden?“

Richten
Es ist ein schweres Amt über andere zu richten. Dazu gehört ein klares Gesetz, nach dem sich alle richten. Es gehört aber auch ein guter Kopf dazu, der genau urteilen kann, um die Situation richtig ein zu schätzen. Dann erst kann der Richter einwandfrei sagen, ob der Angeklagte Unrecht hat und verurteilt werden muss. Er kann der Klägerin nun zu ihrem Recht verhelfen.
Dem Richter in diesem Gleichnis geht es nicht um gerechtes Richten. Er braucht Geld, viel Geld. Wer ihm Geld gibt bekommt Recht. So einfach ist das. Auf andere hört und sieht er nicht. Da kommt eine Witwe zu ihm und bittet ihn um Hilfe. Erst hört er nicht hin. Er beachtet sie nicht. Sie kommt immer wieder. Da wird er ihm zu viel. Er tut, worum sie bittet.
Das Gleichnis Jesu geht um das Bitten und Beten.

Bitten - Beten
Mit diesem Gleichnis fordert Jesus seine Zuhörer auf, immer wieder Gott um etwas zu bitten im Gebet.
Bitten – Beten
Wie sieht es bei uns aus? Halten wir uns an Jesu Wort? Bitten und Beten wir jeden Tag, immer wieder neu? Natürlich soll auch der Dank, das Lob und die Verehrung kommen. Das Gebet umfasst alle Arten von Beten. Wir sollen nicht nachlassen. Wir sollen dran bleiben. Tun wir das?
Bitten – Beten
Jeden Abend bete ich. Zuerst danke ich für gute Gesellschaft, schmackhaftes Essen, angenehmes Trinken und alles, was sonst noch Gutes geschehen ist. Dann bete ich um Gottes Segen und Frieden für die Nacht. Ich schliesse alle mit ein, die ich kenne, Kinder, Enkel, Urenkel, Verwandte, Freundinnen, Freunde, Bekannte … Es ist eine lange Reihe. Dann schlafe ich ruhig ein. So geht es jeden Abend.
Auch morgens bedanke ich mich für eine ruhige Nacht und bitte darum, dass ihm all mein Tun und Lassen gefällt. Zu jeder Mahlzeit danke ich für seine Gnade, dass ich genug habe. Schliesslich habe ich im letzten Krieg in Deutschland gehungert. Es gab nur das Gemüse und das Obst aus dem Garten, nach gelesene Kartoffeln und Korn, kaum Fett, kaum Fleisch, kaum Brot. Es war eine schlimme Hungersnot.
Es ging allen Deutschen so, aber bei uns war es so schlimm, weil mein Vater noch als Jude geboren war und erst später mit seiner Mutter und allen Geschwistern getauft wurde. Unter dem Naziregime wurde er verfolgt, alle anderen Familienmitglieder ebenso. Es war eine schlimme Zeit.
2
Vielen anderen ging es genau so. Ich kann diese Zeit nicht vergessen, darum bin ich täglich so froh, dass ich nun Schweizerin bin, in Frieden leben kann, genug zu essen und zu trinken habe, und eine schöne Wohnung im Wallis mit viel Sonne und warmem Wasser für die Gesundheit.
Nun möchte ich noch eine andere Geschichte erzählen, eine die ich mit erlebt habe. Ich ändere nur den Namen.
Hanna, eine junge, verheiratete Lehrerin, bekommt Schwierigkeiten. Als sie ihr erstes Gehalt bekommt wird ihr Mann eifersüchtig. Als kleiner Angestellter des Staates bekommt er wesentlich weniger. Er braucht Anerkennung. Die findet er im Sport.
Er trainiert für Judo Kämpfe. Jeden Sonntag findet ein Kampf statt, da fährt er mit seiner Frau hin. Er gewinnt fast immer. Seine Frau bewundert ihn, aber er hat nun keine Zeit mehr mit ihr zu reden über den Unterricht und die Schwierigkeiten, die sie mit den 14-15 jährigen Jungen hat.
Sie ist erschöpft vom Unterricht während der Woche. Dann kommen die Fahrten zu den Judokämpfen. Sie kommt nicht mehr zu sich selbst.
Dann bricht sie zusammen. Sie kommt ins Krankenhaus. Die Ärzte handeln atheistisch. Sie trennen sie von allen Bindungen, besonders die von ihrem Mann. Dann trennen sie sie von Gott. Da begeht sie Selbstmord. Eine Freundin findet sie rechtzeitig und bringt sie ins Krankenhaus. Ihre Mutter bindet sie wieder an Gott an. Da kann sie wieder leben.
Aber die Geschichte geht weiter. Da sie offene Wunden hatte, sind dort Keime hinein gekommen. Es ist Hospitalitis. Sie wird nicht mehr arbeitsfähig. Der Mann lässt sich von ihr scheiden und heiratet eine andere. Sie kehrt ins Elternhaus zurück und geht dann in ein Alters- und Pflegeheim. Dort freundet sie sich mit einer Nonne an, die in der Ergotherapie arbeitet. Sie schreibt eine Autobiographie. Sie schreibt zum Schluss:
„Ich habe regelmässig Kontakt mit meinen Geschwistern und Freunden und schreibe gern meine Gedanken auf. In der Natur und in den Menschen finde ich Gottes Gegenwart. Ich weiss, dass ich von ihm beschützt bin und geleitet werde. Meine Zukunft liegt in seiner Hand. Das Tischgebet, das gleichzeitig mein Trauspruch war, steht immer über meinem Tun:
„Danket dem Herrn,
denn er ist freundlich
und seine Güte währet ewiglich.“

Perikope
10.11.2013
18, 1-8