Predigt zu Lukas 21,25-33 von Doris Gräb

Predigt zu Lukas 21,25-33 von Doris Gräb
21,25-33

Liebe Gemeinde!

Der 2. Advent macht es uns, zumindest was die Ordnung des Kirchenjahres angeht, wirklich nicht leicht. Im Gegenteil: die Texte und die Lieder fordern uns geradezu heraus. Da ist nichts, aber auch gar nichts, von freundlich-wärmender adventlicher Stimmung zu spüren. Kein Plätzchenduft, kein Glühweingeruch, kein Lichterglanz. Gar nichts von alledem dringt heute in unseren Gottesdienst herein.

Das war ja am vergangenen Sonntag, dem 1. Advent, noch ganz anders.  Die Freude auf die 1. Kerze, auf das endlich wieder gesungene „Macht hoch die Tür“,  - das geschäftige Treiben nach dem Gottesdienst auf unserem Kirchplatz, bis endlich der Weihnachtsmarkt eröffnet wurde, - das nachmittägliche Adventsliedersingen mit der Kantorei und dem Bläserchor, unserem Highlight am1. Advent: all das ist heute einer gewissen Ernüchterung gewichen. Die erste Kerze ist schon ein wenig herunter gebrannt, die zweite hat nicht mehr den Stellenwert. Unser abendliches Beisammensein im Rahmen des Lebendigen Adventskalenders ist schon wieder eingespielt. Also doch: every year the same procedure?

Und da, mit einem Mal, da ahnen wir, dass die Texte, die wir heute bedenken, die Lieder, die wir singen, womöglich doch hineinpassen in diese sich anbahnende Ernüchterung und Gewöhnung.  Kein strahlendes, erwartungsfrohes „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, mehr, nein, stattdessen ein fast verzweifeltes, um Hilfe rufendes: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal und tröst uns hier im Jammertal.“

Und gerade deshalb, der Gewohnheit, dem drohenden Sichgewöhnen zum Trotz, hat dieser zweite Sonntag im Advent seine Bedeutung. Erinnert uns zumindest jetzt im Gottesdienst daran, dass es eine ganz besondere Zeit ist, die unser Aufmerken verdient. Grade, wenn wir sozusagen wieder auf den Teppich gekommen, wieder geerdet sind, und alle die Glühweingerüche und Plätzchendüfte nicht mehr an oberster Stelle unseres Seelenlebens liegen.

Und dann klingen die bedrohlichen Weltuntergangstexte, die zum 2. Advent gehören, auf einmal auch gar nicht mehr so befremdlich. Haben sie doch, zumindest beim zweiten Hinhören,  wiederum sehr viel mit unserer Realität zu tun.

„Auf Erden wird den Leuten bange sein, und sie werden verzagen, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn auch die Kräfte des Himmels werden ins Wanken kommen.“ So schreibt der Evangelist LUkas.

„Ich konnte die Schreckensnachrichten einfach nicht mehr ertragen, vom Elend der Flüchtlinge in den Lagern, von den bedrohten Jesiden und Christen, von denen, die es nicht schaffen übers Mittelmeer: deswegen musste ich in den Gottesdienst kommen. Wo sonst könnte ich Trost finden?“ So sagte mir vor kurzem eine Freundin.  Und ich, fast ein wenig erschrocken: wie, um Himmels willen, kann solcher Trost denn aussehen? Was habe ich  den Schreckensbildern unserer  Zeit denn entgegen zu setzen? Haben wir ihnen überhaupt etwas entgegen zu setzen? Hatten sie es damals?

Es heißt, dass alle die biblischen Weltuntergangstexte in den Evangelien, und auch in der Offenbarung des Johannes, letztlich vor allem diesen Sinn hatten – und bis heute haben:  nämlich den Menschen gerade auf dem Hintergrund des erlebten oder befürchteten Schreckens Trost zu vermitteln, Gewissheit zu schenken, sie nicht allein zu lassen mit ihren Ängsten.

Und was unterscheidet uns dann von denen damals? Sind die Realitäten nicht sogar noch greifbarer – und wir nicht mindestens genauso des Trostes bedürftig? Gewiss, die Bilder sind andere, die uns täglich ins Wohnzimmer geliefert werden. Die Nachrichten von Hunger und Verfolgung, von Flucht und Vertreibung, von Gewalt und Krieg, von denen, die, um in der Sprache des Lukas zu bleiben, „verzagen und verschmachten vor Furcht“. – So geht es uns doch auch, wenngleich aus sicherem, gebührenden Abstand heraus.

Einerseits so satt und sicher und wohl behaust,  und andererseits so hilflos,  und so ohnmächtig. Auf der Suche nach Licht, das ins Dunkel unserer entsetzten Fragen dringt und  mehr ist als nur ein flackernder Schein am Adventskranz.  Auf der Suche nach Trost, der viel tiefer reicht als die Gerüche und Gefühle, die zu dieser Zeit gehören.

„So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung!“ – ruft, ja schreit flehend der Prophet Jesaja. - „ O Heiland, reiß den Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf! Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für!“ So singen wir mit dem Liederdichter und Jesuitenpater Philipp Spee, auch heute wieder. Und hoffen genau so, über die Zeiten und unterschiedlichen Bilder- und Vorstellungswelten hinweg, auf Trost, auf Hilfe, auf Erlösung aus allem Schrecken.

Und: wir haben etwas, was uns helfen kann. Tatsächlich. Trostgeschichten haben wir. Trostbilder haben wir, die bis in die Tiefe der Seele reichen, uns berühren, das Herz erleuchten, wenn wir sie nur auf uns und in uns wirken lassen.

Eine solche Trostgeschichte, ein Trostbild, hält  sogar unser Weltuntergangstext aus dem Lukasevangelium bereit, - vielleicht ist es Ihnen noch im Ohr:

„Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum, und alle Bäume“. Der Feigenbaum ist der einzige Baum im Nahen Osten, der seine Blätter im Herbst abwirft – und im Frühling neu ausschlägt.  Ein sichtbares, handgreifliches Zeichen der Hoffnung, gerade in dunkler Zeit. Martin Luther hat es in einer Predigt zum 2. Advent ganz wunderbar bedacht und ausgelegt. So predigte er: „Das Gleichnis von den Bäumen, das Christus seinen Jüngern und Christen gibt, damit er ihnen den Trost desto besser einprägen möchte, ist lieblich. Unser Herrgott hat den Jüngsten Tag nicht allein in die Bücher, sondern auch in die Bäume hineingeschrieben, damit wir, so oft wir die Bäume im Lenz ausschlagen sehen, stets an dieses Gleichnis denken. Die Blätter an den Bäumen zeigen nicht den Winter an, dass es frieren, schneien und kalt werden soll, sondern zeigen die fröhliche Zeit an, nämlich den Lenz und den Sommer.“

„Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätterl Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit.….“

Nein, Luther kannte die Sitte des Tannenbaums noch gar nicht. Er ist erst im 19. Jahrhundert in die Weihnachtsstuben der bürgerlichen Familien eingezogen. Aber er ist eben ein sinnenfälliges Zeichen der Hoffnung, ein sprechender Ausdruck von Trost. Spätestens, wenn ich mich mit unserem Hausmeister Ende November in Gummistiefeln auf den Weg zu einer Baumschule mache, um den sieben Meter großen Tannenbaum für unsere Johanneskirche auszusuchen,  - der dann noch weiter wachsen darf bis zum 4.Advent,  - beginnt für uns Mitarbeiter in der Gemeinde die besondere Zeit. Und wird dann noch verstärkt, wenn die Kranzbinderinnen mit ihrer Arbeit beginnen und das gespendete, durch alle Kirchenräume duftende Grün zu ihren vierhundert Kränzen für den Weihnachtsmarkt  verarbeiten. In den meisten Familien, sogar in den nichtchristlichen, ist es kaum anders. Mehr als 30 Millionen Weihnachtsbäume sind es auch in diesem Jahr wieder – wer keinen Baum hat, der, so scheint es, der feiert auch gar nicht richtig Weihnachten.

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: „Seht den Feigenbaum, und alle anderen Bäume“ – so hören wir noch einmal Lukas. Er ist ein Symbol des Lebens. Seht ihn an, und erhebt eure Häupter, und wisst, dass der Sommer nahe ist. Seht hin, und denkt dran: das, was um euch und vor euch ist, was euch den Lebensmut nehmen und euch allen Trostes berauben will, das ist nicht alles. Es kommt eine andere Zeit. Es kommt der Sommer. Es kommt eine Zeit, in der eure Erlösung naht. – In der sich vieles ändert. In der sich die Menschen ändern - und ihr mit ihnen. Weihnachten kommt!

Ist es ein Trost? Zumindest ist es ein tröstliches Bild. Es  wird nicht kahl, nicht dunkel, nicht trostlos bleiben. Seht auf – erhebt eure Häupter. Seht, was kommt, und was euch wahrlich gut tut.

Und eine andere Trostgeschichte, ein anderes Trostbild, von Jochen Klepper. Im Jahr 1938, dem Jahr der Reichspogromnacht, schreibt er sein unvergleichlich tröstliches Lied: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. – Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein, der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.“ Und: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und – Schuld, doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“ In seiner berechtigten, ihn dann letztlich auch ganz und gar aufzehrenden  Angst um seine jüdische Frau, um die halbjüdische Tochter, hat er noch die Kraft, von solchem Trost zu sprechen und zu singen. – Wagt er es, den Blick zu heben, das Haupt zu erheben, und nach dem Morgenstern Ausschau zu halten, dessen Schein das Ende der Nacht anzeigt.

Und schließlich noch eines, ein letztes Trostbild: Beim Betreten der meisten Kirchen ist unser Blick nach Osten gerichtet, dorthin, wo die Sonne aufgeht - zu dem Gott, der in die Welt gekommen und den Tod überwunden hat.

Der Weg aus der Kirche führt uns dann nach Westen, dorthin, wo die Sonne untergeht. Zeichen ist sie für das  Vergehen des Lebens und der Welt.  In vielen mittelalterlichen Kirchen haben die Baumeister  nun gerade dort im Westwerk Glasfenster mit wunderbaren Rosetten gestaltet, die beim Licht der untergehenden Sonne in vollem Glanz erstrahlen – um, ja um die Furcht zu überwinden und auch noch im Bewusstsein des Vergehens das Leben feiern zu können.  Wir kennen solche wunderbaren Fenster aus den großen Kathedralen.

Trost, in aller Trostlosigkeit. Trostbilder, die uns inmitten der vielfach grausigen Realitäten erleuchten – und uns voller Freude den Advent feiern lassen können.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger gilt es an diesem 2. Advent zu sagen. Der grüne Baum, der Morgenstern am noch dunklen Horizont, das bunte Glas im Licht der untergehenden Sonne: sie sollen uns dessen gewiss machen, dass wir etwas zu hoffen, zu erwarten haben. Dass sich etwas ändern wird in dieser unserer kalten Welt. Dass wir uns verändern. Dass sich unser Blick verändert. Dass mitten im Grauen Gott kommt, da ist, - und das Leben, trotz allem, schön ist, schön wird. –

Auch wir dürfen gewiss sein, was uns Jochen Klepper verspricht: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und – Schuld, doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.“  Amen

Perikope
07.12.2014
21,25-33

Predigt zu Lukas 21,25-33 von Mirko Peisert

Predigt zu Lukas 21,25-33 von Mirko Peisert
21,25-33

Liebe Adventsgemeinde!

Am 21.12. geht die Welt unter!
Alles beginnt mit einer nuklearen Kettenreaktion in den USA und dem finalen Fall out.

Was wird dann kommen?
Und was wird bleiben?
Gibt es noch ein Überleben für die Menschheit?

Du schlüpfst in die Rolle des Apokalyptischen Reiters. Du kämpfst gegen Mutanten und marodierende Banden. Du versuchst Dir ausreichend Munition zu sichern und Nahrungsmittel zu horten.
Was kommen wird und was bleibt, du hast es in der Hand!

Das ist ungefähr könnte die Geschichte eines neuen Computergames Apocalypse 5.2 sein– zu deutsch Enthüllung oder Offenbarung, Teil 5.2!

Die Apocalypse-Spielereihe für die X-Box begeisterte in den letzten Jahren immer wieder mit absolut sensationeller Grafik, neuer Menüführung und völlig überarbeiteten Charakteren und füllte deshalb nicht nur die Kassen des Einzelhandels, sondern erfüllte auch die Weihnachtswünsche von zahllosen Jugendlichen.

Das geilste Spiel überhaupt – heißt dazu auf Facebook!
Doch ich sage, das ist alles nur eine billige und langweilige Kopie!

Ich habe dagegen das Original! Die echte Geschichte. Und die, die stammt von Jesus.

+

Hören sie sich an, was wirklich kommen wird und was bleiben wird!
Der Evangelist Lukas hat es aufgeschrieben:

Jesus sagt: Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.

Wahrlich, ich sage euch: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.


+

Die Frage ist nun: War Jesus nun der erste Gamer?
Ist das jetzt auch nur ein Spiel? Oder ist das Echt?
Meint er das ernst?
Und wenn ja:
Was hat das alles eigentlich mit uns heute zu tun?

+

Viele Wissenschaftler sagen: Jesus meint das sehr ernst, das schon, - aber es ist auch schon alles vorbei! Das wovon Jesus da redet. Es geht ihm nämlich um die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70. Er scheint die Vernichtung der Stadt und des Tempels schon vorausgeahnt zu haben. Und kündigt die Zerstörung als Gericht Gottes an!

Die Verwüstung der Stadt und insbesondere die Zerstörung des Tempels, der danach nie wieder aufgebaut wurde. Das war ein tiefer Einschnitt für die Juden genauso wie für die Christen damals.
Und die Menschen damals dachten: Das ist das Ende der Welt!
Es ist vorbei!

+

Wozu dann aber noch dieser Predigttext heute?

Ehrlich gesagt, habe ich mich das auch gefragt. Und es gibt doch in diesen Tagen so viel Angenehmeres und Schöneres über das sich Nachdenken und Predigen ließe!
Von Lichtern und Lebkuchen, von Sternen und Stiller Nacht.

Aber vielleicht ist es auch ganz richtig und notwendig, dass wir es uns in diesen Adventswochen nicht ganz so gemütlich machen! Denn die Adventszeit, das ist eine Zeit mit doppeltem Boden!

Dieser doppelte Boden um den geht es mir heute Morgen! Der doppelte Boden im Advent, der fängt schon beim Begriff an: Advent!

Advent das ist Latein und das heißt schlicht Ankunft – Ankommen.
Aber wer kommt da eigentlich?
Wer wird da erwartet im Advent?

Antwort 1: Der Weihnachtsmann! Oder: Die Weihnachts-Geschenke! Das wäre wahrscheinlich die häufigste Antwort auf dem Hannoveraner Weihnachtsmarkt! Irgendwie ist sie auch nicht falsch, denn die mit dem Weihnachtsmann verbunden Geschenke werden ja wirklich erwartet. Aber leider gibt es für diese Antwort hier in der Kirche 0 Punkte!

Also noch mal die Frage: Wer kommt da im Advent? Wen erwarten wir?

Antwort 2: Das Kind von Bethlehem! Auch das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig! Im Kindergarten zumindest würde ich die Antwort auch gelten lassen!

Zumindest die Hauptkonfirmanden könnten und sollten aber auch noch mehr und auch die Antwort 3 kennen. Denn diese Antwort geben wir jeden Sonntag im Gottesdienst, wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen: Wir glauben an Jesus Christus……er sitzt zur rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird KOMMEN zu richten die Lebenden und die Toten.

Advent ist eine Zeit mit doppeltem Boden:
Vordergründig da geht es um Bethlehem, um das Kind, das kommt, das wir erwarten, auf das wir uns vorbereiten.

Aber im Hintergrund, da geht es um noch um ein ganz anderes Kommen, da geht es um das Kommen Jesu Christi in diese Welt, am Ende der Zeit, als Richter über Lebende und Tote!
Es geht darum, was bleibt, wenn alles andere vergeht!
Es geht um das, was ich erwarte, wünsche und hoffe für diese Welt!

+

Advent ist eine Zeit mit doppelten Boden und ein wenig wie das Kunstwerk von Teresa Margolles, der mexikanischen Künsterlin!

Es ist schon ein paar Jahre her, da hat sie im Frankfurter Museum für moderne Kunst einen Raum gestaltet: der Besucher ihres Raumes wird von einer Kaskade von Seifenblasen begrüßt! Die Seifenblasen tanzen durch den Raum bis sie irgendwann zerplatzen. Ansonsten ist der Raum weiß und leer. Nur die Seifenblasen, die eine Maschine kontinuierlich in den Raum pustet.

Ein Raum voller Seifenblasen, das ist wunderbar. Bilder aus meiner Kindheit werden in mir wach, ich denke an mein Patenkind, wie es begeistert die ersten Seifenblasen produziert hat, fasziniert schaue ich den Seifenblasen hinterher, denke an Kinderlachen, an den Frühling….

Wer will kann nur das sehen! Ja. Man könnte sich soweit zufrieden geben! Mit dieser Ebene, aber auch Teresa Margolles Kunst hat einen doppelten Boden, eine zweite Botschaft.

Theresa Margolles ist nicht nur Künstlerin, sie arbeitet eigentlich als Gerichtsmedizinerin. Täglich hat sie mit den Ermordeten des mexikanischen Drogenkrieges zu tun. Sie untersucht die Leichen, sie wäscht sie. Das Leichenwasser aber hat sie für ihr Frankfurter Kunstwerk aufgehoben und aufbereitet, desinfiziert.

Und verwandelt es nun zu Seifenblasen!

Ihre Arbeit lässt sich als eine bittere Anklage gegen die Ungerechtigkeit in ihrem Land lesen.
Und: Eine Anklage gegen das Wegschauen!
Teresa Margolles will sich nicht ab mit den Zuständen abfinden.
Sie will etwas verändern!
Und so erinnert sie noch einmal sanft an die Toten und uns an die Vergänglichkeit des Lebens.

+

Ich glaube, manchmal brauchen wir das Erschrecken! Und vielleicht ging es Jesus auch genau darum.

Drastisch und deutlich erinnert er an die Vergänglichkeit des Lebens, ja, die Vergänglich der Welt, um so unsere Erwartung wecken!
Die Erwartung auf Gottes Kommen.
Dass er für Gerechtigkeit sorgt.
Das Unrecht beendet.

Es geht um die Sehnsucht nach Gott.
Dass er zurückkommt und die Welt verändert und erlöst.

Von dieser Sehnsucht erzählt die Lesung aus dem Alten Testament. Da betet der Prophet Jesaja voller Erwartung:

Ach, Gott, dass du den Himmel zerrissest und führest herab,
dass die Berge vor dir zerflössen,
wie Feuer Reisig entzündet und wie Feuer Wasser sieden macht.


Denselben Text hat mehr als 2000 Jahre später Friedrich Spee von Langenfeld zu einen Adventslied gemacht:

Oh, Heiland reiß die Himmel auf,
herab, herauf vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

Das sind Worte von Menschen, die sehnsuchtsvoll auf Gott warten, dass er endlich mit Macht herabsteigt vom Himmel, dass er herunterkommt, dass er diese Welt verändert und erlöst. Worte von Menschen, die Gott sehnlichst vermissen, denen Gott fehlt.

Bei uns hingegen klingt die Adventszeit viel zu sehr nach diesem Lied: „Alle Jahre wieder!“
Alle Jahre wieder, Immer wieder das gleiche. Jedes Jahr der gleiche Weihnachtsstress und die gleiche Mühe. Jedes Jahr die gleiche Sorge um die Geschenke und die vollen, überfüllte Geschäfte und der überteuerte Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt.

Aber wozu dann noch Advent, wenn wir sonst nichts mehr zu erwarten haben? Wenn unsere Sehnsucht nicht mehr kennt als den Weihnachtsmann?

Gut, wer einen zweiten Boden hat, der ihn trägt!
Der noch etwas im Hintergrund hat, wenn der Boden unter den Füßen schwankt.

+

Was kommt?
Was bleibt?

Ich muss bei diesen Fragen an eine alte Fotografie der Berliner Elisabethkirche Kirche denken.

Nach dem 2. Weltkrieg ist Berlin eine apokalyptische Ruinenlandschaft. 90 Prozent der Gebäude in der Mitte Berlins sind zerstört. So auch die Elisabethkirche, 1834 von Schinkel erbaut. Als im März 1945 Phosphor-Bomben die Kirche treffen, brennt die ganze Kirche aus, das Dach stürzte ein, sämtliches Inventar wird zu Asche.

Nicht wenige haben damals gesagt: Die Kriegszerstörungen das war eine Strafe Gottes. Sie hatten das Gefühl, das ist sein Gericht.

Auf wundersame Weise aber blieb das große Eingangsportal der Kirche erhalten und über der Tür die Buchstaben eines Bibelverses:

Caelum et terra transibunt -
Verbum Dei Manet in aeternum.
Himmel und Erde werden vergehen;
aber Gottes Worte vergehen nicht.


Die Herren der Welt vergehen.
Die Mächtigen gehen dahin.
Die Herrscher und Herren.
Vorsitzenden und Präsidenten.
Sind wie Seifenblasen.

Unser Gott kommt.
Und bleibt.
In Ewigkeit.

AMEN

 

Perikope
07.12.2014
21,25-33

"Die Netze auswerfen" - ZDF-Predigt zu Lukas 5,1-7

"Die Netze auswerfen" - ZDF-Predigt zu Lukas 5,1-7
5,1-7

Lesung aus dem Lukasevangelium, Kapitel 5, 1-7:

Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Da stieg er in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.
Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen.
Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beiden Boot voll, so dass sie fast sanken.

Liebe Gemeinde!

Oft sind die Fischer Seit den frühen Morgenstunden schon am Brennsee draußen, um frische Fische zu fangen. Immer wieder werfen sie Netze aus und  ziehen die triefenden Netze ins Boot. Sehr oft bleiben die Netze leer. Aber die Fischer geben nicht auf. Mit Beharrlichkeit und großer Geduld  hoffen sie auf einen guten Fang. Die Fischer am Brennsee erinnern an die Fischer am See Genezareth aus dem Evangelium. In einer Nacht war ihr Fischzug wohl völlig erfolglos. Wir haben Simons Antwort an Jesus im Ohr: "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen!"

Großes Bemühen, viele Stunden der Arbeit, wieder eine Chance vertan und kein Erfolg. Das ist dann schon zum Verzweifeln. Jeder und jede von uns kennt solche Situationen. Wir mühen uns ab, wir setzen uns ein. Immer wieder beginnen wir von Neuem: Dennoch bleibt einem der Erfolg verwehrt. Was in solch einer Situation tun? Alles hinschmeißen? Aufgeben? Oder es immer wieder wagen? Noch einmal neu beginnen?

Erinnern wir uns an das Evangelium. Nach dem erfolglosen Fischfang in der Nacht erhält Simon den Auftrag von Jesus: "Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft wirf deine Netze zum Fang aus!" Simon hatte seine Zweifel. Er verstand was von seinem Handwerk. Gewiss mehr als Jesus, der ja Sohn eines Zimmermanns und nicht Fischer war. Simon rechnete sich keine großen Chancen auf einen guten Fang aus. Er kannte seit Jahren die besten Plätze zum Fischen und wusste, dass die Nacht und die frühen Morgenstunden die besten Zeiten für einen guten Fang sind. Seine Freunde werden ihm gewiss auch abgeraten haben, sich wieder der Mühe unterwerfen. Noch einmal hinaus rudern, noch einmal die Netze auswerfen und nach erfolglosem Fang auch wieder reinigen. In einem Satz fasst Simon all diese Bedenken zusammen und sagt auch im Namen der anderen Fischer: "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen!"

Mit diesem Satz, liebe Gemeinde, werden wir bei unseren Erfahrungen abgeholt. Ja so geht es uns im Leben auch immer wieder. Wir mühen uns ab, wir laufen scheinbar wie ein Hamster in seinem Rad. Aber der Erfolg bleibt aus. "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen!"In solch einem Moment können die Zweifel in einem wachsen. Hat das alles denn noch einen Sinn? Ist das nicht alles vergebliche Mühe? Ich könnte verstehen, wenn Simon geantwortet hätte: "Also weißt du was, Jesus? Du willst, dass wir noch mal hinausfahren, aber glaub mir: das bringt jetzt wirklich nichts."

Doch Simon sagt: "Aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen!" Ja, sagt Simon, wir haben zwar die ganze Nacht nichts gefangen, aber auf dein Wort hin will ich die Netze noch einmal auswerfen. Was Simon hier tut, ist nicht nur, dass er sich einfach einen Ruck gibt. Er springt nicht nur über seinen eigenen Schatten. Er vertraut auf das Wort Jesu. Und das heißt auch, er traut ihm mehr zu als seinem eigenen Selbstzweifel und seiner Erfahrung als Fischer. Denn Simon ist ja immerhin Fachmann und Profi. Zweifel, liebe Gemeinde, gehören zum Glauben dazu. Aber das Wort Jesus lädt uns ein, dann auch wieder am eigenen Zweifel zu zweifeln und aufs Neue vertrauen zu üben. Aber auf Dein Wort will ich die Netze auswerfen. 

Der Erfolg bleibt nicht aus, wie uns das Evangelium berichtet: "Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen!"Jesu Ermutigung: "Fahr hinaus, wo es tief ist und werft eure Netze zum Fang aus!" sind uns heute auf den Weg gegeben. Die Antwort von Simon: "Aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen!" wollen wir auch auf unser Leben umsetzen.

Im Vertrauen auf Jesus Christus zu leben kann heißen: Immer wieder die Netze auswerfen. Es neu zu wagen. Auch allen Zweiflern zum Trotz. Nicht aufgeben. Sich immer wieder die Leidenschaft als langen Atem der Geduld bewahren. In so vielen Bereichen des Lebens kann das Auswerfen der Netze, das Bemühen für einen Neuanfang  konkret werden.

Der Blick auf die gewalttätigen, kriegerischen  Auseinandersetzungen in den letzten Wochen bewegt uns an diesem Morgen auch hier an diesem idyllischen, friedvollen Ort am See. Blutvergießen, unschuldige Opfer auf Seiten der Palästinenser und Israelis. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer weiter und weiter. Gewalt säht Gewalt. Wird es im Nahen Osten jemals Frieden geben? Sind die Bemühungen zum Frieden überhaupt zielführend? Die Fragen und auch die Zweifel sind berechtigt. Und doch müssen immer wieder Angebote zum Frieden gemacht werden.  Doch müssen die Netze immer wieder ausgeworfen. Es sind oft kleine Schritte und viele Versuche sind  auch immer wieder vergeblich. Aber auf Jesu Wort hin wollen wir trotz vieler Rückschläge nicht aufgeben. Hoffen wir und beten wir, dass die Bemühungen auch zum Erfolg führen und Frieden wachsen kann.

Als Pfarrer bin ich immer wieder innerlich tief bewegt, wenn ich Konfirmandinnen und Konfirmanden nach vielen Jahren wieder treffe. Im Konfirmandenkurs habe ich es nicht immer leicht mit ihnen. Ich denke mir oft: Was ich denen erzähle, das geht doch beim einen Ohr ein und beim anderen wieder raus. Es ist doch sinnlos. Immer wieder werde ich aber überrascht.

Vor kurzem war Mario zum Anmelden seiner  Hochzeit bei mir. Ich kann mich noch gut an seine Konfirmandenzeit erinnern. Habe ich mich doch oft über ihn geärgert und dachte mir: Der kapiert doch überhaupt nichts. Mario  erzählt mir beim Traugespräch  voll Begeisterung von seinen Erfahrungen im Konfirmandenunterricht. Es war eine wunderschöne unvergessliche Zeit, sagt er mir. Sein Konfirmandenspruch von Gott als dem guten Hirten sei ihm ein treuer Begleiter im Leben. Mario will diesen Psalm auch bei seiner Trauung zugesprochen bekommen. Wir kommen weiter ins Gespräch. Mario ist vom Beruf Zimmermann. Ich erzähle ihm, dass wir demnächst einen Zubau beim Pfarrhaus in Angriff nehmen werden. Mario sagt mir gerne zu, als Zimmerer bei diesem Projekt seiner Pfarrgemeinde mitzuarbeiten. Ich kann  ihn jederzeit fragen.  Das hat mich überrascht und auch sehr gefreut. 

Wie die Erfahrungen von Fischereimeiser Andreas Hofer ausgegangen sind, wenn wir seine letzten Satz im Ohr haben: Die Genossenschaft war am Ende. Soll ich aufgeben? Wie es bei Matthias Mayer im alpinen Schisport weitergegangen ist als er wenige Wochen vor dem Saisonstart völlig kraftlos im Rollstuhl saß? Wir werden, liebe Gemeinde, die Antworten auf diese Fragen gleich hören und überrascht sein, was sich in den Netzen des Lebens von Andreas Hofer und Matthias Mayer so alles findet. "Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!" diese Jesu Worte aus dem Evangelium geben uns heute Morgen Ermutigung.  

Geben wir aus dem  Vertrauen unseres Glaubens heraus in unserem Leben niemals auf. Werfen wir – im Bild gesprochen – in den großen Zusammenhängen der Welt und in unserem persönlichen Leben immer wieder die Netze aus. Wir können gewiss sein: Gott wird sie reichlich füllen. Es kann manchmal dauern. Aber die Netze werden eines Tages gut gefüllt sein.

Amen

Perikope
24.08.2014
5,1-7

13.07.14 Darmstadt: "...denn das Gute liegt so nah?"

13.07.14 Darmstadt: "...denn das Gute liegt so nah?"
12,16-21

Der ZDF-Fernsehgottesdienst am 13. Juli 2014 kam vom Hofgut Oberfeld bei Darmstadt. Das Hofgut Oberfeld ist ein Bauernhof "zum Anfassen". Getreidefelder besichtigen, Korn mahlen, Brot backen: Hier können Kinder und Erwachsene mit Kopf, Herz und Hand erfahren, wie Lebensmittel entstehen. Oder sie geben umgekehrt eigene Erfahrungen weiter, denn das Hofgut ist eine Stiftung und als solche ein Ort, an dem sich viele Darmstädter Bürger ehrenamtlich für einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung engagieren. Der ZDF-Gottesdienst fand zur Getreideernte statt und beschäftigte sich mit der Frage, was ein Leben wirklich "reich" macht.

Alle Informationen zum ZDF-Fernsehgottesdienst von 13. Juli 2014 erhalten Sie hier auf der Webseite des ZDF-Gottesdienstes.

Liebe Gemeinde,

Frau Reder macht sich gerne mal die Hände dreckig. Hier auf dem Oberfeld. Da hat sie ein eigenes Beet. Dreimal in der  Woche kommt sie zum Pflanzen und Gießen mit dem Fahrrad aus Darmstadt hierher. Ihre Kinder radeln mit. Denn sie finden ihre eigenen Karotten richtig lecker. Und sind immer ganz gespannt, was wieder Neues aus ihrem Beet zum Vorschein kommt.

Und Frau Becker parkt neuerdings viel vorsichtiger ein. Jedenfalls wenn sie ihr Auto vor ihrem Haus in Andernach abstellt. Denn am Rand der Parkbucht in ihrer Straße wachsen Zucchini. Andernach ist zur sogenannten „essbaren Stadt“ geworden. Die Bewohner dürfen und sollen alle Grünflächen der Stadt zum säen, pflanzen und - natürlich - selber ernten nutzen.

Herr Karl aus Berlin dagegen mag seinen Garten lieber beweglich. Als Beet nutzt er einen Laubsack. Er hat Erde hinein gefüllt. Der steht auf dem ehemaligen Flughafen in Berlin-Tempelhof. Mitten in der Stadt ist dort ein Gartenprojekt entstanden, bei dem er von Anfang dabei ist. Jetzt ranken sich die Erbsenschoten hoch - bald ist Erntezeit.
Alle diese Leute sehnen sich nach intakter Natur: Nach Blüten und Grün am Straßenrand. Und nach dem Gefühl, stolz und staunend das erste eigene Gemüse zu ernten. Von dem sie wissen, was drin steckt.

Aber solch ein Beet in einem Stadt- oder Saisongarten reicht nicht für Frühstück, Mittag-, Abendessen. Und schon gar nicht für das tägliche Brot. Denn Getreide braucht viel Platz. Da kommt man mit einem Beet nicht weit. Um eine ganze Stadt zu ernähren, sind große Felder nötig. Und die Bauern, die dort säen, pflügen und mähen. Im Schweiße ihres Angesichts. Während der Ernte fast rund um die Uhr. Manchmal ohne Sonntagspause.

Sicher, Landwirtschaft ist eine schöne Aufgabe, so direkt im Kontakt mit der Natur. Aber sie ist auch hart. Und macht manchmal richtig Kopfzerbrechen: Immer abhängig vom Wetter sein. Hoffen, dass kein Ungeziefer Schaden anrichtet. Und dazu noch der Papierkram. Versicherungen, Genehmigungen, die Anträge an die EU.

Darum möchte ich den Bauern aus unserem Gleichnis erst mal in Schutz nehmen. Er hat eine große Ernte eingefahren und führt daraufhin ein begeistertes Selbstgespräch: „Ich habe so gut geerntet! Ich will mir größere Scheunen bauen und darin all mein Korn und meine Vorräte sammeln!" sagt er sich. Das ist vernünftig, verantwortlich und vorausschauend. Aber doch keine Habsucht, wie diesem Bauern oft unterstellt wird!

Was also kritisiert Jesus an ihm?

Der zweite Teil seines Selbstgespräches verrät es. Da kreist der Bauer  in seinen Gedanken immer nur um sich selbst. „Ich habe nun ausgesorgt“ sagt er sich, und „jetzt hat meine Seele Ruh“.

An andere denkt er nicht, nur an sich. Er übersieht seine Mitarbeiter, die monatelang für ihn  auf den Feldern geschuftet haben. Mit krummen Rücken unter sengender Sonne.

Er übersieht die verwitwete Nachbarin, die kaum über die Runden kommt und manchmal, wenn es dämmert, um die Felder schleicht. Weil sie hofft, dort noch etwas Essbares zu finden, was andere weggeworfen haben.

Nicht einmal seine Kinder hat er im Blick, obwohl er für sie verantwortlich ist. Mit seiner guten Ernte könnte er sie schon heute davon befreien, von der Hand in den Mund zu leben. Oder er könnte wenigstens dafür sorgen, dass sie später ihr Auskommen haben, indem er das Erbe regelt. Denn wie oft geht ein Vermögen durch Erbstreitigkeiten verloren!

An diese Möglichkeiten denkt der Bauer nicht. Das ist kurzsichtig und dumm. Denn in all seinem Glück über seinen Besitz vergisst er, dass sein Leben begrenzt ist. Wenn ihn noch heute Nacht der Tod ereilt, steht er mit leeren Händen vor Gott. Sein ganzer Reichtum wird ihm nicht helfen, eine gute Lebensbilanz zu ziehen.

Doch dazu ist der Bauern noch nicht fähig. Denn er ist mit niemandem im Kontakt. Nicht mit den Menschen. Und nicht mit Gott. Er glaubt, so wie sein Besitz gehöre ihm auch seine Seele. Aber die gehört seinem Schöpfer. Gott, der ihn eines Tages ins Leben gerufen hat und eines anderen Tages sein irdisches Leben beenden wird.

Wie der Bauer auf diese harte Ansage reagiert hat, wissen wir nicht. Wahrscheinlich war er ziemlich geschockt und hat zu seiner Frau gesagt: „ Ich muss mal raus, etwas Luft schnappen.“ Und dann sehe ich ihn, wie er ratlos vor seiner Haustür steht, den Kopf schüttelt  und traurig auf seine Scheunen guckt. Ich stelle mir vor, dass ich dort leise neben ihn trete und ihn frage, ob ich ihn auf andere Gedanken bringen darf. Indem ich ihn zu uns einlade, hierher auf das Hofgut. „Ich hab ohnehin nichts mehr zu verlieren“, sagt er vielleicht und kommt zögernd mit.

Hier auf dem Hofgut ist wie immer reges Leben und Treiben. Frau Reder und ihre Kinder sind da, weil sie nach ihren Beeten sehen wollen. Ich mache den Bauern mit ihr bekannt. Die beiden beginnen bald, zu fachsimpeln. Dabei hört er verwundert, dass nur wenige Kinder heute noch erleben, wie Lebensmittel entstehen. Und es ihnen darum soviel Freude macht, ihre eigenen Möhren zu ziehen.

Einige Meter weiter begegnet er vielleicht einem Kollegen von Herrn Goebel. Und erfährt von ihm, dass es heutzutage als Bauer viel einfacher ist, volle Scheunen zu bekommen. Große Maschinen und Düngemittel machen das möglich. Das ist auch nötig. Denn mit immer weniger Fläche müssen immer mehr Menschen ernährt werden. Landwirte sind darum heute meist wissenschaftlich ausgebildet. Sie nehmen regelmäßig Bodenproben, um den Nährstoffgehalt zu überprüfen. So kann der Boden ganz gezielt verbessert werden.

Aber dieser Fortschritt hat auch seine Schattenseiten. Der Lebensmittelhandel nimmt den Bauern nur noch beste Qualität ab, nach klaren Vorgaben. So darf eine Kartoffel nur eine bestimmte Größe haben, sie darf nicht den kleinsten Fleck aufweisen, sonst wird sie nicht gekauft. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Landwirt. Viele Bauern sagen: Letztlich sind Lebensmittel hier zu billig.

Trotzdem wird es vielen Landwirten inzwischen immer wichtiger, „nachhaltig“ zu wirtschaften. Sie verbieten sich, das Letzte aus dem Boden oder ihrem Vieh herauszuholen. Weil Wasser, Boden und Tiere Gottes Schöpfung sind. Gott hat sie dem Menschen nicht überlassen, um damit Raubbau zu betreiben, sondern um sie zu hegen und bewahren. Diese Bauern schlagen im Wald nicht mehr Holz, als nachwächst. Entnehmen dem Boden nicht mehr Nährstoffe, als ihm zurückgegeben werden kann. Und halten ihre Hühner so, dass sie genug Licht und Luft und Platz haben. Maßhalten statt volle Scheunen um jeden Preis ist ihr Grundsatz. Maßhalten, an die nachkommenden Generationen denken und dabei trotzdem auch selbst sein Auskommen haben  – ein anstrengendes und lohnenswertes Ziel,  das  manche Tage zur großen Herausforderung wird.

Nicht nur für die Landwirte. Auch für Verbraucher wie Herrn Kalbfuss und Frau Jourdan, die unser Bauer später im Café trifft. Sie erzählen ihm vielleicht, wie gerne sie hierher kommen. Weil dieser Ort ein kleines Paradies ist, in dem sie sich sehr wohl fühlen. Wo sie aber zugleich immer wieder merken, wie schwer es ist, zuhause in ihrem Alltag konsequent zu leben.

Maß zu halten, damit sich Gottes Schöpfung nicht erschöpft. Weil Lebensmittel viel zu aufwändig verpackt sind und dadurch so viel Plastikmüll entsteht. Weil es oft soviel bequemer ist, mal eben mit dem Auto zum Einkaufen zu fahren, als zu Fuß zu gehen.  Und wir den Kaffeebauern in Guatemala nicht persönlich kennen, von dem wir Kaffee zu fairen Preisen bekommen könnten. Sicher wären wir schneller bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn er mit uns an einem Tisch säße und aus seinem Leben erzählen könnte. Aber er ist weit weg und wir vergessen schnell, welche Menschen und welche Arbeit hinter den Dingen liegt, die wir verzehren.

Wir haben viel zu wenig Kontakt zu dem, was wir nutzen. Darum ziehen uns Orte wie dieser so an. Denn hier können wir erleben, was uns woanders fehlt: Jetzt gerade zum Beispiel Herrn Deist mit den Kindern drüben in der Backstube. Da backen sie ihre Brezeln und Brötchen fertig. Mit glühenden Wangen und leuchtenden Augen. Weil es am Ofen heiß ist. Aber vor allem, weil es soviel Freude macht, etwas selbst herzustellen. Oder der nächsten und übernächsten Generation eigene Erfahrungen weiter zu geben.

Nach diesem Rundgang über den Hof würde ich unseren Bauern natürlich gerne auch zu unserem Gottesdienst einladen. Auf dem Weg dahin könnte er im Blumenfeld schnuppern, an diesen Blüten, die einfach so da sind, schön und bunt, ohne Nutzen, Gottesgeschenk und Augenschmaus.

Diese Pracht vor Augen und dazu das Lebensglück all derer, die sich vergnügt in Gottes Schöpfung tummeln,  lässt ihn vielleicht jetzt doch mit Gott Kontakt aufnehmen und dankbar einstimmen, wenn wir die alten Psalmworte wiederholen: Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Herr mein Gott, die bist herrlich. Du machst das Land voll Früchte, lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen. Dass Du Brot aus der Erde hervorbringst und es des Menschen Herz stärke.

Heute Nachmittag käme dann irgendwann der Zeitpunkt, Abschied zu nehmen. Ich stelle mir vor, wie der reiche Kornbauer wieder nach Hause geht. Immer noch nachdenklich, aber nicht mehr mit eingezogenen Schultern.

Bevor er am Horizont verschwindet, nehme ich mir vor, ihn zu besuchen. In einem Jahr um die gleiche Zeit. Ich bin mir sicher, dass er dann noch lebt.

Denn Jesus wollte ihn und uns mit ihm bestimmt nur aufrütteln. Damit wir unsere Lebenszeit nutzen für das, was uns wirklich reich macht:

In Liebe und Freundschaft mit anderen zu leben. Teilen, was wir haben mit denen, die Mangel leiden. Staunend und achtsam empfangen, welche Wunder Gottes Schöpfung hervorbringt. Behutsam an die nächste Generation weiter geben, was uns anvertraut ist. Und Gott danken für das, was er uns täglich schenkt. Amen.

Perikope
13.07.2014
12,16-21

ZDF-Predigt von Vorsteher Christoph Radbruch

ZDF-Predigt von Vorsteher Christoph Radbruch
17,11-19

Predigt zu Judika (06.04.2014) von Vorsteher Christoph Radbruch, Pfeiffersche Stiftungen Magdeburg

Predigttext: Lukas 17,11-19

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

1. Können Sie sich die Szene vorstellen. Jesus und 10 Aussätzige. Da stehen sie am Rande eines Dorfes, ausgegrenzt. Die Aussätzigen in ihren Lumpen. Und Jesus steht da und schaut sie an und bemerkt ihre blutige Haut und ihre Lumpen.

So beginnt unsere Geschichte. Und die 10 Aussätzigen erheben ihre Stimme: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Wir können das verstehen, oder nicht. Es gibt in jedem Leben Zeiten, wo wir mit unserem Latein am Ende sind und nur noch um Hilfe rufen können. Es gibt Punkte im Leben, da wissen wir, dass unsere Not groß ist und unsere eigene Kraft zu schwach und dann rufen wir um Hilfe.

Das muss gar nicht so lautstark und dramatisch sein, wie bei den zehn Aussätzigen: Ich hatte vor einigen Monaten  Schmerzen im Oberschenkel. Am Freitag denke ich noch, dass wird schon wieder. Aber am Samstag werden die Schmerzen immer stärker. Ich weiß nicht weiter und google mal: Schmerzen – Oberschenkel. Da kommt das Stichwort Thrombose. Ich denke, jetzt fragst du doch besser einmal einen Arzt um Hilfe. Ich gehe in die Notaufnahme hier im Krankenhaus. Da wird Blut abgenommen, eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Thrombose ist es nicht. Ischias. Gut Schmerztabletten und Physiotherapie haben dafür gesorgt, dass nach ein paar Tagen wieder fit war. Aber irgendwie war ich auch beleidigt, mein Körper hat zu funktionieren, dass mein Körper mir Grenzen setzt, das gehört sich nicht.  Und ich habe dies Erlebnis auch als einen Schuss vor den Bug empfunden. Du musst jetzt akzeptieren, dass du auch in das Alter kommst, wo dein Körper nicht mehr so will, wie du willst.

Und auch in einem diakonischen Unternehmen wie die Pfeifferschen Stiftungen erleben wir Grenzen: Das Geld, das wir für unsere Aufgabenausgeben können, wird immer begrenzt sein. Da können wir noch so erfolgreich mit den Kostenträgern verhandeln. Die Zeit, die unsere Krankenschwestern  für die Patienten haben ist nicht unbegrenzt,  der Tag hat nur 24 Stunden.

Und zu unserem menschlichen Leben gehört, dass es begrenzt ist, die lassen sich manchmal ein bisschen nach hinten verschieben, aber wir müssen letztendlich Grenzen akzeptieren. Am Schluss ist unser Leben durch den Tod begrenzt, das erleben wir nicht nur im Hospiz und den Pflegeheimen unserer Stiftungen.  Der Tod die eine große Unverschämtheit und der  erbarmungsloser Zerstörer. Er zerstört den Leib. Er schneidet die Fäden durch, die Menschen miteinander verbunden haben. Die  letztendliche Grenze  des Lebens.

Wenn wir so an unsere Grenzen kommen – was dann? Wie gehen wir damit um? Einfach so weitermachen, solange es nur irgendwie geht. Sich möglichst nichts anmerken lassen – das versuchen viele. Und manche geben sich auch auf. Die zehn Aussätzigen in unserer Geschichte machen etwas anderes. Sie rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser. An der Front unseres Krankenhauses ist dieser Ruf zu lesen.

Manchmal wenn's einem die Sprache verschlagen hat ist dieses Rufen  auch nur ein Seufzer. Vielleicht eher ein leiser zögerlicher Gedanke  Gar nicht so sichtbar, wie die Inschrift über dem Eingang unseres Krankenhauses oder so unüberhörbar laut wie bei den  zehn  Aussätzigen die Jesus gegenüberstehen, die sich nicht schämen laut um Hilfe zu rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!

2. Und was antwortet Jesus? Man kann sich vieles vorstellen, aber völlig überraschend gibt er einen Befehl: Geht. Wir stellen uns Jesu ja immer als einen mitfühlenden und einfühlsamen Mann vor. Der die Sorgen der Menschen aufnimmt. Aber nein, hier gibt er einen Befehl: Geh.

Immer wieder kommen Menschen zu Gott völlig gefangengenommen von unseren Problemen. Voll mit unserer Klage über unsere Nöte. Und was bekommen wir von Gott als Antwort: einen Auftrag: Geh, mach dich auf den Weg. Meine  Rückenschmerzen vor einigen Monaten habe ich als die Aufforderung verstanden,  mich auf den Weg zu machen, indem ich mich mit dem Älterwerden auseinanderzusetze, darüber nachdenke, was es heißt, dass meine Vergangenheit größer ist als meine Zukunft und als den Auftrag, wieder regelmäßig Sport zu machen.

Wir glauben ja oft, dass es Gott es Aufgabe ist, uns  zu trösten, ein Trostpflaster auf unsere Seelen klebt. Aber er erfüllt uns diesen Wunsch nicht immer. Manchmal Gottes Antwort auf unsere Klagen ist ein klarer Befehl. Mach dich auf den Weg.   So wie bei den Aussätzigen, sie  riefen bei Jesus um Hilfe. Und was bekamen sie als Antwort. Jesus drehte sich um und sagte. Geht! Geht und zeigt euch den Priestern. Er gab einen Befehl: Macht euch auf den Weg.

3. Die Aussätzigen machten sich auf den Weg und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der tut, was ihm befohlen ist. Die Aussätzigen gehorchten dem Wort Jesu. Sie glauben ihm. Ja es geht hier um Glauben. Glauben ist dem Wort Jesu gehorchen.

Wir meinen ja oft, glauben wäre etwas für wahr halten. Also zum Beispiel etwas das man mit dem Verstand nicht erklären kann und deswegen eben nur Glauben kann. Und dann kommt es eben  zu Missverständnissen, dass Glauben verstanden wird als das Für-Wahr-Halten der Tatsache, das Jesus über Wasser gehen kann oder Maria eine Jungfrau war.

Oder wir halten Glauben für ein Gefühl, das unsere Herzen erfüllt. So ein frommes Gefühl von Gott, das uns ganz erfüllt. Aber das ist nicht der Glaube in dieser Geschichte aus der Bibel. Dieser Glaube, der hat Hände und Füße. Dieser Glauben ist tun und gehorchen. Glauben ist nichts weniger als sich auf Gottes Wort hin auf den Weg machen. So wie sich zum Beispiel Gustav Adolf Pfeiffer, der Gründer unserer Stiftungen auf den Weg machte um Geld zu sammeln für die Versorgung von Krüppeln, wie man damals behinderte Menschen nannte. Als er 1881 als Pfarrer und Superintendent nach Cracau kam, einem Vorort für Industriearbeiter am Rande Magdeburgs kam sah er sehr schnell, dass  die meisten Einwohner – Männer wie Frauen, um zu überleben in den großen Magdeburger Fabriken auf der anderen Seite der Elbe arbeiteten mussten.   Er erkannte sehr schnell, dass sich niemand um diejenigen kümmerte, die nicht arbeiten konnten: die Kinder, Kranken und Alten.  Diese Situation verstand er als Auftrag und machte sich auf den Weg über die Elbe in die Stadt Magdeburg. Dort sammelte er Spenden bei den Fabrikbesitzern,  richtete einen kleinen Kindergarten ein und baute 1889 das Johannisstift als Pflegeheim.

Sie wie sich zum Beispiel die Mitarbeiter der Behindertenhilfe unserer Stiftungen immer wieder auf den Weg machen zu den Behörden, um sich dafür einzusetzen, dass Familien in denen die Eltern behindert sind und einen unterschiedlichen Hilfebedarf haben, trotzdem zusammen wohnen können.  Heute noch muss ein junger Vater, nennen wir ihn Markus, abends sein Kind und die Mutter verlassen, weil auf seinem Förderbescheid ambulantes Wohnen steht. Er braucht nur wenige Stunden Hilfe in der Woche, z.B. zum Schreiben der Einkaufsliste.  Seine Lebensgefährtin und ihr gemeinsames Kind brauchen intensivere Betreuung, deswegen steht auf ihrem Förderbescheid "intensiv betreutes Wohnen" Und da Vater und Mutter in verschiedenen Leistungstypen der Behindertenhilfe einsortiert sind, erlauben die Kostenträger nicht, dass sie in derselben Wohnung wohnen.

Die Mitarbeiter der Behindertenhilfe und Gustav-Adolf-Pfeiffer haben sich auf den Weg gemacht, so wie die Aussätzigen sich auf den Weg machten und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der sich auf den Weg macht.

4. Und was für ein Skandal! Jesus schickt die Aussätzigen los ohne geheilt zu sein, um sich den Priestern zu zeigen. Nach jüdischem Gesetz mussten sich Aussätzige, falls sie doch einmal wieder gesund wurden, von einem Priester offiziell als rein deklarieren lassen Aber die blutigen Knoten im Gesicht und an den Händen sind noch sehen und trotzdem sagt Jesus sag zu Ihnen: Geht zum Priester!  Und die Aussätzigen gehorchen Jesus und vertrauen ihm. Sie gehen los um sich etwas beim Priester bestätigen lassen, was noch gar nicht mal ansatzweise passiert ist. Und auf dem Weg  werden sie dann geheilt, noch bevor sie ankommen. Der Zeitpunkt der Heilung geschieht also erst, als sie sich aufmachen, als sie  losgehen, um sich vom Priester die Heilung bestätigen zu lassen. Losgehen im Vertrauen, dass sich auf dem Weg etwas verändert.

Anders als in dieser Geschichte, kann es sein, dass wir losgehen im Vertrauen auf Gott und die Krankheit doch nicht loswerden. Vielleicht haben wir nicht genau hingehört,  dass Gott uns den Auftrag gegeben hat, zu lernen mit dieser körperlichen Grenze zu leben. Und sich erst etwas verändert, wenn wir uns auf diesen Weg machen.

Sich so auf den Weg machen, im Vertrauen, dass Gott etwas verändert. Von diesem Glauben sagt Jesus  zum Schluss der Geschichte: Steh auf und geh, dein Glaube hat dich geheilt.

5. Für neun ist die Geschichte damit zu Ende. Nur einer, der kehrt um und kommt wieder zu Jesus. Er preist Gott mit lauter Stimme. Dankt Jesus als Ein-Mann-Lobpreischor.

Und deswegen feiern wir jetzt auch gemeinsam Gottesdienst, um  Gott zu loben mit Liedern und Gebeten. wir werden nach diesem Gottesdienst wieder in unseren Alltag gehen und sind aufgerufen, dort zu versuchen Gottes Willen zu tun.

Aber jetzt, jetzt ist der Zeitpunkt Gott die Ehre zu geben und unseren Lobgesang anzustimmen. Hier sind wir, die christliche Gemeinde, die umdreht, zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Lasst uns Gott loben und gemeinsam singen...

Das Textbuch zum Gottesdienst finden Sie hier.

Perikope
06.04.2014
17,11-19

Konfi-Impulse zu Lukas 13,22-30 von Ulrich Erhardt

Konfi-Impulse zu Lukas 13,22-30 von Ulrich Erhardt
13,22-30

 

 

Der Bußtag bietet sich besonders dafür an, mit Konfirmandinnen und Konfirmanden zusammen einen Gottesdienst zu gestalten, denn er fällt immer auf einen Mittwoch. Der Predigttext bietet einige Anknüpfungsmöglichkeiten.

Die enge Tür zu Jesus (V. 24f)

Es entspricht der Erfahrung Jugendlicher, dass die Tür zu Jesus sehr eng ist. Glaubenszweifel, die Theodizeefrage oder die (empfundene) Spannung zwischen Glaubensbekenntnis und naturwissenschaftlichen Behauptungen machen den Zugang zum Glauben schwer. Selbstkritisch haben wir uns als Verantwortliche zu fragen, wo wir diesen Zugang verengen oder gar versperren.

Daran kann man mit Konfirmanden arbeiten, indem man ihnen Plakatkartons in Form von Verkehrszeichen gestaltet (man kann natürlich auch beim kommunalen Bauhof nach ausrangierten echten fragen). Auf Vorfahrtsstraßenschildern kann notiert werden: „Was mir den Zugang zum Glauben an Gott erleichtert …“, auf „Durchfahrt verboten“-Schildern: „Was mir den Zugang zum Glauben erschwert …“ Beides wird im Gottesdienst der Gemeinde vorgestellt und in der Predigt reflektiert: Wie gelingt es, sich ums Hereinkommen zu bemühen? (v.24) Wo sind unsere „hausgemachten“ Hürden im Weg?

Die Ausgeschlossenen (V. 25-28)

Dass Türen verschlossen sind und man nicht hereinkommt, erleben Konfirmanden immer wieder. Weil sie zu jung sind für einen Kinofilm oder eine Party, weil Erwachsene Dinge unter sich ausmachen wollen, weil sie von Gleichaltrigen ausgegrenzt werden. Daran lässt sich anknüpfen: Warum macht Jesus eigentlich hier so einen exklusiven Club auf? Gibt es Gründe, jemand auszuschließen? Vielleicht entdecken wir, dass  wir in unseren menschlichen Gruppen und Cliquen aus verständlichen, aber eigentlich zu überwindenden Gründen andere ausgrenzen. Gibt es aber umgekehrt eine „Ungerechtigkeit“ (V. 27), durch die sich jemand selbst zu Recht ausschließt? Wie gehen wir damit um, dass wir nicht der Hausherr sind, der „Ausschlussgründe“ wirklich beurteilen kann?

Die Eingeladenen (V. 29-30)

Eine bunte Gemeinschaft bisher Letzter die nun Erste werden, steht hier vor Augen. Die Frage, wer von uns auf die „Pole-Position“ gerankt wird und wer als „Looser“ gilt, ist für Konfirmanden immer aktuell. Dann weiterdenken: Würde Jesus ein anderes Ranking vornehmen? Beide „Hitlisten“ präsentieren sie der Gottesdienstgemeinde. Ebenso kann mit dem Bild von Sieger Köder „Tischgemeinschaft mit den Ausgegrenzten“ (über www.versacrum.de) gearbeitet werden: Wer sitzt hier mit am Tisch? Würde ich mich dazusetzen? Warum (nicht)?

 

 

 

Perikope
20.11.2013
13,22-30

Predigt zu Lukas 13, 22-27.30 von Ralph Hochschild

Predigt zu Lukas 13, 22-27.30 von Ralph Hochschild
13,22-27

 22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.  23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen:  24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?  26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt.  27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Herr, segne unser Reden und Hören. Amen

Liebe Gemeinde,

Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich stehe im Flur auf der 8. Etage des Hotels und will in mein Zimmer. Wieder und wieder habe ich meine Karte durch das Lesegerät gezogen. Die Leuchtdiode blinkt rot statt grün. Mein Zimmer bleibt verschlossen. Ich will aber durch die Tür hinein.

Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich gebe zu: Es ist spät. Es ist ein schöner Abend gewesen, unser Klassentreffen. Gut gegessen, nicht zu viel getrunken, viele alte Geschichten, manche vergessene Geschichte, Freude aneinander, Staunen, was aus dem einen oder anderen geworden ist, kleinere Angebereien, viel Gelächter und: Meine ganze Lebensgeschichte ist mir an diesem Abend gegenwärtig wie selten. Aber jetzt, spät in der Nacht, ginge ich gerne ins Bett. Und jetzt geht diese Tür nicht auf!

Unser Predigttext spielt mit diesem Wunsch - durch die Tür zu kommen. Und wir spüren die Angst, vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Jeder von uns kennt beides. Jeder Konfirmand kennt den Wunsch hinein zu kommen, ein fester, wichtiger Teil seiner Gruppe zu werden, einfach dazu zu gehören. Und schon jeder Konfirmand weiß, wie verletzend, wie gemein es ist, wenn jemand ausgeschlossen ist, draußen gehalten wird, draußen bleiben muss. Was es heißt, vergeblich anzuklopfen. Und was mancher Jugendliche auf sich nimmt, um dazu zu gehören.

Niemand kann den Jüngern und Sympathisanten Jesu vorwerfen, dass sie nichts auf sich nehmen. Sie wollen Jesus begegnen. Sie haben Haus und Hof verlassen. Sie gehen mit mit ihm mit. Sie haben in den Städten und Dörfern ihre Arbeit stehen und liegen gelassen. Sie wollen ihn treffen. Sie wollen ihn hören. Er ist auf dem Weg nach Jerusalem, er geht Schritt für Schritt an den Ort, an dem sich sein Leben am Kreuz vollenden wird, er zieht an den Ort, an dem er für uns Menschen durch seine Auferstehung einen neuen Anfang setzen wird.

“Gibt es auch für mich einen neuen Anfang? Für mich, nur einer unter diesen vielen, die intensiver glauben, frömmer leben, moralischer handeln als ich? Oder werden nur wenige selig?” Es ist die Frage des Buß- und Bettages, die hier einer für uns stellt: “Bin ich festgelegt auf mein altes Leben? Verfolgen mich meine alten Fehler ein Leben lang? Muss ich meine Fehlentscheidungen ein Leben lang mit verlegenen Entschuldigungen wie alte Schulden abstottern?”

Wie gerne hörten wir jetzt ein deutliches “Nein! Musst du nicht! Nein! Deine Fehler werden dich nicht verfolgen. Du bist nicht ein Leben lang festgelegt! Erfinde dich einfach neu!” Aber so einfach geht es nicht. Vielleicht wäre das auch zu billig. Denn Jesus antwortet: “Ringt darum, wetteifert darum, kämpft darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht.” 

Und bei mir geht jetzt auch noch das Licht aus. Funktioniert die Tür nicht richtig? Ein Programmierfehler? Oder habe ich die Karte aus Versehen mit meinem Tischnachbarn getauscht? Was soll ich tun? Wohin jetzt gehen? Wen jetzt suchen? Da stehe ich nun vor Tür, nach einem wundervollen Abend, meiner Lebensgeschichte bewusster als sonst, aber auf dem schmalen Magnetstreifen steht das Falsche: die falsche Zimmernummer, die falsche Person, das falsche Leben. Nicht nur die Tür, auch ich bin auf einmal blockiert.

Was hindert uns eigentlich, durch die Tür zu gehen? Was hindert uns, den Schritt zu wagen? Was blockiert den Weg durch die Tür ins richtige Leben? Wer macht uns die Pforte eng? Ich glaube, wir sind es selbst. Es fällt uns oft schwer, unseren Glauben ganz selbstverständlich zu leben. Vielleicht hemmen schlechte Erfahrungen unsere Schritte auf andere zu. Manchmal empfinden wir einen zu großen öffentlichen Druck und wir halten mit unseren Überzeugungen, Traditionen und Werten lieber hinter dem Berg. Gern bleiben wir unter uns. Wir sehen die Menschen, die mit dem Evangelium nichts oder nichts mehr anfangen können, mehr als Last denn als Aufgabe. Oft nehmen wir nicht wahr, was andere Menschen an uns befremdet, an unserer Sprache, an unserem Verhalten, an unserem Auftreten. Entspricht unser Leben unserem Auftrag? Es kommt mir manchmal bei uns so vor, als kämen die richtigen Erkenntnisse und Überzeugungen nicht in unserem Leben an, als passten unser Leben und unser Glauben nicht zusammen. Es ist, als stünden wir auch als Kirche vor der Tür und auf unserem Magnetstreifen stünde nicht “getauft”, nicht “gehört zu Jesus Christus”, nicht “zur Hoffnung berufen” - ein verkrampftes, unfrohes Leben. Nicht das Leben von freien Christenmenschen, nicht ein Leben, das Jesu Gegenwart in uns spüren lässt, kein Leben, das sich von Jesu Weg und Lehre hat ermutigen lassen, kein Leben, das andere ermutigt, sich mit uns auf den Weg zu machen.

“Ich glaube wir haben unsere Karten vertauscht”. Das Licht geht an. Ein lachendes Gesicht, ein fröhlicher Wechsel unserer Karten. Ich ziehe den Magnetstreifen durch das Schloss, grünes Licht, die Tür geht auf. Endlich, wie erlöst und befreit. “Danke!”

Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um unsere Blockaden zu lösen. Die äußeren und unsere inneren. Der Evangelist Lukas, der uns unseren Predigttext überliefert, erzählt viele Geschichten, in denen Menschen ihre Blockaden überwinden. Die meisten kennen wir gut.

Der barmherzige Samariter überwindet Glaubensgrenzen und Gleichgültigkeit. Er versorgt das fremde, verletze Opfer, gibt ihm zu essen und zu trinken. Er bekleidet ihn und verschafft ihm eine Herberge. Klassische Werke der Barmherzigkeit. Jesus holt den Zöllner Zachäus von seinem Baum herunter und lädt sich bei diesem unsympathischen Menschen ein. Der Besuch schenkt Zachäus Einsicht in sein Unrecht und die Kraft, Unrecht wieder gut zu machen und von jetzt an gerecht zu leben. Die beständig bittende Witwe bricht das Herz des harten, gleichgültigen Richters. Lukas weiß: Was im Verborgenen vom Glauben gesprochen wird, wird doch den Weg über die Dächer in die Öffentlichkeit finden. Und es tut uns gut, wenn er uns daran erinnert, dass wir einen barmherzigen Vater haben, der Türen wieder öffnet, die wir einmal hinter uns zugeschlagen haben.

Liebe Gemeinde,

sie waren das Letzte, diese Menschen in diesen Geschichten des Lukas. Verabscheute Fremde, Gauner, lästige Witwen, Leisetreter, gescheiterte Existenzen. Ihren Wechsel vom alten ins neue Leben, vom falschen ins richtige Leben kann man sich nicht ohne intensives Kämpfen und Ringen vorstellen. Und doch ist er ihnen gelungen, und doch sind sie nach vorn gekommen, sind aus letzten erste geworden, sind ihre Geschichten für uns wichtig geworden, als Beispiele, die uns motivieren können, als Erfahrungen, die uns wieder nach vorn bringen können, als Ermutigung jetzt selbst fröhlich zu einem freien, mutigen Christenleben zu wechseln und nicht ängstlich, sondern durch sie gestärkt auf die enge Pforte zugehen. Sie wird uns offen stehen. Amen

Perikope
20.11.2013
13,22-27

Erwählung zur Verantwortung - Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Ammermann

Erwählung zur Verantwortung - Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Ammermann
13,22-27

22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.

23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen:

24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können.

25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?

26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.

27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!

Liebe Gemeinde!

Ich bin ein lebensoffener Mensch. Ich esse und trinke gern, nehme mir Zeit für die angenehmen Momente und zum Genießen. Ich mache mich breit im  Leben - in freundlicher Beziehung zu anderen, versteht sich. Enge Durchgänge, in denen man stecken bleiben kann oder sich erst klein machen muss um weiterzukommen, sind mir aus Prinzip zuwider. Sie erinnern mich an die verbissenen Münder von Menschen, die sich nicht zu sagen trauen, was in ihnen vorgeht, doch deren abweisende Blicke eine eigene Sprache sprechen. Nicht gerade der Zungenschlag des Evangeliums, würde ich meinen.

Doch im Hinblick auf die verheißene Seligkeit redet plötzlich auch Jesus von einer „engen Pforte“, um deren Passierung man „ringen“ muss – womöglich in Konkurrenz zu all den anderen, die hindurch wollen? - und von einem misstrauischen Hausherrn, der geneigt ist, einem die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Dabei dachte ich immer, die Tore zu Gottes Gegenwart seien weit geöffnet – wie seine Arme und vor allem sein Herz!?

Habe ich mich in Blick auf das Wesen Gottes geirrt? Muss ich umdenken, dem freien Leben abschwören, um diesem Gott zu gefallen? Muss ich den Gürtel enger, die Stirn faltiger und die Mundwinkel tiefer ziehen, um zu jenen zu gehören, die in seiner Nähe willkommen sind?

Was ist überhaupt mit „selig werden“ gemeint? Das ewige Leben?

„...Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können...“

Tatsächlich ist hier die Rede von einer letztendlichen Auswahl. Wenn´s drauf ankommt, kommen nicht alle an!

Dabei orientiert sich Jesu endzeitliches Bild von der engen Pforte an den Wehranlagen befestigter Städte, wie es sie früher überall gab. Wenn am Abend die großen Stadttore geschlossen wurden, blieb für die Nachzügler, jene, die sich draußen verspätet hatten, nur noch ein kleiner Durchschlupf übrig, der mit einer bewachten Pforte gesichert war. Um dort eingelassen zu werden, musste man dem Wächter, der wahrscheinlich tatsächlich durch eine Schießscharte blickte, bekannt sein oder ihn auf andere Weise vom Recht und Nutzen seines Eingelassenwerdens in die geschlossene Gesellschaft der Festungsgemeinschaft überzeugen. Keine leichte Sache. Gesichtskontrolle. Gesinnungsprüfung!

In unseren heutigen Städten erleben so etwas nur noch jene Nachtschwärmer, die zu später Stunde Einlass in eine angesagte Diskothek oder einen verheißungsvollen Nachtclub begehren. Ausgerechnet! Sollte es so etwa auch bei Gott zugehen? Womöglich mit dem Erzengel Michael als bizepsprotzendem Türsteher – „Eintritt nur für Clubmitglieder!“?

Wer ist überhaupt gemeint mit jenem Hausherrn in Jesu Gleichnis, der nachts extra noch mal aufsteht, um die Tür eigenhändig zu verschließen. Wirklich Gott? – Ich habe da so meine Zweifel. Denn die Szenerie, welche Jesus hier entwirft, scheint eher ein Gleichnis zu sein für das „Weltgebäude“ und die Gesetze des Daseins, die darin gelten.

Aber wie auch immer, der Tenor dieses Appells ist eindeutig: Wo es um die Seligkeit geht, also um einen Zustand höchstmöglicher Erfüllung und Vollkommenheit, ist Anstrengung gefordert. Jesus spricht da, wie gesagt, vom „Ringen“ um Einlass. Und nicht jeder schafft das, denn allein dadurch, dass man sich mitreißen lässt vom allgemeinen Strom der Straße, ist es nicht getan. Eigeninitiative ist gefragt. Man muss das wirklich wollen, sich aktiv entscheiden und in diesem Sinne klar Position beziehen. So etwas ist immer unbequem, denn gegebenenfalls ist damit die Notwendigkeit verbunden, jene im Alltag lieb gewonnen festen Standpunkte abseits gefährlicher Auseinandersetzungen aufzugeben – mit vollem Risiko. Denn die bringen einen – buchstäblich - nicht weiter voran.

Umdenken und gegebenenfalls Umlenken lautet die Devise. Jene meist sanften Wege verlassen, auf denen man viel zu lange - im Grunde ziellos - unterwegs gewesen oder einfach mitgegangen war - gedankenlos, aus Trägheit oder Furcht – und die sich in Blick auf das Ziel echter Erfüllung als „Holzwege“ entpuppt haben.

Ums Umdenken und Umlenken dreht sich auch das alte deutsche Wort „Buße“. Heute ist Buß- und Bettag. Buße bedeutet: Einsicht mit Folgen!

Ein kleines Wort für ein großes Programm: „Buße tun“ verlangt, dass ein Mensch sich selbst kritisch ins Visier nimmt. Dass er offen bekennt, was ihm im Leben wichtig ist und nüchtern erkennt was er de facto daraus gemacht hat, um sodann aus seinen Fehlern zu lernen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen und es künftig besser zu machen als bisher. Kurz: Buße heißt Ringen mit sich selbst! Sich überwinden und neu ausrichten. Die eigene Seele kalibrieren.

Wenn Jesus in unserem Text rät: ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht...“, dann ist das wohl in diesem Sinne zu verstehen: Macht euch klar, was für euch wirklich wichtig ist und unterzieht vor diesem Hintergrund eure bisherige Lebensführung einer kritischen Prüfung. Sodann aber zeigt Einsatz, überwindet, was euch so lange im Wege stand – allem voran euch selbst – und handelt!

„Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?“ Liebe Gemeinde, in der Frage dieses Unbekannten mochte Jesus mehr gespürt haben als die oberflächliche Neugier eines im Grunde teilnahmslosen Passanten: Echtes Interesse, aufrichtige Suche, sicher auch ängstliche Sorge um die Zukunft, aber vor allem Entschlossenheit. Der wollte es wirklich wissen und keine Zeit mehr verlieren. Beste Voraussetzungen also für eine „Buße mit Biss“, die zur Entwicklung befreit und Veränderungen – das Neue - nicht nur zulässt, sondern freudig begrüßt. Außerdem sprach dieser Mensch aus, was auch viele der anderen bewegte. Ihm - ihnen allen, die in Bewegung geraten waren - rief Jesus nun zu: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht...“ Weicht jetzt nicht zurück, verliert keine Zeit, denn schon morgen kann es für euch zu spät sein!

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ hatte einst (sinngemäß) der russische Präsident Gorbatschow in Richtung der kalkstarren Politköpfe des DDR-Regimes ausgerufen und damit eine Art Naturgesetz formuliert: Wer nicht wahrhaben will, was die Stunde schlägt, dem hat die seine schon geschlagen. Denn Leben heißt Veränderung. Sich entwickeln. Wer jedoch die Zeit nicht nutzt, die ihm bleibt, kann selbst nicht bleiben...  

Bei Jesus klingt das so: „Wenn ... ihr (dann) anfangt, ... an die Tür zu klopfen und ... zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt ... wird (er) zu euch sagen: Ich kenne euch nicht...!“ – Jesus ruft es in unsere Richtung...

Doch er tut dies nicht, um uns zu verunsichern oder gar zu verurteilen, sondern um uns aufzurütteln. Ich bin überzeugt, dass es nicht in Gottes Natur liegt, die Unentschlossenen und Ängstlichen, all jene, die sich zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Leben buchstäblich „nicht durchringen“ können, brutal zurückzuweisen – im Gegenteil: Gottes Herz bleibt für alle offen -, sondern in der Natur des Daseins auf dieser Welt. Unseres Daseins, das nutz- und ziellos im Leerlauf dahintuckern wird bis uns der Sprit ausgeht, wenn wir uns nicht endlich ein Herz fassen, einkuppeln und Gas geben, um, hinterm eigenen Steuer, Menschen und Menschlichkeit in dieser Welt ein gutes Stück voran zu bringen. - Umdenken und Umlenken!

Sicher, nicht jeder bekommt noch rechtzeitig „die Kurve“ dazu - „...viele“, sagt Jesus, „...werden's nicht können...“ (Zukunft „nur für Clubmitglieder“!) - aber jeder, der am Ende auf der Strecke bleibt, ist für Gott einer zuviel! Wer zu spät kommt, den bestraft – nein, nicht Gott, sondern - das Leben!

Vor solcher „Strafe“ will Jesus uns bewahren, indem er uns auffordert, endlich ernst mit Besinnung und Buße zu machen. Seine drastischen Worte über jene Nachtschwärmer, die sich so peinlich verspätet haben und jetzt an der Pforte drängeln, sind nämlich nicht bloß als Drohung gemeint. Im Kern bergen sie vielmehr eine Verheißung: „Ihr könnt es noch schaffen“, lautet diese. „Noch ist Platz im Haus des Herrn und ein Schlupfloch offen für jene, die mutig und flexibel genug sind, sich auf das zu besinnen, wozu alle berufen sind!“

Indes sind Genussfeindlichkeit oder ein Verzicht auf Lebensfreude kein Beweis der Rechtschaffenheit im Sinne dieser Berufung. So wenig wie irrationaler Selbsthass und tränenreiche Erniedrigungsrituale. (Von wegen „sich klein machen“, um weiter zu kommen...) Im Gegenteil: Echte Buße braucht freie Menschen mit klaren Köpfen. Solche, die mutig zu ihren Schwächen stehen, die nicht leugnen, was in ihrem Leben falsch läuft – keine Ausflüchte mehr! – und Größe zeigen, wenn es mal wieder eng wird an der „Pforte zum Glück“.

Jene Buße, wie sie uns Jesus ans Herz legt, ist ein Akt nüchterner Vernunft und mutiger Entschlossenheit. Wer sie nicht scheut, kann mit offenem Blick nach vorn sehen (nicht wie durch Schießscharten!) und beherzt in Angriff nehmen, was nun zu tun ist.

Anlass dazu haben wir wohl alle. Denn – seien wir mal ehrlich - oft ist uns ja längst bekannt, wie die fällige „Lebenskorrektur“ aussehen müsste, was ich tun müsste, um die eingefahrenen Geleise zu verlassen und mit den alten Fehlern aufzuräumen. Bloß konnte ich mich bisher noch nicht dazu durchringen. Stattdessen hatte ich stets eine ganze Reihe von Erklärungen und Ausreden parat... - Die alltägliche Heuchelei des Verstandes vor dem (schlechten) Gewissen!

Da weiß z.B. einer seit langem, dass er gesünder leben sollte und weniger rauchen, regelmäßig zur Vorsorge gehen usw., aber bisher hatte er immer „gute“ Gründe, das schlechte Gewissen zu ignorieren und weiter zu machen wie bisher. Bis der Befund kam. Und dann war es zu spät...

Da ist eine Familie, Eltern und Kinder, die seit Jahren nicht mehr offen miteinander reden. Unausgesprochene Vorwürfe, Missverständnisse und tief sitzende Kränkungen machen den Kontakt schwer. Dabei wäre eine Aussprache, der erste Schritt zur Versöhnung, dringend geboten, denn alle leiden unter der Situation. Aber den „richtigen Zeitpunkt“ dafür haben sie nie gefunden. Und den Mut auch nicht. Bis der Vater starb... – Zu spät!

Da sind wir alle, die wir um den Zustand dieser Welt wissen, um die hemmungslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Dienst einer zweifelhaften Wachstumsideologie, um Klimaerwärmung und den Handel mit Emissionspapieren, um den Hunger in der Welt und Spekulationsgeschäfte mit Lebensmitteln und und und... Wir wissen das alles, ahnen oft auch, was zu tun nötig wäre und lassen es trotzdem bleiben. Stattdessen lassen wir uns immer wieder abspeisen mit den halbherzigen Absichtserklärungen und folgenlosen Kompromissen vermeintlich machtvoller Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft. Weil es schwer ist, sich aufzuraffen und selber den Anfang zu machen. Weil es Angst macht, im allgemeinen Strom innezuhalten, um den Kopf zu erheben und Mut, der Masse genormter Meinungen  ein eigenständiges Urteil entgegenzuhalten. Weil Schweigen allemal bequemer ist als anderen unbequem zu werden...!

Aber genau das verlangt Gott von uns - im Namen des Lebens! Denn wirkliches Leben – Leben mit Gott, jenseits der Enge - kann langfristig nur gelingen, wo Menschen sich beizeiten aufmachen, um die Herausforderungen des Daseins anzunehmen. Wo sie klar Position beziehen und mit vollem Einsatz darum ringen, dass sich etwas ändert. Dass es besser wird für sie selbst und für andere.

Hat jemand behauptet, dass das Leben einfach ist? ...

Liebe Gemeinde,

es ist wahrhaftig ein enger Durchgang, den einer auf dem Weg der Läuterung passieren muss. Denn wo es ums wahre Leben geht – biblisch gesprochen: um die Erlangung der „Seligkeit“ - ist buchstäblich kein Platz mehr für Ausflüchte und emotionale Eiertänze. Aber diese „Engführung“ lässt nun keine Assoziationen mehr an menschliche Verbissenheit und ablehnende Blicke aufkommen. Ich verstehe sie als Ausdruck jener Konzentration auf das Wesentliche, wie sie für den gelingenden Vollzug unseres Lebens miteinander und vor Gott wünschenswert ist. Absolute Ehrlichkeit uns selbst gegenüber und konsequente Verantwortung für unser Tun... - so lautet heute meine Deutung jenes Bildes von der engen Pforte, die man nur ringend überwinden kann. Das ist, wie gesagt, recht mühsam und nicht ohne Risiko. Beinahe wie eine Geburt. Aber die Anstrengung lohnt sich, denn es ist der einzige Weg um Erfüllung und Frieden – um, wie bei einer Geburt, neues Leben – zur Welt zu bringen. Und genau das ist unsere Berufung. Dazu sind wir erwählt. Willkommen im Club!

AMEN

 

Perikope
20.11.2013
13,22-27

Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Bautz

Predigt zu Lukas 13, 22-27 von Thomas Bautz
13,22-27

So wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, indem er lehrte und nach Jerusalem wanderte. Da fragte ihn jemand: „Herr, es sind wohl nur wenige, die gerettet werden?“ Jesus antwortete ihnen:

„Ringet danach, durch die enge Pforte (vgl. Mt 7,13-14) einzugehen! Denn viele, sage ich euch, werden hineinzukommen suchen und es nicht vermögen. Wenn ihr erst dann, nachdem der Hausherr sich schon erhoben und die Tür abgeschlossen hat, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen beginnt und ihm zuruft: ‚Herr, mache uns auf!‘, so wird er euch antworten: ‚Ich weiß von euch nicht, woher ihr seid.‘ (vgl. Mt 25,11-12)

Dann werdet ihr anfangen zu versichern: ‚Wir haben doch vor deinen Augen gegessen und getrunken, und du hast bei uns auf den Straßen gelehrt‘ (Mt 7,22-23); aber er wird erwidern: ‚Ich sage euch: ich weiß nicht, woher ihr seid; hinweg, steht ab von mir alle, die ihr die Ungerechtigkeit übt!‘.“ (Ps 6,9)

Liebe Gemeinde!

Ungeachtet  des ernsten Anlasses im Kirchenjahr: Buß- und Bettag ist die Botschaft bei Lukas von einer für viele Kirchgänger ungewöhnlichen Härte geprägt, die zunächst so gar nicht zur „Frohbotschaft“ des Evangeliums zu passen scheint. Und tatsächlich haben wir es heute eher mit einer prophetischen „Drohbotschaft“ im Sinne einer eindringlichen Mahnung zu tun.

Die Teilhabe am Reich „Gottes“, am Königreich der Himmel, kann sich nicht anders als im Ausüben der Gerechtigkeit („Gottes“) vollziehen. Die Tora, die wertvolle Weisung für das Leben, will gelebt werden. Nach dem Evangelium, der Frohbotschaft, soll man leben, handeln; sonst wird es verkannt.

Wenn man Unrecht tut, insbesondere seinem Mitmenschen gegenüber, wenn man ungerecht wird im Umgang mit Mitarbeitern oder auch Vorgesetzten, wird das Unrecht zur „schreienden Anklage gegen sich selbst“ (Bovon). Das „Ausschlussverfahren“ geht auf eigene Kosten, und es bedarf keines „höheren Richters“, der uns die Gemeinschaft der „Gerechten“ verwehrt.

Allerdings sind wir alle immer wieder mit der lauernden Gefahr konfrontiert, einmal oder mehrmals im Leben Unrecht zu tun, Ungerechtigkeit statt Gerechtigkeit zu walten oder jemandem angedeihen zu lassen. Der lapidare Satz: „Wir sind alle keine Engel!“ birgt eine sachliche, bei Licht betrachtet, erschreckende Wahrheit.

Deshalb spiegelt die lukanische Mahnung, hinter der sich durchaus die ernste Botschaft Jesu verbergen mag, einen nüchternen Realismus: das Trachten nach dem Reich „Gottes“, ja, das Leben nach dem Evangelium, wie das Leben überhaupt, ist ein permanenter Kampf.

Wir fallen bei diesem Kampf immer wieder auf die Nase, brechen uns manchmal fast den Hals. Dennoch dürfen wir diesem Ringen um Gerechtigkeit nicht ausweichen, sollten nicht konfliktscheu werden. Freilich, es ist nicht nur unangenehm, sondern kostet sehr viel Kraft, sich einem Konflikt selbstkritisch zu stellen und ihn auszuhalten. Deshalb fliehen viele Menschen vor solchen Auseinandersetzungen, und zwar aus unterschiedlichen Gründen.

„Das bringt ohnehin nichts, führt zu nichts.“ „Das bringt nur zusätzlichen Ärger.“ „Dann werden mir noch mehr Nachteile entstehen.“ „Ich riskiere doch keine Kündigung!“

Verständliche Reaktionen, die auch deutlich werden lassen, dass man nicht unvorbereitet dem jeweiligen Konflikt begegnen sollte; heutzutage ist oftmals Rechtsbeistand von Nöten.

Die Dimension, die der lehrende Rabbi Jesus von Nazareth (vermittelt durch Lukas) anspricht, reicht allerdings noch tiefer: Es geht (ihm) um die Verwurzelung unseres Lebens und um die Früchte, die wir erbringen. Teile der Bergpredigt sind mit Gedanken der Mahnrede bei Lukas geistesverwandt, bringen aber zusätzlich mehr Klarheit (Mt 7,15-20):

„Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, im Inneren aber räuberische Wölfe sind.

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Kann man etwa Trauben lesen von Dornbüschen oder Feigen von Disteln? So bringt jeder gute (gesunde) Baum gute Früchte, ein fauler Baum (mit verdorbenen Säften) aber bringt schlechte Früchte; ein guter Baum kann keine schlechten Früchte bringen, und ein fauler Baum kann keine guten Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Also: an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.

Nicht alle, die ‚Herr, Herr‘ zu mir sagen, werden ins Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meines himmlischen Vaters tut.“

Zu denen, die sich selbst dem „Hause Gottes“ gegenüber verschließen, denen der Einlass verwehrt wird, gehören die Heuchler. Wer vorgibt, etwas geistlich darzustellen, vielleicht sogar ein Würdenträger, ein von Amts wegen bestellter und berufener Geistlicher oder ein Presbyter (Kirchenvorsteher), in Wirklichkeit aber seine Position vorwiegend dazu benutzt, um Machtgelüste oder eigene Vorlieben auszuagieren, der hat kein Anteil am Reich Gottes.

Ich denke dabei nicht in erster Linie an Verschwendung von öffentlichen Mitteln oder gar Veruntreuung von anvertrauten Geldern, sondern eher an ungerechtes Verhalten gegenüber Untergebenen, vor allem aber an Verabsolutierung der eigenen Meinung und Verbreitung einseitiger und damit falscher Lehre. Wer ein falsches Evangelium oder Pseudoprophetentum vertritt und verkündigt, wird vom Reich Gottes ausgeschlossen, weil er die Unkundigen und Gutgläubigen indirekt am Hineinkommen hindert.

Wer meint, mit der kirchlichen Taufe bereits fest im Reich Gottes verwurzelt zu sein, gleichsam wie ein Baum zu stehen und jeglichem Sturm weltanschaulicher Infragestellung und Kritik an seinem Lebenswandel ohne weiteres trotzen zu können, schließt sich selbst aus.

Kirchenmitgliedschaft ist nicht identisch mit Teilhabe am Reich der Himmel. Übrigens hat man einmal festgestellt, dass in der Kirche relativ wenig vom Königreich Gottes gesprochen und noch weniger gesungen wird.

Natürlich sind viele Menschen in allen Kirchengemeinden sehr bemüht, Gerechtigkeit walten zu lassen; Gutes, nämlich das jeweils Passende, zu tun und Unrecht zu vermeiden. Insofern bringt ihr Leben „Früchte“ hervor, und es ist bedauerlich und nicht korrekt, wenn sie dafür nur selten gelobt werden. Viele Gemeindeglieder engagieren sich sogar mit Freude und bieten ihre Dienste ganz freiwillig und unentgeltlich an; ich denke an all die Ehrenamtler und andere, oftmals geradezu namenlosen Helfer in den Gemeinden. Ohne sie würde „Kirche“ kaum funktionieren. Diese sind gewiss nicht vom Reich Gottes ausgeschlossen.

Zusätzlich aber bedarf es noch eines weiteren Kriteriums, um ein „Ausschlussverfahren“ (im negativen Sinne) von vornherein abzuwenden. Es reicht offenbar nicht aus, Ungerechtigkeit in jeglicher Hinsicht zu vermeiden. Vielmehr ist es mindestens ebenso unerlässlich, das eigene, angelernte Bekenntnis („Herr, Herr“ sagen) und damit auch den Kirchenglauben nicht zu verabsolutieren.

Ich habe seit vielen Jahren den Eindruck, dass Bedeutung und Wert der guten Taten und Werke im Protestantismus etwas geschmälert werden. Diese geringere Einschätzung, nicht: Geringschätzung, könnte von daher rühren, dass man mitunter vergessen hat, dass Glaube ohne Werke tot ist bzw. dass eine Verwurzelung im Reich der Himmel „automatisch“, bei entsprechender Pflege, gute Früchte hervorbringt.

Die Mehrheit in unserer Gesellschaft hält sich zu keiner Kirche; ich bin aber keineswegs davon überzeugt, dass diese Menschen ein fruchtloses Leben führen.

Ich meine, dass „Kirche“ selbst ausschließend, ausgrenzend wirkt, solange sie andere Menschen zum „Herr, Herr sagen“, zu ihren Bekenntnisformen, anhält. Ich selbst habe von Haus aus keine kirchliche Anbindung gehabt. Meine Fragen als Konfirmand hatte niemand beantwortet. Inzwischen habe ich „Kirche intern“ immer wieder als eine in bestimmten sprachlichen Konventionen verwurzelte Gemeinschaft erfahren, die sich offenkundig unendlich schwer tut, allgemein verständlich und selbstkritisch Menschen anzusprechen, die „von außen“ kommen.

Nach meiner Einschätzung haben die meisten Gemeinden einfach Angst, Mitglieder aus der sog. Kerngemeinde, die klassischen Kirchgänger, zu verlieren. Wird diese Befürchtung aber geradezu kultiviert, werde ich auch kaum „Menschen von außen“ gewinnen. Sehr gefährlich wäre gar eine Haltung der sog. Kerngemeinde, wenn sie sich als bewährte Kirchgänger mit den „Geretteten“ identifizierten, im Unterschied zu jenen, denen der Zugang durch die Tür zum „Hause Gottes“ verschlossen bleibt.

Wäre aber eine solche Identifizierung ausgeschlossen, was ich stark hoffe (!), verstünde ich das Problem ganz und gar nicht: Was (oder wer!) hindert’s, die Kirchensprache in sog. „Gottesdiensten“ und bei sog. Amtshandlungen aufzubrechen und radikal zu verändern?!

Wovor hat man Angst? Mich ärgert es zutiefst, dass es längst ein Umdenken, entsprechende  Entwürfe und Modelle dazu gibt, die zum Teil in manchen Gemeinde bekannt sind, aber nicht oder vergleichsweise nur von wenigen umgesetzt werden. Zum großen Teil werden solche offenbar als revolutionär oder gar „ketzerisch“ geltende Gegenentwürfe zu den „klassischen“ mit Ignoranz oder Missachtung gestraft. Die Anregungen entstammen meist der Praktischen Theologie.

Der Buß- und Bettag ist mit Umkehr und Umdenken verbunden; für Martin Luther bedeutet dies, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei. „Das Christsein sei ein Christwerden“: „Ein Christ ist im Werden, nicht im Gewordensein.“

Das bedeutet auch, dass uns immer wieder bewusst werden sollte, „dass jeder konkrete Ausdruck religiösen Glaubens geschichtlicher Bedingtheit und Relativität unterworfen ist. Diese Erkenntnis schafft einen Geist der Toleranz und lässt jede religiöse oder kulturelle Bewegung zögern, offizielle Gültigkeit für ihre Eigenart zu beanspruchen oder ein offizielles Monopol für ihren Kult zu fordern.“ (Reinhold Niebuhr, 1974; s. J. Wachowski)

Genau das ist aber immer wieder geschehen und bleibt stets aktuell. Daher ist das Trachten nach der Herrschaft Gottes und nach seiner Gerechtigkeit (Mt 6,33) ein beständiger Kampf. Man muss regelrecht darum ringen, hineinzugelangen. Immerhin verspricht der Rabbi von Nazareth, dass wir dazu alles zum Leben Nötige erhalten.

Amen.

Hilfsmittel:

Bibelübersetzung nach H. Menge und Th.B. (vgl. „wibilex“)

François Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/2 (1996), 425-436.

Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe V (2006), 369-374 (Johannes Wachowski; stark auf den Kasus ausgerichtet).

 

Perikope
20.11.2013
13,22-27

ZDF Predigt zu Lukas 18,1-8 von Manfred Rekowski

ZDF Predigt zu Lukas 18,1-8 von Manfred Rekowski
18,1-8

"Wir müssen reden, Gott" 
Die Predigt vom Eröffnungsgottesdienst der EKD-Synode 2013

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Gemeinde hier in der Düsseldorfer Johanneskirche und zu Hause.

Wuppertal besucht Brandenburg-Ost. Wir sitzen mit unserer Partnergemeinde im Pfarrhaus und singen. "Ich möchte gerne Brücken bauen, wo alle tiefe Gräben sehen. Ich möchte über Zäune schauen und über hohe Mauern gehen."  Ein gesungenes Gebet. Doch irgendwas klingt schief, stimmt nicht an diesem Lied. Es sind nicht die Töne. Wir singen routiniert und geübt. Aber ohne echte Hoffnung, dass sich unsere Worte erfüllen.

Wenige Wochen später in Wuppertal. Der Bibelgesprächskreis trifft sich. Plötzlich kommt die Nachricht: Die Mauer ist offen! Wir schauen uns  ungläubig an: Endlich durch diese hohe Mauern gehen? Von Ost nach West?

Einer spricht aus, was viele denken: Ob Gott unsere Gebete erhört hat?

Wenn Gott damals auf der Seite der Menschen war, die sich so sehr nach Veränderung, nach Recht und Freiheit, sehnten, sollte er dann nicht auch bei denen sein, die ihn heute so dringend brauchen?

Wir haben noch eine Partnerkirche, in Afrika, im Osten des Kongos. Von den Menschen dort wird wenig in den Nachrichten berichtet. Dabei schreit es zum Himmel, wie sie leben müssen: Seit Jahrzehnten sind sie in Bürgerkriege verstrickt.

Wir wissen von Frauen, die gemeinsam versuchen, ihre Vereinsamung nach einer Vergewaltigung durchzustehen. Was ihnen Hoffnung gibt, sind Mikrokredite. Und eine Bibel, die sie geschenkt bekommen haben. Kleine Lichtblicke in großer Dunkelheit.

Sie leben am Rande der Stadt Goma in riesigen Flüchtlingscamps. Auch dort, in den beengten Zelten ist niemand sicher vor Gewalt.

Wenn ich sehe, wie sie leben müssen kommt mir ein zorniges Gebet auf die Lippen: "Gott, greif ein! Sorge für Recht und Gerechtigkeit! Mach unserer Ohnmacht ein Ende! Lass unsere Gebete endlich wirken!"

Wie viele kommen in dieses Gotteshaus mit dem Gefühl: Wir müssen reden, Gott! Wem kann ich sonst sagen, was mich im Innersten bewegt? Wo ist ein Platz für das, was mich umtreibt?

Und auch draußen vor der Kirchentür: Unzählige Stoßgebete. Am Krankenbett. Im Büro. Auf der Straße, dem Schulhof…

Doch ändert sich auch etwas? Muss ich vielleicht mehrere Zettel anheften, dringlichere Bitten aufschreiben, damit was passiert? Oder ist das hier nur ein leeres Ritual, und alles bleibt doch so, wie es ist?

Jesus meint: Nein. Es ändert sich etwas, wenn wir zu Gott beten. Aber er argumentiert nicht, wenn es um das Beten geht. Sondern erzählt stattdessen die Geschichte von der Witwe und dem Richter.

Diese Witwe hat es satt. Ihr geschieht Unrecht, doch nichts bewegt sich. So ergreift sie die Initiative und sucht den zuständigen Richter auf.

Gut, wenn man die Adresse kennt, an die man sich wenden kann. Wie oft gibt es gar keinen Zuständigen?

Dagegen hat die Witwe fast schon Glück. Sie hat die richtige Instanz gefunden. Aber die mauert. Und so kommt die Witwe der Lösung keinen Zentimeter näher. Sie gerät offenkundig an einen Richter, der nach Gusto Recht erfüllen oder Recht beugen kann. Daumen hoch oder runter? Oder die Akte besser nur liegenlassen, bis sie sich von selbst erledigt?  So sieht Willkür aus, die sich als Unabhängigkeit tarnt.

Der Richtet fürchtet sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Bis die Witwe an seiner selbstsicheren Fassade kratzt:

 

Einwurf 1 (Der Richter): Ich tue meine Pflicht, bin allein Recht und Gesetz verpflichtet. Ich bin Richter, und da ist es mein Job, frei und unabhängig zu entscheiden, unbeeinflusst auch von Mitleid. Natürlich fühlen sich manche ungerecht behandelt. Sie wissen schon: Einzelschicksale, Leute, die meinen, sie müssten der unabhängigen Rechtsprechung jetzt mal so richtig die Leviten lesen...

Klar habe ich Spielräume! Ob und wie ich diese nutze, entscheide ich ganz allein. So einfach ist das! Manchmal, wenn ich nachts wachliege, frage ich mich schon: wieso ziehst du das so durch, bist so eiskalt-professionell von dieser Rolle überzeugt?

Was ist eigentlich mit den Menschen, über die du zu Gericht sitzt? Warum berühren dich deren Sorgen und Ängste überhaupt nicht?

Nur diese Frau da, diese Nervensäge, ausgerechnet die hat mich ganz gehörig zum Nachdenken gebracht...

 

Was sorgt für Veränderung und Bewegung? Nicht immer die Kraft der besseren Argumente. Das zeigt die Politik. Und auch bei uns in der Kirche ist es nicht anders. Manchmal bringt Angst, von der wir ja sagen, sie sei kein guter Ratgeber, etwas ins Rollen.

Nun, es gibt sicher bessere Kräfte als Angst, um erstarrte Verhältnisse in Bewegung zu setzen. Mut z.B. setzt auch viel in Gang. "Mut ist die Angst, die gebetet hat", stand in diesen Tagen an einer Kirche. Das haben unsere Schwestergemeinden im Herbst 1989 erlebt. Und sich damals in mancher Gemeinde diese Witwe zum Vorbild genommen. Sie wächst ja über sich hinaus und merkt: Ich bin gar nicht so wehrlos, wie ich dachte:

 

Einwurf 2 (Die Witwe): Ich war es wirklich leid. Für mein Recht brauchte ich diesen Richterspruch. Sonst hätte ich es nicht  durchsetzen können.

Was mir die Kraft zum Kämpfen gab? Vielleicht die Achtung vor mir selbst. Unrecht darf doch nicht die Oberhand behalten nur weil der Zuständige seine Aufgabe nicht erfüllt! Dieser Richter hat mich an meine Grenzen gebracht.

Aber immerhin weiß ich jetzt, dass sich meine Hartnäckigkeit gelohnt hat. Daran werde ich denken, wenn ich wieder in solch eine Situation komme. Ich weiß jetzt, was mich stark macht und kann die Furcht überwinden.

 

Beide, weder die handgreifliche Witwe noch der selbstherrliche Richter sind  charmante Sympathieträger. Trotzdem taugen sie in Jesu Augen offenkundig als Beispiel.

"Hört, was der ungerechte Richter sagt", fordert Jesus seine Zuhörer auf. Und unterstreicht damit nochmal, dass sogar dieser starrsinnige Mann am Ende Recht sprechen wird. Das ist ja seine Aufgabe.

Wenn also schon dieser hartherzige Richter seiner Aufgabe nachkommt, wie wird erst Gott für Gerechtigkeit sorgen! Denn Gott, der Vater Jesu Christi, ist ja ganz anders. Er hat uns in Jesus Christus sein barmherziges Gesicht gezeigt.

Er ist in Jesus Christus von den Toten auferstanden und hat damit gezeigt, dass er der Herr über alle ist, die Leben beschädigen. Gott hat das letzte Wort. Auch wenn jetzt noch alles dagegen spricht: Gott tritt für seine Menschenkinder ein. In jedem einzelnen Leben. Denn wenn irgendwo auf der Welt Recht gebrochen wird, steht für Gott in jedem einzelnen Fall alles auf dem Spiel.

Trotzdem steht am Ende der Geschichte kein Triumph, sondern eine Frage: Wird der Menschensohn Glauben finden auf Erden? Diese Frage stellte sich 1989 in Brandenburg-Ost. Sie stellt sich in unseren Tagen besonders schmerzlich an den hohen Mauern und Küsten Europas.

Sie stellt sich in den vielen Ländern, in denen Menschen um ihr Leben kämpfen müssen wie dem Kongo oder Syrien. Sie stellt sich Männern und Frauen, die es in unserer Stadt schwer haben. Sie bewegt Kinder und Jugendliche, die an dieser Welt leiden. Sie stellt sich den Mitgliedern der EKD-Synode, die unsere Kirche leiten und für unsere Gesellschaft Verantwortung übernehmen.

Überall auf der Welt antworten Menschen auf diese Frage, indem sie das Vaterunser beten. Wenn wir gleich sprechen  "Dein Reich komme...."  ist in diese Bitte auch der Ruf eingeschlossen: "Gott, greif ein! Sorge für Recht und Gerechtigkeit!"

In diesen alten Worten bleibt unser Glaube wach. Und in diesen Worten wird Gott bei uns Glauben finden. Er selbst hält die Hoffnung unter uns lebendig. Und er wird Recht schaffen.

Und wir? Wir beten. Wir beten und warten. Wir beten und hoffen. Wir beten und hoffen und tun, tun das, was Not wendet. Amen.

Perikope
10.11.2013
18,1-8